Die südgehende Polarkreisüberquerung ist immer relativ gut vorhersagbar: Sie findet etwa um 9:20 statt. Also heißt es wieder einmal früh aufstehen (die Schiffsbegegnung mit der Trollfjord eine Stunde vorher ist ein guter Wecker), das Frühstück ausfallen lassen und ab neun Uhr mit der Kamera auf Deck 7 sein. Das Wetter ist trüb, aber brauchbar, und bald schon kommt die Insel Wiking an Backbord in Sicht. Passieren werden wir sie diesmal wie üblich an Steuerbord, und Tourguide Anna bereitet schon die südgehende Polarkreiszeremonie vor.
Die Lebertran-Ausgabe ist immer wieder faszinierend: Ein Teil der Gruppe vermeidet dieses Ritual, viele machen mit, und einige sogar mehrmals, um sich ein komplettes Service an Lebertranlöffeln zu verdienen. Immerhin bekomme ich nicht mit, dass jemand den Lebertran wegschüttet und nur den Löffel einsteckt. Brav:-)
Der Berg Hestmannen entgeht den meisten wohl. Er markiert den Beginn der längsten Sage – als Reiter mit langem Umhang jagt dieser Troll in der Legende die Magd Lekemøya bis weit hinter Brønnøysund; im Augenblick wirkt der 568 m hohe Berg ruhig und friedlich. Überhaupt ist die Landschaft mehr als nur einen Blick wert. Die Route führt südwärts über den kleinen Ort Nesna bis nach Sandnessjøen. In Nesna halten wir nur eine geschäftige Viertelstunde, in der zwei Gabelstapler Ladung umschlagen. Wer palettenweise Stockfisch sehen will, ist hier richtig.
Die sieben Schwestern verbergen sich mal wieder in den Wolken, und etwas Regen gibt einen Vorgeschmack auf die kommenden Tage. Macht nichts: Es ist genug Zeit für ein paar Bilder mit den Gästen. Es macht wirklich Spaß, wenn man mit der Gruppe ins Gespräch kommt, und diese Reise ist sehr angenehm. Vor dem Tourguide-Büro hat sich mittlerweile auch ein neuer Mitarbeiter eingerichtet: Der kleine Troll wohnte bislang im Shop (14000 NOK, wenn ich mich richtig erinnere) und bewacht jetzt die Prospekte.
Aber ich bin ja nicht zum Spaß hier: Um 14:00 steht mein letzter Vortrag über Sternbilder und Mythen an. Der Streifzug durch die letzten 40.000 Jahre kommt gut an, und ich muss wirklich mal wieder an dem Buch arbeiten. Hoffentlich bis nächsten Sommer… In der Zwischenzeit regnet es draußen, sodass es am Abend in Brønnøysund ekelhaft nass ist.
Bei dem Wetter gibt es eigentlich nur zwei reizvolle Stationen in dem hübschen Städtchen. Die erste ist das Einkaufszentrum. Meine Suche nach Schuhen ist allerdings erfolglos – zwar werden gerade 25% Rabatt angeboten, aber ich will doch keine italienischen Schuhe kaufen. Dafür muss ich nicht nach Norwegen… Also wieder ab zum Frustkauf in die Buchhandlung. Langsam mache ich mir wegen Übergepäck doch Sorgen, aber das ist es wert.
Das eigentliche Highlight in Brønnøysund ist die Eisdiele direkt am Kai, aber bei dem Wetter habe nicht einmal ich Lust auf Eis. Schade, da es zurecht einen sehr guten Ruf hat. Und der Torghatten verbirgt sich bereits in der Finsternis: Der Berg mit Loch bleibt unsichtbar.
Nun, wenn es mit den örtlichen Highlights nicht klappt, dann wenigstens auf dem Schiff: Für einige Gäste endet die Rundreise bereits in Trondheim (für die Nordlicht-und-Sterne-Touren im nächsten Jahr übrigens auch), daher findet das Captain’s Dinner schon heute statt. Wieder einmal lerne ich eine neue Version kennen: Um 18 Uhr lädt das Schiff zum Farewell-Drink in die Panorama-Lounge ein, wo Anna ein Gedicht über die Reise zum Besten gibt (in Deutsch und Englisch, wirklich toll) und die Crew vorstellt.
Die Stimmung ist gelöst, und beim anschließenden Abendessen wurde selten so viel gelacht wie heute. Ich bin gut damit beschäftigt, Gruppenfotos der einzelnen Tische zu machen, bevor Anna die Mitarbeiter des Service-Teams vorstellt. Und zwischendrin gibt es noch eine Neuerung: Vor zwei Tagen nahm jeder, der etwas im Shop gekauft hat, an einer Verlosung teil. And the Winner is: Moni! Damit hat sich der Jackenkauf noch mehr rentiert, Captain Nilsen überreicht ihr einen 500-NOK-Gutschein für den Shop. Willi und ich lassen es uns nicht nehmen, die Preisverleihung im Bild festzuhalten. Ich bin ja mal gespannt, ob ihr der Gewinn von der Heuer abgezogen wird:-)
Nach dem Abendessen erreichten wir dann Rørvik, wo es wieder einmal die Möglichkeit für eine Schiffsbesichtigung gab. Statt der Richard With konnten wir diesmal einen Blick in die Kong Harald werfen. Das Schiff wurde 1993 als erstes der neuen Schiffe in Dienst gestellt und löste die Finnmarken ab, die jetzt in Stokmarknes steht. Nach dem Besuch wussten auch alle wieder, “wo wir zuhause gehören”… Die Kong Harald ist ähnlich gebaut wie die Nordkapp, aber innen deutlich düsterer und 80er-Jahre-mäßig eingerichtet. Da kehrt man gerne wieder auf “sein Schiff” zurück.
Danach muss ich natürlich noch ein Bild vom schönsten Schiff der Flotte machen, wie sie da so schön im Hafen von Rørvik liegt. Da Madis nicht an Bord ist, der auf meiner letzten Fahrt die Facebook-Seite vom Schiff betreut hat, muss ich wohl für ihn am Tau entlang fotografieren. Anschließend geht es hinaus auf die offene Meerstrecke der Folda.