Silvester in Tromsø – das ist nicht nur eine gute Idee, sondern war auch der Plan für den Jahreswechsel 2015/2016. Nachdem die Pläne auf der Sternwarte bekannt wurden und noch ein paar Anmeldungen hinterher kamen, waren wir schließlich 16 Leute, die nach einigen Umbuchungen durch SAS eine spannende Reiseroute vor sich hatten. Am 30.12. ging es über Frankfurt und Oslo nach Tromsø. 10:25 klingt eigentlich nach einer ganz angenehmen Abflugszeit, wenn man nicht schon zwei Stunden vorher am Flughafen sein müsste und eine längere Anfahrt hätte. Immerhin habe ich guten Parkplatz erwischt – die Nummer kann man sich wenigstens merken. Den ersten Flug führte die Lufthansa durch, daher wurde unser Gepäck in Oslo-Gardermoen auch nicht testweise durchgecheckt. Stattdessen mussten wir es am Gepäckband abholen, durch den Zoll tragen und ein Stock höher wieder aufgeben, anschließend noch mal durch die Security und ab zum Gate mit dem nächsten Flieger.
Soweit die Theorie, denn unser Zeitfenster betrug nur 50 Minuten. Gut die Hälfte von uns schaffte es, war rechtzeitig im Flieger und kurz nach 15:00 Uhr am Flughafen in Tromsø, um dann norwegisch-kreativ auszusteigen: Die Maschine am Heck verlassen, über das Rollfeld, die Treppe am vorderen Ende des Fliegers hoch, ins Flughafengebäude und wieder die Treppe runter zur Gepäckausgabe. Dann ab zu Europcar, die beiden Mietautos abholen, und mit den anderen zusammentelefonieren, die in Oslo zurückgeblieben und nun über ganz Nordnorwegen verstreut waren: Die meisten flogen über Bodø und zahlreiche kleine Flughäfen auf den Lofoten, zwei hatten die große Norwegen-Rundreise gewonnen und machten die südgehende Hurtigrute an einem Abend: Kirkenes, Vardø, Vadsø und weitere Luft- und Schiffshäfen, die ich nur von See aus kenne. Mit den Propeller-Maschinen von Widerøe kann man Norwegen auch schnell und gut kennenlernen; ich freue mich schon auf die Fotos dieser Expeditionstour. Einige kamen somit am späten Abend an, die letzten gegen halb eins – und was machen wir derweil?
Erst einmal im Hotel einchecken, Getränke für die anderen besorgen und um 19:00 Dan Steinbakk von ArticX treffen, schließlich war die Tour ja fest für diesen Abend geplant. Er machte seinem Ruf wieder alle Ehre, dass er das Polarlicht findet – und schließlich waren ein schöner Sonnensturm und gutes Wetter vorhergesagt. Aber auf die Prognosen ist da kein Verlass: Das Sturmgebiet über dem Atlantik (wegen dem sogar ein paar Bohrinseln evakuiert wurde) trieb Wolken zu uns, und statt Sonnensturm gab’s nur Schneesturm. Ein bisschen mehr Wind, und es hätte mich beim Aussteigen glatt weggeweht, zumindest ohne Spikes.
Die Suche nach klarem Himmel führte uns zwar nicht ganz bis nach Finnland, aber die Hälfte der Strecke unserer Tour vom letzten November machten wir doch – nur ging es durch mehr Schneetreiben. Irgendwann fanden wir dann ein Eckchen mit Wolkenlücke, schöner Kulisse und “litte, litte lys” – ein bisschen Nordlicht schimmerte durch die Wolkenlücken. Die, die zum ersten Mal dabei waren, waren froh, etwas gesehen haben, die anderen weniger. Dan und ich waren uns einig, in Zukunft besser keine Prognosen mehr abzugeben… Auf der Rückfahrt gab es immerhin noch eine etwas bessere Wolkenlücke, und wir hielten in einer Parkbucht an, um noch etwas Grün zu erhaschen.
Aber ganz ehrlich: Die Aurora hätte sich ruhig etwas mehr Mühe geben können. Vielleicht hatte sie aber auch nur Mitleid mit dem Rest unserer Gruppe, von denen die ersten mittlerweile in Tromsø angekommen waren und nicht nur die wunderschönen Lofoten von oben gesehen hatten, sondern auch das erste Hurtigrutenschiff besichtigen konnten, das um Mitternacht im Hafen lag. Das war eindeutig die lohnendere Tour, auch wenn ich Dan immerhin einige Kneipentipps für Tromsø entlocken konnte. Irgendwie kenne ich in Norwegen mittlerweile mehr gute Kneipen als in Deutschland…
Die Beute der Nacht ergab immerhin einen kleinen Zeitraffer; zum Üben ganz nett.
Am nächsten Tag waren wir dann vollständig und hatten nur wenig Programm geplant. Daher galt es, die Ladenöffnungszeiten auszunutzen – über Silvester ist Norwegen weitestgehend geschlossen.
Also machten wir eine kurze Orientierungstour für alle, die zum ersten Mal hier waren, danach ging es zum Shoppen: Im Bokhuset Libris wartete eine Buchbestellung auf mich, anschließend wurden die Schuhgeschäfte und Tromsøs Greatest Gift Shop abgeklappert. Der nächste Termin war ein Besuch auf der Midnatsol, dann das Abendessen im Hotel und anschließend das Mitternachtskonzert in der Eismeerkathedrale – immer wieder schön, und ich kann es mir auf den nächsten Hurtigruten-Touren sparen:-) Der Besuch auf dem Storsteinen fiel flach: Es gibt zwar wohl einen Fußweg, aber Dan würde ihn nur ambitionierten Bergwanderern mit passender Ausrüstung empfehlen. Also ließen wir die Bauarbeiter da oben in Ruhe. Im Oktober dann wieder.
Nach dem Konzert ging es über die Brücke zurück zum Hotel, noch einmal die Trollfjord anschauen und anschließend etwas verfrüht auf das neue Jahr anstoßen – mit Sekt, aber nur in der Lobby vom Hotel, um keine 1500 NOK Strafe wegen Alkohol auf der Straße zu riskieren. Anschließend ab zum Kai, um wenig privates Feuerwerk zu bewundern, zusammen mit viel städtischem Feuerwerk. Respekt, dagegen ist das Heilbronner Feuerwerk nichts.
Und dann: Big Party und ausschlafen! Pustekuchen… Pünktlich um 10 Uhr am 1. Januar erwartete uns das Taxi zum Hundeschlittenfahren mit Arctic Adventure Tours.
Die Tour führte uns rund 1,5 Stunden quer durch die verschneite Insel Kveløya und war echte Arbeit: Aus Kirkenes kennt man die Hundeschlittentour von Hurtigruten ja so, dass man mit dem Schlitten kurz auf einen See gefahren wird, danach geht’s wieder zurück. Hier war Selberfahren angesagt: Immer zwei von uns auf einem Schlitten, und zwischendrin wird abgewechselt. Die Hunde kennen den Weg bzw. laufen dem Leitgespann hinterher (theoretisch zumindest – solange sie es nämlich nicht aus den Augen verlieren), und der Musher ist das siebte Teammitglied zu den Sechs Huskies und muss mitarbeiten: Am Berg anschieben bzw. abbremsen, wenn es bergab geht, damit man keinen überholt. Außerdem dafür sorgen, dass der Schlitten nicht umkippt, in einem Baum hängen bleibt oder in einem Loch verschwindet. Was soll ich sagen: Der siebte Husky war ‘ne Niete. Bei jedem Team.
Spaß hat’s trotzdem gemacht. Zum Glück gab es auch Overalls und Stiefel, damit alle passend gekleidet waren. Und es war der Ausflug mit dem besten Preis/Leistungs-Verhältnis: Die Knochen taten einem noch zwei Tage später weh. Also wurde der Nachmittag im Boblebad vom Hotel verbracht. So schee. Und nein, Bilder gibt’s keine. Zum Trost noch ein paar Impressionen von Tromsø und dem allnachmittaglichen Hurtigrutenschiff:
Um 19:00 stand dann wieder Polarlichtjagd mit Dan auf dem Programm: Diesmal war das Wetter besser, und es ging nur ein paar Kilometer weit. Angeblich war ja in der Nacht zuvor klasse Polarlicht zu sehen, aber über Tromsø waren Wolken. In dieser Nacht fanden wir einen schönen, windgeschützten Standort, hatten zum ersten Mal das versprochene Lagerfeuer (auf der ersten Tour gab’s zu viel Polarlicht, auf der Tour vorgestern zu viel Sturm) und einen sehr angenehmen Abend mit etwas Polarlicht, viel leckerer Spicy Soup (Geheimrezept), Karottenkuchen und interessanten Gesprächen. Dan ist ja so ziemlich der Einzige, der die Aurora auch hörbar macht, das Geprassel des Sonnenwinds ist durchaus interessant.
Leider wieder nicht die große Show, aber ein toller Abend.
Irgendwann ging’s dann wieder zurück in die superweichen Betten vom Hotel – groggy, k.o., tot. Wecken bitte nicht vor 13 Uhr…
Wobei das mit dem Aufstehen in der Polarnacht ja so eine Sache ist. Irgendwann wacht man auf, überlegt wie spät es ist (gefühlt kann’s nicht viel nach 6 Uhr sein, und dunkel ist’s auch noch), und dann schaut man auf die Uhr: Zwanzig nach Neun? Dann halt doch aufstehen. War auch eine weise Entscheidung: Die anderen wollten die Autoschlüssel, um das Science-Center zu besuchen. Bei mir stand wieder einkaufen auf dem Programm: Zur Tagesbeute gehörten endlich gescheite Schuhe (Warum gibt’s das in Deutschland eigentlich nicht? Ein paar solide Schuhe, die ihr Geld wert sind?) und – erstmals – Souvenirs aus dem Gift-Shop. Anschließend ein Besuch auf dem Schiff der Schiffe, der Nordkapp. Und dann wieder Boblebad, so schee. (Sagte ich das bereits?)
Und für den Abend stand erneut Nordlicht-Jagd auf dem Programm, diesmal auf eigene Faust. Der Himmel war bombenklar, die Polarlichtvorhersage so lala, und von 16 Leuten hatten nur noch zehn Interesse – Leute, wofür sind wir denn in Norwegen? Also ging’s mit zwei Autos westwärts. Der erste Halt war ein spiegelglatter, bitterkalter windiger Parkplatz, der jeden daran erinnerte, dass man die Spikes doch hätte einpacken sollen – gut, dass wenigstens die Autos Spikes haben. Klasse Himmel, kaum Polarlicht. Also noch ein Stück weiter fahren, an Dans VW-Bus vorbei (dann kann die Route schonmal nicht schlecht sein) zum nächsten Parkplatz (nicht schlecht, aber hohe Berge), und dann weiter bis zur Küste, in der Nähe von Skulsfjord. Tolle Kulisse, schönes Polarlicht: Hier bleiben wir! Und zwar fast vier Stunden lang. Zwischendrin holen wir noch ein paar der zurückgebliebenen nach, denn es lohnt sich echt.
Wer das nicht sehen will, ist selber schuld!
Das ist genau die Show, wegen der wir hier sind. Kurz nach 23 Uhr brechen wir dann zusammen, schließlich steigen morgen früh die ersten schon wieder in den Flieger. Auf der Rückfahrt halten wir noch kurz bei Dan und sind uns einig: AWESOME!
Zurückgekommen bleibt noch Zeit für einen Kaffee im Hotel, einen Besuch am Kai, wo die Lofoten liegt und ein Abschiedsfoto von Tromsø gemacht werden kann, und eine tolle Reise geht zu Ende.
Für den 3. Januar war eigentlich vorgesehen, dass wir alle zusammen zurück nach Frankfurt fliegen, aber dem hat SAS einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein paar von uns konnten wie geplant fliegen, andere wurden umgebucht und sollten von Tromsø nach Oslo und anschließend von Stockholm nach Frankfurt fliegen, mit angenehmen 5,5 Stunden zwischen den beiden Flügen – nur dummerweise sollte der Gatewechsel zu Fuß erfolgen, und schon der Zug braucht sechs Stunden von Oslo nach Stockholm… Letztlich durften wir noch eine Nacht in Oslo verbringen und hatten so genug Zeit, um noch einmal durch Tromsø zu schlendern. Manche Straße war eisglatt, aber nett war’s trotzdem. Sogar die Gullideckel sind hübscher als bei uns… Anschließend war noch genug Zeit für einen Besuch auf der Finnmarken. Auf dem Schiffchen steigen Volker und ich ja am Sonntag in Bergen zu, wieder Nordlicht und Sterne betreuen.
Blöd: Die Finnmarken hat zwar zwei Whirlpools, aber weder Guinness noch Pepsi Maxx oder Smirnoff Ice (Smirnoff Wodka mit Eis ist keine Alternative), und Free WiFi gibt’s genausowenig wie den Coffee Deal. Das kann ja eine Reise werden…
Immerhin war der Rückflug kein größeres Problem, auch wenn unser Flieger wegen schlechtem Wetter über Svalbard Verspätung hatte. Das Radisson Blu in Oslo hat zwar keinen Whirlpool, aber sehr bequeme Betten und gutes Essen, sodass am Montagmittag auch die letzten unserer Gruppe in Frankfurt landeten.
Und am Sonntag geht’s schon wieder nach Norwegen, auf die Hurtigrute:-)