Einen Vorteil hat eine Reise durch die Polarnacht mit bedeckten Nächten: Es gibt nicht so viel für das Blog, daher bin ich ziemlich auf dem aktuellen Stand. Auch wenn ich jetzt natürlich viel lieber Polarlichtbilder bearbeiten würde…
Aber es hilft nichts, auch wenn mir am Morgen einige Gäste erzählen, dass es am frühen morgen um halb sechs doch etwas zu sehen gegeben hätte. Nunja…
Das erste, was ich heute sehe, ist ein klarer Himmel vor Havøysund und die Lichter der südgehenden Hurtigrute MS Nordkapp – mein erstes Schiff, da muss ich natürlich grüßen, auch wenn sie Verspätung hat und unseren Anlieger blockiert.
Warten auf die Nordkapp vor Havøysund
Die See ist ruhig, der Himmel klar, es könnte kaum besser sein. Sowas bitte heute Abend, ja? Erhört mich irgendein Wettergott?
Endlich ist es soweit, die Nordkapp macht den Anleger frei, wir grüßen einander und legen kurz in dem kleinen Örtchen an. Für mich ist es jetzt Zeit zum Frühstücken. An Bord der Polarlys gibt es um 9:30 Nordkap-Briefmarken und -stempel, gegen 10 (da wir leicht verspätet sind) den Interessepunkt zum Magerøya-Sund oben auf Deck 7. Der Sund trennt die Insel Magerøya mit dem Nordkap vom Festland und ist etwas unangenehm, da der Wind auffrischt. Die Gegend wirkt wie immer in der Polarnacht sehr arktisch – relativ hohe, schneebedeckte Berge, die aus dem schwarzblauen Wasser aufragen.
Magerøya-Sund
Irgendwo unter uns ist der Tunnel, der auf die Insel führt und das Nordkap an das Straßennetz anbindet. Tja, das Nordkap… mit Blick auf die Webseite von Statens Vegvesen hatten wir es schon geahnt: Wegen schlechtem Wetter ist die Straße gesperrt, die Dörfer an der Nordseite von Magerøya sind abgeschnitten. Der “Pflichtausflug” zum Nordkap fällt also aus. Lange Gesichter und Frustfressen im Restaurant… Aber fairerweise muss man sagen, dass der Ausflug zwar öfter ausfällt, aber trotzdem noch genug Unfälle passieren. Das Nordkap liegt auf einem flachen, hohen Plateau, das dem Wetter schutzlos ausgeliefert ist – und ein Reisebus hat eine große Windangriffsfläche. Es kommt durchaus immer wieder vor, dass ein Bus von der Straße abkommt und umkippt. Dann kommen auch alle Busse dahinter nicht mehr durch. So ärgerlich es ist, so berechtigt ist die Absage also auch. Und als wir in Honningsvåg einlaufen, hängen düstere schwarze Wolken über der Insel. Nord- und Südseite haben oft unterschiedliches Wetter, sodass wir wenigstens den Ort erkunden können, egal wie es auf der anderen Seite aussieht.
Ich mache die kleine Runde durch den Ort, erst um das Hafenbecken, dann über die Kirche hoch zum alten Friedhof, von dem aus man einen schönen Blick auf Honningsvåg hat. Blöd: Ich überhole zwei andere Wanderer und muss somit den Weg zum Friedhof spuren, weil ich jetzt ganz vorne bin. Oben auf dem Berg ist der Schnee fast kniehoch. Das artet in Arbeit aus, aber lohnt sich. Zumindest das Handy kommt mit den Lichtverhältnissen zurecht und fängt ein düsteres Panorama ein, meine “richtige” Kamera ist überfordert und macht eine Nachtaufnahme, nur mit den Lichtern der Stadt.
Da unten im Hafen liegt unser Schiffchen. Um 13 Uhr findet dort wieder eine Sicherheitsübung statt. Honningsvåg wird immer für diese Übung genutzt, da dann normalerweise kaum Passagiere an Bord sind. Mal sehen, ob ich bis dahin wieder an Bord bin und was davon mitkriege.
Danach geht es wieder in den Ort, zum Glück mit guten Spikes – der Berg ist doch steil. Auch Honningsvåg wurde im Krieg zerstört und neu aufgebaut, es gibt viele der “Standard-Häuser”, die nach dem Krieg als Serien-Fertighaus in der Finnmark weit verbreitet waren. Das Nordkap-Museum reizt mich nicht (da war ich einmal drin – Margit gefällt es, mein Ding ist es nicht), dafür mache ich einen Ladenbummel durch Holmen (den Shop neben dem Narvesen am Anleger), Vekst mit regionalen Sachen und stehe vor dem verschlossenen Christmas House – der zweistöckige Laden mit Weihnachtssachen bis zum Abwinken ist wohl dauerhaft geschlossen und die Besitzerin wieder in Spanien… Schade eigentlich.
Darf’s noch etwas Weihnachten sein?
Stattdessen also noch in den großen Touri-Shop am Abfahrtsort der Busse: Immerhin der hat eine Weihnachtsabteilung, wobei mich die drei Wikinger mehr faszinieren (in der Bildergalerie oben). Aber ich beherrsche mich und lasse sie stehen, auch wenn sie ganz gut zur aktuellen Nordlichtsituation passen würden. Nichts zu hören, nichts zu sehen, nichts zu melden:-(
Zurück auf dem Schiff gibt es um 14:30 wieder Waffeln zu kaufen, nur Platz ist rar: In Tromsø sind mindestens zwei größere Gruppen zugestiegen, samt Kindern – dementsprechend laut ist es (wir sind halt doch noch öffentliches Verkehrsmittel), und ich ziehe mich in meine Kabine zurück, bis um 15:45 bereits mein vorletzter Vortrag ansteht. Zum Glück ist die Barentssee ruhig, und anschließend stellt Margit noch ein norwegisches Nationalgericht vor: Kvikk Lunsj. Pünktlich zu Kjøllefjord sind wir dann auch fertig damit.
Kjøllefjord
Irgendwie verpasse ich es trotzdem, ein Foto von dem verschneiten Örtchen zu machen. Daher gibt es diesmal nur ein Foto vom Hafenterminal. Von Bord gehen wir ohnehin nicht, es ist nur ein kurzer Stop, und die Finnkirche am Eingang des Fjords ist im Winter auch nicht mehr zu sehen, seit sie nicht mehr beleuchtet wird.
Der Rest vom Tag? 17:15 Treffen mit dem Expeditionsteam, 18 Uhr Essen, und ab 18:15 läuft der Film zur Tour auf Dauerschleife, den das Schiff gebastelt hat. Da es doch recht voll ist und ich noch etwas meinen nächsten Vortrag durchsehen muss, bin ich erstmal in der Kabine und verpasse den Film. Der gelegentliche Blick ins Freie zeigt auch größtenteils nur Wolken.
Gegen 21:30 gibt es im Panoramasalon ein Filmquiz, damit ist unten auf Deck 4 Ruhe, und ich mache es mir da bequem. Bei Berlevåg gibt es ein paar Wolkenlücken, aber kein Nordlicht.
Berlevåg und die Havila Pollux
In Berlevåg legen wir kurz an, um zwei Paletten abzuliefern und aufzunehmen, dann wird es etwas voller an Deck: Wir begegnen der Havila Pollux, die etwas mehr Wetterglück hatte. Dann geht es wieder raus auf offene See – bei Windstärke 6-7 ist es unangenehm da draußen, aber immerhin hält der Wellengang sich in Grenzen. Das Quiz zur Filmmusik dürfte auch langsam am Ende sein, und Hoffnung auf Nordlicht habe ich auch keines mehr. Zeit für Feierabend; morgen früh steht Kirkenes auf dem Plan.
Wir sind in der Arktis angekommen, und so viel gibt es heute erst einmal gar nicht zu berichten.
Der Wecker klingelt viel zu früh, weil ich sehen will, wie Harstad mittlerweile aussieht: In den letzten Jahren war der Hafen Baustelle, mittlerweile sind die arbeiten beendet. Für einen Neubau sieht das Ergebnis gar nicht so schlecht aus. Von 7:10 bis 7:45 liegen wir hier. Und wenn ich schon einmal da bin, will ich auch die Schiffsbegegnung mitmachen – aber die südgehende Havila Pollux verpasse ich fast, da sie kurz nach dem Ablegen an unserer Steuerbordseite vorbeifährt, statt wie üblich an Backbord. Aber ich sehe sie noch vorbeirauschen, bevor ich zum Frühstück gehe.
Der Hafen von Harstad mit Neubau, Stadt und Havila Pollux
Der Vormittag an Bord ist ruhig, wir fahren durch die Vesterålen nach Finnsnes und lassen die verschneite Landschaft an uns vorbeiziehen. Immer wieder eine schöne Gegend, und es wird auch noch hell genug, um etwas von ihr zu haben.
Wer lieber im Warmen ist: Um 10 Uhr stellt das Coastal Experience Team die nächsten Ausflüge vor, um 11 gibt es einen englischen Vortrag über die “Norwegian Whale Experience”, und um 11:30 bin ich schon mit meinem dritten Vortrag über den Sternenhimmel dran – also genau nach unserem Zwischenstop in Finnsnes. Bei der halben Stunde Aufenthalt lohnt es sich kaum, von Bord zu gehen, aber wer will, kann einen näheren Blick auf das Schoko-Männchen an dem Haus am Anleger werfen und die Statue des norwegischen Händlers Ottar fra Hålogaland am Ende unseres Anlegers besuchen. Ich begnüge mich mit einem Blick von Deck mit dem Teleobjektiv, schließlich habe ich gleich Vortrag.
Finnsnes
Finnsnes ist mit rund 5000 Einwohnern gar nicht mal so klein, sondern zieht sich die Küste entlang bis zu der Brücke zur Insel Senja. Es gilt auch als Tor nach Senja – bei meinem letzten Trip dorthin wurde ich von Schnee überrascht und war froh, bei Hertz ein Auto mit Spikes bekommen zu haben, statt bei Europcar wir üblich was mit abgefahrenen Sommerreife…
Kurz nach 12 bin ich mit meinem Vortrag fertig, damit bleibt sogar etwas Zeit für das Mittagessen oder einen Blick auf die Landschaft, bevor der nächste Interessepunkt kommt: Jan stellt auf Deck 7 den Rystraumen vor, einen starken Gezeitenstrom, gegen den unser Schiff ankämpfen muss. Das ist aber bei weitem nicht so eindrucksvoll wie der Saltstraumen bei Bodø, nur der Spritverbrauch vom Schiff steigt durch den Kampf gegen die Strömung – gut, dass wir keine Galeere sind!
Am Rystraumen
Wir passieren die Insel Ryøya, vor der immer noch Schiffswracks liegen. Die Moschusochsen-Population aus Grönland, die hier mal kurzfristig angesiedelt war, ist seit etwa 2018 ausgestorben, wenn ich mich richtig erinnere. Aber ich erfahre auch was neues: Einige der Häuser am linken Ufer standen einst in Tromsø. Holzhäuser kann man ja gut wieder zerlegen; als Platz für größere Neubauten gebraucht wurde, wurden sie kurzerhand hier wieder aufgebaut.
Und dann kommt auch schon Tromsø in Sicht, ausnahmsweise nicht mit Regen oder Schneesturm, sondern nur mit Wolken am Himmel und Schnee auf den Straßen.
Tromsø
Tromsø, das Paris des Nordens! Tatsächlich habe ich hier schon mehr Geld gelassen als mir lieb ist. Für Outdoor-Sachen bietet Norwegen einfach eine gute Auswahl. Wir haben auch ziemliche viele Gäste mit Norwegen-Erfahrung dabei, sodass die Ausflüge wohl nicht allzu ausgebucht sind (zumindest nicht mit deutschen Gästen). Mein letzter Besuch hier ist noch nicht lange her (eineinhalb Wochen Lofoten mit einem völlig verregneten Abflugtag in Tromsø), daher ist meine Einkaufsliste nicht zu lang. Also mache ich die kleine Runde am Hafen entlang zum Polarmuseum und der “Festung” Skansen (da steckt wohl unsere “Schanze” drin, das passt auch besser zu dem kleinen Erdwall mit zwei Holzhäusern und ein paar alten Kanonen), dann durch die geschmückte Innenstadt am Dom vorbei zum Nerstranda Einkaufszentrum und zurück.
Der Weihnachtsmarkt
Was neu ist: Der Weihnachtsmarkt, direkt im Terminalgebäude und mein erster Halt. Hier gibt es viel lokales Kunsthandwerk, das im Haus vor dem nordnorwegischen Klima gut geschützt ist. Diesmal finde ich aber nichts, was den Haben-Will-Reflex auslöst. Vor dem Gebäude sind noch ein paar Fressbuden, aber mich reizt weder holländischer Käse noch Tacos oder Gyros für 20 Euro.
Da ich keine Einkaufsliste habe, bleibt Zeit für ein paar neue Läden. Man muss leider sagen: Die Souvenirshops mit Plastik-Krimskrams haben überhand genommen. Ein Wackeldackel Wackelelch gibt mir den Rest… Brauchbare Souvenirs gibt’s eigentlich allenfalls in den Sami-Shops (werden auch immer mehr, und die Joik-Musik muss man mögen, sonst ist sie auf Dauer… anstrengend) und in Tromsøs Greatest Souvenir Shop gegenüber der hölzernen Domkirche. Da reizen mich ein paar schwedische Nisse… Der Rest? Puh. Quantität statt Qualität. Aber die Leerstände nach Corona wurden mit Souvenirs aufgefüllt.
Good buy – frohes Kitsch-Shoppen
Zum Glück hat Tromsø immer noch einige gute Läden und trotz der vielen Neubauten ein schönes Stadtbild, gerade im Winter. Die Stadt ist weiterhin Baustelle, aber sie scheinen langsam mit dem Projekt “Trrrrrromsø” fertig zu werden.
Tromsø bei Nacht (am Nachmittag)
Letztlich verbringe ich einen entspannten Nachmittag in der verschneiten Stadt und lasse nicht allzu viel Geld hier. Leergut wegbringen und Getränke auffüllen, das war fast schon das Programm für die vier Stunden, bevor es zurück auf das Schiff geht. Um 18:15 legen wir ab, und um 18 Uhr gibt es schon Abendessen – diesmal das vorgezogene Nordkap-Buffett. Ich bleibe beim Rentiereintopf und dem Eis hängen; Meerestiere sind nicht ganz mein Ding.
Die Vesterålen
Und dann: Waiting for the Light. Aber die Prognose ist mau, und das auf der Strecke nach Skjervøy! Immerhin ein paar Sterne sind zu sehen, wobei es bodennah neblig-dunstig ist, und um 21 Uhr begegnen wir der südgehenden Hurtigrute MS Vesterålen. Mittlerweile ist sie das älteste Schiff der Flotte; mal sehen, wie lange sie noch fährt.
Und dann, um 21:30, erspähe ich tatsächlich eine kleine helle Wolke, die die Kamera grün sieht. Wird das doch noch was?
Für eine Durchsage ist das zu wenig, also mache ich mal die Runde im Schiff und sagen allen Bescheid, die ich von unserer Gruppe finde. Einige kommen raus und sehen noch einen Hauch von grauem Licht, bevor wir Skjervøy erreichen.
First Light – wird das was?
Aber es ist zäh… so richtig klar ist der Himmel nicht, auch wenn die Sterne über uns nicht schlecht zu sehen sind, und das helle Wölkchen löst sich auch auf. Die, die mit mir an Deck sind, stimmen mir zum Glück zu, dass sich dafür keine Durchsage lohnt.
So viel zum Thema Skjervøy geht immer…
Ich kann so nicht arbeiten.
Skjervøy erreichen wir pünktlich, damit ist erst einmal Pause angesagt. Im hellen Hafen geht mit dem schwachen Polarlichtchen nichts. Und als wir ablegen, ist der Himmel komplett zugezogen. Welchen Troll haben wir beleidigt? Hat jemand beim Buffett nicht aufgegessen, oder was ist los? Spaß macht das nicht, und gegen 23 Uhr streicht der “harte Kern”, der an Deck war, inklusive mir die Segel. Das ist sinnlos…
Ein Hauch von Licht vor Skjervøy, und das war es dann
Am nächsten Morgen schaue ich auf das Handy und sehe, dass über Kanada etwas Aktivität ist, und beim Frühstück kriege ich die Meldung, dass um halb sechs was zu sehen gewesen sein soll. Meldung und Durchsage hat aber keiner gemacht… Ach ja, und die Aktivität? KP 1-2. Da muss doch mehr gehen…
Je weiter wir in den Norden kommen, desto länger werden die Tage – zumindest scheint es so, wenn man sich das Programm ansieht. Heute klingelt der Wecker um 7 Uhr, da wir irgendwann zwischen 7 und 8 den Polarkreis überqueren dürften. So dunkel wie es im Dezember ist (es sind nur noch zweieinhalb Wochen bis zur Wintersonnenwende), verspricht das wieder viele verwackelte Bilder der Kugel auf der Insel Vikingen…
Um kurz nach 7 sind wir noch weit genug vom Polarkreis weg, dass ich in Ruhe frühstücken kann, und etwa zwanzig vor acht kommt die Vorwarnung, dass es demnächst soweit ist – tatsächlich überqueren wir den Polarkreis um 7:58 Uhr und 41 Sekunden. Auf Deck 7 gibt es den Interessepunkt dazu, ich bin auf Deck 5, wo keine Glasfront im Weg ist.
Am Polarkreis
Im Nachhinein stelle ich überrascht fest, dass ich die Uhr meiner Kamera zwar korrekt eingestellt habe, meine Bildverwaltung (ON1) aber zu allen Zeiten eine Stunde dazuaddiert… Seltsam und seltsamer.
Praktisch hingegen: Die Kugel ist jetzt komplett beleuchtet! Keine Ahnung, ob sie das in meiner Zeit schon jemals war – jedenfalls sieht man sie jetzt auch ohne den wackligen Suchscheinwerfer vom Schiff. Nett.
Morgenstimmung
Während die Masse zum Frühstück strömt, nutze ich die Zeit, um die Aurora anzuschauen – allerdings nur Aurora, ohne borealis, also die normale Morgendämmerung. Aber die hat hier oben auch ihren Reiz. Arktische Lichtstimmungen, immer wieder schön. Ich bin ja eigentlich der Meinung, dass sich das Aufstehen vor Sonnenuntergang nicht lohnt, aber bei den Zeiten hier oben mache ich eine Ausnahme. Immerhin geht die Sonne ab morgen gar nicht mehr auf.
Außerdem erwische ich die Kong Harald. Auf der südgehenden Hurtigrute ist noch ein Kollege, aber das habe ich irgendwie verpeilt (und er auch) – ich hatte ihn erst am Abend erwartet. Aber das Schiff grüße ich trotzdem.
Die Kong Harald
Dann heißt es Arbeit: Unsere vormittägliche Reiseleitersprechstunde steht an, und ich muss mein Blog vom Vortag noch fertig machen. Heute haben wir wenig zu tun, wobei Bodø auch nicht so die großen Sehenswürdigkeiten hat. Aber ein paar Tips werden wir los, während neben und um 9:30 die nächste Schiffsveranstaltung ist: Am Aquarium vom Bistro werden Königskrabben präsentiert.
Um 10 Uhr kommt dann einer der schönstgelegenen Häfen der Route kommt: Ørnes, das auch noch ausreichend Licht abbekommt, um als Winterwunderland zu überzeugen.
Wir machen hier nur einen kurzen Stop, aber es lohnt sich, an Deck zu bleiben: Eine arktische Zeremonie steht um 10:30 an. Wir feiern die Polarkreisüberquerung, mit Njørd und Polarkreistaufe.
Ørnes
Wie üblich muss Njørd erst herbeigerufen werden – obwohl das Sonnendeck der Polarlys brechend voll ist, muss der Meeresgott doch gut zuhören, um die Rufe mitzubekommen. Schließlich kommt er doch von den Whirlpools hoch zu uns und bahnt sich einen Weg durch die Massen – schlecht für die Fotografen in der dritten Reihe. Es ist praktischer, wenn er auf dem Dach steht und seine Rede hält; so ist er unter uns, und Jan übernimmt die Kommunikation für ihn.
Polarkreiszeremonie, rechts der glückliche Gewinner
Der Gewinner der Polarkreiswettbewerbs wird bekanntgegeben, er lag nur um eine Sekunde daneben. Zur Belohnung gibt es die Hurtigrutenflagge mit Unterschrift vom Captain und die erste Taufe. Ich gebe meine Fotoversuche auf, es ist zu voll – und ich hatte das Vergnügen mit dem Eis im Nacken und in der Unterwäsche auf meiner ersten Tour.
Außerdem stehen schon die nächsten Termine an: Polarkreistaufe war ab 10:30, ab 11 Uhr werden 20 Minuten lang Briefmarken und Postkarten mit dem Polarkreisstempel abgestempelt, und um 11:30 bin ich mit meinem zweiten Vortrag dran, erzähle etwas über den Mond und gebe ein paar Meteoriten rum. Das Weltall zum Anfassen!
Da wir Bodø um 13:05 erreichen, ist das Zeitfenster für meinen Vortrag klein – wer in Bodø Ausflüge machen will, muss vorher noch essen. Irgendwie wird das Programm auf den Schiffen immer voller…
Einfahrt nach Bodø
Bodø liegt fast so schön wie Ørnes, es lohnt sich, die Anfahrt an Deck zu verbringen. Dabei passieren wir nicht nur die Landschaft, sondern auch den Flughafen. Der Flughafen wird aktuell erweitert und verlagert, was nicht zuletzt den NATO-Flughafen hier betrifft, der sich bislang eine Startbahn mit den zivilen Maschinen teilte. Der neue Flughafen soll 2025 fertig werden, damit hat die Stadt wieder mehr Platz, um zu wachsen, während der NATO-Flughafen verlegt wird – die Fliegerstaffeln wurden 2023 nach Ørland bzw. Evenes verlegt. Noch sehen wir die Startbahn, wenn wir die Stadt anlaufen.
Bodø gehörte zu den am stärksten im zweiten Weltkrieg zerstörten Städten und hat dementsprechend ein sehr modernes Stadtbild. Mit anderen Worten: Man muss schon suchen, um die reizvollen Ecken der Stadt zu finden, wenn man mit moderner Architektur nichts anfangen kann – und allein in den letzten zehn Jahren wurde dort extrem viel gebaut. Sehenswert sind vor allem die großen Wandbilder und die Weihnachtsbeleuchtung; dominant neben den Glas-Stahl-Beton-Hochhäusern das Glashaus (das Einkaufszentrum) sowie Rathaus und Domkirche mit ihren Türmen.
Bodø
Sehr angenehm: Heute ist Bodø fast windstill, sodass man die 15 Minuten Fußweg vom Hafen in die Innenstadt gut zurücklegen kann. Ich drehe meine übliche Runde; neu ist, dass die Gamle Salten im Hafen offen hat und Kaffee und Waffeln anbietet. Das alte Schiff ähnelt denen, die früher aushilfsweise auf der Hurtigrute unterwegs waren.
Gamle Salten
Anschließend gehe ich noch hoch zum Rathaus und zur Domkirche. Letztere ist ein Betonbunker mit freistehendem Glockenturm. Von außen sieht man der Kirche gar nicht an, dass sie innen richtig schön anzuschauen ist. Als ich da bin, legt auch das Glockenspiel los – und wieder einmal frage ich mich, warum große Kirchen so schöne, unaufdringliche Glocken haben, während unsere Dorfkirche einfach nur laut in der Gegend rumrandaliert…
Hinter der Domkirche ist das frisch erweiterte Museum, das sich aktuell ganz auf die Sami konzentriert. Der sehenswerte Part zur Stadtgeschichte fehlt aktuell wohl, und nach dem was ich so höre, überzeugt die aktuelle Ausstellung nicht. Schade eigentlich. Die Stadtgeschichte soll aber wohl nachgereicht werden…
RathausDomkircheStadtmuseum…… mit Anbau
Danach steht auch schon wieder der Rückweg an. Noch ein kleiner Abstecher die Straße entlang bis zu dem Haus mit dem bekannten Nordlicht-Wandbild – es ist von der Kreuzung zwischen Rathaus und Dom schon zu erspähen und gegenüber vom Kiwi. Auf dem Platz war übrigens vor ein paar Jahren der Weihnachtsmarkt; jetzt findet hier nichts statt. Der German Döner mit Tiefkühltomaten und gefrorener Soße ist mir immer noch in Erinnerung; Nordnorwegen ist kein Land für Weihnachtsmärkte im Freien.
Pünktlich zur Abfahrt bin ich wieder an Bord und harre der Dinge: Für die Überfahrt über den Westfjord wurden bis zu Windstärke 7 angesagt, Wellen von hinten und ganz allgemein Rock’n’Roll – aber Rock is dead bzw. verspätet sich zumindest und kommt erst in den Westfjord, wenn wir schon längst in Stamsund sind. Macht aber auch nichts, wenn es mal eine ruhige offene Seestrecke gibt.
Kurz nach 15:30 gibt es den nächsten Vortrag vom Coastal Experience Team über die Reisen der Wikinger (wir bieten derweil wieder Sprechstunde an und sitzen im Gang vor dem Restaurant), um 17:30 folgt das tägliche Gathering mit dem Expeditonsteam, 18 Uhr Essen und mit etwa zehn Minuten Verspätung erreichen wir Stamsund, unseren ersten Hafen auf den Lofoten. Da der Sturm zu spät kommt, legen wir auch problemlos in dem kleinen Hafen an.
Stamsund
Von Stamsund sehen wir nicht viel; diejenigen, die am Wikingerfest teilnehmen, steigen hier aus und nehmen den Bus über Borg nach Svolvær. Der Großteil des Orts liegt hinter dem Berg, und die Anfahrt ist nicht immer ganz einfach – bei Sturm wird der Ort gerne ausgelassen.
Stamsund selbst wurde übrigens 1610 erstmals als “Nebenhof” erwähnt und wurde 1831 zu einem eigenständigen Gehöft – war damals also nicht mehr als ein besserer Bauernhof. 1775 wurde das erste königliche Privileg zur Eröffnung eines Gasthauses in Stamsund erteilt, und 1831 erhielt Ole Myhre die königliche Besitzurkunde für Stamsund, aufgrund eines Gesetzes von 1821, das den Verkauf von überschüssigem Land des Staates und der Kirche vorsah. Er verlegte Häuser von Æsøy nach Stamsund, das damals schon ein bedeutender Fischerort war, der 1827 immerhin von 41 Booten angefahren wurde. Ab 1831 galt Stamsund als eigenständiger Hof mit rund 30 Einwohnern, bis Myhre den Ort 1850 verkaufte, samt Hof, Handelsposten, Gasthaus und zwei Lagerhäusern und Anlegern. Der nächste Besitzer hielt etwas Vieh, musste das Futter aber importieren, da es weder Wiesen noch Felder gab, nur eine steinige Hafeneinfahrt. Danach ging es mit Stamsund immer weiter bergauf: Erst kam ein Dampfkran, um die Fischerboote zu entladen, 1859 ein Leuchtturm (die ersten entstanden auf den Lofoten ab 1856) und 1868 eine Telegrafenstation. 1890 wurde Stamsund dann unter den fünf Kindern des ehemaligen Besitzers aufgeteilt, zu dieser Zeit entstand auch die Straße nach Leknes, der größten Stadt im Süden der Lofoten.
Den großen Aufschwung erlebte Stamsund zu Beginn des 20 Jahrhunderts, als J. M. Johansen den Ort zu einem der wichtigsten Fischerorte der Lofoten machte. Er wurde innerhalb von 30 Jahren zum größten Grundbesitzer der Gegend und baute ab 1889 den Hafen aus, errichtete Fabriken (Fisch, Beton, Guano für Fischmehl und mehr) und neue Fischerhäuser – 1949 wurden die Fischer- und Ruderhäuser zuletzt modernisiert. Heute ist Stamsund für sie bekannt, auch wenn sie von unserem Anleger aus nicht zu sehen sind.
Ich finde es durchaus bemerkenswert, dass ein ganzer Ort noch vor 100 Jahren mehr oder weniger Privatbesitz war und durch einen Mann so sehr an Bedeutung gewann. Heute hat Stramsund etwas über 1000 Einwohner.
Svolvær
MS Midnatsol
Wir machen wie immer nur kurz Halt in Stamsund, bevor es weiter zur Hauptstadt der Lofoten geht – Svolvær, der “Hauptstadt des Lichts”. Als ich vor zwei Monaten selbst hier Urlaub gemacht hatte, gab es nur Kunstlicht statt Nordlicht, und auch heute verbergen Wolken den Blick auf eventuelles Polarlicht. Da wir effektiv nur eine gute halbe Stunde bis zur planmäßigen Abfahrt haben, mache ich lediglich ein paar Schritte von Bord: Am Marktplatz wartet ein Weihnachtsbaum, und Lichtspiele werden auf den Boden projiziert. Auf dem Rückweg haben wir hier mehr Zeit. Kurz vor Svolvær begegnen wir noch der Midnatsol – eines der größten Schiffe der Flotte, die nach einem Zwischenspiel bei Hurtigruten Expeditions (die mehr auf Kreuzfahrt ausgelegt sind) jetzt wieder Linie fährt und die alte Vesterålen ersetzt.
Svolvær verlassen wir mit etwa 20 Minuten Verspätung, wahrscheinlich mussten wir noch auf die Teilnehmer des Wikingerfests warten. Bei der Abfahrt gibt es auf Deck 7 Trolle, Trollknert (keine Ahnung was da drin ist, ich hatte den einmal probiert) und Fiskekake (die Fischbuletten, die schon manchen frustriert haben, der nur Bulette gesehen und sich auf Fleisch gefreut hatte). Besonders viel ist bei der Abfahrt aber nicht los: Es ist ein langer Tag, an Deck recht kalt und windig, und es ist bedeckt – kein Polarlicht.
Troll-Alarm
Irgendwann kommt die Durchsage, dass wir gegen 23:55 den Trollfjord erreichen und der beste Platz am Bug sein wird. Ich halte solange durch und suche mir einen Platz im vorderen drittel des Schiffs auf Deck 5 – direkt am Bug ist es gedrängt voll, und ich lasse den Platz gerne den Gästen, die den Anblick noch nicht kennen.
Am Trollfjord. Das Handy zeigt mal wieder mehr als die richtige Kamera…
Wegen Lawinengefahr wird der enge Fjord ab dem Herbst gesperrt, daher können wir nur bis zur Mündung des Trollfjords fahren. Eindrucksvoll sind die hohen Wände und die schneebedeckte Mündung aber allemal. Kurz nach Mitternacht mache ich dann endlich Feierabend.
Jetzt hatten wir zwei Tage, an denen sich sämtliche Trolle gegen uns verschworen haben, und gestern auf der Hustavika war auch wieder gut Bewegung im Schiff – die Wellen waren wohl flacher als am Westkap, aber dafür der Winkel ungünstiger. So manch einer hat da wohl überlegt, welcher Teufel ihn geritten hat, im Dezember nach Norwegen zu gehen.
Und heute?
Strahlender Sonnenschein, während wir durch den ewig langen, von flachen Hängen umsäumten Trondheimfjord fahren. Ein Bilderbuchwetter, wie es besser nicht sein kann, bei Temperaturen um die 0°. War da gestern wirklich Regen? Ich kann mich nicht mehr erinnern:-)
Endlich zeigt Norwegen, was es kann!
Morgenstimmung, und zwar richtig gute!
Wir erreichen Trondheim pünktlich und passieren die Insel Munkholmen. Auf Deck 7 gibt es einen Point of Interest – Jan erzählt die Geschichte der Insel. Als Olav Tryggvason hier die Macht übernahm und später Trondheim gründete, floh der örtliche Machthaber Håkon Jarl (der damals praktisch Herrscher von Norwegen war) nach Munkholmen. Ein Sklave verriet ihn, Håkon wurde geköpft, und der Sklave als Lohn für seinen Verrat gleich mit. Auf Munkholmen wurden die Köpfe der Besiegten ausgestellt, und wer nach Trondheim segelte, musste vor der Insel ausspucken – aber immer auf die Windrichtung achten! Später war die Insel Kloster mit lebhaftem Brauereibetrieb (über die Lautstärke der Mönche auf der gut 2 km entfernten Insel gab es in Trondheim immer wieder Beschwerden), und heute ist die Insel Munkholmen Ausflugsziel, während das Bier Munkholmen alkoholfrei ist.
Munkholmen und Blick auf Trondheim
Etwa jetzt muss ich auf Deck 5: Am Kai blockiert die Nordnorge unseren Anlegeplatz, und an Bord ist Tim ebenfalls mit einer Nordlicht-und-Sterne-Tour. Das bedeutet: Winkekonkurranse!
Endlich legt die Nordnorge ab, und auch wenn die Gruppe dort etwas größer ist, gewinnen wir natürlich. Auch wenn auf der Nordnorge vielleicht etwas anderes erzählt wird. Wie dem auch sei: Gute Heimreise!
Gute Heimreise, MS Nordnorge!
Sieht man selten: Unser Schiff
Und wofür kennt man seine Leute: Wir tauschen Bilder mit der Gruppe auf der Nordnorge aus, zur Abwechslung gibt es Fotos vom eigenen Schiff auf See, ohne dass dafür jemand an Land zurückgelassen werden muss. Dank an Tim!
Jetzt heißt es noch rückwärts einparken – früher lagen die beiden Schiffe im Winter noch nebeneinander in Trondheim am Hafen, mittlerweile haben wir mehr Platz zum Rangieren. Da die Schiffe nur auf einer Seite eine Ladeluke haben, ist vorgegeben, welches die Landseite ist: “Packbord”, bzw. backbord.
Und dann legen wir für drei viel zu kurze Stunden in Trondheim an. Aber für einen Gang durch die Stadt langt es, diesmal folge ich der Meute und beginne mit der Innenstadt statt wie gewohnt mit Nedre Elvehavn. Der Morgen ist wirklich traumhaft! Der einzige Wermutstropfen: Der Weihnachtsmarkt macht erst morgen auf.
Dafür ist die Stadt schon hübsch eingeschneit, wir kommen langsam in die Gegend, in der sich Spikes lohnen. Viel hat sich auf den ersten Blick nicht geändert seit meinem letzten Besuch. Nachdem es über den Fluß Nidelv in die Stadt ging, war einer meiner erste Fotostops die königliche Residenz, Norwegens größtes Holzhaus, das direkt neben dem Markplatz mit dem Weihnachtmarkt und gegenüber vom Burger King liegt – Karsten vom Coastal Experience Team hat im täglichen Gathering erzählt, dass der König samt Familie aber meist im Hotel Britannica residiert, wenn er vor Ort ist. Da sind die Zimmer schon vorgeheizt.
Ziemlich genau eine halbe Stunde braucht man vom Schiff bis in die Innenstadt, wenn man zügig, aber ohne Hetze den Weg am Hafen entlang über den Bahnhof nimmt. Für einen schnellen Blick in ein paar Läden langt das, meine wichtigsten Einkäufe für die Tour dürften jetzt erledigt sein. Die Kreditkarte freut sich…
Nächster Halt: Der Nidaros-Dom.
Der BaumeisterAuf dem Türmchen ganz rechts soll Bob Dylan seinNidaros-Dom
Auf meiner letzten Tour war ich ja im Dom drin, mit dem Ausflug in die geheimen Gemächer des Nidaros-Doms – sehenswert. Damit kann ich mir den Blick in den Dom diesmal auch sparen. Aber ich hatte was gelernt und finde die Skulptur des Dombaumeisters am rechten Turm wieder. Er zögert noch, den Bau zu vollenden – der Legende nach endet dann entweder die Welt, oder zumindest stürzt der Dom ein.
Und ich weiß mittlerweile auch, wo Bob Dylan verewigt sein soll – eine der Figuren auf dem oben auf dem Seitenturm rechts in der Bildergalerie oben.
Und dann stand auch schon der Rückweg an, über die alte Stadtbrücke und zu den Fotospots am gegenüberliegenden Ufer.
Der Fahrradlift
Nach der Stadtbrücke kommt Bakklandet mit seinen kleinen, alten Holzhäuschen und dem berühmten Fahrradlift. Der Lift hat für den Winter geschlossen, und jetzt ist angeblich ganzjährig Winter in Trondheim: Wegen zu vielen Unfällen soll der Lift jetzt permanent geschlossen sein. Ich hatte ihn einmal in Betrieb gesehen: Es sieht schon wild aus, wenn man auf dem Fahrrad sitzt und einen Fuß auf den Klotz stellt, der per Seilzug den steilen Berg hochgezogen wird.
Der Rückweg durch Bakklandet und das alte Industrieviertel Nedre Elvehavn ist vertraut, und ich gehe auch recht zügig. Drei Stunden sind knapp bemessen für die hübsche Stadt.
Zurück auf dem Schiff legen wir auch ziemlich bald ab und fahren noch einmal an Munkholmen vorbei und durch den Trondheimfjord. Mit seinen flachen Hängen ist er nicht besonders eindrucksvoll, aber entspannend. Zeit, noch einmal die Sonne zu genießen. Bald ist Polarnacht!
Auf dem Schiff gibt es nach dem Mittagessen einen Vortrag über die Norweger (den mit Karsten auch ein Norweger hält), dann um 15:15 Miesmuscheln auf Deck 7 und anschließend um 15:30 mit Kjeungskjærfyr den meist-fotografierten Leuchtturm Norwegens. Das rote, achteckige Gebäude ist in der Abenddämmerung noch gut zu sehen, das gute Wetter hält weitestgehend.
Kjeungskjærfyr
Danach haben wir ein kaum Ruhe, um 16:00 wird schon was neues vorgestellt: Der Cameralla Fotoclub, eine norwegische Fotocommunity, die (kostenpflichtige) Fotokurse anbietet und jetzt mit Hurtigruten kooperiert. Über die Cameralla-App läuft auch der Fotowettbewerb, den es auf den Schiffen gibt – wer teilnehmen will, lädt seine Bilder einfach über die App hoch und kann die eingereichten Bilder dort auch gleich bewerten. Zur Präsentation gehört auch ein Film, der per KI übersetzt und vertont wurde – ziemlich moton vorgetragen, nur mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Und ganz offen: Ich finde es erbärmlich, wenn man sich bei so einem Projekt keinen Synchronsprecher leisten kann, sondern auf KI setzt. Als nächstes werden dann noch die Bilder rein digital gemacht… Bei der Gelegenheit: Aktuell kursiert wohl ein Video mit der Rettung eines Eisbären aus einem Fischernetz. Das ist alles nur gefakt, eyo, eyo, das ist alles gar nicht echt, eyo.
Aber gut, zumindest hinter der Präsentation steckt wohl doch noch ein Mensch, jedenfalls sind ein paar gute Tipps und nicht zu viele Fehler dabei – und danach menschelt es wieder, Jan gibt gleich noch Kurzinfos zur Nordlicht-Fotografie und -Beobachtung. Wie immer ganz wichtig: Blitz aus!
Das Gathering um 17:30 schaue ich mir von der Kabine aus an. Die Vorträge werden auch auf dem Fernseher übertragen, man muss nicht vor Ort sein. Ein nettes Überbleibsel aus Coronazeiten, das auch jetzt bei vollem Schiff hilft, wenn der Vortragsraum zu voll ist – aber irgendwie hat es was davon, zuhause auf der Couch Youtube zu schauen. Ist nicht ganz mein Ding, nächstes Mal doch wieder live vor Ort. Aber Karsten hat das ganz interessant gemacht.
Ein Hauch von Licht
Draußen hält sich das gute Wetter, und um 18 ruft das Abendessen. Kurz vor der Hauptspeise dann die Durchsage “Vi har liten lys” – schwaches Polarlicht an backbord. Ich schaue kurz raus und gebe dann Entwarnung – da ist zwar ein leichtes Schimmern, aber nichts, was das Auge grün sehen würde. Nur die Kamera sieht ein schwaches grünes Band, aktuell können wir entspannt essen.
Ein bisschen ungünstig ist, dass mein erster Vortrag heute Abend um 20 Uhr ist – versprochen war ruhige See und bedeckter Himmel, stattdessen haben wir klaren Himmel und etwas Wellengang. Anyway, ich wage es, und auf halber Höhe kommt die nächste Durchsage – schwaches Nordlicht. Wir machen mal weiter, auch wenn Jan vom Coastal Experience Team irgendwann einen Zettel an die Tür hält – full service vom Schiff, nur das Polarlicht macht nicht viel. Ich beeile mich mit meinem Vortrag, aber an Deck ist nicht viel zu sehen. Dafür geht der Abend für Terminplanung raus. Da wir Jan in Beschlag nehmen, überrascht uns auch die Begegnung mit der südgehenden Havila…
RørvikEin Hauch von nichts
In Rørvik, unserem letzten Hafen, ist es klar, aber am Himmel tut sich nichts. Nur die Kamera sieht noch etwas grün, aktuell ist zu wenig Materie unterwegs, als dass wir hier im Süden eine nennenswerte Show hätten. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen.
Normalerweise kann man das Westkap idealerweise verschlafen. Wenn man jedoch ganz ordentlichen Seegang hat – und den haben wir – sowie eine Kabine am Bug – und die habe ich, schließlich bin ich hier, um nach Polarlicht Ausschau zu halten, und irgendwer war wohl der Meinung, das geht am besten, wenn ich durch Bullaugen einen Meter weit horizontal durch die Schiffswand schaue und maximalen Abstand zu den Ausgängen auf das Deck habe – klappt das nicht ganz so gut. Oh jesses, was für ein Bandwurmsatz…
Also nochmal: Wir hatten eine recht wacklige Fahrt rund um das Westkap, und generell eine etwas unruhige Nacht. Wer sich unsicher ist, ob er zur Seekrankheit neigt, konnte das also heute gleich in der ersten Nacht herausfinden. Immerhin habe ich von den Bugstrahlrudern nicht viel mitbekommen, das Schiff ist angenehm ruhig – in der Kabine am Bug bekomme ich außer dem Seegang nicht viel mit von der Welt da draußen. Die Hurtigrutenschiffe werden ja immer wieder modernisiert, und durch den Umbau auf Hybridantrieb mit Elektrounterstützung wurde auch am Antrieb der Schiffe einiges verbessert. Das kommt nicht nur der Umwelt zugute, sondern auch der Nachtruhe – die Schiffe waren früher wesentlich lauter. Am Wackeln ändert das natürlich nichts… dafür ist das Restaurant morgens um halb acht noch sehr überschaubar, bei der Uhrzeit + Seegang denkt noch kaum jemand an Frühstück.
Torvik
Draußen ist auch noch finstere Nacht, man verpasst also nichts. In die Polarnacht kommen wir aber erst in Tromsø, bis zum Bodø-Tag haben wir noch Chancen auf Sonne. Theoretisch zumindest – auch wenn sie über den Horizont kommt, sind da noch die Wolken…
Der zweite Reisetag (die dreieinhalb Stunden ab der Abfahrt gestern um 20:30 zählen ja als ein Reisetag, daher dauert unsere 11-Tage-Tour 12 Tage) ist ein typischer Kreuzfahrttag. Eigentlich ist die Hurtigrute ja immer noch Fähre und wird auch von den Einheimischen als solche genutzt (zusätzlich zu der Fracht, die wir aufnehmen), aber hier im Süden fahren noch genug andere Reedereien und verbinden die Ortschaften miteinander. Daher wird dieser Tag im Sommer touristisch für eine Fahrt in den Geiranger-Fjord genutzt, im Herbst für den Hjørundfjord, und im Winter überhaupt nicht. Dafür gibt es jetzt das ganze Jahr über die selben Abfahrtszeiten – sodass wir vom Vormittag (regulär 9:45; wegen der schweren See erreichen wir Ålesund mit einer halben Stunde Verspätung) bis abends um 20 Uhr in Ålesund liegen.
ÅlesundDie Bruvik…… setzt Segel
Dummerweise ist für Ålesund heute Dauerregen angesagt, auch wenn er gegen Nachmittag weniger werden soll. Wer will, kann mit dem Oldtimer-Schiff Bruvik in den Hjørundfjord fahren, alle anderen sammlen ihre Regensachen und können Ålesund erkunden. 1904 wurde die Stadt durch ein Feuer zerstört und im Jugendstil neu aufgebaut. Wenn die damals dieses Wetter gehabt hätten, wäre es wohl noch heute eine typische Stadt voller Holzhäuser…
Wie dem auch sei, nach dem Frühstück treffe ich mich mit Margit, und wir machen Reiseleitersprechstunde – was kann man in Ålesund alles machen und anschauen? Anschließend mache ich mich auf, etwas Zeit an Land zu verbringen. Die übliche Runde – so groß ist der Ort ja nicht. Durch die Fußgängerzone zum Stadtpark, dann die über 400 Stufen rauf auf den Aksla und Ålesund von oben fotografieren. Die Aussichtsplattform der Fjellstua ist geöffnet, dort ist schon eine Reisegruppe eines kleineren Kreuzfahrtschiffes. Aber dass Wetter ist ungemütlich, während die ihre Gäste bewirten, begnüge ich mich mit ein paar schnellen Fotos. Ålesund ist heute ungastlich, auch wenn die Temperaturen angenehm warm sind.
Regnerisches Ålesund
Für den Rückweg entscheide ich mich für den Abstieg durch den Wald anstelle der Treppen. Nett: Der Wald ist mit zahlreichen Nissen dekoriert. Es weihnachtet sehr…
Unten angekommen, gebe ich mir die volle Dröhnung Ålesund und gehe durch das Jugendstilzentrum bis zum Storhaugen, dem kleineren Aussichtshügel hinter der markanten gelben Schule. Die steinerne Kirche wird übrigens gerade an einer Seite renoviert. Der Ausblick ist dort aber auch nicht besser, obwohl ich weiter weg von den Wolken bin. Sauwetter, aber prinzipiell hübsch.
Oder sollte ich sagen: Das pure, reine Norwegen mit seiner ungezähmten, wilden Natur, die dem Menschen immer wieder zeigt, wie klein er ist! Imposante Landschaft mit hohen Bergen, die in den Wolken mystisch verborgen sind!
Klingt doch besser, oder?
Ich gehe trotzdem zurück zum Schiff, die Kamera trocken legen. Die klassischen Bilder der Häuserfront am Brosund müssen trotzdem vorher noch gemacht werden. Auch bei Regen ist Ålesund hübsch – kein Wunder, dass es die Stadt in Norwegen mit den meisten Kreuzfahrtouristen ist. Ein Vorteil der Winterreise: Die großen Kreuzfahrschiffe fehlen; nur ein kleineres Schiff liegt noch auf der anderen Seite vom Hafen. Von ein paar Hapag-Lloyd-Rucksäcken mal abgesehen haben wir die Stadt für uns; montags bei Regen sind auch nicht viele Einheimische unterwegs.
Die Polarlys
Anschließend gehe ich noch zweimal kurz in den Ort, ein paar Einkäufe erledigen, und verbringe den Rest des Nachmittags auf dem Schiff. Einkaufstechnisch werde ich kaum fündig, obwohl schon alle Zeichen auf Weihnachten stehen. Dafür gelingt mir trotz Gegenwind und Regen zumindest ein Handybild unseres Schiffs, das sich in der Glasfront am Anleger spiegelt. Auch hübsch.
An Bord gibt es um 17 Uhr… ähm, seit es das Tagesprogramm nur noch digital auf den Monitoren oder als App gibt, kriege ich das nicht mehr mit. Wobei am Konferenzraum immerhin noch ein Ausdruck hängt… es gibt um 17 Uhr eine Ausflugspräsentation und um 17:30 das Gathering mit dem Expeditonsteam. Es sind wohl beide Vortragsräume voll, aber wir bieten ohnehin noch einmal Reiseleitersprechstunde an, und ich kenne das Programm mittlerweile halbwegs. Aber die Treffen sind immer recht informativ und bieten Norwegenneulingen einiges an Infos.
Dann das Abendessen, bevor wir endlich unsere Welcome-Veranstaltung machen können: Margit und ich stellen uns kurz vor, geben die wichtigsten Tipps und wünschen allen eine gute Reise – auch wenn die ersten schon nach der Nordlichtgarantie fragen. Aber auch wenn das Wetter noch mies ist, jetzt schon alle Hoffnung fahren lassen ist keine Option. Ich hatte erst einmal keinen Erfolg, und gegen Nikolaus könnte es eine stärkere Nordlichtaktivität geben. Da können hier unten ruhig Wolken sein! Abgesehen davon: Auch wenn die Polarlichtaktivität gerade gering ist – Tromsø hat weiterhin immer wieder hohe Aktivitätswerte
Die Richard With
Um 21:30 veranstaltet das Schiff noch eine Kostprobe norweigischer Küche im Panoramasalon, und eine gute halbe Stunde begegnen wir der südgehenden Hurtigrute Richard With. Die beiden Schiffe begrüßen einander mit Lichthupe; für das Schiffstyphoon ist es schon zu spät.
Der letzte Tagespunkt ist dann Molde, das wir gegen 22:45 erreichen. Von der Stadt bekommt man auch nicht viel mit, aber sie markiert für viele den Zeitpunkt, ins Bett zu gehen: Danach kommt die nächste offene Seestrecke, die Hustavika, mit Wind aus Nordwest. Mal sehen, wie die Nacht wird.
Molde
Ich sortiere noch ein paar Bilder, schreibe mein Blog, und dann ist auch schon Mitternacht. Zeit für Feierabend, in Molde gab es ein paar Schneeflocken, und das Polarlichtoval macht auch nicht so viel her – zumindest soweit wir doch noch so weit im Süden sind. Da kann ich getrost ins Bett gehen, selbst wenn ein paar Wolkenlücken zu erahnen waren. Immerhin: Morgen in Trondheim soll es trocken bleiben.
Ich habe noch leichte Probleme daran zu glauben, dass ich heute Abend tatsächlich wieder auf dem Schiff bin – nach fast einem Jahr Homeoffice. Ich bin ja immer noch der Überzeugung, dass Kaiser Barbarossa, dem im Kyffhäuser der Bart durch den Tisch wächst, Schutzpatron aller Zuhause-Arbeiter ist…
Wir haben den 1. Dezember, und ich starte wohl tatsächlich auf die Polarlys. Immerhin: Es ist Sonntag, damit ist die Autobahn von Karlsruhe nach Stuttgart ausnahmsweise mal staufrei. Unter der Woche gilt ja: Das einzige, was Baden und Württemberg verbindet, ist der Bindestrich. A6 und A8 tun’s jedenfalls nicht… Ich starte zu einer überraschend angenehmen Zeit um 8 Uhr morgens (11:55 geht der Flieger) bei 0° durch ein raureifgesprenkeltes Ländle im dichten Nebel, während der Radiomoderator was von Sonne faselt. Am Stuttgarter Flughafen trifft das sogar zu, und ich mache mich auf die Suche nach dem Gate. Eine Reisegruppe (die nicht einchecken will, sondern nur im Weg steht) blockiert den KLM-Schalter, irgendwann wird der Weg frei gemacht und der Check-In beginnt wie bei KLM üblich in aller Seelenruhe. Gut, dass ich früh da bin.
Dafür geht die Security Ruckzuck und ausnahmsweise ohne Sprengstofftest an der Kamera, anschließend habe ich noch eineinhalb Stunden totzuschlagen, bevor das Boarding beginnt und ich fast ganz hinten im Flieger sitze. Und dann: Auf nach Amsterdam!
Bye bye Stuttgart, hallo Amsterdam – zwischendrin wieder Essen wie bei der High Society. Living the Dream!
Meinen “Lieblingsflughafen” Amsterdam erreichen wir pünktlich und landen nach einer Busfahrt in einer Großbaustelle: Der Flughafen wird völlig neu gestaltet, ich erkenne nicht viel wieder. Bei einer guten Stunde Aufenthalt bleibt aber auch nicht viel Zeit zum Erkunden, was sich seit Januar geändert hat. Aber nach dem Januar-Zwischenstop am Ende der letzten Tour brauche ich das auch nicht nochmal… Amsterdam selbst ist ganz nett, aber Flughäfen sind ein notwendiges Übel.
Landeanflug auf Bergen
Gut, dass ich eine Stunde später im nächsten Flieger Richtung Bergen sitze, diesmal noch weiter hinten. Die Reise geht in die Nacht, außer der Bordverpflegung in Form eines Beemster-Käsebrots gibt es nichts lesenswertes zu berichten. Der Landeanflug auf Bergen: Sehr kontrastarm, wir fliegen durch Wolken in die Nacht. Sonnenuntergang war gegen 15:30, wir landen etwa eine Stunde später ziemlich hart: Bumms-hüpf-roll, und ein gut gelaunter Flugkapitän begrüßt uns mit “Welcome to Bergen, welcome to Norway!”
Draußen schifft es… an sich ein gutes Zeichen, auf vielen meiner Touren war der Rest der Reise schön, wenn es in Bergen schlecht war. Aber Norwegen hatte jetzt schon einige Wochen lang verspätete Herbststürme, ein Kollege mit einer anderen Tour ist grad in Alta, weil die Barentssee zu stürmisch ist, und ein anderer schreibt, dass auf Deck 2 die Bullaugen verriegelt werden. Seien wir gespannt. Erst einmal heißt es, raus aus dem Flieger, und zwar flott: “Due to weight distribution” sollen die Leute doch bitte schnell von hinten nach vorne gehen, gibt der Pilot irgendwann durch. Das Flugzeug wackelt auch leicht… Trotzdem dauert es ewig, bis ich als so ziemlich letzter von Bord gehe. Aber es bleibt noch genug Zeit, die Schokovorräte im Duty Free aufzufüllen: Es dauert heute ewig, bis das Gepäck kommt und ich endlich theoretisch Margit helfen könnte, unsere Gäste in Empfang zu nehmen. Aber sie hat schon Gäste requiriert, damit uns keiner der 21 Teilnehmer entkommt – wir sind eine kleine Gruppe, fast wie früher, auf meinen ersten Touren.
Bergen im Regen
Margit ist ja auch ein Urgestein an der norwegischen Küste, und manchmal fährt sie zum Glück nicht nur auf den Oldtimern (wer noch ein richtiges Postschiff erleben will: Das bietet Margit unter Nostalgische-Postschiffreisen.de), sondern auch auf den moderneren Schiffen der Hurtigrute. Ich weiß nicht, wie sie unseren Busfahrer bestochen hat, aber statt wie in der Jahreszeit häufig der Fall fahren wir nicht durch den Tunnel direkt zum Schiff, sondern machen noch eine größere Orientierungsfahrt durch Bergen. Es hilft natürlich, dass wir schnell alle zusammen haben und aufbrechen können.
Heute macht Bergen seinem Titel als regenreichste Stadt Norwegens alle Ehre, aber interessant ist es allemal. Sie hat sogar ein paar Infos zu dem Bergen?-Schild am Flughafen ausgegraben: Das hat ein isländischer Künstler dem Flughafen für 9 Millionen NOK verkauft, um zum Nachdenken anzuregen. Immerhin ist es auch bei dem Wetter hell genug für ein Foto.
In Bergen selbst gibt’s nicht viel Neues, außer dem Weihnachtsmarkt, für den wir keine Zeit haben – kurz nach 18:30 erreichen wir die Polarlys, jetzt sind auch die Kabinen bezugsfertig. Von ihrer letzten Tour kam sie mit einer knappen Stunde Verspätung an, sodass nur drei Stunden Zeit waren, um in Bergen alle Kabinen endgültig fertig zu machen.
Meet the Crew
Das Schiff ist mit rund 350 Gästen relativ leer und doch ausgebucht, weil die meisten Einzelkabinen haben. Nur etwa 80 Deutsche sind an Bord, der Rest spricht größtenteils Englisch. Für Margit und mich steht die Organisation an: Wer ist Coastal Experience Team? Jan – den hatte ich noch nicht. Marko, der hier mal Restaurantchef war, ist jetzt auf der Kong Harald. Wir klären die ersten Termine ab, essen zu Abend, machen Reiseleitersprechstunde, verpassen das Auslaufen um 20:30, gehen um 21 Uhr zur Vorstellung der Crew und beziehen dann irgendwann unsere Kabinen. Uff.
Auch wenn ich zum Glück eine entspannte Anreise hatte, ist das doch immer ein langer Tag und vor allem ein stressiger Abend. Die alte Abfahrt um 22:30 war entspannter, aber mit etwas Glück verschlafe ich in meiner Kabine am Bug so das Westkap morgen früh.
In diesem Sinne: Gute Nacht, und mal schauen, was die nächsten Tage bringen!
In meinem Teleskop-Fuhrpark war tatsächlich noch eine Lücke: Ich hatte kein Teleskop mit 500mm Brennweite. Und Bresser hat für wenig Geld (169,-€ Liste, Stand Juli 2024) einen 90/500 Achromat. Ein richtig bunter Achromat fehlt mir auch noch, also was soll’s – schauen wir mal nach dem günstigsten Angebot!
Der Bresser auf der Vixen Porta
Das kam dann die Tage auch bei mir an, von Astroshop via Amazon, weil er da billiger war als bei Astroshop direkt. Muss man nicht verstehen. Der erste Eindruck: So viel Plastik! Mit zwei Kilo Gesamtgewicht wiegt der ja gar nichts!
Ich hatte mir nur den OTA geholt, also Tubus mit Optik. Im Karton waren:
Der Tubus mit Okularauszug und Rohrschelle aus Vollplastik, Staubkappen und fest montierter Taukappe
Ein 1,25″ Zenitspiegel, leider ohne Filtergewinde
Ein 25mm Bresser Plössl im Drehpack, ohne eigene Staubschutzkappen
Ein 6×30 Sucher mit vorderer Staubschutzkappe (hinten offen) und Plastik-Halter
Ein Handyhalter
Ein Folien-Sonnenfilter in Fassung
Eine winzige drehbare Sternkarte ohne Anleitung
Eine Kurzanleitung zum Teleskop und eine zum Filter
Ein “Downloadcode” für Stellarium.
Um das für das Erwartungsmanagement mal einzuordnen: Für 169,-€ bekomme ich aktuell auch ein Hyperion Okular und habe noch 5,-€ übrig. Das enthält etwa genauso viel Glas und Metall wie das Teleskop… Meine Erwartungen an den lichtstarken Achromat waren also nicht allzu hoch, wodurch er mich dann doch irgendwie positiv überrascht hat.
Fangen wir mal mit dem Sucher an: Um den Sucher zu montieren, muss man die Rohrschelle abmachen. Die Sucherbasis hat nämlich einen Anschlag, er kann also nur von vorne in seine Halterung geschoben werden. Umdrehen geht nicht, dann müsste man das Sucherfernrohr in der Halterung umdrehen, und das ist irgendwie nicht vorgesehen. Der Sucher wackelt natürlich wie ein Kuhschwanz, hat aber tatsächlich ein halbwegs ordentliches Einblickverhalten und sogar ein brauchbares Sichtfeld. Um ihn zu fokussieren, muss man den schwarzen Ring lösen und kann dann das Objektiv auf einem Gewinde drehen und so verschieben. Das wird leider nirgends erklärt. Auf dem Staubschutzdeckel klebt dafür ein großes Warnschild für die Sonnenbeobachtung. Am besten nimmt man den Sucher für die Sonne ab – was bei dem kurzen Tubus bedeutet, dass man die Rohrschelle öffnen muss. Die Sucherjustage geht aber, und er schwingt in die Ursprungsposition zurück. Zusammen mit dem großen Feld vom Okular ist das brauchbar. Da gibt es Sucher, die wesentlich weniger vom Himmel zeigen.
Die Sucherhalterung ist das komische schmale Format von Bresser/ES und mit nichts kompatibel. Für einen gängigen Leuchtpunktsucher muss man sie also ersetzen. Ich hatte noch eine Standard-Sucherbasis da, die mit zwei der vier Befestigungsschrauben kompatibel ist (zwei andere gingen nicht, die Löcher sind weit auseinander), sodass ich den Sucher gegen einen Leuchtpunktsucher getauscht habe. Spart nochmal etwas Gewicht und vor allem Volumen.
Der Okularauszug hat natürlich keine Untersetzung, dafür ein paar Grad(!) Spiel. Für visuell mit leichten 1,25″-Okularen geht das sogar ganz ordentlich; eine Kamera dranzuhängen und zu fokussieren wird schon sportlicher. Mit der relativ leichten MFT-Kamera Panasonic G70 geht es – aber als Leitrohr für die Fotografie wollte ich ihn nicht einsetzen, wenn neben der Kamera auch noch USB-Kabel dran ziehen und man was verwindungssteifes will. Bresser bietet den auch als Leitrohrset an, ohne justierbare Leitrohrschellen zur Festmontage… Jedenfalls kann man gut am Okularauszug wackeln und sieht die Bildverschiebung auch, wenn man das Auge auf die Augenmuschel legt.
Eigentlich hätte ich ja gerne 2″ und gerne einen T-2-Anschluss, aber der vorhandene Okularauszug wäre mit 2″-Zubehör definitiv überfordert, auch wenn das für ein Richfield-Gerät toll wäre. Ich habe hier noch einen TS Monorail-Okularauszug mit 86mm Anschlussflansch, der normalerweise am Vixen 80 Mf ist. Der wäre ideal und passt als Presspassung gerade so noch in den Tubus. Nur festschrauben geht nicht, die Bohrlöcher sind zwar im richtigen Winkel, aber zu nah am Objektiv – die Gewinde im Flansch sind zwar zu sehen, aber mit den Schrauben nicht zu erreichen. Macht aber nichts: Der Tubus ist ohnehin zu lang für einen 2″-Auszug, da komme ich nicht in den Fokus. Nicht einmal, wenn ich die Filterschublade entferne und ein Morpheus nehme, das mit 2″ tiefer in der Okularklemme verschwindet als üblich. Keine Chance. Abgesehen davon, dass das dann deutlich schwerer und hecklastiger wird. War einen Versuch wert:-(
So hätte ich das gerne: Mit 2″-Okularauszug. Kommt nur nicht in den Fokus.
Aber wirklich interessant ist ja, was das Teil kann. Meine schwere alte Saturn-Montierung mit der dualen Prismenklemme von PrimaLuce funktioniert nicht: Die Prismenschiene des Teleskops ist wohl nicht ganz Vixen-kompatibel und zu schmal, ich kann sie nicht festklemmen.
Also ab auf meine GP-DX und an der Sonne ausprobieren: Krass. Mein Gegengewicht vom ED80 ist zu schwer… zum Glück habe ich noch ein leichteres im Schrank.
Der Sonnenfilter wird ohne weitere Sicherung in die Taukappe gesteckt und liefert ein angenehm (falschfarbenes) gelbes Sonnenbild. Ganz hübsch. Interessant: Laut Anleitung muss er dunkel gelagert werden, damit er nicht altert, man soll nicht länger als drei Minuten am Stück beobachten und maximal das 20mm-Okular plus Barlowlinse verwenden, weil höhere Vergrößerungen systembedingt nicht gehen. Da hat Bresser ja Vertrauen in seinen Filter…
Das Beipack-Okular ist vom Einblickverhalten ziemlich mies und kann weg, obwohl Plössl-Okulare eigentlich ganz gut sind. Ich greife stattdessen zu einem alten 35mm und einem 20mm Eudiaskopischen Okular von Baader, einem 19mm TS Flatfield und einem 10mm Classic Ortho ebenfalls von Baader. Damit komme ich bis 50x und habe Sonne oder Mond bildfüllend.
Ach ja: Viel Verstellweg hat der Okularauszug auch nicht, der Backfokus ist knapp bemessen. Mit T-2-Prisma, etwas längerer Okularklemme und dem 35mm Eudiaskopischen Okular komme ich gerade so in den Fokus. Aber am Abend kommt der fast volle Mond raus, und bis ca. 50x macht die Optik mit besseren Okularen tatsächlich Spaß. Wesentlich höhere Vergrößerungen versuche ich aber gar nicht erst: Das 10mm Classic Ortho (50x) ist noch hübsch, auch wenn am Mond schon ein Farbsaum kommt; das 19mm TS mit 2,25x Barlow (60x) überzeugt nicht mehr. Die leichten 1,25″-Okulare unter 10mm haben einen unangenehm kurzen Augenabstand, und kurzbrennweitige Okulare mit angenehmem Einblick kosten deutlich mehr als das ganze Teleskop. Und selbst mit einem 6,5mm Morpheus wäre ich nur bei 76x.
Bresser 90/500 auf der Star Adventurer Montierung
Noch ein Versuch, weil das Teil so leicht ist: Er passt sogar ziemlich gut auf die alte Star Adventurer Nachführung mit Deklinations-Einheit. Schick. Könnte ein netter Reise-Setup sein. Nachteil: Das Star Adventurer Set hat eine Fotoschraube, um eine Kamera an der Deklinations-Einheit zu befestigen. Die Bresser-Prismenschiene hat unten kein Fotogewinde. Um den VarioFinder für Foto/EAA-Versuche am Star Adventurer zu nutzen, hatte ich eine Arca-Swiss-Klemme installiert. Da kann ich die Prismenschiene vom Bresser gerade so reinschieben, wie üblich reinkippen funktioniert nicht. An drei weiteren Arca-Swiss-Klemmen, die ich noch habe, passt die Schiene übrigens nicht, die öffnen sich nicht weit genug.
Am Abend ist klar und fast Vollmond, aber bis 50x macht das tatsächlich Spaß: Der Mond ist dann bildfüllend, und auf der Vixen Porta kann ich Teleskop und Montierung en bloc auf das Stativ setzen. Länger dauert der Aufbau eines Smartscopes auch nicht:-) Die Klemmschraube der Montierung ist dabei allerdings fast am Anschlag, die Prismenschiene hat eine Nut als Durchrutschsicherung, die ziemlich tief eingecshnitten ist. Aber es hält.
Ein bisschen Farbe kommt bei 50x ins Spiel, aber mit dem SemiApo-Filter wird das Bild noch etwas besser. Nachteil: 1,8 mm Austrittspupille am Mond sind immer noch ganz schön hell.
Viel Deep Sky geht bei Vollmond nicht, aber der Kleiderbügel Cr399 ist schon ganz hübsch anzuschauen. Was mir ebenfalls die Beobachtungsfreude versaut: Stechmücken. Konzentrier dich mal aufs Bild, wenn sofort ein Bssssss kommt.
Ebenfalls im Lieferumfang ist ein Handyhalter, dessen Sinn sich mir nicht ganz erschließt. Eventuell soll da Stellarium drauf laufen, um als Navi zu dienen? Das würde zumindest bei azimutalen Montierungen halbwegs Sinn ergeben; auf parallaktischen Montierungen hätte das Handy ja ständig seltsame Winkel. In der Dokumentation wird er nicht erwähnt. Aber für mich ist es praktisch: Ich hatte ja mal ein Celestron StarSense-Teleskop geplündert und mir eine zweite Handyhalterung mit einem Prisma gebastelt. Das Handy kann ich da so auch anschließen und habe dann ein wirklich tolles Push-To, das auch fasziniert. Aber dass Bresser da an Eigenbauten denkt, die auf Celestron-Technologien basieren, kann ich mir nicht vorstellen.
Fazit
You get what you pay for… Das 90/500 hinterlässt daher einen etwas zwiespältigen Eindruck. Die Optik ist gar nicht mal schlecht, wenn man sie für das verwendet, wofür sie gedacht ist: Als Richfielder für niedrige Vergrößerungen bis ca. 50x oder allenfalls auch mal 100x, die man mit günstigen 1,25″-Okularen auch erreichen kann, ohne dass Augenabstand und Einblick unbequem werden. Dann ist auch der Okularauszug nutzbar. Aufrüsten vom Okularauszug auf 2″ lohnt sich zumindest finanziell aber auch nicht, selbst wenn man einen passenden findet – der kostet mehr als das Teleskop und ist ohne größere Arbeiten nicht nutzbar. Andererseits wären 2″ für noch mehr Bildfeld wirklich toll; so zeigt er weniger Feld als mein ED80/600. Das bestätigt jedenfalls mal wieder, dass bei den günstigen Teleskopen die Mechanik das Problem ist.
Der Plastikanteil ist enorm, aber dafür hat man ein preiswertes Teleskop, das man ohne Gewissensbisse einpacken und zur Not auch auf einem guten Fotostativ betreiben kann (passender Adapter vorausgesetzt). Ein 4″-Newton zeigt auch nicht mehr (man darf den Fangspiegel nicht vergessen, der die Öffnung begrenzt) und muss justiert werden, auch wenn er dann höhere Vergrößerungen ermöglicht – mit entsprechenden Okularen.
Statt des optischen Suchers hätte ich für ein Reiseteleskop/Richfielder lieber gleich einen Leuchtpunktsucher gesehen, der Zenitspiegel ist okay und das Okular für die Tonne.
Die Prismenschiene ist so eine Sache für sich – kein echter Vixenstandard, aber auch kein Fotogewinde, um sie auf einem Videoneiger zu montieren.
Wer das Teleskop so nutzen will, wie es kommt – als preiswerten Richfielder – und evtl. noch eine passende Sucherbasis für einen bereits vorhandenen Leuchtpunktsucher rumliegen hat, erhält einen brauchbaren klassischen “Kometensucher” mit 1,25″-Anschluss. Als Grab-and-Go-Gerät auf einer ausreichend leichten und stabilen Montierung macht er Spaß. Wer Planeten oder Doppelsterne bei hoher Vergrößerung beobachten will, wird schon an der kurzen Brennweite scheitern, bevor der Farbfehler zuschlägt – dafür ist es nicht gemacht. Großartig Geld investieren lohnt sich aber wohl nicht. Bei mir wird er wohl die Ergänzung zum Schiefspiegler werden: Da schließt er die Lücke zwischen dem Leuchtpunktsucher und der Mindestvergrößerung von 50x, die das große Teleskop hat.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal freiwillig Sonntags in die Kirche gehe – und dann auch noch um halb acht in der Früh. Aber was soll man machen, wenn der Ausflug 11b – Die geheimen Gemächer des Nidarosdoms – schon einmal tatsächlich stattfindet? Einen Vorteil muss es ja haben, dass die letzten Nächte nicht so anstrengend waren…
Mit Kai und mir warten insgesamt acht oder neun Teilnehmer auf den “Mini-Bus”, der uns zur Kathedrale von Trondheim bringen soll. Davor (und prinzipiell auch noch danach) gab es die Option, in aller Ruhe zu frühstücken, jedenfalls war noch nicht viel los im Restaurant. Nur einige Teilnehmer der normalen Stadtrundfahrt haben auch noch einen Grund, jetzt schon unterwegs zu sein. Und draußen? Nasser Schnee.
Trondheim am Morgen…
Normalerweise findet die Führung auf Englisch statt, diesmal wurde uns noch ein Guide versprochen, der das Wichtigste auf Englisch zusammenfasst. Im Bus werden wir von unserem Guide zweisprachig auf Deutsch und Englisch begrüßt. Während der kurzen Fahrt gibt er noch einige Infos über den Dom: Fast tausend Jahre alt entstand er neben der alten Königspfalz in einer Zeit, als Norwegen noch Reisekönige hatte statt einer festen Hauptstadt; die Anfangsfinanzierung kam vom König, und als später Kirchensteuern eingeführt wurden, durfte die Kirche den Rest bezahlen – schließlich gehörte ihr zeitweise halb Norwegen.
Am Dom erwartete uns eine ganz besondere Atmosphäre: Frischer Schnee und ein Dom noch ganz ohne weitere Besucher, in einer stillen Stadt. Fast schon mystisch und sehr eindrucksvoll.
Im Dom trennt sich unsere Gruppe dann auf: Es gibt eine eigene Führerin für die deutsche Gruppe, und unser erster Guide macht mit der einzigen englischsprachigen Teilnehmerin eine Privatführung. Auch recht, wir sind immer noch nicht zu viele, und einsprachig ist immer von Vorteil. Manchmal klappt was:-)
Der Dom hat noch nicht offiziell geöffnet, und wir haben das mächtige Gemäuer für uns alleine. Es kommt mir auch deutlich heller vor als bei meinem letzten kurzen Besuch vor fast genau zehn Jahren – vielleicht gab es damals die Beleuchtung noch nicht?
Die erste Information? Der Dom ersetzte eine kleine Kirche, die einem seiner Flügel entsprach, und er wurde ohne Keller gebaut. Also fast wie ein modernes Fertighaus, das aus Kostengründen nur auf eine Bodenplatte gestellt wird… Das Problem dabei? Die Menschen wollten in geweihtem Boden beigesetzt werden, und die Mächtigen und Einflussreichen konnten sich diesen Wunsch auch erfüllen. Also wurde Löcher in den Kirchenboden gegraben, bis der so durchlöchert war, dass das Fundament Probleme bekam. Also wurde nachträglich ein Fundament mit Kellergeschoss gegraben, und die meisten Gräber wurden verlegt – wen man halt gefunden hat, als die Kirche untertunnelt wurde. In einem Grab fehlt der Schädel, der Rest des Skeletts ist heute noch an Ort und Stelle – der Rest wurde gefunden, als der Boden vertieft wurde, um mehr Platz und eine bessere Gehhöhe zu schaffen. Der Mann war fast zwei Meter groß – vor der Pest waren die Menschen noch größer als danach.
Unter dem Dom
Daher ist die Unterwelt des Doms tatsächlich der jüngste Teil des Gebäudes, und hat oft eine angenehme Deckenhöhe. Aber natürlich nicht überall…
Nach dem Ausflug unter die Kirche ging es nach oben, in eine der zahlreichen Kapellen. Diese gibt es nicht nur ebenerdig, sondern auch im Obergeschoss, oft mit Türen nach außen – einst gab es wohl Brücken, die sie mit dem benachbarten Erzbischofspalast verbanden. In eine gelangten wir durch einen schmalen, zum Kirchenschiff offenen Gang. In fast völliger Finsternis erwarteten uns ein Wandteppich und bunte Fenster sowie vier sehr kleine Kammern neben der Kapelle. Ihr Zweck? Unbekannt, verloren im Nebel der Zeit.
In der Kapelle im ersten Stock
Der Dombaumeister
Das war es dann auch schon mit geheimen Gemächern – nur etwa eine halbe Stunde hat die kleine, aber eindrucksvolle Führung gedauert. Damit haben wir noch eine weitere halbe Stunde Zeit, um den Dom auf eigene Faust zu erkunden. Von mir aus wäre schon noch ein Raum mehr drin gewesen, aber unserer Führerin hat den nächsten Termin – die Stadtrundfahrt kommt und erfährt ein paar andere Sachen, die wir nicht mitbekommen hatten – zum Beispiel, dass der Dom regelmäßig abgebrannt war. Es wäre vielleicht eine Option für die Zukunft, wenn sich unser Ausflug der Stadtrundfahrt-Führung offiziell anschließen könnte. Aber das macht nichts: Kai und ich kommen mit dem anderen Guide ins Gespräch, Kai fragt nach dem Schlussstein des Doms, und wir machen eine kurze Exkursion nach draußen: Vom richtigen Eck kann man durch die Löcher in der Brüstung die Skulptur des Baumeisters erkennen, der gerade den letzten Stein an seinen Platz am rechten Turm schieben will. Der Legende nach endet die Welt, wenn der Dom einmal fertig ist. Das kennt man ja vom Kölner Dom. Also lässt der Baumeister sich da ganz viel Zeit. Wenn man weiß, wo man ihn suchen muss, kann man ihn durch am rechten Turm das Geländer gerade so erspähen – ein Fernglas wäre jetzt nicht schlecht.
Und dann ist unsere Zeit auch schon um, es geht zurück zum Schiff. Wir legen pünktlich ab und machen Platz für die nordgehende Versterålen, die im Nebel nur unwesentlich besser zu sehen ist als die Insel Munkholmen.
MunkholmenDie Vesterålen
Es dauert etwas, bis das Wetter besser wird und wir den Trondheimfjord erkennen können. Derweil ist an Bord wieder volles Programm – abgesehen davon, dass ich Zeit finden muss, meinen Abschlussfilm fertig zu machen.
Die offiziellen Ausschiffungs-Infos
Um 10:15 gibt es die offiziellen Ausschiffungsinformationen für Bergen, und um 11:30 das letzte Treffen mit dem Expedition Team – bei dem ich mir wohl nie merke, dass das jetzt Coastal Experience Team heißt. Derweil bietet Kai an, alle für die Flüge einzuchecken, die dabei gerne Hilfe hätten. Dann ein leichtes Mittagessen (irgendwie hat man nach elf Tagen gar keinen Hunger mehr), und um 14 Uhr machen wir unseren Farewell-Drink.
Draußen ist es mittlerweile deutlich schöner geworden, aber auch an Bord geht das Programm weiter – ein englischer Vortrag über Wale und ein deutscher über Lustiges aus Norwegen, während ich die letzten Bücher signiere und meine Bilder auf USB-Sticks und SD-Karten kopiere.
Kurz nach 16 Uhr erreichen wir dann auch schon Kristiansund – wir sind flott unterwegs, vielleicht weil der Captain Geburtstag hat und in Ruhe im A La Carte Restaurant feiern will? Jedenfalls ist es noch hell genug, um die schöne Hafeneinfahrt zu genießen.
Kristiansund
Im Hafen wird ein Segelboot abgeschleppt, das sich hinter einem großen Arbeitsschiff versteckt, und der leuchtende “Hollywood”-Schriftzug auf dem Hügel links von der Kirche wünscht ein gutes neues Jahr. Diesmal bleibe ich an Bord, noch ein paar Speicherkarten füllen und schon einmal ein wenig packen.
Mit der Abfahrt aus Kristiansund lassen wir das schöne Wetter und den klaren Himmel über Stadt hinter uns: Es geht raus auf die Hustavika und schaukelt ganz schön, pünktlich zum Abendessen schneit es auch noch. Aber das Geschaukel ist nicht der einzige Grund dafür, dass einige Tische unbesetzt sind: Viele Passagiere steigen in Trondheim aus, und dann haben uns in Kristiansund auch noch die Teilnehmer des Ausflugs zum Marmorbergwerk Bergtatt verlassen, die erst in Molde wieder zusteigen.
Aber auch das Geschaukel geht einmal vorbei, wir kriegen bei Bud die Kurve und nehmen Kurs Molde, in ruhigeres Fahrwasser. Währenddessen läuft im Konferenzraum das Video mit dem Reiserückblick des Schiffs. In Molde erwartet uns noch mehr Schnee, und schließlich steigen die Ausflugsteilnehmer wieder ein – sie können in Ruhe Abendessen und sind der Hustavika entgangen.
Molde
Nach Molde gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Nachdem ich das gröbste gepackt habe, mache ich es mir im Multe auf Deck 7 bequem, letzte Bilder sichten und mein Blog vorbereiten. Viel ist hier nicht los – die meisten sind wohl entweder im Panoramasalon oder in der Kabine, packen. Die Begegnung mit der nordgehenden Havila Pollux sehe ich nur zufällig durch das Fenster, während sich draußen dicke Schneeflocken auf dem Deck sammeln – jetzt wird es Winter. Über den Rückreisetag 12 gibt es normalerweise auch nicht viel zu erzählen, daher schreibe ich hier gleich weiter.
Tag 12 – Bergen
Der Tagesplan
In der Nacht passieren gegen vier Uhr das Westkapp. Dabei ist genug Bewegung im Schiff, dass ich wach werde. Mist. So viel zum Thema ausschlafen. Dementsprechend kurz ist die Nacht, als um viertel vor acht der Wecker klingelt, damit ich noch einen Blick auf Florø werfen kann. Wenn man vor dem Anlegen einen Blick auf das Örtchen werfen kann und nicht nur die Containerstapel sieht, schaut das eigentlich ganz nett aus. Florø ist der letzte Hafen vor Bergen, ab jetzt heißt es volle Kraft voraus, wir fahren nach Hause.
Florø
Dann heißt es duschen, Frühstücken, den Koffer zumachen, wiegen (22,24 kg – Maßarbeit, da hätte sogar noch eine Tafel Schokolade mehr gepasst) und ins Treppenhaus stellen, damit ich ihn in Bergen im Terminal wieder in Empfang nehmen kann, und ab ins Reiseleiterbüro.
Um zehn Uhr müssen die Kabinen geräumt sein, damit sie für die nächsten Gäste vorbereitet werden können: Wir legen um 14:45 an, und ab 16 Uhr können die ersten Passagiere für die Reise in den Norden auf das Schiff.
Auf der Nordkapp tut sich heute nicht mehr viel. Um zehn vor elf gibt es einen letzten Interessenpunkt auf Deck sieben, weil wir den schönen Steinsund durchqueren. Im leichten Schneefall gibt der sich aber betont kontrastarm…
Steinsund
Immerhin: Die Felsen, denen wir auf ein paar Meter nahe kommen, sind gut zu sehen, schneebedeckt vor weißem Nebel. Unser Reiseleiterbüro ist eigentlich auf der falschen Seite vom Schiff, wir haben jetzt Blick zur See, während die interessantere Küste in unserem Rücken liegt. Später wird es sogar etwas besser, und man sieht etwas, wenn man an Deck geht. An Land liegt kein Schnee mehr, dafür an Deck umso mehr.
Bergen erreichen wir auch pünktlich, sodass wir in aller Ruhe zum Flughafen können. Es gibt da nur ein Problem: Kurz vor Bergen kommt eine Nachricht von KLM, dass unser Flug sich verspätet – letztendlich startet er kurz vor 20 Uhr, mit 3 Minuten Umsteigezeit für meinen Anschlussflug nach Stuttgart. Mit anderen Worten: Wir können eigentlich alle sicher sein, dass wir den Anschlussflug nicht erreichen. Also informiert Kai das Notfallteam, und wir fahren zum Flughafen – an Bord können wir eh nichts machen. Die, die sich noch eine Extra-Nacht in Bergen gegönnt haben, haben das Problem natürlich nicht.
Bergen
Mittlerweile kam von Hurtigruten die Info, dass wir zum Flughafen und möglichst bis Amsterdam fliegen sollen. Da ist der Serviceschalter von KLM und natürlich der Hauptstützpunkt von KLM, somit sind die Chancen da am besten, wieder fortzukommen, wenn man den Anschlussflieger wie erwartet verpasst. Außerdem klappt es in der Regel besser, wenn das dann nur von einer Gesellschaft gemanaged wird und nicht noch über Hurtigruten geht.
Am Flughafen verteilen wir uns auf die wenigen KLM-Schalter und die Automaten – ich nehme einen Automat und freue mich schon über den Jackpot: Er bietet mir freiwillig einen Flug für morgen früh an. Da greife ich zu und nehme den Abflug um kurz nach 6 Uhr – eine unchristliche Zeit, aber so habe ich zwei Stunden Umsteigezeit in Amsterdam, was klappen sollte. Alternativ 10 Uhr, und dann vier Stunden in Amsterdam rumhocken… Am Schalter gibt es für mich und zwei Berlinerinnen einen Hotelgutschein für das Scandic Flesland, der Rest kommt heute nach Amsterdam. Viel Glück!
Scandic Flesland
Das Scandic ist rund 700 Meter vom Flughafen weg. Fußläufig gut erreichbar, vor allem wenn kein Schnee liegt – so zieht sich der Weg. Aber das ist immer noch besser als ein Hotel in der Stadt, und morgens noch eine halbe oder Dreiviertelstunde für die Fahrt zum Flugplatz einplanen zu müssen. Die Zimmer sind gut, es gibt noch einen Gutschein für das Abendessen, und das Frühstück ab 4 Uhr ist inklusive. Da die anderen auf Nummer sicher gehen und die üblichen zwei Stunden vor Abflug (6:10) am Flughafen sein wollen, wird das eng. Und wegen dem Schnee und weil der Weg bergauf geht, gönnen wir uns ein Taxi für 4:10 Uhr, das uns zum Flughafen bringt (200 NOK, der Mindestpreis).
Pizza mit Kartoffel
Ich genehmige mir einen Burger, aber auf dem Tisch landet auch Kais Alptraum: Pizza mit Kartoffel. Auf dem Schiff gibt es jeden Tag Kartoffeln als Beilage, und ab einer gewissen Anzahl an Reisen kann man keine Kartoffeln mehr sehen… Währenddessen verschiebt sich unser Flug morgen früh um 20 Minuten, und wir lesen mit, wie es den anderen in Amsterdam geht: Anschluss klappt natürlich nicht, und einige übernachten am Gate, weil sie kein Hotelzimmer kriegen und die Flughafen-Lounge geschlossen hat. Da bin ich doch froh, hier ein Zimmer zu haben, auch wenn der Wecker um 3:30 klingelt und ich morgens um vier jetzt zwar Zeit für ein Frühstück bringe, um die Zeit aber noch nichts essen kann.
Immerhin hat das Hotel schnelles WLAN: Ich stelle meine Bilder der Gruppe ja gerne zur Verfügung, und mit dem Netz im Hotel ist das ruckzuck erledigt. Dann ist die Reise schnell abgeschlossen, wenn ich morgen Mittag endlich zuhause bin.
Tag 13
Bergen-Flesland am frühesten Morgen
Am nächsten Morgen geht es nach dem Besuch am Frühstücksbuffet ab zum Flughafen, einchecken (mache ich dummerweise nicht am Automat, sondern am Schalter, wo sich jemand über die Reiseoptionen nach Hawaii aufklären lässt), aber dann komme ich irgendwann doch dran, bin mein Gepäck los (ein Abschiedsfoto für die Kofferermittlung hatte ich gestern noch gemacht, und der Airtag ist drin), husche durch die Security und habe noch mehr als genug Zeit am Gate. Ein paar Geschäfte haben sogar schon offen…
Beim Checkin treffen wir auf Stefan, der einen Direktflug mit Lufthansa herausleiern konnte – Glückspilz, er wird wohl als erster der Gruppe in Frankfurt sein. Aber wenn ich gegen Mittag in Stuttgart bin, ist das auch okay.
Erst noch enteisen
An Bord erfahren wir auch den Grund für die Verspätung: Unsere Crew landete gestern zu spät in Bergen und muss ihre Ruhezeiten einhalten. Beruhigend, dass die Crew wach ist. Blöd: Dadurch verpassen wir unsere Slot, enteist muss auch noch werden, und wir starten mit fast einer Stunde Verspätung. So bleiben von gut zwei Stunden noch rund dreißig Minuten bis zum nächsten Boarding in Amsterdam. Die Crew gibt die Gates durch; Stuttgart steht nicht auf der Liste der Flüge, die wir nicht erreichen. Also theoretisch alles gut, zur Not wird das Gepäck nachgeschickt.
Als wir landen und ich wieder Handynetz habe, die Hiobsbotschaft: Das Umsteigen nach Stuttgart ist kein Problem, weil der Flug gecancelt wurde. Und der danach auch. Shit. Also ab zum Transferzentrum, in der Schlange anstellen, den Automat ausprobieren – mein Flug fliegt doch? Schnell zum Gate rennen, wo ich sogar rechtzeitig wäre, der Flug aber wie in der App auf annuliert steht, nochmal in der nun längeren Schlange am Transfercenter anstellen, eine Nummer ziehen, und irgendwann zeigt die App meinen Alternativflug an: 21:20, in gut 12 Stunden, aber immerhin noch heute. Nun gut. Bevor meine Nummer aufgerufen wird, gehe ich nochmal zum Automat, überrede ihn, einen Gutschein für etwas zu Essen herauszurücken, und suche mir ein ruhiges Eckchen auf dem Flughafen. In die KLM-Lounge darf ich nicht, also suche ich mir immer wieder neue Gates, die gerade nicht benutzt werden.
Impressionen aus Shiphol
Wir haben ja immer noch Corona und Grippe-Saison, also mische ich mich weniger unters Volk, sondern suche ruhige Eckchen. Und was macht man in der Zeit? Zum Glück habe ich meine Noise-Cancelling-Kopfhörer dabei, und Filme auf dem Laptop. Eineinhalb Spielfilme später schaue ich nach was zu Essen; die Schlange am Transferdesk ist mittlerweile riesig; noch einen weiteren Spielfilm und ein halbes Hörspiel später ist es dann auch schon nicht mehr 9 Uhr, sondern 20:50, der Laptop-Akku ist leer, und ich sitze im Transferbus zum Flugzeug und gefühlt fünf Kilometer weiter dann endlich im Flieger. Laut Airtag ist mein Koffer auch in meiner Nähe: Fein. Uff. Endlich. Nach Hause…
Der Flug dauert nur eine gute Stunde, und da an Bord doch sehr viel gehustet und geschnieft wird, verzichte ich auf Snack und Getränk. Um 22:40 bin ich endlich in Stuttgart, und mein Airtag meldet sich auf einmal aus Amsterdam, er hätte sich ein neues Örtchen am Flughafen gesucht. Was zum Geier – der Koffer war doch schon an der Maschine?
Zum Glück Fehlalarm – die Gepäckverfolgung im Terminal ist nicht besetzt, dafür ist mein Koffer schon auf dem Gepäckband. Na halleluja. Dann bei -7° ab zum Auto (so kalt war es in Norwegen aber nicht!), 27 Euro für den Extratag auf dem Parkplatz nachbezahlen, die Scheiben abtauen und versuchen, den Parkplatz zu verlassen. Halt mal den QR-Code an die Schranke, wenn die Scheibe zugefroren ist… Also aussteigen, Ticket scannen und ab dafür, bevor der angekündigte Eisregen kommt. Kurz nach ein Uhr bin ich dann auch zuhause.
Das war’s dann auch endgültig. Meine nächste Reise startet im Dezember, und dann kann ich hoffentlich wieder mehr von der Reise statt von der Heimreise erzählen. Zu erwähnen ist eigentlich nur noch, dass ich am nächsten Tag noch meine Unkosten bei KLM gemeldet habe – die Erstattung geht angenehm schnell und einfach, das können sie auf jeden Fall.
Heute ist wieder so ein Tag, an dem scheinbar nichts los ist. Bis man einen Blick ins Tagesprogramm wirft… Den Anfang macht die südgehende Polarkreisüberquerung gegen 8:40. Dabei ist nur unwesentlich mehr als auf der nordgehenden Route zu sehen, nicht zuletzt wegen der Wolkendecke. Aber der Captain trifft die Kugel wieder ziemlich gut mit seinem Scheinwerfer. Vorne am Bug bin ich fast alleine – auf Deck 7 arbeitet derweil schon unser Expedition Team. Direkt nach der Polarkreisüberquerung gibt es Lebertran für alle!
Das was da heutzutage serviert wird schmeckt eigentlich gar nicht schlecht, aber so manch Gast sieht das anders. Ich verzichte diesmal auch: Ich habe schon genug Löffel zuhause. Messer und Gabel wären mal eine Abwechslung…
Am Polarkreis
Danach mache ich es mir wieder mit Kai in unserem Büro bequem, während der Postmann klingelt: Wer will, kann sich seine Postkarten oder anderes abstempeln lassen – Bücher sind auch sehr beliebt.
Derweil zieht die wolkenverhangene Landschaft an uns vorbei. So ein schöner Sonnenaufgang wie gestern ist uns heute nicht vergönnt, aber die Wolken sind weiter hoch genug, dass nur die Berggipfel in ihnen stecken und wir doch etwas von der Helgelandküste sehen können.
Nesna
Nesna erreichen wir bei freundlichem Wetter planmäßig kurz vor halb elf, und um elf steht der nächste Programmpunkt an: Die Crew verabschiedet sich. Meistens wird diese kleine Abschiedsrede plus Sektempfang mit dem Captain’s Dinner am Abend verbunden, aber dann bekommen alle im hinteren Teil des Restaurants nur den Ton mit, während die Crew sich bei der Kochinsel verabschiedet. Vor allem im Sommer bietet es sich an, das an Deck zu machen, und die Nordkapp führt diese sommerliche Tradition auch jetzt weiter – kalt ist es ja nicht! Nur regnerisch… aber das tut der Stimmung keinen Abbruch, und unser Restaurantchef Michael hält eine kurze Rede. Es ist seine erste Reise, daher erhielt er bei der nordgehenden Polarkreistaufe auch den gesamten Eiseimer übergeschüttet.
Sandnessjøen
Wer noch Kapazitäten frei hat, kann dann schnell Mittagessen gehen, bevor mit Sandnessjøen der nächste Hafen ansteht. Wir haben hier leider nur eine halbe Stunde Aufenthalt – als wir noch eine Dreiviertelstunde Zeit hatten, war genug Zeit für einen schnellen Gang durch die Fußgängerzone. So bleibt für die Heimat von Petter Dass (dem wir an der Domkirche von Bodø begegnet waren) keine Zeit. Der Priester war eine der schillerndsten Gestalten des 17. Jahrhunderts in Norwegen.
Sandnessjøen liegt unter tiefen Wolken, sodass die Hauptattraktion verborgen bleibt: Die Bergkette der sieben Schwestern, die hinter das Stadt liegt. Heute sind sie schüchtern, allenfalls die Beine dieser schönen Trollschwestern sind zu erahnen. Den Point of Interest gibt es trotzdem, und sogar ein paar helle Flecken zeigen sich Himmel, während Kristina die Sage erzählt, die die halbe Helgelandküste umfasst, vom Hestmannen am Polarkreis bis zum Torghatten in Brønnøysund.
Die sieben Schwestern verstecken sich sehr gut im Hintergrund
Das Treffen mit dem Expeditionsteam lasse ich wieder ausfallen – ich brauche mal eine Pause und muss noch unsere Abschiedsveranstaltung vorbereiten, die ist ja schon morgen…
Brønnøysund erreichen wir etwa zu Sonnenuntergang. Die Wolkenlücke auf die zumindest ein Wettermodell Hoffnung gemacht hatte, hat sich leider in ein leichtes Schneegestöber verwandelt. Mist. Dafür ist der Torghatten am Horizont erkennbar, der Berg mit Loch. Nur von dem Loch ist nichts zu sehen: Bis wir auf der richtigen Seite vom Berg sein werden, wird es duster sein, und schwarzer Berg mit dunklem Loch vor schwarzen Wolken gibt nun einmal nichts her. Sobald es hell genug ist, wird das Schiff wieder einen Abstecher machen.
Norwegens Mitte
Immerhin ist es für Brønnøysund noch hell genug. Es ist das norwegische Flensburg, im Brønnøysund Registrene werden die Daten aller Norweger gesammelt. Das neue Glasgebäude hat auch den Spitznamen “Frauenknast” erhalten – es gibt wohl mehr Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter, die man durch die Fenster sieht.
Kai bietet eine gemütliche Wanderung an, die ich bis zur Mitte Norwegens begleite: Der Stein am Hafen ist vom Nordkap genauso weit entfernt wie von der Südspitze des Landes. Dann verlasse ich die Gruppe und biege ab ins Einkaufszentrum, meine Einkaufsliste abarbeiten. Milch, Butter, Kekse, Wurst… Und dann zurück aufs Schiff, zum Captain’s Dinner.
Die Auktion
Die Abschiedsveranstaltung findet schon heute statt, da viele Gäste südgehend schon in Trondheim aussteigen. Das hat den Vorteil, dass man einen früheren Rückflug nehmen kann und nicht erst gegen Mitternacht in Deutschland landet. Aber wir bleiben bis Bergen an Bord. Der Sektempfang war ja schon am Mittag, und heute gibt es nur eine einzige Essenssitzung für alle verbliebenen Gäste. Hurtigruten ist zwar jetzt schon 131 Jahre alt, aber können noch einmal das 5-Gänge-Jubiläumsmenü genießen.
Vorher gab es aber doch noch einen Programmpunkt: Die Auktion zugunsten der Hurtigruten-Foundation. Versteigert werden diesmal eine altertümliche topografische Karte, eine moderne Seekarte, ein Besuch im Maschinenraum und die Postflagge des Schiffs. Die Postflagge geht zum Schnäppchenpreis von 1000 NOK an den ersten Bieter; bei der topografischen Karte steige ich bei 200 oder 300 NOK aus. Schade, die war eigentlich ganz hübsch.
Nach dem Essen folgte der nächste Programmpunkt: Es gab einen Fotowettbewerb. Das Expedition Team zeigte die 25 Einsendungen und den Gewinner: Eine unserer weiblichen Passagiere, kurzärmlig im Schnee. Mal was anderes als die üblichen Landschaftsfotos.
Rørvik
Vom Rest des Tages ist nicht mehr viel zu erzählen: Wir legen in Rørvik an, wo es tatsächlich ein paar Wolkenlücken gibt, nur an den falschen Stellen, und die Polarlichtaktivität ist auch eher mau. Der Blick in den Himmel verspricht nichts gutes, und die Bewölkung soll eher zunehmen. Wir machen uns an die Überquerung der Folda, und ich mache Feierabend: Wolken, Seegang, und morgen früh klingelt der Wecker.
Es geht südwärts, es gibt keine großen Städte oder längeren Aufenthalte mehr, und jetzt kommt der gemütliche Teil der Reise. Könnte man meinen, oder? Pustekuchen, ein Termin jagt den anderen.
Den Anfang macht Harstad. Aber diesmal schmeißt mich die Durchsage über das Telefon nicht aus dem Bett, mein Wecker steht auf 7:45 – zwei Minuten früher! Da bin ich schon oft genug drauf reingefallen, wollte nach Mitternachtskonzert oder Kneipenbummel in Tromsø ausschlafen, und dann kam die Durchsage, die einen in voller Lautstärke aus dem Bett wirft. Aber diesmal nicht – ich bin schon wach! Während sich die Teilnehmer der Vesterålen-Bustour bereit für den Aufbruch machen, schaue ich mir den Hafen an: Die Baustelle vom letzten September ist jetzt fertig, und man sieht sogar noch ein bisschen was von Harstad.
Harstad
Ein moderner Glas-Beton-Bau ist da entstanden. Auf der anderen Seite vom Hafen schimmert etwas Dämmerlicht über den Bergen, es verspricht ein schöner Tag zu werden.
Von der kleinen Trondenes-Kirche sehe ich diesmal nicht allzu viel – es ist noch zu dunkel, und mit meinem zittrigen Bildstabilisator kann ich Belichtungszeiten über 1/60stel Sekunde vergessen. Keine guten Bedingungen für die Polarnacht, wobei die Sonne in Harstad heute sogar wieder aufgehen sollte.
Die Trondenes-Kirche
Aber immerhin: Sie ist deutlich in der Ferne zu erkennen, und mit genug Versuchen ist sogar was brauchbares dabei. Die Kirche ist die nördlichste mittelalterliche Steinkirche, direkt neben ihr ist ein kleines Museum, das die Teilnehmer der Bus-Tour ebenfalls besuchen.
Um 8:30 verlassen wir Harstad, und für uns auf dem Schiff ist um 10 Uhr der nächste Interessepunkt: Die Risøyrinne, die nur rund 7 Meter tiefe künstliche Fahrrinne, die es uns ermöglicht, Risøyhamn anzulaufen. Unser Schiff hat rund 5,5 Meter Tiefgang, die größeren Schiffe (Finnmarken, jetzt Otto Sverdrup, Midnatsol, jetzt Maud, und die Trollfjord, die ihren Namen behalten durfte) sogar noch mehr, sodass die Rinne für sie vertieft werden musste. Jetzt fährt nur noch die Trollfjord gelegentlich auf der Route, die anderen sind für Hurtigruten Expedition unterwegs und fahren keinen Liniendienst mehr, sondern haben wie Kreuzfahrtschiffe längere Aufenthalte in den Häfen, laufen aber nicht alle Häfen an. Dafür starten sie auch mal ab Hamburg.
Bei ruhiger See kann man bis auf den Grund der Risøyrinne sehen; heute sehen wir vor allem die Fahrbahnmarkierungen, die wir anpeilen – fast wie die Landebahn eines Flughafens. In Risøyhamn erinnert der Königsstein mit den Unterschriften dreier norwegischer Könige an die Einweihung der Rinne, und vorher gibt es noch einen absolut wahnsinnigen roten Morgenhimmel.
RisøyrinneKönigsstein
In Rosøyhamn bliebe diesmal sogar genug Zeit, um kurz rüber zum Königsstein zu gehen, bei Schneeglätte verzichte ich aber darauf. So energisch, wie der Captain vor dem Ablegen die Hupe betätigt, scheint doch irgendwer von Bord gegangen zu sein – aber es kommt niemand mehr angerannt, und wir legen ab.
Dann bleibt etwas Zeit, um die Landschaft zu genießen, und gegen 12 Uhr heißt es ab an Deck: Wir fahren wieder unter der Brücke bei Sortland durch, während die drei Ausflugsbusse über uns hinweg fahren. Also alle Mann an Deck und mit Norwegenfahnen winken. Es ist gar nicht so leicht, gleichzeitig die Fahne zu schwenken und mit der Kamera zu hantieren…
Sortland
Der tolle Morgenhimmel wurde mittlerweile durch Wolken ersetzt, aber sie stehen hoch genug am Himmel, dass man die Landschaft auf sich wirken lassen kann. Das Mittagessen ist zum Glück immer optional… Themenreise 11 Tage, 11 Kilo.
Kurz durchschnaufen, und wir nähern uns Stokmarknes. Der Busausflug mit Besuch des Hurtigrutenmuseums findet nicht statt, aber es werden an Bord wieder Eintrittskarten für “Fast Lane” angeboten. Mit 100 NOK ist das auch wieder ein realistischer Preis für die Besichtigung der alten MS Finnmarken in ihrem neuen Glaskasten und somit eine Empfehlung wert. Das Museum ist privat finanziert und bietet die Chance für einen Eindruck der alten Hurtigrute, als noch die kleinen schwarz-weißen Postschiffe unterwegs waren. In Stokmarknes wurde auch fleißig gebaut: Neben dem Museum steht ein neues Hotel, der kleine rote Pub ist nun zwischen den neuen Gebäuden eingezwängt.
Stokmarknes und Hurtigruten-Museum
Am Trollfjord
Direkt nach dem Ablegen steht das nächste Treffen mit dem Expeditionsteam an, und dann geht es ab in den wunderschönen Raftsund, von dem in der Finsternis allerdings nicht viel zu sehen ist – tiefschwarze Nacht um 16 Uhr, mit Schneegestöber als Topping obendrauf. Das hält uns aber nicht davon ab, zur Trollfjordmündung zu fahren und vorher Trollfjordknerz samt Tasse zu kaufen.
Das ist das erste Mal, dass ich hier größere Mengen Eis sehe. Vom Fjord selbst ist nicht so viel zu sehen, auch wenn der Captain sein bestes gibt, um ihn auszuleuchten. Von der Schiffsmitte ist wieder weniger zu sehen, aber das Gedränge am Bug überlasse ich anderen – und unter den Rettungsbooten bin ich besser vor dem Schneegestöber geschützt. Dann geht es weiter durch die finstere Nacht nach Svolvær.
In Svolvær begrüßt uns dichtes Schneegestöber, das aber kurz darauf nachlässt. Während des zweistündigen Aufenthalts gibt es einige Ausflüge, aber alternativ auch genug Zeit, um das Magic Ice mit seinen Skulpturen aus Eis zu besuchen (was für die interessant sein kann, die nicht in Kirkenes im Eishotel waren), das Lofoten-Kriegsmuseum, oder einfach so durch die Stadt zu schlendern. Da der Anker Winterpause hat, gibt es heute keinen Kneipenbesuch, und ich mache nur einen kurzen Gang durch das Stadtzentrum mit der Kirche und den roten Hütten des Scandic-Hotels, bevor ich zurück an Bord gehe und ein spätes Abendessen mitnehme.
Svolvær
Auf der Überfahrt nach Stamsund vertreibt Kristina vom Expeditionsteam uns die Zeit mit drei norwegischen Volksmärchen. Das bekannteste ist das von Askeladden und seinem Wettessen mit dem Troll, dann kommt die Geschichte von der Handmühle, die dem Teufel abgerungen wurde und nun am Grund des Meeres endlos Salz produziert, und zuletzt die Geschichte von des Zwergs Spur Trampelfuß, der die Wege in Norwegen anlegt, genauer die Trampelpfade. Er ging einfach gerade aus, und wenn Bach, Berg oder Moor im Weg war, befahl er ihnen, ihm aus dem Weg zu gehen. Die weigerten sich natürlich, sondern erzählten ihm, wie nützlich sie für seinen Weg sein könnten – für erfrischendes Wasser, gute Aussicht, oder um seine Sorgen im Moor zu versenken. “Ja, glaub nur an die Weisheit der Natur”, dachte sich der Zwerg, und ging dann einfach weiter und integrierte sie in seinen neuen Weg. Und wer schon einmal in Norwegen wandern war, kennt die hiesigen Wanderwege, die auch einmal direkt senkrecht den Berg hochgehen.
Stamsund
Langsam wird die See auch etwas unruhiger, und in Stamsund werfe ich nur einen kurzen Blick an Deck. Ein Leichenwagen fährt an unsere Laderampe – die Hurtigrute verbindet die Küste und begleitet auch manchen Norweger auf seiner letzten Fahrt. Die kleinen Orte haben keine Krankenhäuser vor Ort.
Dann geht es auf den Westfjord – ich mache zur Abwechslung einmal früh Feierabend, das Anlegen in Bodø bekomme ich trotzdem mit. Damit ist die Nacht nicht ganz so erholsam wie gehofft. Hoffnung auf Polarlicht gibt es aber keine – eventuell bei Rørvik noch einmal.
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