Ich habe noch leichte Probleme daran zu glauben, dass ich heute Abend tatsächlich wieder auf dem Schiff bin – nach fast einem Jahr Homeoffice. Ich bin ja immer noch der Überzeugung, dass Kaiser Barbarossa, dem im Kyffhäuser der Bart durch den Tisch wächst, Schutzpatron aller Zuhause-Arbeiter ist…
Wir haben den 1. Dezember, und ich starte wohl tatsächlich auf die Polarlys. Immerhin: Es ist Sonntag, damit ist die Autobahn von Karlsruhe nach Stuttgart ausnahmsweise mal staufrei. Unter der Woche gilt ja: Das einzige, was Baden und Württemberg verbindet, ist der Bindestrich. A6 und A8 tun’s jedenfalls nicht… Ich starte zu einer überraschend angenehmen Zeit um 8 Uhr morgens (11:55 geht der Flieger) bei 0° durch ein raureifgesprenkeltes Ländle im dichten Nebel, während der Radiomoderator was von Sonne faselt. Am Stuttgarter Flughafen trifft das sogar zu, und ich mache mich auf die Suche nach dem Gate. Eine Reisegruppe (die nicht einchecken will, sondern nur im Weg steht) blockiert den KLM-Schalter, irgendwann wird der Weg frei gemacht und der Check-In beginnt wie bei KLM üblich in aller Seelenruhe. Gut, dass ich früh da bin.
Dafür geht die Security Ruckzuck und ausnahmsweise ohne Sprengstofftest an der Kamera, anschließend habe ich noch eineinhalb Stunden totzuschlagen, bevor das Boarding beginnt und ich fast ganz hinten im Flieger sitze. Und dann: Auf nach Amsterdam!
Meinen “Lieblingsflughafen” Amsterdam erreichen wir pünktlich und landen nach einer Busfahrt in einer Großbaustelle: Der Flughafen wird völlig neu gestaltet, ich erkenne nicht viel wieder. Bei einer guten Stunde Aufenthalt bleibt aber auch nicht viel Zeit zum Erkunden, was sich seit Januar geändert hat. Aber nach dem Januar-Zwischenstop am Ende der letzten Tour brauche ich das auch nicht nochmal… Amsterdam selbst ist ganz nett, aber Flughäfen sind ein notwendiges Übel.
Landeanflug auf Bergen
Gut, dass ich eine Stunde später im nächsten Flieger Richtung Bergen sitze, diesmal noch weiter hinten. Die Reise geht in die Nacht, außer der Bordverpflegung in Form eines Beemster-Käsebrots gibt es nichts lesenswertes zu berichten. Der Landeanflug auf Bergen: Sehr kontrastarm, wir fliegen durch Wolken in die Nacht. Sonnenuntergang war gegen 15:30, wir landen etwa eine Stunde später ziemlich hart: Bumms-hüpf-roll, und ein gut gelaunter Flugkapitän begrüßt uns mit “Welcome to Bergen, welcome to Norway!”
Draußen schifft es… an sich ein gutes Zeichen, auf vielen meiner Touren war der Rest der Reise schön, wenn es in Bergen schlecht war. Aber Norwegen hatte jetzt schon einige Wochen lang verspätete Herbststürme, ein Kollege mit einer anderen Tour ist grad in Alta, weil die Barentssee zu stürmisch ist, und ein anderer schreibt, dass auf Deck 2 die Bullaugen verriegelt werden. Seien wir gespannt. Erst einmal heißt es, raus aus dem Flieger, und zwar flott: “Due to weight distribution” sollen die Leute doch bitte schnell von hinten nach vorne gehen, gibt der Pilot irgendwann durch. Das Flugzeug wackelt auch leicht… Trotzdem dauert es ewig, bis ich als so ziemlich letzter von Bord gehe. Aber es bleibt noch genug Zeit, die Schokovorräte im Duty Free aufzufüllen: Es dauert heute ewig, bis das Gepäck kommt und ich endlich theoretisch Margit helfen könnte, unsere Gäste in Empfang zu nehmen. Aber sie hat schon Gäste requiriert, damit uns keiner der 21 Teilnehmer entkommt – wir sind eine kleine Gruppe, fast wie früher, auf meinen ersten Touren.
Bergen im Regen
Margit ist ja auch ein Urgestein an der norwegischen Küste, und manchmal fährt sie zum Glück nicht nur auf den Oldtimern (wer noch ein richtiges Postschiff erleben will: Das bietet Margit unter Nostalgische-Postschiffreisen.de), sondern auch auf den moderneren Schiffen der Hurtigrute. Ich weiß nicht, wie sie unseren Busfahrer bestochen hat, aber statt wie in der Jahreszeit häufig der Fall fahren wir nicht durch den Tunnel direkt zum Schiff, sondern machen noch eine größere Orientierungsfahrt durch Bergen. Es hilft natürlich, dass wir schnell alle zusammen haben und aufbrechen können.
Heute macht Bergen seinem Titel als regenreichste Stadt Norwegens alle Ehre, aber interessant ist es allemal. Sie hat sogar ein paar Infos zu dem Bergen?-Schild am Flughafen ausgegraben: Das hat ein isländischer Künstler dem Flughafen für 9 Millionen NOK verkauft, um zum Nachdenken anzuregen. Immerhin ist es auch bei dem Wetter hell genug für ein Foto.
In Bergen selbst gibt’s nicht viel Neues, außer dem Weihnachtsmarkt, für den wir keine Zeit haben – kurz nach 18:30 erreichen wir die Polarlys, jetzt sind auch die Kabinen bezugsfertig. Von ihrer letzten Tour kam sie mit einer knappen Stunde Verspätung an, sodass nur drei Stunden Zeit waren, um in Bergen alle Kabinen endgültig fertig zu machen.
Meet the Crew
Das Schiff ist mit rund 350 Gästen relativ leer und doch ausgebucht, weil die meisten Einzelkabinen haben. Nur etwa 80 Deutsche sind an Bord, der Rest spricht größtenteils Englisch. Für Margit und mich steht die Organisation an: Wer ist Coastal Experience Team? Jan – den hatte ich noch nicht. Marko, der hier mal Restaurantchef war, ist jetzt auf der Kong Harald. Wir klären die ersten Termine ab, essen zu Abend, machen Reiseleitersprechstunde, verpassen das Auslaufen um 20:30, gehen um 21 Uhr zur Vorstellung der Crew und beziehen dann irgendwann unsere Kabinen. Uff.
Auch wenn ich zum Glück eine entspannte Anreise hatte, ist das doch immer ein langer Tag und vor allem ein stressiger Abend. Die alte Abfahrt um 22:30 war entspannter, aber mit etwas Glück verschlafe ich in meiner Kabine am Bug so das Westkap morgen früh.
In diesem Sinne: Gute Nacht, und mal schauen, was die nächsten Tage bringen!
Normalerweise kann man das Westkap idealerweise verschlafen. Wenn man jedoch ganz ordentlichen Seegang hat – und den haben wir – sowie eine Kabine am Bug – und die habe ich, schließlich bin ich hier, um nach Polarlicht Ausschau zu halten, und irgendwer war wohl der Meinung, das geht am besten, wenn ich durch Bullaugen einen Meter weit horizontal durch die Schiffswand schaue und maximalen Abstand zu den Ausgängen auf das Deck habe – klappt das nicht ganz so gut. Oh jesses, was für ein Bandwurmsatz…
Also nochmal: Wir hatten eine recht wacklige Fahrt rund um das Westkap, und generell eine etwas unruhige Nacht. Wer sich unsicher ist, ob er zur Seekrankheit neigt, konnte das also heute gleich in der ersten Nacht herausfinden. Immerhin habe ich von den Bugstrahlrudern nicht viel mitbekommen, das Schiff ist angenehm ruhig – in der Kabine am Bug bekomme ich außer dem Seegang nicht viel mit von der Welt da draußen. Die Hurtigrutenschiffe werden ja immer wieder modernisiert, und durch den Umbau auf Hybridantrieb mit Elektrounterstützung wurde auch am Antrieb der Schiffe einiges verbessert. Das kommt nicht nur der Umwelt zugute, sondern auch der Nachtruhe – die Schiffe waren früher wesentlich lauter. Am Wackeln ändert das natürlich nichts… dafür ist das Restaurant morgens um halb acht noch sehr überschaubar, bei der Uhrzeit + Seegang denkt noch kaum jemand an Frühstück.
Torvik
Draußen ist auch noch finstere Nacht, man verpasst also nichts. In die Polarnacht kommen wir aber erst in Tromsø, bis zum Bodø-Tag haben wir noch Chancen auf Sonne. Theoretisch zumindest – auch wenn sie über den Horizont kommt, sind da noch die Wolken…
Der zweite Reisetag (die dreieinhalb Stunden ab der Abfahrt gestern um 20:30 zählen ja als ein Reisetag, daher dauert unsere 11-Tage-Tour 12 Tage) ist ein typischer Kreuzfahrttag. Eigentlich ist die Hurtigrute ja immer noch Fähre und wird auch von den Einheimischen als solche genutzt (zusätzlich zu der Fracht, die wir aufnehmen), aber hier im Süden fahren noch genug andere Reedereien und verbinden die Ortschaften miteinander. Daher wird dieser Tag im Sommer touristisch für eine Fahrt in den Geiranger-Fjord genutzt, im Herbst für den Hjørundfjord, und im Winter überhaupt nicht. Dafür gibt es jetzt das ganze Jahr über die selben Abfahrtszeiten – sodass wir vom Vormittag (regulär 9:45; wegen der schweren See erreichen wir Ålesund mit einer halben Stunde Verspätung) bis abends um 20 Uhr in Ålesund liegen.
ÅlesundDie Bruvik…… setzt Segel
Dummerweise ist für Ålesund heute Dauerregen angesagt, auch wenn er gegen Nachmittag weniger werden soll. Wer will, kann mit dem Oldtimer-Schiff Bruvik in den Hjørundfjord fahren, alle anderen sammlen ihre Regensachen und können Ålesund erkunden. 1904 wurde die Stadt durch ein Feuer zerstört und im Jugendstil neu aufgebaut. Wenn die damals dieses Wetter gehabt hätten, wäre es wohl noch heute eine typische Stadt voller Holzhäuser…
Wie dem auch sei, nach dem Frühstück treffe ich mich mit Margit, und wir machen Reiseleitersprechstunde – was kann man in Ålesund alles machen und anschauen? Anschließend mache ich mich auf, etwas Zeit an Land zu verbringen. Die übliche Runde – so groß ist der Ort ja nicht. Durch die Fußgängerzone zum Stadtpark, dann die über 400 Stufen rauf auf den Aksla und Ålesund von oben fotografieren. Die Aussichtsplattform der Fjellstua ist geöffnet, dort ist schon eine Reisegruppe eines kleineren Kreuzfahrtschiffes. Aber dass Wetter ist ungemütlich, während die ihre Gäste bewirten, begnüge ich mich mit ein paar schnellen Fotos. Ålesund ist heute ungastlich, auch wenn die Temperaturen angenehm warm sind.
Regnerisches Ålesund
Für den Rückweg entscheide ich mich für den Abstieg durch den Wald anstelle der Treppen. Nett: Der Wald ist mit zahlreichen Nissen dekoriert. Es weihnachtet sehr…
Unten angekommen, gebe ich mir die volle Dröhnung Ålesund und gehe durch das Jugendstilzentrum bis zum Storhaugen, dem kleineren Aussichtshügel hinter der markanten gelben Schule. Die steinerne Kirche wird übrigens gerade an einer Seite renoviert. Der Ausblick ist dort aber auch nicht besser, obwohl ich weiter weg von den Wolken bin. Sauwetter, aber prinzipiell hübsch.
Oder sollte ich sagen: Das pure, reine Norwegen mit seiner ungezähmten, wilden Natur, die dem Menschen immer wieder zeigt, wie klein er ist! Imposante Landschaft mit hohen Bergen, die in den Wolken mystisch verborgen sind!
Klingt doch besser, oder?
Ich gehe trotzdem zurück zum Schiff, die Kamera trocken legen. Die klassischen Bilder der Häuserfront am Brosund müssen trotzdem vorher noch gemacht werden. Auch bei Regen ist Ålesund hübsch – kein Wunder, dass es die Stadt in Norwegen mit den meisten Kreuzfahrtouristen ist. Ein Vorteil der Winterreise: Die großen Kreuzfahrschiffe fehlen; nur ein kleineres Schiff liegt noch auf der anderen Seite vom Hafen. Von ein paar Hapag-Lloyd-Rucksäcken mal abgesehen haben wir die Stadt für uns; montags bei Regen sind auch nicht viele Einheimische unterwegs.
Die Polarlys
Anschließend gehe ich noch zweimal kurz in den Ort, ein paar Einkäufe erledigen, und verbringe den Rest des Nachmittags auf dem Schiff. Einkaufstechnisch werde ich kaum fündig, obwohl schon alle Zeichen auf Weihnachten stehen. Dafür gelingt mir trotz Gegenwind und Regen zumindest ein Handybild unseres Schiffs, das sich in der Glasfront am Anleger spiegelt. Auch hübsch.
An Bord gibt es um 17 Uhr… ähm, seit es das Tagesprogramm nur noch digital auf den Monitoren oder als App gibt, kriege ich das nicht mehr mit. Wobei am Konferenzraum immerhin noch ein Ausdruck hängt… es gibt um 17 Uhr eine Ausflugspräsentation und um 17:30 das Gathering mit dem Expeditonsteam. Es sind wohl beide Vortragsräume voll, aber wir bieten ohnehin noch einmal Reiseleitersprechstunde an, und ich kenne das Programm mittlerweile halbwegs. Aber die Treffen sind immer recht informativ und bieten Norwegenneulingen einiges an Infos.
Dann das Abendessen, bevor wir endlich unsere Welcome-Veranstaltung machen können: Margit und ich stellen uns kurz vor, geben die wichtigsten Tipps und wünschen allen eine gute Reise – auch wenn die ersten schon nach der Nordlichtgarantie fragen. Aber auch wenn das Wetter noch mies ist, jetzt schon alle Hoffnung fahren lassen ist keine Option. Ich hatte erst einmal keinen Erfolg, und gegen Nikolaus könnte es eine stärkere Nordlichtaktivität geben. Da können hier unten ruhig Wolken sein! Abgesehen davon: Auch wenn die Polarlichtaktivität gerade gering ist – Tromsø hat weiterhin immer wieder hohe Aktivitätswerte
Die Richard With
Um 21:30 veranstaltet das Schiff noch eine Kostprobe norweigischer Küche im Panoramasalon, und eine gute halbe Stunde begegnen wir der südgehenden Hurtigrute Richard With. Die beiden Schiffe begrüßen einander mit Lichthupe; für das Schiffstyphoon ist es schon zu spät.
Der letzte Tagespunkt ist dann Molde, das wir gegen 22:45 erreichen. Von der Stadt bekommt man auch nicht viel mit, aber sie markiert für viele den Zeitpunkt, ins Bett zu gehen: Danach kommt die nächste offene Seestrecke, die Hustavika, mit Wind aus Nordwest. Mal sehen, wie die Nacht wird.
Molde
Ich sortiere noch ein paar Bilder, schreibe mein Blog, und dann ist auch schon Mitternacht. Zeit für Feierabend, in Molde gab es ein paar Schneeflocken, und das Polarlichtoval macht auch nicht so viel her – zumindest soweit wir doch noch so weit im Süden sind. Da kann ich getrost ins Bett gehen, selbst wenn ein paar Wolkenlücken zu erahnen waren. Immerhin: Morgen in Trondheim soll es trocken bleiben.
Jetzt hatten wir zwei Tage, an denen sich sämtliche Trolle gegen uns verschworen haben, und gestern auf der Hustavika war auch wieder gut Bewegung im Schiff – die Wellen waren wohl flacher als am Westkap, aber dafür der Winkel ungünstiger. So manch einer hat da wohl überlegt, welcher Teufel ihn geritten hat, im Dezember nach Norwegen zu gehen.
Und heute?
Strahlender Sonnenschein, während wir durch den ewig langen, von flachen Hängen umsäumten Trondheimfjord fahren. Ein Bilderbuchwetter, wie es besser nicht sein kann, bei Temperaturen um die 0°. War da gestern wirklich Regen? Ich kann mich nicht mehr erinnern:-)
Endlich zeigt Norwegen, was es kann!
Morgenstimmung, und zwar richtig gute!
Wir erreichen Trondheim pünktlich und passieren die Insel Munkholmen. Auf Deck 7 gibt es einen Point of Interest – Jan erzählt die Geschichte der Insel. Als Olav Tryggvason hier die Macht übernahm und später Trondheim gründete, floh der örtliche Machthaber Håkon Jarl (der damals praktisch Herrscher von Norwegen war) nach Munkholmen. Ein Sklave verriet ihn, Håkon wurde geköpft, und der Sklave als Lohn für seinen Verrat gleich mit. Auf Munkholmen wurden die Köpfe der Besiegten ausgestellt, und wer nach Trondheim segelte, musste vor der Insel ausspucken – aber immer auf die Windrichtung achten! Später war die Insel Kloster mit lebhaftem Brauereibetrieb (über die Lautstärke der Mönche auf der gut 2 km entfernten Insel gab es in Trondheim immer wieder Beschwerden), und heute ist die Insel Munkholmen Ausflugsziel, während das Bier Munkholmen alkoholfrei ist.
Munkholmen und Blick auf Trondheim
Etwa jetzt muss ich auf Deck 5: Am Kai blockiert die Nordnorge unseren Anlegeplatz, und an Bord ist Tim ebenfalls mit einer Nordlicht-und-Sterne-Tour. Das bedeutet: Winkekonkurranse!
Endlich legt die Nordnorge ab, und auch wenn die Gruppe dort etwas größer ist, gewinnen wir natürlich. Auch wenn auf der Nordnorge vielleicht etwas anderes erzählt wird. Wie dem auch sei: Gute Heimreise!
Gute Heimreise, MS Nordnorge!
Sieht man selten: Unser Schiff
Und wofür kennt man seine Leute: Wir tauschen Bilder mit der Gruppe auf der Nordnorge aus, zur Abwechslung gibt es Fotos vom eigenen Schiff auf See, ohne dass dafür jemand an Land zurückgelassen werden muss. Dank an Tim!
Jetzt heißt es noch rückwärts einparken – früher lagen die beiden Schiffe im Winter noch nebeneinander in Trondheim am Hafen, mittlerweile haben wir mehr Platz zum Rangieren. Da die Schiffe nur auf einer Seite eine Ladeluke haben, ist vorgegeben, welches die Landseite ist: “Packbord”, bzw. backbord.
Und dann legen wir für drei viel zu kurze Stunden in Trondheim an. Aber für einen Gang durch die Stadt langt es, diesmal folge ich der Meute und beginne mit der Innenstadt statt wie gewohnt mit Nedre Elvehavn. Der Morgen ist wirklich traumhaft! Der einzige Wermutstropfen: Der Weihnachtsmarkt macht erst morgen auf.
Dafür ist die Stadt schon hübsch eingeschneit, wir kommen langsam in die Gegend, in der sich Spikes lohnen. Viel hat sich auf den ersten Blick nicht geändert seit meinem letzten Besuch. Nachdem es über den Fluß Nidelv in die Stadt ging, war einer meiner erste Fotostops die königliche Residenz, Norwegens größtes Holzhaus, das direkt neben dem Markplatz mit dem Weihnachtmarkt und gegenüber vom Burger King liegt – Karsten vom Coastal Experience Team hat im täglichen Gathering erzählt, dass der König samt Familie aber meist im Hotel Britannica residiert, wenn er vor Ort ist. Da sind die Zimmer schon vorgeheizt.
Ziemlich genau eine halbe Stunde braucht man vom Schiff bis in die Innenstadt, wenn man zügig, aber ohne Hetze den Weg am Hafen entlang über den Bahnhof nimmt. Für einen schnellen Blick in ein paar Läden langt das, meine wichtigsten Einkäufe für die Tour dürften jetzt erledigt sein. Die Kreditkarte freut sich…
Nächster Halt: Der Nidaros-Dom.
Der BaumeisterAuf dem Türmchen ganz rechts soll Bob Dylan seinNidaros-Dom
Auf meiner letzten Tour war ich ja im Dom drin, mit dem Ausflug in die geheimen Gemächer des Nidaros-Doms – sehenswert. Damit kann ich mir den Blick in den Dom diesmal auch sparen. Aber ich hatte was gelernt und finde die Skulptur des Dombaumeisters am rechten Turm wieder. Er zögert noch, den Bau zu vollenden – der Legende nach endet dann entweder die Welt, oder zumindest stürzt der Dom ein.
Und ich weiß mittlerweile auch, wo Bob Dylan verewigt sein soll – eine der Figuren auf dem oben auf dem Seitenturm rechts in der Bildergalerie oben.
Und dann stand auch schon der Rückweg an, über die alte Stadtbrücke und zu den Fotospots am gegenüberliegenden Ufer.
Der Fahrradlift
Nach der Stadtbrücke kommt Bakklandet mit seinen kleinen, alten Holzhäuschen und dem berühmten Fahrradlift. Der Lift hat für den Winter geschlossen, und jetzt ist angeblich ganzjährig Winter in Trondheim: Wegen zu vielen Unfällen soll der Lift jetzt permanent geschlossen sein. Ich hatte ihn einmal in Betrieb gesehen: Es sieht schon wild aus, wenn man auf dem Fahrrad sitzt und einen Fuß auf den Klotz stellt, der per Seilzug den steilen Berg hochgezogen wird.
Der Rückweg durch Bakklandet und das alte Industrieviertel Nedre Elvehavn ist vertraut, und ich gehe auch recht zügig. Drei Stunden sind knapp bemessen für die hübsche Stadt.
Zurück auf dem Schiff legen wir auch ziemlich bald ab und fahren noch einmal an Munkholmen vorbei und durch den Trondheimfjord. Mit seinen flachen Hängen ist er nicht besonders eindrucksvoll, aber entspannend. Zeit, noch einmal die Sonne zu genießen. Bald ist Polarnacht!
Auf dem Schiff gibt es nach dem Mittagessen einen Vortrag über die Norweger (den mit Karsten auch ein Norweger hält), dann um 15:15 Miesmuscheln auf Deck 7 und anschließend um 15:30 mit Kjeungskjærfyr den meist-fotografierten Leuchtturm Norwegens. Das rote, achteckige Gebäude ist in der Abenddämmerung noch gut zu sehen, das gute Wetter hält weitestgehend.
Kjeungskjærfyr
Danach haben wir ein kaum Ruhe, um 16:00 wird schon was neues vorgestellt: Der Cameralla Fotoclub, eine norwegische Fotocommunity, die (kostenpflichtige) Fotokurse anbietet und jetzt mit Hurtigruten kooperiert. Über die Cameralla-App läuft auch der Fotowettbewerb, den es auf den Schiffen gibt – wer teilnehmen will, lädt seine Bilder einfach über die App hoch und kann die eingereichten Bilder dort auch gleich bewerten. Zur Präsentation gehört auch ein Film, der per KI übersetzt und vertont wurde – ziemlich moton vorgetragen, nur mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Und ganz offen: Ich finde es erbärmlich, wenn man sich bei so einem Projekt keinen Synchronsprecher leisten kann, sondern auf KI setzt. Als nächstes werden dann noch die Bilder rein digital gemacht… Bei der Gelegenheit: Aktuell kursiert wohl ein Video mit der Rettung eines Eisbären aus einem Fischernetz. Das ist alles nur gefakt, eyo, eyo, das ist alles gar nicht echt, eyo.
Aber gut, zumindest hinter der Präsentation steckt wohl doch noch ein Mensch, jedenfalls sind ein paar gute Tipps und nicht zu viele Fehler dabei – und danach menschelt es wieder, Jan gibt gleich noch Kurzinfos zur Nordlicht-Fotografie und -Beobachtung. Wie immer ganz wichtig: Blitz aus!
Das Gathering um 17:30 schaue ich mir von der Kabine aus an. Die Vorträge werden auch auf dem Fernseher übertragen, man muss nicht vor Ort sein. Ein nettes Überbleibsel aus Coronazeiten, das auch jetzt bei vollem Schiff hilft, wenn der Vortragsraum zu voll ist – aber irgendwie hat es was davon, zuhause auf der Couch Youtube zu schauen. Ist nicht ganz mein Ding, nächstes Mal doch wieder live vor Ort. Aber Karsten hat das ganz interessant gemacht.
Ein Hauch von Licht
Draußen hält sich das gute Wetter, und um 18 ruft das Abendessen. Kurz vor der Hauptspeise dann die Durchsage “Vi har liten lys” – schwaches Polarlicht an backbord. Ich schaue kurz raus und gebe dann Entwarnung – da ist zwar ein leichtes Schimmern, aber nichts, was das Auge grün sehen würde. Nur die Kamera sieht ein schwaches grünes Band, aktuell können wir entspannt essen.
Ein bisschen ungünstig ist, dass mein erster Vortrag heute Abend um 20 Uhr ist – versprochen war ruhige See und bedeckter Himmel, stattdessen haben wir klaren Himmel und etwas Wellengang. Anyway, ich wage es, und auf halber Höhe kommt die nächste Durchsage – schwaches Nordlicht. Wir machen mal weiter, auch wenn Jan vom Coastal Experience Team irgendwann einen Zettel an die Tür hält – full service vom Schiff, nur das Polarlicht macht nicht viel. Ich beeile mich mit meinem Vortrag, aber an Deck ist nicht viel zu sehen. Dafür geht der Abend für Terminplanung raus. Da wir Jan in Beschlag nehmen, überrascht uns auch die Begegnung mit der südgehenden Havila…
RørvikEin Hauch von nichts
In Rørvik, unserem letzten Hafen, ist es klar, aber am Himmel tut sich nichts. Nur die Kamera sieht noch etwas grün, aktuell ist zu wenig Materie unterwegs, als dass wir hier im Süden eine nennenswerte Show hätten. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen.
Je weiter wir in den Norden kommen, desto länger werden die Tage – zumindest scheint es so, wenn man sich das Programm ansieht. Heute klingelt der Wecker um 7 Uhr, da wir irgendwann zwischen 7 und 8 den Polarkreis überqueren dürften. So dunkel wie es im Dezember ist (es sind nur noch zweieinhalb Wochen bis zur Wintersonnenwende), verspricht das wieder viele verwackelte Bilder der Kugel auf der Insel Vikingen…
Um kurz nach 7 sind wir noch weit genug vom Polarkreis weg, dass ich in Ruhe frühstücken kann, und etwa zwanzig vor acht kommt die Vorwarnung, dass es demnächst soweit ist – tatsächlich überqueren wir den Polarkreis um 7:58 Uhr und 41 Sekunden. Auf Deck 7 gibt es den Interessepunkt dazu, ich bin auf Deck 5, wo keine Glasfront im Weg ist.
Am Polarkreis
Im Nachhinein stelle ich überrascht fest, dass ich die Uhr meiner Kamera zwar korrekt eingestellt habe, meine Bildverwaltung (ON1) aber zu allen Zeiten eine Stunde dazuaddiert… Seltsam und seltsamer.
Praktisch hingegen: Die Kugel ist jetzt komplett beleuchtet! Keine Ahnung, ob sie das in meiner Zeit schon jemals war – jedenfalls sieht man sie jetzt auch ohne den wackligen Suchscheinwerfer vom Schiff. Nett.
Morgenstimmung
Während die Masse zum Frühstück strömt, nutze ich die Zeit, um die Aurora anzuschauen – allerdings nur Aurora, ohne borealis, also die normale Morgendämmerung. Aber die hat hier oben auch ihren Reiz. Arktische Lichtstimmungen, immer wieder schön. Ich bin ja eigentlich der Meinung, dass sich das Aufstehen vor Sonnenuntergang nicht lohnt, aber bei den Zeiten hier oben mache ich eine Ausnahme. Immerhin geht die Sonne ab morgen gar nicht mehr auf.
Außerdem erwische ich die Kong Harald. Auf der südgehenden Hurtigrute ist noch ein Kollege, aber das habe ich irgendwie verpeilt (und er auch) – ich hatte ihn erst am Abend erwartet. Aber das Schiff grüße ich trotzdem.
Die Kong Harald
Dann heißt es Arbeit: Unsere vormittägliche Reiseleitersprechstunde steht an, und ich muss mein Blog vom Vortag noch fertig machen. Heute haben wir wenig zu tun, wobei Bodø auch nicht so die großen Sehenswürdigkeiten hat. Aber ein paar Tips werden wir los, während neben und um 9:30 die nächste Schiffsveranstaltung ist: Am Aquarium vom Bistro werden Königskrabben präsentiert.
Um 10 Uhr kommt dann einer der schönstgelegenen Häfen der Route kommt: Ørnes, das auch noch ausreichend Licht abbekommt, um als Winterwunderland zu überzeugen.
Wir machen hier nur einen kurzen Stop, aber es lohnt sich, an Deck zu bleiben: Eine arktische Zeremonie steht um 10:30 an. Wir feiern die Polarkreisüberquerung, mit Njørd und Polarkreistaufe.
Ørnes
Wie üblich muss Njørd erst herbeigerufen werden – obwohl das Sonnendeck der Polarlys brechend voll ist, muss der Meeresgott doch gut zuhören, um die Rufe mitzubekommen. Schließlich kommt er doch von den Whirlpools hoch zu uns und bahnt sich einen Weg durch die Massen – schlecht für die Fotografen in der dritten Reihe. Es ist praktischer, wenn er auf dem Dach steht und seine Rede hält; so ist er unter uns, und Jan übernimmt die Kommunikation für ihn.
Polarkreiszeremonie, rechts der glückliche Gewinner
Der Gewinner der Polarkreiswettbewerbs wird bekanntgegeben, er lag nur um eine Sekunde daneben. Zur Belohnung gibt es die Hurtigrutenflagge mit Unterschrift vom Captain und die erste Taufe. Ich gebe meine Fotoversuche auf, es ist zu voll – und ich hatte das Vergnügen mit dem Eis im Nacken und in der Unterwäsche auf meiner ersten Tour.
Außerdem stehen schon die nächsten Termine an: Polarkreistaufe war ab 10:30, ab 11 Uhr werden 20 Minuten lang Briefmarken und Postkarten mit dem Polarkreisstempel abgestempelt, und um 11:30 bin ich mit meinem zweiten Vortrag dran, erzähle etwas über den Mond und gebe ein paar Meteoriten rum. Das Weltall zum Anfassen!
Da wir Bodø um 13:05 erreichen, ist das Zeitfenster für meinen Vortrag klein – wer in Bodø Ausflüge machen will, muss vorher noch essen. Irgendwie wird das Programm auf den Schiffen immer voller…
Einfahrt nach Bodø
Bodø liegt fast so schön wie Ørnes, es lohnt sich, die Anfahrt an Deck zu verbringen. Dabei passieren wir nicht nur die Landschaft, sondern auch den Flughafen. Der Flughafen wird aktuell erweitert und verlagert, was nicht zuletzt den NATO-Flughafen hier betrifft, der sich bislang eine Startbahn mit den zivilen Maschinen teilte. Der neue Flughafen soll 2025 fertig werden, damit hat die Stadt wieder mehr Platz, um zu wachsen, während der NATO-Flughafen verlegt wird – die Fliegerstaffeln wurden 2023 nach Ørland bzw. Evenes verlegt. Noch sehen wir die Startbahn, wenn wir die Stadt anlaufen.
Bodø gehörte zu den am stärksten im zweiten Weltkrieg zerstörten Städten und hat dementsprechend ein sehr modernes Stadtbild. Mit anderen Worten: Man muss schon suchen, um die reizvollen Ecken der Stadt zu finden, wenn man mit moderner Architektur nichts anfangen kann – und allein in den letzten zehn Jahren wurde dort extrem viel gebaut. Sehenswert sind vor allem die großen Wandbilder und die Weihnachtsbeleuchtung; dominant neben den Glas-Stahl-Beton-Hochhäusern das Glashaus (das Einkaufszentrum) sowie Rathaus und Domkirche mit ihren Türmen.
Bodø
Sehr angenehm: Heute ist Bodø fast windstill, sodass man die 15 Minuten Fußweg vom Hafen in die Innenstadt gut zurücklegen kann. Ich drehe meine übliche Runde; neu ist, dass die Gamle Salten im Hafen offen hat und Kaffee und Waffeln anbietet. Das alte Schiff ähnelt denen, die früher aushilfsweise auf der Hurtigrute unterwegs waren.
Gamle Salten
Anschließend gehe ich noch hoch zum Rathaus und zur Domkirche. Letztere ist ein Betonbunker mit freistehendem Glockenturm. Von außen sieht man der Kirche gar nicht an, dass sie innen richtig schön anzuschauen ist. Als ich da bin, legt auch das Glockenspiel los – und wieder einmal frage ich mich, warum große Kirchen so schöne, unaufdringliche Glocken haben, während unsere Dorfkirche einfach nur laut in der Gegend rumrandaliert…
Hinter der Domkirche ist das frisch erweiterte Museum, das sich aktuell ganz auf die Sami konzentriert. Der sehenswerte Part zur Stadtgeschichte fehlt aktuell wohl, und nach dem was ich so höre, überzeugt die aktuelle Ausstellung nicht. Schade eigentlich. Die Stadtgeschichte soll aber wohl nachgereicht werden…
RathausDomkircheStadtmuseum…… mit Anbau
Danach steht auch schon wieder der Rückweg an. Noch ein kleiner Abstecher die Straße entlang bis zu dem Haus mit dem bekannten Nordlicht-Wandbild – es ist von der Kreuzung zwischen Rathaus und Dom schon zu erspähen und gegenüber vom Kiwi. Auf dem Platz war übrigens vor ein paar Jahren der Weihnachtsmarkt; jetzt findet hier nichts statt. Der German Döner mit Tiefkühltomaten und gefrorener Soße ist mir immer noch in Erinnerung; Nordnorwegen ist kein Land für Weihnachtsmärkte im Freien.
Pünktlich zur Abfahrt bin ich wieder an Bord und harre der Dinge: Für die Überfahrt über den Westfjord wurden bis zu Windstärke 7 angesagt, Wellen von hinten und ganz allgemein Rock’n’Roll – aber Rock is dead bzw. verspätet sich zumindest und kommt erst in den Westfjord, wenn wir schon längst in Stamsund sind. Macht aber auch nichts, wenn es mal eine ruhige offene Seestrecke gibt.
Kurz nach 15:30 gibt es den nächsten Vortrag vom Coastal Experience Team über die Reisen der Wikinger (wir bieten derweil wieder Sprechstunde an und sitzen im Gang vor dem Restaurant), um 17:30 folgt das tägliche Gathering mit dem Expeditonsteam, 18 Uhr Essen und mit etwa zehn Minuten Verspätung erreichen wir Stamsund, unseren ersten Hafen auf den Lofoten. Da der Sturm zu spät kommt, legen wir auch problemlos in dem kleinen Hafen an.
Stamsund
Von Stamsund sehen wir nicht viel; diejenigen, die am Wikingerfest teilnehmen, steigen hier aus und nehmen den Bus über Borg nach Svolvær. Der Großteil des Orts liegt hinter dem Berg, und die Anfahrt ist nicht immer ganz einfach – bei Sturm wird der Ort gerne ausgelassen.
Stamsund selbst wurde übrigens 1610 erstmals als “Nebenhof” erwähnt und wurde 1831 zu einem eigenständigen Gehöft – war damals also nicht mehr als ein besserer Bauernhof. 1775 wurde das erste königliche Privileg zur Eröffnung eines Gasthauses in Stamsund erteilt, und 1831 erhielt Ole Myhre die königliche Besitzurkunde für Stamsund, aufgrund eines Gesetzes von 1821, das den Verkauf von überschüssigem Land des Staates und der Kirche vorsah. Er verlegte Häuser von Æsøy nach Stamsund, das damals schon ein bedeutender Fischerort war, der 1827 immerhin von 41 Booten angefahren wurde. Ab 1831 galt Stamsund als eigenständiger Hof mit rund 30 Einwohnern, bis Myhre den Ort 1850 verkaufte, samt Hof, Handelsposten, Gasthaus und zwei Lagerhäusern und Anlegern. Der nächste Besitzer hielt etwas Vieh, musste das Futter aber importieren, da es weder Wiesen noch Felder gab, nur eine steinige Hafeneinfahrt. Danach ging es mit Stamsund immer weiter bergauf: Erst kam ein Dampfkran, um die Fischerboote zu entladen, 1859 ein Leuchtturm (die ersten entstanden auf den Lofoten ab 1856) und 1868 eine Telegrafenstation. 1890 wurde Stamsund dann unter den fünf Kindern des ehemaligen Besitzers aufgeteilt, zu dieser Zeit entstand auch die Straße nach Leknes, der größten Stadt im Süden der Lofoten.
Den großen Aufschwung erlebte Stamsund zu Beginn des 20 Jahrhunderts, als J. M. Johansen den Ort zu einem der wichtigsten Fischerorte der Lofoten machte. Er wurde innerhalb von 30 Jahren zum größten Grundbesitzer der Gegend und baute ab 1889 den Hafen aus, errichtete Fabriken (Fisch, Beton, Guano für Fischmehl und mehr) und neue Fischerhäuser – 1949 wurden die Fischer- und Ruderhäuser zuletzt modernisiert. Heute ist Stamsund für sie bekannt, auch wenn sie von unserem Anleger aus nicht zu sehen sind.
Ich finde es durchaus bemerkenswert, dass ein ganzer Ort noch vor 100 Jahren mehr oder weniger Privatbesitz war und durch einen Mann so sehr an Bedeutung gewann. Heute hat Stramsund etwas über 1000 Einwohner.
Svolvær
MS Midnatsol
Wir machen wie immer nur kurz Halt in Stamsund, bevor es weiter zur Hauptstadt der Lofoten geht – Svolvær, der “Hauptstadt des Lichts”. Als ich vor zwei Monaten selbst hier Urlaub gemacht hatte, gab es nur Kunstlicht statt Nordlicht, und auch heute verbergen Wolken den Blick auf eventuelles Polarlicht. Da wir effektiv nur eine gute halbe Stunde bis zur planmäßigen Abfahrt haben, mache ich lediglich ein paar Schritte von Bord: Am Marktplatz wartet ein Weihnachtsbaum, und Lichtspiele werden auf den Boden projiziert. Auf dem Rückweg haben wir hier mehr Zeit. Kurz vor Svolvær begegnen wir noch der Midnatsol – eines der größten Schiffe der Flotte, die nach einem Zwischenspiel bei Hurtigruten Expeditions (die mehr auf Kreuzfahrt ausgelegt sind) jetzt wieder Linie fährt und die alte Vesterålen ersetzt.
Svolvær verlassen wir mit etwa 20 Minuten Verspätung, wahrscheinlich mussten wir noch auf die Teilnehmer des Wikingerfests warten. Bei der Abfahrt gibt es auf Deck 7 Trolle, Trollknert (keine Ahnung was da drin ist, ich hatte den einmal probiert) und Fiskekake (die Fischbuletten, die schon manchen frustriert haben, der nur Bulette gesehen und sich auf Fleisch gefreut hatte). Besonders viel ist bei der Abfahrt aber nicht los: Es ist ein langer Tag, an Deck recht kalt und windig, und es ist bedeckt – kein Polarlicht.
Troll-Alarm
Irgendwann kommt die Durchsage, dass wir gegen 23:55 den Trollfjord erreichen und der beste Platz am Bug sein wird. Ich halte solange durch und suche mir einen Platz im vorderen drittel des Schiffs auf Deck 5 – direkt am Bug ist es gedrängt voll, und ich lasse den Platz gerne den Gästen, die den Anblick noch nicht kennen.
Am Trollfjord. Das Handy zeigt mal wieder mehr als die richtige Kamera…
Wegen Lawinengefahr wird der enge Fjord ab dem Herbst gesperrt, daher können wir nur bis zur Mündung des Trollfjords fahren. Eindrucksvoll sind die hohen Wände und die schneebedeckte Mündung aber allemal. Kurz nach Mitternacht mache ich dann endlich Feierabend.
Wir sind in der Arktis angekommen, und so viel gibt es heute erst einmal gar nicht zu berichten.
Der Wecker klingelt viel zu früh, weil ich sehen will, wie Harstad mittlerweile aussieht: In den letzten Jahren war der Hafen Baustelle, mittlerweile sind die arbeiten beendet. Für einen Neubau sieht das Ergebnis gar nicht so schlecht aus. Von 7:10 bis 7:45 liegen wir hier. Und wenn ich schon einmal da bin, will ich auch die Schiffsbegegnung mitmachen – aber die südgehende Havila Pollux verpasse ich fast, da sie kurz nach dem Ablegen an unserer Steuerbordseite vorbeifährt, statt wie üblich an Backbord. Aber ich sehe sie noch vorbeirauschen, bevor ich zum Frühstück gehe.
Der Hafen von Harstad mit Neubau, Stadt und Havila Pollux
Der Vormittag an Bord ist ruhig, wir fahren durch die Vesterålen nach Finnsnes und lassen die verschneite Landschaft an uns vorbeiziehen. Immer wieder eine schöne Gegend, und es wird auch noch hell genug, um etwas von ihr zu haben.
Wer lieber im Warmen ist: Um 10 Uhr stellt das Coastal Experience Team die nächsten Ausflüge vor, um 11 gibt es einen englischen Vortrag über die “Norwegian Whale Experience”, und um 11:30 bin ich schon mit meinem dritten Vortrag über den Sternenhimmel dran – also genau nach unserem Zwischenstop in Finnsnes. Bei der halben Stunde Aufenthalt lohnt es sich kaum, von Bord zu gehen, aber wer will, kann einen näheren Blick auf das Schoko-Männchen an dem Haus am Anleger werfen und die Statue des norwegischen Händlers Ottar fra Hålogaland am Ende unseres Anlegers besuchen. Ich begnüge mich mit einem Blick von Deck mit dem Teleobjektiv, schließlich habe ich gleich Vortrag.
Finnsnes
Finnsnes ist mit rund 5000 Einwohnern gar nicht mal so klein, sondern zieht sich die Küste entlang bis zu der Brücke zur Insel Senja. Es gilt auch als Tor nach Senja – bei meinem letzten Trip dorthin wurde ich von Schnee überrascht und war froh, bei Hertz ein Auto mit Spikes bekommen zu haben, statt bei Europcar wir üblich was mit abgefahrenen Sommerreife…
Kurz nach 12 bin ich mit meinem Vortrag fertig, damit bleibt sogar etwas Zeit für das Mittagessen oder einen Blick auf die Landschaft, bevor der nächste Interessepunkt kommt: Jan stellt auf Deck 7 den Rystraumen vor, einen starken Gezeitenstrom, gegen den unser Schiff ankämpfen muss. Das ist aber bei weitem nicht so eindrucksvoll wie der Saltstraumen bei Bodø, nur der Spritverbrauch vom Schiff steigt durch den Kampf gegen die Strömung – gut, dass wir keine Galeere sind!
Am Rystraumen
Wir passieren die Insel Ryøya, vor der immer noch Schiffswracks liegen. Die Moschusochsen-Population aus Grönland, die hier mal kurzfristig angesiedelt war, ist seit etwa 2018 ausgestorben, wenn ich mich richtig erinnere. Aber ich erfahre auch was neues: Einige der Häuser am linken Ufer standen einst in Tromsø. Holzhäuser kann man ja gut wieder zerlegen; als Platz für größere Neubauten gebraucht wurde, wurden sie kurzerhand hier wieder aufgebaut.
Und dann kommt auch schon Tromsø in Sicht, ausnahmsweise nicht mit Regen oder Schneesturm, sondern nur mit Wolken am Himmel und Schnee auf den Straßen.
Tromsø
Tromsø, das Paris des Nordens! Tatsächlich habe ich hier schon mehr Geld gelassen als mir lieb ist. Für Outdoor-Sachen bietet Norwegen einfach eine gute Auswahl. Wir haben auch ziemliche viele Gäste mit Norwegen-Erfahrung dabei, sodass die Ausflüge wohl nicht allzu ausgebucht sind (zumindest nicht mit deutschen Gästen). Mein letzter Besuch hier ist noch nicht lange her (eineinhalb Wochen Lofoten mit einem völlig verregneten Abflugtag in Tromsø), daher ist meine Einkaufsliste nicht zu lang. Also mache ich die kleine Runde am Hafen entlang zum Polarmuseum und der “Festung” Skansen (da steckt wohl unsere “Schanze” drin, das passt auch besser zu dem kleinen Erdwall mit zwei Holzhäusern und ein paar alten Kanonen), dann durch die geschmückte Innenstadt am Dom vorbei zum Nerstranda Einkaufszentrum und zurück.
Der Weihnachtsmarkt
Was neu ist: Der Weihnachtsmarkt, direkt im Terminalgebäude und mein erster Halt. Hier gibt es viel lokales Kunsthandwerk, das im Haus vor dem nordnorwegischen Klima gut geschützt ist. Diesmal finde ich aber nichts, was den Haben-Will-Reflex auslöst. Vor dem Gebäude sind noch ein paar Fressbuden, aber mich reizt weder holländischer Käse noch Tacos oder Gyros für 20 Euro.
Da ich keine Einkaufsliste habe, bleibt Zeit für ein paar neue Läden. Man muss leider sagen: Die Souvenirshops mit Plastik-Krimskrams haben überhand genommen. Ein Wackeldackel Wackelelch gibt mir den Rest… Brauchbare Souvenirs gibt’s eigentlich allenfalls in den Sami-Shops (werden auch immer mehr, und die Joik-Musik muss man mögen, sonst ist sie auf Dauer… anstrengend) und in Tromsøs Greatest Souvenir Shop gegenüber der hölzernen Domkirche. Da reizen mich ein paar schwedische Nisse… Der Rest? Puh. Quantität statt Qualität. Aber die Leerstände nach Corona wurden mit Souvenirs aufgefüllt.
Good buy – frohes Kitsch-Shoppen
Zum Glück hat Tromsø immer noch einige gute Läden und trotz der vielen Neubauten ein schönes Stadtbild, gerade im Winter. Die Stadt ist weiterhin Baustelle, aber sie scheinen langsam mit dem Projekt “Trrrrrromsø” fertig zu werden.
Tromsø bei Nacht (am Nachmittag)
Letztlich verbringe ich einen entspannten Nachmittag in der verschneiten Stadt und lasse nicht allzu viel Geld hier. Leergut wegbringen und Getränke auffüllen, das war fast schon das Programm für die vier Stunden, bevor es zurück auf das Schiff geht. Um 18:15 legen wir ab, und um 18 Uhr gibt es schon Abendessen – diesmal das vorgezogene Nordkap-Buffett. Ich bleibe beim Rentiereintopf und dem Eis hängen; Meerestiere sind nicht ganz mein Ding.
Die Vesterålen
Und dann: Waiting for the Light. Aber die Prognose ist mau, und das auf der Strecke nach Skjervøy! Immerhin ein paar Sterne sind zu sehen, wobei es bodennah neblig-dunstig ist, und um 21 Uhr begegnen wir der südgehenden Hurtigrute MS Vesterålen. Mittlerweile ist sie das älteste Schiff der Flotte; mal sehen, wie lange sie noch fährt.
Und dann, um 21:30, erspähe ich tatsächlich eine kleine helle Wolke, die die Kamera grün sieht. Wird das doch noch was?
Für eine Durchsage ist das zu wenig, also mache ich mal die Runde im Schiff und sagen allen Bescheid, die ich von unserer Gruppe finde. Einige kommen raus und sehen noch einen Hauch von grauem Licht, bevor wir Skjervøy erreichen.
First Light – wird das was?
Aber es ist zäh… so richtig klar ist der Himmel nicht, auch wenn die Sterne über uns nicht schlecht zu sehen sind, und das helle Wölkchen löst sich auch auf. Die, die mit mir an Deck sind, stimmen mir zum Glück zu, dass sich dafür keine Durchsage lohnt.
So viel zum Thema Skjervøy geht immer…
Ich kann so nicht arbeiten.
Skjervøy erreichen wir pünktlich, damit ist erst einmal Pause angesagt. Im hellen Hafen geht mit dem schwachen Polarlichtchen nichts. Und als wir ablegen, ist der Himmel komplett zugezogen. Welchen Troll haben wir beleidigt? Hat jemand beim Buffett nicht aufgegessen, oder was ist los? Spaß macht das nicht, und gegen 23 Uhr streicht der “harte Kern”, der an Deck war, inklusive mir die Segel. Das ist sinnlos…
Ein Hauch von Licht vor Skjervøy, und das war es dann
Am nächsten Morgen schaue ich auf das Handy und sehe, dass über Kanada etwas Aktivität ist, und beim Frühstück kriege ich die Meldung, dass um halb sechs was zu sehen gewesen sein soll. Meldung und Durchsage hat aber keiner gemacht… Ach ja, und die Aktivität? KP 1-2. Da muss doch mehr gehen…
Einen Vorteil hat eine Reise durch die Polarnacht mit bedeckten Nächten: Es gibt nicht so viel für das Blog, daher bin ich ziemlich auf dem aktuellen Stand. Auch wenn ich jetzt natürlich viel lieber Polarlichtbilder bearbeiten würde…
Aber es hilft nichts, auch wenn mir am Morgen einige Gäste erzählen, dass es am frühen morgen um halb sechs doch etwas zu sehen gegeben hätte. Nunja…
Das erste, was ich heute sehe, ist ein klarer Himmel vor Havøysund und die Lichter der südgehenden Hurtigrute MS Nordkapp – mein erstes Schiff, da muss ich natürlich grüßen, auch wenn sie Verspätung hat und unseren Anlieger blockiert.
Warten auf die Nordkapp vor Havøysund
Die See ist ruhig, der Himmel klar, es könnte kaum besser sein. Sowas bitte heute Abend, ja? Erhört mich irgendein Wettergott?
Endlich ist es soweit, die Nordkapp macht den Anleger frei, wir grüßen einander und legen kurz in dem kleinen Örtchen an. Für mich ist es jetzt Zeit zum Frühstücken. An Bord der Polarlys gibt es um 9:30 Nordkap-Briefmarken und -stempel, gegen 10 (da wir leicht verspätet sind) den Interessepunkt zum Magerøya-Sund oben auf Deck 7. Der Sund trennt die Insel Magerøya mit dem Nordkap vom Festland und ist etwas unangenehm, da der Wind auffrischt. Die Gegend wirkt wie immer in der Polarnacht sehr arktisch – relativ hohe, schneebedeckte Berge, die aus dem schwarzblauen Wasser aufragen.
Magerøya-Sund
Irgendwo unter uns ist der Tunnel, der auf die Insel führt und das Nordkap an das Straßennetz anbindet. Tja, das Nordkap… mit Blick auf die Webseite von Statens Vegvesen hatten wir es schon geahnt: Wegen schlechtem Wetter ist die Straße gesperrt, die Dörfer an der Nordseite von Magerøya sind abgeschnitten. Der “Pflichtausflug” zum Nordkap fällt also aus. Lange Gesichter und Frustfressen im Restaurant… Aber fairerweise muss man sagen, dass der Ausflug zwar öfter ausfällt, aber trotzdem noch genug Unfälle passieren. Das Nordkap liegt auf einem flachen, hohen Plateau, das dem Wetter schutzlos ausgeliefert ist – und ein Reisebus hat eine große Windangriffsfläche. Es kommt durchaus immer wieder vor, dass ein Bus von der Straße abkommt und umkippt. Dann kommen auch alle Busse dahinter nicht mehr durch. So ärgerlich es ist, so berechtigt ist die Absage also auch. Und als wir in Honningsvåg einlaufen, hängen düstere schwarze Wolken über der Insel. Nord- und Südseite haben oft unterschiedliches Wetter, sodass wir wenigstens den Ort erkunden können, egal wie es auf der anderen Seite aussieht.
Ich mache die kleine Runde durch den Ort, erst um das Hafenbecken, dann über die Kirche hoch zum alten Friedhof, von dem aus man einen schönen Blick auf Honningsvåg hat. Blöd: Ich überhole zwei andere Wanderer und muss somit den Weg zum Friedhof spuren, weil ich jetzt ganz vorne bin. Oben auf dem Berg ist der Schnee fast kniehoch. Das artet in Arbeit aus, aber lohnt sich. Zumindest das Handy kommt mit den Lichtverhältnissen zurecht und fängt ein düsteres Panorama ein, meine “richtige” Kamera ist überfordert und macht eine Nachtaufnahme, nur mit den Lichtern der Stadt.
Da unten im Hafen liegt unser Schiffchen. Um 13 Uhr findet dort wieder eine Sicherheitsübung statt. Honningsvåg wird immer für diese Übung genutzt, da dann normalerweise kaum Passagiere an Bord sind. Mal sehen, ob ich bis dahin wieder an Bord bin und was davon mitkriege.
Danach geht es wieder in den Ort, zum Glück mit guten Spikes – der Berg ist doch steil. Auch Honningsvåg wurde im Krieg zerstört und neu aufgebaut, es gibt viele der “Standard-Häuser”, die nach dem Krieg als Serien-Fertighaus in der Finnmark weit verbreitet waren. Das Nordkap-Museum reizt mich nicht (da war ich einmal drin – Margit gefällt es, mein Ding ist es nicht), dafür mache ich einen Ladenbummel durch Holmen (den Shop neben dem Narvesen am Anleger), Vekst mit regionalen Sachen und stehe vor dem verschlossenen Christmas House – der zweistöckige Laden mit Weihnachtssachen bis zum Abwinken ist wohl dauerhaft geschlossen und die Besitzerin wieder in Spanien… Schade eigentlich.
Darf’s noch etwas Weihnachten sein?
Stattdessen also noch in den großen Touri-Shop am Abfahrtsort der Busse: Immerhin der hat eine Weihnachtsabteilung, wobei mich die drei Wikinger mehr faszinieren (in der Bildergalerie oben). Aber ich beherrsche mich und lasse sie stehen, auch wenn sie ganz gut zur aktuellen Nordlichtsituation passen würden. Nichts zu hören, nichts zu sehen, nichts zu melden:-(
Zurück auf dem Schiff gibt es um 14:30 wieder Waffeln zu kaufen, nur Platz ist rar: In Tromsø sind mindestens zwei größere Gruppen zugestiegen, samt Kindern – dementsprechend laut ist es (wir sind halt doch noch öffentliches Verkehrsmittel), und ich ziehe mich in meine Kabine zurück, bis um 15:45 bereits mein vorletzter Vortrag ansteht. Zum Glück ist die Barentssee ruhig, und anschließend stellt Margit noch ein norwegisches Nationalgericht vor: Kvikk Lunsj. Pünktlich zu Kjøllefjord sind wir dann auch fertig damit.
Kjøllefjord
Irgendwie verpasse ich es trotzdem, ein Foto von dem verschneiten Örtchen zu machen. Daher gibt es diesmal nur ein Foto vom Hafenterminal. Von Bord gehen wir ohnehin nicht, es ist nur ein kurzer Stop, und die Finnkirche am Eingang des Fjords ist im Winter auch nicht mehr zu sehen, seit sie nicht mehr beleuchtet wird.
Der Rest vom Tag? 17:15 Treffen mit dem Expeditionsteam, 18 Uhr Essen, und ab 18:15 läuft der Film zur Tour auf Dauerschleife, den das Schiff gebastelt hat. Da es doch recht voll ist und ich noch etwas meinen nächsten Vortrag durchsehen muss, bin ich erstmal in der Kabine und verpasse den Film. Der gelegentliche Blick ins Freie zeigt auch größtenteils nur Wolken.
Gegen 21:30 gibt es im Panoramasalon ein Filmquiz, damit ist unten auf Deck 4 Ruhe, und ich mache es mir da bequem. Bei Berlevåg gibt es ein paar Wolkenlücken, aber kein Nordlicht.
Berlevåg und die Havila Pollux
In Berlevåg legen wir kurz an, um zwei Paletten abzuliefern und aufzunehmen, dann wird es etwas voller an Deck: Wir begegnen der Havila Pollux, die etwas mehr Wetterglück hatte. Dann geht es wieder raus auf offene See – bei Windstärke 6-7 ist es unangenehm da draußen, aber immerhin hält der Wellengang sich in Grenzen. Das Quiz zur Filmmusik dürfte auch langsam am Ende sein, und Hoffnung auf Nordlicht habe ich auch keines mehr. Zeit für Feierabend; morgen früh steht Kirkenes auf dem Plan.
Die Nacht war ruhig: Kein Sturm auf der Barentssee, keine schlimmen Wellen, aber auch kein Sonnensturm – unter der dichten Wolkendecke sind wir nordlichtfrei bis Vardø gefahren, wo wir laut Marinetraffic den Anlegeversuch wohl abgebrochen haben.
Vadsø wollte ich eigentlich verschlafen, aber kurz vor acht sind wir immer noch da. So kann ich zumindest noch ein Foto von unserer Abfahrt machen. Warum wir da fast eine Stunde Verspätung angehäuft haben? Keine Ahnung. Jedenfalls fahren wir mit Verspätung durch den Varangerfjord und erreichen Kirkenes erst gegen 9:45.
VadsøVarangerfjordKirkenes
Wir sind fast wieder auf der Höhe von Tromsø, aber viel weiter im Osten und abseits vom Golfstrom – wirklich kalt ist es trotzdem nicht, gerade mal um die null Grad. Immerhin liegt Schnee…
Da hier einige Ausflüge stattfinden, wird unsere Liegezeit um eine halbe Stunde bis 13 Uhr verlängert. Neben dem Ausflug zur russischen norwegischen Grenze gibt es auch die Schlittenhunde-Tour, die einem gleichzeitig die Chance bietet, einen Blick in das Eishotel und das benachbarte Rentiergehege zu werfen. Das lohnt sich mehr als die reine Schlittenhunde-Tour in Tromsø, bei der man nichts von der Stadt mitbekommt. Die Teilnehmer waren davon auch angetan, nach dem, was ich so gehört habe.
Auf dieser Tour habe ich keine Ausflüge geplant, mein Weg führt mich wieder in die Stadt. Runde 15 Minuten dauert es, bis man von dem ausgedehnten Hafen in das Stadtzentrum kommt. Auf dem Weg liegen die bekannten Sehenswürdigkeiten – mit gut 3500 Einwohnern ist Kirkenes ja auch nicht so groß. Das Russendenkmal erinnert an den zweiten Weltkrieg, als die Russen als Befreier willkommen geheißen wurden, da sie die deutsche Wehrmacht zurückdrängten. Die Andersgrotte bot der Bevölkerung Schutz und kann heute im Rahmen des Ausflugs zur russischen Grenze besucht werden. Am Marktplatz erinnert ein Denkmal an die Familien, die zurückblieben. Und vor der Kirche steht der Kleinbus, der gegen den russischen Überfall auf die Ukraine protestiert. Die Zeiten ändern sich…
RussendenkmalLüftung der Anders-Grotta und Blick zum SchiffDer Bunker Anders-GrottaKirkenes Kirche
Das Verhältnis zu Russland ist hier natürlich spannend, da es um die direkte Nachbarschaft geht. Ich bin mir nicht sicher, wie offen die Grenze noch ist, aber bislang konnten die Einwohner im Grenzgebiet frei über die Grenze und auch einkaufen. Viele Mitarbeiter der Kimek-Werft zum Beispiel sind Russen – und die Werft hat ernste Probleme seit den jüngsten Russland-Sanktionen, da sie davon lebt, russische Fischtrawler über Wasser zu halten. Das klappt nicht immer – Ostern 2021 kenterte der Frachter Melkart nach einer Reparatur und blockierte den Zugang zur Werft, was eine Massenentlassung zur Folge hatte, bis das Wrack beseitigt war und die russischen Eigner Schadensersatz zahlten, nachdem die Schuldfrage geklärt war. Und mit den neuesten Sanktionen wäre die Werft auch am Ende gewesen: Zwei Trawler lagen zur Reparatur, und ohne diesen Auftrag wäre Kimek bankrott. Per Sondergenehmigung durften sie doch fertig gestellt und bezahlt werden…
Aktuell dürfen russische Fischer legal nur in Tromsø, Båtsfjord und Kirkenes anlegen und Ladung löschen. Die Gründe snd kompliziert – einerseits gibt es Russland-Sanktionen, andererseits ist das Ökosystem (in diesem Fall Ökologie und Ökonomie) auf die Fischerei eingestimmt, und ohne würden Fische angeblich abwandern – zumindest hat es Karsten vom Expeditionsteam so erklärt. Wie dem auch sei, unter den Sanktionen leidet die Kimek-Werft extrem, da ihre größte Einnahmequelle auf einmal weg ist. Die Werft in Båtsfjord hat 2023 einen Auftrag von der Marine erhalten und darf das Küstenwachschiff „Harstad“ reparieren – ein Versuch, Arbeitsplätze in der Gegend zu halten. Kimek fehlt diese Unterstützung aktuell. Auch wenn Kirkenes als östlicher Außenposten von Norwegen und NATO wichtig ist – ohne Arbeitsplätze fehlt die Bevölkerung.
Blick auf die Kimek-Werft samt Kunst und in die geschmückte Hauptstraße
Thors Frisbee…
In Kirkenes merkt man von der Krise nicht viel: Die Straßen sind eigentlich immer ausgestorben, wenn ich da bin. Vormittags arbeiten die Menschen entweder, oder sind bei dem Wetter zuhause. Nur im Amfi-Einkaufszentrum ist etwas Betrieb; die Renovierungsarbeiten sind abgeschlossen und einige Läden haben gewechselt. Das Outdoor-Outlet im Erdgeschoss gibt es weiterhin, den Outdoorladen im ersten Stock nicht mehr. Thors Hammer als Frisbee gefälligst? Oder doch lieber Küchenbedarf oder etwas schickere Kleidung für den Abend? Lesestoff in der Ark-Buchhandlung?
Das Amfi ist gut sortiert und bietet eigentlich für jeden etwas.
Ich drehe meine Runde weiter, werfe noch einen Blick auf den Rathausplatz mit den beiden Bären und gehe dann zurück zum Schiff.
Auf dem Rückweg am Hafen entlang gibt es neben Hotels einige Fahrzeughändler (neben der VW-Vertretung gibt es auch Schneebobile und Wohnwagen); immer wieder eindrucksvoll ist das rote Haus, das auf einen alten Bunker gebaut wurde.
Spareland am Hafen
Am Hafen noch ein Besuch bei Europris, Spareland und Kiwi – vor mir redet jemand Russisch und bezahlt bar; der grenznahe Handel funktioniert wohl noch.
Ich bin rechtzeitig genug auf dem Schiff, um noch kurz im Restaurant vorbeizuschauen, bevor es voll wird und die Ausflugsbusse zurück kommen.
Kurz nach zwölf ist es schon überraschend dunkel – aber wir sind so weit im Osten, da könnten wir eine andere Zeitzone verwenden. Norwegen liegt ziemlich quer auf der Landkarte… Andererseits haben auch Spanien und die Bretagne MEZ; dort geht die Sonne jetzt allmählich erst auf.
Kurz nach 12 Uhr Mittags in Kirkenes
Der Rest des Tages ist ruhig, und wir legen mit noch etwas mehr Verspätung kurz nach 13 Uhr ab, für eine ruhige Überfahrt nach Vardø. Um 12:45 gibt es die Sicherheitseinweisung für neu eingestiegene Gäste und um 14:30 eine Ausflugspräsentation; um 15:15 einen englischen Blick hinter die Kulissen der Polarlys und um 15:15 meinen letzten Vortrag: Sternbilder und ihre Mythen. Die Wetterprognose, die ich immer mit einbaue, ist leider mies – Wolken in Berlevåg, Wolken in Skjevøy, und Starkregen in Svolvær. Und das nennt sich Winter in Norwegen.
Vardø erreichen wir natürlich nicht pünktlich – es wird kurz nach 16:30, bis wir in der östlichsten Stadt Norwegens anlegen. Da bleibt keine Zeit für die kleine Festung Vardøhus und erst recht keine für das Hexendenkmal; außerdem ist es draußen glatt. Kein Wunder bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt…
Nachdem wir Vardø pünktlich verlassen, gibt es um 17:15 wieder das tägliche Gathering, bevor das Abendessen ruft. Am Abend zeigt das Schiff einen Film über das Nordlicht, wenn es schon nichts zu sehen gibt. Über uns: Wolken. Nicht mal Schnee liegt auf unserem Deck… Gegen Mitternacht gibt es eine gewisse Chance auf klaren Himmel, es wird also eine lange Nacht. Aber das Polarlichtoval gibt sich auch keinerlei Mühe.
Ich pendle zwischen Kabine, dem Außendeck und später auch dem Multe-Cafe auf Deck 7, aber spätestens nach Berlevåg ist Ruhe auf dem Schiff eingekehrt – ich bin fast alleine da oben.
Gegen Mitternacht schaue ich noch einmal raus: Da sind tatsächlich ein paar Wolkenlücken. Bis ein Uhr wird es sogar eher noch klarer, und einige Unverzagte sind an Deck und halten ebenfalls Ausschau nach einem Hauch von Grün – aber die Aurora ist im Bummelstreik und lässt sich nicht blicken. Kurz Mehamn streiche ich auch die Segen und gehe ins Bett.
Wir sind auf Südkurs, und ab jetzt geht es Schlag auf Schlag – die Rückfahrt geht schneller als die Fahrt nordwärts. Geht ja auch bergab…
(Ja, ich weiß, blöder Witz. Aber man weiß wann man lachen muss…)
Gestern Nacht war es nach Mitternacht tatsächlich noch klar geworden bei ziemlich ruhiger See, aber von Polarlicht keine Spur. Dafür erwartete uns am Morgen ein schöner Himmel über Havøysund, das wir gegen 8:15 erreichen. Damit halten wir die nordgehende Richard With ein wenig auf, die unseren Liegeplatz will – das übliche Problem bei den kleinen Häfen hier im Norden.
Den Morgen verbringe ich bei unserer Reiseleitersprechstunde, auch wenn es heute nichts zu besprechen gibt – der Hauptstop ist Hammerfest, unser Liegeplatz immer noch das Industriegebiet gegenüber des Stadtzentrums, und das Wetter wird schlechter. Während es draußen langsam dämmert, wird die neue Ankunftszeit angesagt: Wegen Wind und Strömung werden wir verspätet ankommen, der Interessepunkt Melkøya wird auf etwa 11 Uhr verlegt.
Morgenstimmung bei Honningsvåg mit der Richard With
Ansonsten tut sich heute Vormittag nicht viel, außer einer gewissen Katerstimmung bezüglich der Nordlicht-Aktivität.
Melkøya erreichen wir wie angekündigt gegen elf Uhr, und über der Flüssiggasanlage brennt diesmal eine sehr große Fackel. Da das Deck 7 der Polarlys fast ganz bis zum Heck verglast ist, bin ich auf Deck 5. Da ist zwar kein Windschutz, aber freie Sicht, und noch hält das Wetter. Von den Erzählungen des Coastal Experience Teams beim Interessepunkt auf Deck 7 bekomme ich so natürlich wieder nichts mit, aber was soll’s. Hier wird das Gas, das off-shore auf dem Schneewittchen-Gasfeld gefördert wird, komprimiert und per Dampfer verschifft – was einiges an Neubauten in Hammerfest verursacht hat.
Melkøya
Hammerfest
Als wir wenig später in den Hafen von Hammerfest einbiegen, beleuchtet die Flamme die tiefhängenden Wolken über Melkøya gespenstisch, das hat was von Mordor und verheißt nichts Gutes – es wird Regen geben. Viel Regen.
Der Hafenumbau sollte eigentlich längst beendet sein, aber wir legen erneut an der Fuglenes-Halbinsel an. Mittlerweile regnet es bei 3-6 Grad. Zwei Shuttlebusse warten darauf, diejenigen ins Stadtzentrum zu bringen, die Hammerfest auf eigene Faust erkunden wollen, außerdem warten die Ausflugsbusse. Viel Spaß beim Hike auf den Hausberg…
Nachdem alle versorgt sind, will das Expeditionsteam die verbliebenen Gäste zur Meridiansäule bringen. Ich kenne den Weg schon und breche gleich auf – mit einer kleinen Pause, um doch die Spikes anzuziehen. Der Regen hat den Schnee durch Eis ersetzt.
Busparkplatz und Meridiansäule
Die Säule erinnert an ein Projekt zur Erdvermessung durch Struve; von den anderen Landmarken, die er von hier aus angepeilt hat, ist nicht viel zu sehen. Mittlerweile regnet es nicht mehr, sondern schüttet, und ich kehre zeitnah um – den Weg zur Landspitze mit dem kleinen Freilichtmuseum und der kleinen Befestigung Skansen spare ich mir. Bis ich wieder am Schiff bin, bin ich nass genug, auch wenn die Kleidung hält. Aber mal ehrlich: 6°, Schneeregen und überfrierende Nässe kann ich auch zuhause haben, wenn auch ohne den unangenehmen Wind. Das kann Norwegen doch besser!
Ein Blick zurück
Wir verlassen Hammerfest dann kurz nach 13:15 – damit die Ausflüge stattfinden können, wurde unser Aufenthalt verlängert. Ich habe die Liegezeit und meine verfrühte Rückkehr aufs Schiff genutzt, um das Restaurant zu besuchen.
So bleibt auch etwas Zeit, um Margits Vortrag vorzubereiten. Wenn sie im Dezember unterwegs ist, erzählt sie immer gerne etwas über die norwegischen Weihnachtsbräuche – was sind Nisse, was wird an Weihnachten gegessen und getrunken, was hatte es mit der norwegischen Butterkrise auf sich? Bei der Gelegenheit kommen auch alle Nisse raus, die uns so zugelaufen sind. Das Schiff macht sich schon Sorgen um den eigenen Nisse-Bestand, aber wir sind da autark. Der Vortrag könnte auch ohne Weihnachtsdeko auf dem Schiff stattfinden.
NissePostflaggeØksfjord
Gut eine Stunde hat sie Zeit, dann geht das Schiffsprogramm zügig weiter, Jan braucht den Raum. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das eine Ausflugspräsentation ist oder schon das tägliche Gathering – der für 15:30 angesetzte Vortrag zur Geschichte der Hurtigrute wird jedenfalls nach hinten verschoben (oder war das der Englische?), aber ich habe eh keine Zeit – wir müssen unsere Nisse einfangen und aufräumen:-) Vor dem Vortragsraum wartet übrigens die Hurtigruten-Foundation: Diesmal werden eine Seekarte und die Postflagge angeboten, um Gelder zu sammeln. Diesmal gibt es aber keine Versteigerung, stattdessen kann man Lose kaufen.
Langsam kommt auch ordentlich Bewegung ins Schiff. Wir sind zwar noch nicht auf der offenen Seestrecke der Loppa, aber es schaukelt schon ganz ordentlich. Øksfjord erreichen wir mit einer guten halben Stunde Verspätung gegen 16:30, kurz vor dem Hafen kann man endlich auch wieder problemlos an Deck gehen. Es hat ordentlich geschaukelt.
Und dann geht es auf die Loppa. Loppa macht Hoppa… der Captain bittet darum, nicht rauszugehen.
Die neue Route
Zu unserer Reiseleitersprechstunde kommt bei dem Seegang keiner, aber zumindest unser Teil vom Restaurant ist gut gefüllt. Tone, unsere Kellnerin, bittet darum, dass niemand die Suppe bestellen möge. Wir tun ihr den Gefallen, bei dem Seegang hat die Crew so schon genug zu tun – Respekt für die Leistung!
Und die Polarlys? Fährt einen Schleichweg an Bergsfjord vorbei, um nicht allzusehr durchgeschüttelt zu werden. Trotzdem ist gut Bewegung im Schiff, obwohl nicht umfällt oder zu Bruch geht. Dank der Polarnacht sehe ich aber nichts von der Landschaft, die ich noch nicht kenne. Schade eigentlich.
Die meisten Passagiere sind wohl trotzdem froh, als wir endlich Skjervøy erreichen – gegen 21 Uhr, statt wie geplant um 19:30. Statt der geplanten 15 Minuten liegen wir 45 Minuten im Hafen. Etwa eine Stunde vor dem Anlegen wurde nachgefragt, ob ein Arzt an Bord ist – hoffentlich nichts zu schlimmes, aber vielleicht der Grund für unsere längere Liegezeit.
Um 21 Uhr findet dann der vom Nachmittag verschobene Vortrag zur Geschichte der Hurtigrute statt, und gegen 21:45 legen wir ab.
Skjervøy und die Nordnorge
Wenig später treffen wir die nordgehende MS Nordnorge. Ich gehe zum Winken an Deck: An Bord ist Ingrid mit einer anderen Nordlicht-und-Sterne-Gruppe, die hoffentlich mehr Glück hat als wir. Eigentlich hätte ich mit ihr im nächsten März fahren sollen, mal sehen, ob die Tour stattfindet. Jetzt muss sie erst einmal die Loppa überstehen…
Danach war es das mit unruhiger See: Die Strecke nach Tromsø ist windgeschützt, da ist die Fahrt angenehm ereignislos. Unsere Ankunft wird auf 1:45 oder zwei Uhr geschätzt – damit entfällt das Mitternachtskonzert natürlich, und ich werde auch keinen Kneipenbummel unternehmen, sondern Tromsø hoffentlich verschlafen.
Normalerweise vergesse am Vesterålen-Tag immer, das Telefon mit dem Infokanal (für die Nordlicht-Durchsagen) auszuschalten, und werde von der Info geweckt, dass die Teilnehmer der Vesterålen-Bustour sich bereit machen sollen. Aber diesmal nicht! Mein Wecker klingelt früher, außerdem findet die Busfahrt nicht statt, wegen unserer Verspätung und dem schlechten Wetter in Sortland. Allerdings kommt die Durchsage nicht wesentlich später, und ich mache mein Telefon wieder an, um sie auch in der Kabine zu verstehen.
Wir erreichen Harstad mit nur noch einer Dreiviertelstunde Verspätung; gar nicht schlecht dafür, dass ich Tromsø gestern verschlafen habe – die geplante Ankunft um 2 Uhr war mir dann doch zu spät.
HarstadUnser Büro10:30 – Mystische Vesterålen
Aber auch um 8 Uhr ist es in Harstad noch dunkel, hier herrscht weiterhin Polarnacht – und die Dämmerung hat keine Chance gegen die Wolken. Die morgendliche Schiffsbegegnung verpasse ich wegen unserer Verspätung, also ab zum Frühstück, und anschließend ins Büro: Margit bietet wieder Reiseleitersprechstunde an, und ich bin dabei, bis draußen die arktischen Lichtspiele der Polarnacht allmählich von Schwarz zu Grau wechseln. Die mystischen Vesterålen bleiben wieder einmal etwas zu mystisch.
Von Harstad aus fahren durch die verregneten Vesterålen weiter nach Risøyhamn. Im norwegischen Frühstücksfernsehen wurde Nordnorwegen viel Glück gewünscht, hier wird wohl das schlimmste im Sinne von regenreichste Unwetter seit einem Jahrzehnt erwartet. Gut dass wir auf einem Schiff sind, das zuverlässig schwimmt…
Vor Risøyhamn kommt wie immer die Risøyrinne; mein Plan, die Einfahrt vom Bug aus mitzuerleben scheitert am Wetter. Bei dem Wind komme ich nicht um das Eck rum… Also ein paar Bilder von Deck 5 Mitte, und dann hoch aufs Sonnendeck. Jan flucht über das Wetter und zieht den Interessepunkt trotzdem durch. Respekt!
Risøyrinne und Risøyhamn
Die flache Rinne wurde Anfang des letzten Jahrhunderts ausgebaggert, um Stokmarknes und Umgebung besser an den Rest Norwegens anzubinden, und hat fast genau die Tiefe eines Hurtigrutenschiffs; die Breite der Rinne wirkt bei dem Wind auch nicht viel vertrauenserweckender. Kurz nach 11 erreichen wir Risøyhamn und rauschen daran vorbei – es gibt wohl keine Fracht oder Passagiere, und so sind wir wieder ziemlich gut im Fahrplan.
Kurz darauf wird ein spontaner Vortrag über norwegische Traditionen von Karsten angekündigt. Ich werfe über den Fernseher einen Blick rein und komme zu dem Schluss, dass da nicht viel neues dabei sein dürfte. Eine andere Tradition fällt auch flach: Mangels Ausflug können wir keinen Ausflugsbussen zuwinken, als wir die Brücke bei Sortland überqueren. Das würde am Bug aktuell aber auch keinen Spaß machen.
Sortland
Bei dem Wetter ist es kein großer Verlust, dass der Ausflug ausfällt (ebenso wie der über Land zum Hurtigrutenmuseum in Stokmarknes), vom Schiff aus sieht man auch nicht weniger. Und durch die Scheiben vom Schiff betrachtet man die Vesterålen heute eh am besten. Also in aller Ruhe Mittagessen und die Reise nach Stokmarknes genießen, solange es noch hell ist. Der Regen wird schon einmal stärker…
Stokmarknes mit Hurtigrutenmuseum
Weihnachtsstimmung auf der Polarlys
Ich überlege mir ja ernsthaft, ob ich hier wirklich aussteigen soll, aber ich muss noch in den Coop, meine Einkaufsliste abarbeiten. Im Museum war ich ja vor zwei Monaten in aller Ruhe (bei ähnlichem Wetter): Schön gemacht, und die alte MS Finnmarken ist jetzt auch sicher vor den Elementen geschützt. Die Stunde Aufenthalt in Stokmarknes langt nur für einen halbstündigen Besuch auf dem Schiff; mittlerweile gibt es wieder günstigere Eintrittskarten im Vorverkauf auf unserem Schiff, und Jan macht am Museum einen Seiteneingang für “Fast Lane” auf.
Ich begnüge mich mit ein paar Fotos im Regen von außen und suche Schutz im Coop: Es gibt Labans Nissefest! Dann noch ein paar 200g-Tariergewichte aus Vollmilch von Freya, um die 23 kg für den Koffer auszureizen, und ich habe eigentlich alles, was ich brauche. Also zurück auf Schiff, Jacke trocken legen.
Als wir ablegen, wird auf Deck 7 wieder der berühmte Trollknerz zum Verkauf angeboten (und man darf die Tasse behalten!), parallel dazu gibt es im Konferenzraum einen englischsprachigen Vortrag mit Blick hinter die Kulissen unseres Schiffs; vom Raftsund ist nur Finsternis zu sehen. Statt an Deck zu sein mache ich lieber bei unserer zweiten Reiseleitersprechstunde mit – Flagge zeigen auf Deck 4, falls jemand Fragen hat. Da ist es schön warm und trocken…
Aber alles Gute findet ein Ende: Kurz vor 17 Uhr erreichen wir den Trollfjord, den wir trotz des Wetters wieder anfahren, um den Eingang zu beleuchten. Also nichts wie raus in den Regen, der in den Suchscheinwerfern des Schiffs noch eindrucksvoller wirkt.
Am Trollfjord
Nordgehend mit Schnee statt Regen hatte man mehr gesehen…
Kommen wir zu den wichtigen Dingen: Da wir Svolvær um 18:30 erreichen wollen und es dort Ausflüge gibt (zumindest in die Brauerei, der Ritt mit dem Pferd über die Lofoten ist abgesagt – bei dem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür, und erst recht kein Pferd), gibt es schon um 17:30 Abendessen. Als Buffet, weil es so schneller geht. Das kurze Stück zwischen Raftsund und Svolvær hat überraschend viele Wellen zu bieten, die das Abendessen unterhaltsamer machen.
Svolvær erreichen wir trotzdem fast pünktlich im Dauerregen – das gibt diesmal wohl nur einen kleinen Abstecher in den Ort. Ein paar Bilder, ein paar Souvenirshops (nichts neues, was reizt), ein reich geschmücktes Haus bei der Kirche – das langt mir. Ab ins Schiff.
Svolvær
Da noch ein bisschen was Schaffen, und dann legen wir auch schon ab, Kurs Stamsund. Die abendliche Schiffsbegegung fällt aus: Die Kong Harald traut sich nicht über den Westfjord, lässt die Lofoten aus und fährt von Bodø aus direkt nach Norden, immer an der Küste lang, und übernachtet in Harstad. Könnte eine interessante Nacht geben, wenn wir den Westfjord überqueren.
Stamsund
Nach einer schaukligen Fahrt legen wir tatsächlich in Stamsund an, obwohl die enge Hafeneinfahrt bei Wind nicht ohne ist. Aber es steigen nicht nur drei Personen ein, sondern es wird auch einiges an Paletten ausgeladen. Wie es für die Fracht weitergeht? Keine Ahnung – wegen dem Wetter sind einige Straßen auf den Lofoten gesperrt.
Schließlich ist die Ladung gelöscht, und wir legen ab – mal sehen, wie unruhig die Überfahrt wird.
Der Tag beginnt mal wieder mit leichtem Regen und recht frühem Aufstehen: Gegen halb neun begegnen wir der nordgehenden Midnatsol, und kurz vor neun überqueren wir den Polarkreis in der Morgendämmerung. Es ist nicht mehr ganz stockduster, aber scharfe Bilder der Kugel sind eine Herausforderung – und am Bug ist es unangenehm. Zur Abwechslung fahren wir links an der Insel Vikingen vorbei.
Anschließend gehe ich auf Deck 7: Hier findet wieder die arktische Tradition statt, es gibt Lebertran und eine lange Schlange an der Bar, die bei der Polarlys seitlich unter dem Dach ist. Wer brav schluckt, darf den Löffel behalten und bei Bedarf einen Sekt kaufen, um den Lebertran runterzuspülen. Aber einerseits haben wir eh Kaffee-Flatrate, und andererseits ist der Lebertran gar nicht mal so ungenießbar, wie man das früher immer gehört hat. Aber mittlerweile ist die Lebertranproduktion auch etwas verfeinert worden.
Am Polarkreis
Irgendwo gibt es Küste…
Anschließend könnte man die Landschaft genießen, wenn die reizvolle Helgelandküste denn zu sehen wäre: Schwer zu sagen, ob das da draußen Regen, Nebel oder erhöhte Luftfeuchtigkeit ist, aber es ist sehr kontrastarm.
Nesna, unser nächster Hafen, ist kaum auszumachen. Erst als wir schon fast im Hafen sind, ist er am Bug auszumachen. Kein schöner Tag soweit; da kehre ich gerne rasch zu unserer Reiseleitersprechstunde zurück, die in die Liegezeit fällt. Aber man verpasst draußen nicht viel, nur das raue Norwegen mit deutlichen Plusgraden.
Nesna
In Nesna bleiben wir etwas länger, bevor die Fahrt weiter Richtung Sandnessjøen geht. Am Ausblick ändert sich aber nichts. In Sandnessjøen: Leichter Regen und dichte Wolken, also keine Chance für einen Blick auf die Bergkette der sieben Schwestern. Der Interessepunkt findet daher nicht auf Deck statt, sondern am Mikrofon und über die Sprechanlage – zu sehen gibt es ja eh nichts. “An Backbord können Sie sich die Gipfel der sieben Schwestern vorstellen…”
Dafür gibt es interessantes Mittagessen: Stoßzahn. Keine Ahnung, wer die Übersetzung verbrochen hat. Das kommt davon, wenn man der KI vertraut. Soll aber geschmeckt haben – ich verzichte mal wieder auf das Mittagessen.
Sandnessjøen ohne die sieben Schwestern, aber interessantem Essen.
Die weitere Fahrt verläuft weitestgehend ereignislos und wird nur das das Gathering mit dem Coastal Experience Team (ich vermisse die alte Bezeichnung Bordreiseleiter) um 14:15 unterbrochen. Bis wir Brønnøysund mit erreichen, ist es schon wieder dunkel.
Brønnøysund
Bis ich vom Schiff bin, bleiben noch zwei Stunden für den Gang durch das Örtchen – anfangs regnet es noch ordentlich, gegen 16 Uhr lässt der Regen dann etwas nach.
Captain’s Dinner
In Brønnøysund gibt es nicht viel zu tun, einmal im Regen zur Mitte Norwegens und warten, bis wirklich alle den Stein fotografiert haben, ein kurzer Gang durch das Einkaufszentrum und dann noch ein Blick in das Terminalgebäude am Hafen: Es gibt wieder Eis und Softeis. Anfang des Jahres machte die Meldung die Runde, es gäbe keines mehr. Die Eismaschine sieht neu aus, aber da es an Bord diesmal genug Eis gab, schone ich meine Kreditkarte, die glüht eh schon. Neue Reifen für mein Auto waren fällig (nein, die kaufe ich nicht in Norwegen – aber die müssten dann da sein, wenn ich wieder zurück bin), und der letzte Gang durch Coop und Kiwi.
Von der Abfahrt in Brønnøysund bekomme ich nicht allzuviel mit – wir sind etwas verspätet, wahrscheinlich warten wir auf den Ausflugsbus. Und dann: Ein sehr pragmatisches Captain’s Dinner. Am Eingang des Restaurants bekommt jeder kommentarlos ein Glas Sekt, wir werden von vier Kellnerinnen begrüßt, und dann gibt es ein 5-Gänge-Menü ohne Ansprache. Bei vier Sitzungen für aktuell noch 250 Gäste wären vier Ansprachen im Halb-Stunden-Takt zu viel; andere Schiffe legen da einfach je zwei Essenssitzungen zusammen. Nun denn: Skål.
Rørvik
Der letzte Halt für heute ist Rørvik, danach geht es auf die Folda. Bis zu vier Meter hohe Wolken sind angesagt, könnte eine unruhige Überfahrt werden. Und der Himmel: ein paar Wolkenlücken gibt es. Um 21:45 werden die Gewinner der Lotterie für die Hurtigruten-Foundation gezogen, zu gewinnen gibt es eine Seekarte, eine Postflagge, eine Schirmmütze der Midnatsol und eine Überraschung, die sehr nach einem Kalender aussieht.
Keine Ahnung, ob die Lotterie lukrativer ist, aber die Bieterschlacht bei der Versteigerung war immer witziger. Auch wenn sich nicht immer für alle Preise ein Bieter fand…
Zwischendurch ist ab und zu der Mond durch die Fenster zu sehen – es wird tatsächlich noch einmal klar auf dieser Reise. Aber nach Rørvik erreichen wir offenes Meer, und es schaukelt zunehmend. Ich schaue immer wieder raus, erst auf Deck 5 Mitte, dann nur noch hinten, wo es dunkler ist, und vor allem geschützter. Irre, was die Seiten vom Schiff an Gischt abkriegen. Aber der Aufenthalt dort an Deck ist trotzdem sportlich und nicht zu empfehlen; ich bin ganz froh, wenn ich mich irgendwo festhalten kann.
Hübscher Mond…
Ich schaue so im Viertelstundenrhythmus immer wieder raus, ein paar Unentwegte tummeln sich ebenfalls am Heck. Irgendwann wurde sogar das Licht am Heck ausgemacht; auf Deck 7 stört nur noch die Weihnachtsbeleuchtung.
Gegen 23:20 gebe ich auf – zu viele Wolken, zu viel Gischt, und vor allem zu viele Wellen. Selbst wenn noch etwas kommt: Bei dem Seegang würde ich ungern eine Durchsage veranlassen und die Leute auf Deck hetzen.
Also mache ich Feierabend, gehe in meine Kabine und bereite noch ein wenig unsere Abschiedsveranstaltung vor.
Und höre um 23:45 die Durchsage: Nordlicht, und Vorsichtig sein an Deck. Uff…
Ich muss mir eigentlich nur Jacke und Kamera schnappen und die paar Meter zum Heck gehen, aber als ich da bin, sind nur Wolken zu sehen. Das Deck füllt sich trotzdem flott, und allmählich kommt die Jagdstimmung auf, die mir auf dieser Reise bislang gefehlt hat.
Wie befürchtet ist die See rau, irgendjemand stürzt auch prompt. Mich wundert, dass keine Handys über Bord gehen…
Bis halb eins halte ich durch, dann biegen wir ab und erreichen ruhigere See zwischen Inseln, die vom Mond hübsch geleuchtet werden. Kommentar eines Gasts: So viel Landschaft haben wir den ganzen Tag über nicht gesehen.
Jo, irgendwie streikt Norwegen grad…
Dann geht das Licht an Deck wieder an, und ich streiche auch die Segel. Die Kamera hat eine Dreiviertelstunde Wolken aufgenommen, und morgen früh klingelt der Wecker in Trondheim. Endgültig Feierabend, ohne Polarlichtfotos.
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