Neues Spielzeug: Bresser Messier AR 90/500 Achromat

In meinem Teleskop-Fuhrpark war tatsächlich noch eine Lücke: Ich hatte kein Teleskop mit 500mm Brennweite. Und Bresser hat für wenig Geld (169,-€ Liste, Stand Juli 2024) einen 90/500 Achromat. Ein richtig bunter Achromat fehlt mir auch noch, also was soll’s – schauen wir mal nach dem günstigsten Angebot!

Der Bresser auf der Vixen Porta

Das kam dann die Tage auch bei mir an, von Astroshop via Amazon, weil er da billiger war als bei Astroshop direkt. Muss man nicht verstehen. Der erste Eindruck: So viel Plastik! Mit zwei Kilo Gesamtgewicht wiegt der ja gar nichts!

Ich hatte mir nur den OTA geholt, also Tubus mit Optik. Im Karton waren:

  • Der Tubus mit Okularauszug und Rohrschelle aus Vollplastik, Staubkappen und fest montierter Taukappe
  • Ein 1,25″ Zenitspiegel, leider ohne Filtergewinde
  • Ein 25mm Bresser Plössl im Drehpack, ohne eigene Staubschutzkappen
  • Ein 6×30 Sucher mit vorderer Staubschutzkappe (hinten offen) und Plastik-Halter
  • Ein Handyhalter
  • Ein Folien-Sonnenfilter in Fassung
  • Eine winzige drehbare Sternkarte ohne Anleitung
  • Eine Kurzanleitung zum Teleskop und eine zum Filter
  • Ein “Downloadcode” für Stellarium.

Um das für das Erwartungsmanagement mal einzuordnen: Für 169,-€ bekomme ich aktuell auch ein Hyperion Okular und habe noch 5,-€ übrig. Das enthält etwa genauso viel Glas und Metall wie das Teleskop… Meine Erwartungen an den lichtstarken Achromat waren also nicht allzu hoch, wodurch er mich dann doch irgendwie positiv überrascht hat.

Fangen wir mal mit dem Sucher an: Um den Sucher zu montieren, muss man die Rohrschelle abmachen. Die Sucherbasis hat nämlich einen Anschlag, er kann also nur von vorne in seine Halterung geschoben werden. Umdrehen geht nicht, dann müsste man das Sucherfernrohr in der Halterung umdrehen, und das ist irgendwie nicht vorgesehen. Der Sucher wackelt natürlich wie ein Kuhschwanz, hat aber tatsächlich ein halbwegs ordentliches Einblickverhalten und sogar ein brauchbares Sichtfeld. Um ihn zu fokussieren, muss man den schwarzen Ring lösen und kann dann das Objektiv auf einem Gewinde drehen und so verschieben. Das wird leider nirgends erklärt. Auf dem Staubschutzdeckel klebt dafür ein großes Warnschild für die Sonnenbeobachtung. Am besten nimmt man den Sucher für die Sonne ab – was bei dem kurzen Tubus bedeutet, dass man die Rohrschelle öffnen muss. Die Sucherjustage geht aber, und er schwingt in die Ursprungsposition zurück. Zusammen mit dem großen Feld vom Okular ist das brauchbar. Da gibt es Sucher, die wesentlich weniger vom Himmel zeigen.

Die Sucherhalterung ist das komische schmale Format von Bresser/ES und mit nichts kompatibel. Für einen gängigen Leuchtpunktsucher muss man sie also ersetzen. Ich hatte noch eine Standard-Sucherbasis da, die mit zwei der vier Befestigungsschrauben kompatibel ist (zwei andere gingen nicht, die Löcher sind weit auseinander), sodass ich den Sucher gegen einen Leuchtpunktsucher getauscht habe. Spart nochmal etwas Gewicht und vor allem Volumen.

Der Okularauszug hat natürlich keine Untersetzung, dafür ein paar Grad(!) Spiel. Für visuell mit leichten 1,25″-Okularen geht das sogar ganz ordentlich; eine Kamera dranzuhängen und zu fokussieren wird schon sportlicher. Mit der relativ leichten MFT-Kamera Panasonic G70 geht es – aber als Leitrohr für die Fotografie wollte ich ihn nicht einsetzen, wenn neben der Kamera auch noch USB-Kabel dran ziehen und man was verwindungssteifes will. Bresser bietet den auch als Leitrohrset an, ohne justierbare Leitrohrschellen zur Festmontage… Jedenfalls kann man gut am Okularauszug wackeln und sieht die Bildverschiebung auch, wenn man das Auge auf die Augenmuschel legt.

Eigentlich hätte ich ja gerne 2″ und gerne einen T-2-Anschluss, aber der vorhandene Okularauszug wäre mit 2″-Zubehör definitiv überfordert, auch wenn das für ein Richfield-Gerät toll wäre. Ich habe hier noch einen TS Monorail-Okularauszug mit 86mm Anschlussflansch, der normalerweise am Vixen 80 Mf ist. Der wäre ideal und passt als Presspassung gerade so noch in den Tubus. Nur festschrauben geht nicht, die Bohrlöcher sind zwar im richtigen Winkel, aber zu nah am Objektiv – die Gewinde im Flansch sind zwar zu sehen, aber mit den Schrauben nicht zu erreichen. Macht aber nichts: Der Tubus ist ohnehin zu lang für einen 2″-Auszug, da komme ich nicht in den Fokus. Nicht einmal, wenn ich die Filterschublade entferne und ein Morpheus nehme, das mit 2″ tiefer in der Okularklemme verschwindet als üblich. Keine Chance. Abgesehen davon, dass das dann deutlich schwerer und hecklastiger wird. War einen Versuch wert:-(

So hätte ich das gerne: Mit 2″-Okularauszug. Kommt nur nicht in den Fokus.

Aber wirklich interessant ist ja, was das Teil kann. Meine schwere alte Saturn-Montierung mit der dualen Prismenklemme von PrimaLuce funktioniert nicht: Die Prismenschiene des Teleskops ist wohl nicht ganz Vixen-kompatibel und zu schmal, ich kann sie nicht festklemmen.

Also ab auf meine GP-DX und an der Sonne ausprobieren: Krass. Mein Gegengewicht vom ED80 ist zu schwer… zum Glück habe ich noch ein leichteres im Schrank.

Der Sonnenfilter wird ohne weitere Sicherung in die Taukappe gesteckt und liefert ein angenehm (falschfarbenes) gelbes Sonnenbild. Ganz hübsch. Interessant: Laut Anleitung muss er dunkel gelagert werden, damit er nicht altert, man soll nicht länger als drei Minuten am Stück beobachten und maximal das 20mm-Okular plus Barlowlinse verwenden, weil höhere Vergrößerungen systembedingt nicht gehen. Da hat Bresser ja Vertrauen in seinen Filter…

Das Beipack-Okular ist vom Einblickverhalten ziemlich mies und kann weg, obwohl Plössl-Okulare eigentlich ganz gut sind. Ich greife stattdessen zu einem alten 35mm und einem 20mm Eudiaskopischen Okular von Baader, einem 19mm TS Flatfield und einem 10mm Classic Ortho ebenfalls von Baader. Damit komme ich bis 50x und habe Sonne oder Mond bildfüllend.

Ach ja: Viel Verstellweg hat der Okularauszug auch nicht, der Backfokus ist knapp bemessen. Mit T-2-Prisma, etwas längerer Okularklemme und dem 35mm Eudiaskopischen Okular komme ich gerade so in den Fokus. Aber am Abend kommt der fast volle Mond raus, und bis ca. 50x macht die Optik mit besseren Okularen tatsächlich Spaß. Wesentlich höhere Vergrößerungen versuche ich aber gar nicht erst: Das 10mm Classic Ortho (50x) ist noch hübsch, auch wenn am Mond schon ein Farbsaum kommt; das 19mm TS mit 2,25x Barlow (60x) überzeugt nicht mehr. Die leichten 1,25″-Okulare unter 10mm haben einen unangenehm kurzen Augenabstand, und kurzbrennweitige Okulare mit angenehmem Einblick kosten deutlich mehr als das ganze Teleskop. Und selbst mit einem 6,5mm Morpheus wäre ich nur bei 76x.

Bresser 90/500 auf der Star Adventurer Montierung

Noch ein Versuch, weil das Teil so leicht ist: Er passt sogar ziemlich gut auf die alte Star Adventurer Nachführung mit Deklinations-Einheit. Schick. Könnte ein netter Reise-Setup sein. Nachteil: Das Star Adventurer Set hat eine Fotoschraube, um eine Kamera an der Deklinations-Einheit zu befestigen. Die Bresser-Prismenschiene hat unten kein Fotogewinde. Um den VarioFinder für Foto/EAA-Versuche am Star Adventurer zu nutzen, hatte ich eine Arca-Swiss-Klemme installiert. Da kann ich die Prismenschiene vom Bresser gerade so reinschieben, wie üblich reinkippen funktioniert nicht. An drei weiteren Arca-Swiss-Klemmen, die ich noch habe, passt die Schiene übrigens nicht, die öffnen sich nicht weit genug.

Am Abend ist klar und fast Vollmond, aber bis 50x macht das tatsächlich Spaß: Der Mond ist dann bildfüllend, und auf der Vixen Porta kann ich Teleskop und Montierung en bloc auf das Stativ setzen. Länger dauert der Aufbau eines Smartscopes auch nicht:-) Die Klemmschraube der Montierung ist dabei allerdings fast am Anschlag, die Prismenschiene hat eine Nut als Durchrutschsicherung, die ziemlich tief eingecshnitten ist. Aber es hält.

Ein bisschen Farbe kommt bei 50x ins Spiel, aber mit dem SemiApo-Filter wird das Bild noch etwas besser. Nachteil: 1,8 mm Austrittspupille am Mond sind immer noch ganz schön hell.

Viel Deep Sky geht bei Vollmond nicht, aber der Kleiderbügel Cr399 ist schon ganz hübsch anzuschauen. Was mir ebenfalls die Beobachtungsfreude versaut: Stechmücken. Konzentrier dich mal aufs Bild, wenn sofort ein Bssssss kommt.

Ebenfalls im Lieferumfang ist ein Handyhalter, dessen Sinn sich mir nicht ganz erschließt. Eventuell soll da Stellarium drauf laufen, um als Navi zu dienen? Das würde zumindest bei azimutalen Montierungen halbwegs Sinn ergeben; auf parallaktischen Montierungen hätte das Handy ja ständig seltsame Winkel. In der Dokumentation wird er nicht erwähnt. Aber für mich ist es praktisch: Ich hatte ja mal ein Celestron StarSense-Teleskop geplündert und mir eine zweite Handyhalterung mit einem Prisma gebastelt. Das Handy kann ich da so auch anschließen und habe dann ein wirklich tolles Push-To, das auch fasziniert. Aber dass Bresser da an Eigenbauten denkt, die auf Celestron-Technologien basieren, kann ich mir nicht vorstellen.

Fazit

You get what you pay for… Das 90/500 hinterlässt daher einen etwas zwiespältigen Eindruck. Die Optik ist gar nicht mal schlecht, wenn man sie für das verwendet, wofür sie gedacht ist: Als Richfielder für niedrige Vergrößerungen bis ca. 50x oder allenfalls auch mal 100x, die man mit günstigen 1,25″-Okularen auch erreichen kann, ohne dass Augenabstand und Einblick unbequem werden. Dann ist auch der Okularauszug nutzbar. Aufrüsten vom Okularauszug auf 2″ lohnt sich zumindest finanziell aber auch nicht, selbst wenn man einen passenden findet – der kostet mehr als das Teleskop und ist ohne größere Arbeiten nicht nutzbar. Andererseits wären 2″ für noch mehr Bildfeld wirklich toll; so zeigt er weniger Feld als mein ED80/600. Das bestätigt jedenfalls mal wieder, dass bei den günstigen Teleskopen die Mechanik das Problem ist.

Der Plastikanteil ist enorm, aber dafür hat man ein preiswertes Teleskop, das man ohne Gewissensbisse einpacken und zur Not auch auf einem guten Fotostativ betreiben kann (passender Adapter vorausgesetzt). Ein 4″-Newton zeigt auch nicht mehr (man darf den Fangspiegel nicht vergessen, der die Öffnung begrenzt) und muss justiert werden, auch wenn er dann höhere Vergrößerungen ermöglicht – mit entsprechenden Okularen.

Statt des optischen Suchers hätte ich für ein Reiseteleskop/Richfielder lieber gleich einen Leuchtpunktsucher gesehen, der Zenitspiegel ist okay und das Okular für die Tonne.

Die Prismenschiene ist so eine Sache für sich – kein echter Vixenstandard, aber auch kein Fotogewinde, um sie auf einem Videoneiger zu montieren.

Wer das Teleskop so nutzen will, wie es kommt – als preiswerten Richfielder – und evtl. noch eine passende Sucherbasis für einen bereits vorhandenen Leuchtpunktsucher rumliegen hat, erhält einen brauchbaren klassischen “Kometensucher” mit 1,25″-Anschluss. Als Grab-and-Go-Gerät auf einer ausreichend leichten und stabilen Montierung macht er Spaß. Wer Planeten oder Doppelsterne bei hoher Vergrößerung beobachten will, wird schon an der kurzen Brennweite scheitern, bevor der Farbfehler zuschlägt – dafür ist es nicht gemacht. Großartig Geld investieren lohnt sich aber wohl nicht. Bei mir wird er wohl die Ergänzung zum Schiefspiegler werden: Da schließt er die Lücke zwischen dem Leuchtpunktsucher und der Mindestvergrößerung von 50x, die das große Teleskop hat.

Hurtigrute Tag 11, 12 und 13: Trondheim, Bergen, Amsterdam

Der Tagesplan

Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal freiwillig Sonntags in die Kirche gehe – und dann auch noch um halb acht in der Früh. Aber was soll man machen, wenn der Ausflug 11b – Die geheimen Gemächer des Nidarosdoms – schon einmal tatsächlich stattfindet? Einen Vorteil muss es ja haben, dass die letzten Nächte nicht so anstrengend waren…

Mit Kai und mir warten insgesamt acht oder neun Teilnehmer auf den “Mini-Bus”, der uns zur Kathedrale von Trondheim bringen soll. Davor (und prinzipiell auch noch danach) gab es die Option, in aller Ruhe zu frühstücken, jedenfalls war noch nicht viel los im Restaurant. Nur einige Teilnehmer der normalen Stadtrundfahrt haben auch noch einen Grund, jetzt schon unterwegs zu sein. Und draußen? Nasser Schnee.

Normalerweise findet die Führung auf Englisch statt, diesmal wurde uns noch ein Guide versprochen, der das Wichtigste auf Englisch zusammenfasst. Im Bus werden wir von unserem Guide zweisprachig auf Deutsch und Englisch begrüßt. Während der kurzen Fahrt gibt er noch einige Infos über den Dom: Fast tausend Jahre alt entstand er neben der alten Königspfalz in einer Zeit, als Norwegen noch Reisekönige hatte statt einer festen Hauptstadt; die Anfangsfinanzierung kam vom König, und als später Kirchensteuern eingeführt wurden, durfte die Kirche den Rest bezahlen – schließlich gehörte ihr zeitweise halb Norwegen.

Am Dom erwartete uns eine ganz besondere Atmosphäre: Frischer Schnee und ein Dom noch ganz ohne weitere Besucher, in einer stillen Stadt. Fast schon mystisch und sehr eindrucksvoll.

Im Dom trennt sich unsere Gruppe dann auf: Es gibt eine eigene Führerin für die deutsche Gruppe, und unser erster Guide macht mit der einzigen englischsprachigen Teilnehmerin eine Privatführung. Auch recht, wir sind immer noch nicht zu viele, und einsprachig ist immer von Vorteil. Manchmal klappt was:-)

Der Dom hat noch nicht offiziell geöffnet, und wir haben das mächtige Gemäuer für uns alleine. Es kommt mir auch deutlich heller vor als bei meinem letzten kurzen Besuch vor fast genau zehn Jahren – vielleicht gab es damals die Beleuchtung noch nicht?

Die erste Information? Der Dom ersetzte eine kleine Kirche, die einem seiner Flügel entsprach, und er wurde ohne Keller gebaut. Also fast wie ein modernes Fertighaus, das aus Kostengründen nur auf eine Bodenplatte gestellt wird… Das Problem dabei? Die Menschen wollten in geweihtem Boden beigesetzt werden, und die Mächtigen und Einflussreichen konnten sich diesen Wunsch auch erfüllen. Also wurde Löcher in den Kirchenboden gegraben, bis der so durchlöchert war, dass das Fundament Probleme bekam. Also wurde nachträglich ein Fundament mit Kellergeschoss gegraben, und die meisten Gräber wurden verlegt – wen man halt gefunden hat, als die Kirche untertunnelt wurde. In einem Grab fehlt der Schädel, der Rest des Skeletts ist heute noch an Ort und Stelle – der Rest wurde gefunden, als der Boden vertieft wurde, um mehr Platz und eine bessere Gehhöhe zu schaffen. Der Mann war fast zwei Meter groß – vor der Pest waren die Menschen noch größer als danach.

Daher ist die Unterwelt des Doms tatsächlich der jüngste Teil des Gebäudes, und hat oft eine angenehme Deckenhöhe. Aber natürlich nicht überall…

Nach dem Ausflug unter die Kirche ging es nach oben, in eine der zahlreichen Kapellen. Diese gibt es nicht nur ebenerdig, sondern auch im Obergeschoss, oft mit Türen nach außen – einst gab es wohl Brücken, die sie mit dem benachbarten Erzbischofspalast verbanden. In eine gelangten wir durch einen schmalen, zum Kirchenschiff offenen Gang. In fast völliger Finsternis erwarteten uns ein Wandteppich und bunte Fenster sowie vier sehr kleine Kammern neben der Kapelle. Ihr Zweck? Unbekannt, verloren im Nebel der Zeit.

Der Dombaumeister

Das war es dann auch schon mit geheimen Gemächern – nur etwa eine halbe Stunde hat die kleine, aber eindrucksvolle Führung gedauert. Damit haben wir noch eine weitere halbe Stunde Zeit, um den Dom auf eigene Faust zu erkunden. Von mir aus wäre schon noch ein Raum mehr drin gewesen, aber unserer Führerin hat den nächsten Termin – die Stadtrundfahrt kommt und erfährt ein paar andere Sachen, die wir nicht mitbekommen hatten – zum Beispiel, dass der Dom regelmäßig abgebrannt war. Es wäre vielleicht eine Option für die Zukunft, wenn sich unser Ausflug der Stadtrundfahrt-Führung offiziell anschließen könnte. Aber das macht nichts: Kai und ich kommen mit dem anderen Guide ins Gespräch, Kai fragt nach dem Schlussstein des Doms, und wir machen eine kurze Exkursion nach draußen: Vom richtigen Eck kann man durch die Löcher in der Brüstung die Skulptur des Baumeisters erkennen, der gerade den letzten Stein an seinen Platz am rechten Turm schieben will. Der Legende nach endet die Welt, wenn der Dom einmal fertig ist. Das kennt man ja vom Kölner Dom. Also lässt der Baumeister sich da ganz viel Zeit. Wenn man weiß, wo man ihn suchen muss, kann man ihn durch am rechten Turm das Geländer gerade so erspähen – ein Fernglas wäre jetzt nicht schlecht.

Und dann ist unsere Zeit auch schon um, es geht zurück zum Schiff. Wir legen pünktlich ab und machen Platz für die nordgehende Versterålen, die im Nebel nur unwesentlich besser zu sehen ist als die Insel Munkholmen.

Es dauert etwas, bis das Wetter besser wird und wir den Trondheimfjord erkennen können. Derweil ist an Bord wieder volles Programm – abgesehen davon, dass ich Zeit finden muss, meinen Abschlussfilm fertig zu machen.

Die offiziellen Ausschiffungs-Infos

Um 10:15 gibt es die offiziellen Ausschiffungsinformationen für Bergen, und um 11:30 das letzte Treffen mit dem Expedition Team – bei dem ich mir wohl nie merke, dass das jetzt Coastal Experience Team heißt. Derweil bietet Kai an, alle für die Flüge einzuchecken, die dabei gerne Hilfe hätten. Dann ein leichtes Mittagessen (irgendwie hat man nach elf Tagen gar keinen Hunger mehr), und um 14 Uhr machen wir unseren Farewell-Drink.

Draußen ist es mittlerweile deutlich schöner geworden, aber auch an Bord geht das Programm weiter – ein englischer Vortrag über Wale und ein deutscher über Lustiges aus Norwegen, während ich die letzten Bücher signiere und meine Bilder auf USB-Sticks und SD-Karten kopiere.

Kurz nach 16 Uhr erreichen wir dann auch schon Kristiansund – wir sind flott unterwegs, vielleicht weil der Captain Geburtstag hat und in Ruhe im A La Carte Restaurant feiern will? Jedenfalls ist es noch hell genug, um die schöne Hafeneinfahrt zu genießen.

Im Hafen wird ein Segelboot abgeschleppt, das sich hinter einem großen Arbeitsschiff versteckt, und der leuchtende “Hollywood”-Schriftzug auf dem Hügel links von der Kirche wünscht ein gutes neues Jahr. Diesmal bleibe ich an Bord, noch ein paar Speicherkarten füllen und schon einmal ein wenig packen.

Mit der Abfahrt aus Kristiansund lassen wir das schöne Wetter und den klaren Himmel über Stadt hinter uns: Es geht raus auf die Hustavika und schaukelt ganz schön, pünktlich zum Abendessen schneit es auch noch. Aber das Geschaukel ist nicht der einzige Grund dafür, dass einige Tische unbesetzt sind: Viele Passagiere steigen in Trondheim aus, und dann haben uns in Kristiansund auch noch die Teilnehmer des Ausflugs zum Marmorbergwerk Bergtatt verlassen, die erst in Molde wieder zusteigen.

Aber auch das Geschaukel geht einmal vorbei, wir kriegen bei Bud die Kurve und nehmen Kurs Molde, in ruhigeres Fahrwasser. Währenddessen läuft im Konferenzraum das Video mit dem Reiserückblick des Schiffs. In Molde erwartet uns noch mehr Schnee, und schließlich steigen die Ausflugsteilnehmer wieder ein – sie können in Ruhe Abendessen und sind der Hustavika entgangen.

Nach Molde gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Nachdem ich das gröbste gepackt habe, mache ich es mir im Multe auf Deck 7 bequem, letzte Bilder sichten und mein Blog vorbereiten. Viel ist hier nicht los – die meisten sind wohl entweder im Panoramasalon oder in der Kabine, packen. Die Begegnung mit der nordgehenden Havila Pollux sehe ich nur zufällig durch das Fenster, während sich draußen dicke Schneeflocken auf dem Deck sammeln – jetzt wird es Winter. Über den Rückreisetag 12 gibt es normalerweise auch nicht viel zu erzählen, daher schreibe ich hier gleich weiter.

Tag 12 – Bergen

Der Tagesplan

In der Nacht passieren gegen vier Uhr das Westkapp. Dabei ist genug Bewegung im Schiff, dass ich wach werde. Mist. So viel zum Thema ausschlafen. Dementsprechend kurz ist die Nacht, als um viertel vor acht der Wecker klingelt, damit ich noch einen Blick auf Florø werfen kann. Wenn man vor dem Anlegen einen Blick auf das Örtchen werfen kann und nicht nur die Containerstapel sieht, schaut das eigentlich ganz nett aus. Florø ist der letzte Hafen vor Bergen, ab jetzt heißt es volle Kraft voraus, wir fahren nach Hause.

Florø

Dann heißt es duschen, Frühstücken, den Koffer zumachen, wiegen (22,24 kg – Maßarbeit, da hätte sogar noch eine Tafel Schokolade mehr gepasst) und ins Treppenhaus stellen, damit ich ihn in Bergen im Terminal wieder in Empfang nehmen kann, und ab ins Reiseleiterbüro.

Um zehn Uhr müssen die Kabinen geräumt sein, damit sie für die nächsten Gäste vorbereitet werden können: Wir legen um 14:45 an, und ab 16 Uhr können die ersten Passagiere für die Reise in den Norden auf das Schiff.

Auf der Nordkapp tut sich heute nicht mehr viel. Um zehn vor elf gibt es einen letzten Interessenpunkt auf Deck sieben, weil wir den schönen Steinsund durchqueren. Im leichten Schneefall gibt der sich aber betont kontrastarm…

Immerhin: Die Felsen, denen wir auf ein paar Meter nahe kommen, sind gut zu sehen, schneebedeckt vor weißem Nebel. Unser Reiseleiterbüro ist eigentlich auf der falschen Seite vom Schiff, wir haben jetzt Blick zur See, während die interessantere Küste in unserem Rücken liegt. Später wird es sogar etwas besser, und man sieht etwas, wenn man an Deck geht. An Land liegt kein Schnee mehr, dafür an Deck umso mehr.

Bergen erreichen wir auch pünktlich, sodass wir in aller Ruhe zum Flughafen können. Es gibt da nur ein Problem: Kurz vor Bergen kommt eine Nachricht von KLM, dass unser Flug sich verspätet – letztendlich startet er kurz vor 20 Uhr, mit 3 Minuten Umsteigezeit für meinen Anschlussflug nach Stuttgart. Mit anderen Worten: Wir können eigentlich alle sicher sein, dass wir den Anschlussflug nicht erreichen. Also informiert Kai das Notfallteam, und wir fahren zum Flughafen – an Bord können wir eh nichts machen. Die, die sich noch eine Extra-Nacht in Bergen gegönnt haben, haben das Problem natürlich nicht.

Bergen

Mittlerweile kam von Hurtigruten die Info, dass wir zum Flughafen und möglichst bis Amsterdam fliegen sollen. Da ist der Serviceschalter von KLM und natürlich der Hauptstützpunkt von KLM, somit sind die Chancen da am besten, wieder fortzukommen, wenn man den Anschlussflieger wie erwartet verpasst. Außerdem klappt es in der Regel besser, wenn das dann nur von einer Gesellschaft gemanaged wird und nicht noch über Hurtigruten geht.

Am Flughafen verteilen wir uns auf die wenigen KLM-Schalter und die Automaten – ich nehme einen Automat und freue mich schon über den Jackpot: Er bietet mir freiwillig einen Flug für morgen früh an. Da greife ich zu und nehme den Abflug um kurz nach 6 Uhr – eine unchristliche Zeit, aber so habe ich zwei Stunden Umsteigezeit in Amsterdam, was klappen sollte. Alternativ 10 Uhr, und dann vier Stunden in Amsterdam rumhocken… Am Schalter gibt es für mich und zwei Berlinerinnen einen Hotelgutschein für das Scandic Flesland, der Rest kommt heute nach Amsterdam. Viel Glück!

Scandic Flesland

Das Scandic ist rund 700 Meter vom Flughafen weg. Fußläufig gut erreichbar, vor allem wenn kein Schnee liegt – so zieht sich der Weg. Aber das ist immer noch besser als ein Hotel in der Stadt, und morgens noch eine halbe oder Dreiviertelstunde für die Fahrt zum Flugplatz einplanen zu müssen. Die Zimmer sind gut, es gibt noch einen Gutschein für das Abendessen, und das Frühstück ab 4 Uhr ist inklusive. Da die anderen auf Nummer sicher gehen und die üblichen zwei Stunden vor Abflug (6:10) am Flughafen sein wollen, wird das eng. Und wegen dem Schnee und weil der Weg bergauf geht, gönnen wir uns ein Taxi für 4:10 Uhr, das uns zum Flughafen bringt (200 NOK, der Mindestpreis).

Pizza mit Kartoffel

Ich genehmige mir einen Burger, aber auf dem Tisch landet auch Kais Alptraum: Pizza mit Kartoffel. Auf dem Schiff gibt es jeden Tag Kartoffeln als Beilage, und ab einer gewissen Anzahl an Reisen kann man keine Kartoffeln mehr sehen… Währenddessen verschiebt sich unser Flug morgen früh um 20 Minuten, und wir lesen mit, wie es den anderen in Amsterdam geht: Anschluss klappt natürlich nicht, und einige übernachten am Gate, weil sie kein Hotelzimmer kriegen und die Flughafen-Lounge geschlossen hat. Da bin ich doch froh, hier ein Zimmer zu haben, auch wenn der Wecker um 3:30 klingelt und ich morgens um vier jetzt zwar Zeit für ein Frühstück bringe, um die Zeit aber noch nichts essen kann.

Immerhin hat das Hotel schnelles WLAN: Ich stelle meine Bilder der Gruppe ja gerne zur Verfügung, und mit dem Netz im Hotel ist das ruckzuck erledigt. Dann ist die Reise schnell abgeschlossen, wenn ich morgen Mittag endlich zuhause bin.

Tag 13

Bergen-Flesland am frühesten Morgen

Am nächsten Morgen geht es nach dem Besuch am Frühstücksbuffet ab zum Flughafen, einchecken (mache ich dummerweise nicht am Automat, sondern am Schalter, wo sich jemand über die Reiseoptionen nach Hawaii aufklären lässt), aber dann komme ich irgendwann doch dran, bin mein Gepäck los (ein Abschiedsfoto für die Kofferermittlung hatte ich gestern noch gemacht, und der Airtag ist drin), husche durch die Security und habe noch mehr als genug Zeit am Gate. Ein paar Geschäfte haben sogar schon offen…

Beim Checkin treffen wir auf Stefan, der einen Direktflug mit Lufthansa herausleiern konnte – Glückspilz, er wird wohl als erster der Gruppe in Frankfurt sein. Aber wenn ich gegen Mittag in Stuttgart bin, ist das auch okay.

Erst noch enteisen

An Bord erfahren wir auch den Grund für die Verspätung: Unsere Crew landete gestern zu spät in Bergen und muss ihre Ruhezeiten einhalten. Beruhigend, dass die Crew wach ist. Blöd: Dadurch verpassen wir unsere Slot, enteist muss auch noch werden, und wir starten mit fast einer Stunde Verspätung. So bleiben von gut zwei Stunden noch rund dreißig Minuten bis zum nächsten Boarding in Amsterdam. Die Crew gibt die Gates durch; Stuttgart steht nicht auf der Liste der Flüge, die wir nicht erreichen. Also theoretisch alles gut, zur Not wird das Gepäck nachgeschickt.

Als wir landen und ich wieder Handynetz habe, die Hiobsbotschaft: Das Umsteigen nach Stuttgart ist kein Problem, weil der Flug gecancelt wurde. Und der danach auch. Shit. Also ab zum Transferzentrum, in der Schlange anstellen, den Automat ausprobieren – mein Flug fliegt doch? Schnell zum Gate rennen, wo ich sogar rechtzeitig wäre, der Flug aber wie in der App auf annuliert steht, nochmal in der nun längeren Schlange am Transfercenter anstellen, eine Nummer ziehen, und irgendwann zeigt die App meinen Alternativflug an: 21:20, in gut 12 Stunden, aber immerhin noch heute. Nun gut. Bevor meine Nummer aufgerufen wird, gehe ich nochmal zum Automat, überrede ihn, einen Gutschein für etwas zu Essen herauszurücken, und suche mir ein ruhiges Eckchen auf dem Flughafen. In die KLM-Lounge darf ich nicht, also suche ich mir immer wieder neue Gates, die gerade nicht benutzt werden.

Wir haben ja immer noch Corona und Grippe-Saison, also mische ich mich weniger unters Volk, sondern suche ruhige Eckchen. Und was macht man in der Zeit? Zum Glück habe ich meine Noise-Cancelling-Kopfhörer dabei, und Filme auf dem Laptop. Eineinhalb Spielfilme später schaue ich nach was zu Essen; die Schlange am Transferdesk ist mittlerweile riesig; noch einen weiteren Spielfilm und ein halbes Hörspiel später ist es dann auch schon nicht mehr 9 Uhr, sondern 20:50, der Laptop-Akku ist leer, und ich sitze im Transferbus zum Flugzeug und gefühlt fünf Kilometer weiter dann endlich im Flieger. Laut Airtag ist mein Koffer auch in meiner Nähe: Fein. Uff. Endlich. Nach Hause…

Der Flug dauert nur eine gute Stunde, und da an Bord doch sehr viel gehustet und geschnieft wird, verzichte ich auf Snack und Getränk. Um 22:40 bin ich endlich in Stuttgart, und mein Airtag meldet sich auf einmal aus Amsterdam, er hätte sich ein neues Örtchen am Flughafen gesucht. Was zum Geier – der Koffer war doch schon an der Maschine?

Zum Glück Fehlalarm – die Gepäckverfolgung im Terminal ist nicht besetzt, dafür ist mein Koffer schon auf dem Gepäckband. Na halleluja. Dann bei -7° ab zum Auto (so kalt war es in Norwegen aber nicht!), 27 Euro für den Extratag auf dem Parkplatz nachbezahlen, die Scheiben abtauen und versuchen, den Parkplatz zu verlassen. Halt mal den QR-Code an die Schranke, wenn die Scheibe zugefroren ist… Also aussteigen, Ticket scannen und ab dafür, bevor der angekündigte Eisregen kommt. Kurz nach ein Uhr bin ich dann auch zuhause.

Das war’s dann auch endgültig. Meine nächste Reise startet im Dezember, und dann kann ich hoffentlich wieder mehr von der Reise statt von der Heimreise erzählen. Zu erwähnen ist eigentlich nur noch, dass ich am nächsten Tag noch meine Unkosten bei KLM gemeldet habe – die Erstattung geht angenehm schnell und einfach, das können sie auf jeden Fall.

Hurtigrute Tag 10: Helgelandküste

Der Tagesplan

Heute ist wieder so ein Tag, an dem scheinbar nichts los ist. Bis man einen Blick ins Tagesprogramm wirft… Den Anfang macht die südgehende Polarkreisüberquerung gegen 8:40. Dabei ist nur unwesentlich mehr als auf der nordgehenden Route zu sehen, nicht zuletzt wegen der Wolkendecke. Aber der Captain trifft die Kugel wieder ziemlich gut mit seinem Scheinwerfer. Vorne am Bug bin ich fast alleine – auf Deck 7 arbeitet derweil schon unser Expedition Team. Direkt nach der Polarkreisüberquerung gibt es Lebertran für alle!

Das was da heutzutage serviert wird schmeckt eigentlich gar nicht schlecht, aber so manch Gast sieht das anders. Ich verzichte diesmal auch: Ich habe schon genug Löffel zuhause. Messer und Gabel wären mal eine Abwechslung…

Danach mache ich es mir wieder mit Kai in unserem Büro bequem, während der Postmann klingelt: Wer will, kann sich seine Postkarten oder anderes abstempeln lassen – Bücher sind auch sehr beliebt.

Derweil zieht die wolkenverhangene Landschaft an uns vorbei. So ein schöner Sonnenaufgang wie gestern ist uns heute nicht vergönnt, aber die Wolken sind weiter hoch genug, dass nur die Berggipfel in ihnen stecken und wir doch etwas von der Helgelandküste sehen können.

Nesna

Nesna erreichen wir bei freundlichem Wetter planmäßig kurz vor halb elf, und um elf steht der nächste Programmpunkt an: Die Crew verabschiedet sich. Meistens wird diese kleine Abschiedsrede plus Sektempfang mit dem Captain’s Dinner am Abend verbunden, aber dann bekommen alle im hinteren Teil des Restaurants nur den Ton mit, während die Crew sich bei der Kochinsel verabschiedet. Vor allem im Sommer bietet es sich an, das an Deck zu machen, und die Nordkapp führt diese sommerliche Tradition auch jetzt weiter – kalt ist es ja nicht! Nur regnerisch… aber das tut der Stimmung keinen Abbruch, und unser Restaurantchef Michael hält eine kurze Rede. Es ist seine erste Reise, daher erhielt er bei der nordgehenden Polarkreistaufe auch den gesamten Eiseimer übergeschüttet.

Sandnessjøen

Wer noch Kapazitäten frei hat, kann dann schnell Mittagessen gehen, bevor mit Sandnessjøen der nächste Hafen ansteht. Wir haben hier leider nur eine halbe Stunde Aufenthalt – als wir noch eine Dreiviertelstunde Zeit hatten, war genug Zeit für einen schnellen Gang durch die Fußgängerzone. So bleibt für die Heimat von Petter Dass (dem wir an der Domkirche von Bodø begegnet waren) keine Zeit. Der Priester war eine der schillerndsten Gestalten des 17. Jahrhunderts in Norwegen.

Sandnessjøen liegt unter tiefen Wolken, sodass die Hauptattraktion verborgen bleibt: Die Bergkette der sieben Schwestern, die hinter das Stadt liegt. Heute sind sie schüchtern, allenfalls die Beine dieser schönen Trollschwestern sind zu erahnen. Den Point of Interest gibt es trotzdem, und sogar ein paar helle Flecken zeigen sich Himmel, während Kristina die Sage erzählt, die die halbe Helgelandküste umfasst, vom Hestmannen am Polarkreis bis zum Torghatten in Brønnøysund.

Die sieben Schwestern verstecken sich sehr gut im Hintergrund

Das Treffen mit dem Expeditionsteam lasse ich wieder ausfallen – ich brauche mal eine Pause und muss noch unsere Abschiedsveranstaltung vorbereiten, die ist ja schon morgen…

Brønnøysund erreichen wir etwa zu Sonnenuntergang. Die Wolkenlücke auf die zumindest ein Wettermodell Hoffnung gemacht hatte, hat sich leider in ein leichtes Schneegestöber verwandelt. Mist. Dafür ist der Torghatten am Horizont erkennbar, der Berg mit Loch. Nur von dem Loch ist nichts zu sehen: Bis wir auf der richtigen Seite vom Berg sein werden, wird es duster sein, und schwarzer Berg mit dunklem Loch vor schwarzen Wolken gibt nun einmal nichts her. Sobald es hell genug ist, wird das Schiff wieder einen Abstecher machen.

Norwegens Mitte

Immerhin ist es für Brønnøysund noch hell genug. Es ist das norwegische Flensburg, im Brønnøysund Registrene werden die Daten aller Norweger gesammelt. Das neue Glasgebäude hat auch den Spitznamen “Frauenknast” erhalten – es gibt wohl mehr Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter, die man durch die Fenster sieht.

Kai bietet eine gemütliche Wanderung an, die ich bis zur Mitte Norwegens begleite: Der Stein am Hafen ist vom Nordkap genauso weit entfernt wie von der Südspitze des Landes. Dann verlasse ich die Gruppe und biege ab ins Einkaufszentrum, meine Einkaufsliste abarbeiten. Milch, Butter, Kekse, Wurst… Und dann zurück aufs Schiff, zum Captain’s Dinner.

Die Auktion

Die Abschiedsveranstaltung findet schon heute statt, da viele Gäste südgehend schon in Trondheim aussteigen. Das hat den Vorteil, dass man einen früheren Rückflug nehmen kann und nicht erst gegen Mitternacht in Deutschland landet. Aber wir bleiben bis Bergen an Bord. Der Sektempfang war ja schon am Mittag, und heute gibt es nur eine einzige Essenssitzung für alle verbliebenen Gäste. Hurtigruten ist zwar jetzt schon 131 Jahre alt, aber können noch einmal das 5-Gänge-Jubiläumsmenü genießen.

Vorher gab es aber doch noch einen Programmpunkt: Die Auktion zugunsten der Hurtigruten-Foundation. Versteigert werden diesmal eine altertümliche topografische Karte, eine moderne Seekarte, ein Besuch im Maschinenraum und die Postflagge des Schiffs. Die Postflagge geht zum Schnäppchenpreis von 1000 NOK an den ersten Bieter; bei der topografischen Karte steige ich bei 200 oder 300 NOK aus. Schade, die war eigentlich ganz hübsch.

Nach dem Essen folgte der nächste Programmpunkt: Es gab einen Fotowettbewerb. Das Expedition Team zeigte die 25 Einsendungen und den Gewinner: Eine unserer weiblichen Passagiere, kurzärmlig im Schnee. Mal was anderes als die üblichen Landschaftsfotos.

Rørvik

Vom Rest des Tages ist nicht mehr viel zu erzählen: Wir legen in Rørvik an, wo es tatsächlich ein paar Wolkenlücken gibt, nur an den falschen Stellen, und die Polarlichtaktivität ist auch eher mau. Der Blick in den Himmel verspricht nichts gutes, und die Bewölkung soll eher zunehmen. Wir machen uns an die Überquerung der Folda, und ich mache Feierabend: Wolken, Seegang, und morgen früh klingelt der Wecker.

Hurtigrute Tag 9: Vesterålen

Der Tagesplan

Es geht südwärts, es gibt keine großen Städte oder längeren Aufenthalte mehr, und jetzt kommt der gemütliche Teil der Reise. Könnte man meinen, oder? Pustekuchen, ein Termin jagt den anderen.

Den Anfang macht Harstad. Aber diesmal schmeißt mich die Durchsage über das Telefon nicht aus dem Bett, mein Wecker steht auf 7:45 – zwei Minuten früher! Da bin ich schon oft genug drauf reingefallen, wollte nach Mitternachtskonzert oder Kneipenbummel in Tromsø ausschlafen, und dann kam die Durchsage, die einen in voller Lautstärke aus dem Bett wirft. Aber diesmal nicht – ich bin schon wach! Während sich die Teilnehmer der Vesterålen-Bustour bereit für den Aufbruch machen, schaue ich mir den Hafen an: Die Baustelle vom letzten September ist jetzt fertig, und man sieht sogar noch ein bisschen was von Harstad.

Harstad

Ein moderner Glas-Beton-Bau ist da entstanden. Auf der anderen Seite vom Hafen schimmert etwas Dämmerlicht über den Bergen, es verspricht ein schöner Tag zu werden.

Von der kleinen Trondenes-Kirche sehe ich diesmal nicht allzu viel – es ist noch zu dunkel, und mit meinem zittrigen Bildstabilisator kann ich Belichtungszeiten über 1/60stel Sekunde vergessen. Keine guten Bedingungen für die Polarnacht, wobei die Sonne in Harstad heute sogar wieder aufgehen sollte.

Die Trondenes-Kirche

Aber immerhin: Sie ist deutlich in der Ferne zu erkennen, und mit genug Versuchen ist sogar was brauchbares dabei. Die Kirche ist die nördlichste mittelalterliche Steinkirche, direkt neben ihr ist ein kleines Museum, das die Teilnehmer der Bus-Tour ebenfalls besuchen.

Um 8:30 verlassen wir Harstad, und für uns auf dem Schiff ist um 10 Uhr der nächste Interessepunkt: Die Risøyrinne, die nur rund 7 Meter tiefe künstliche Fahrrinne, die es uns ermöglicht, Risøyhamn anzulaufen. Unser Schiff hat rund 5,5 Meter Tiefgang, die größeren Schiffe (Finnmarken, jetzt Otto Sverdrup, Midnatsol, jetzt Maud, und die Trollfjord, die ihren Namen behalten durfte) sogar noch mehr, sodass die Rinne für sie vertieft werden musste. Jetzt fährt nur noch die Trollfjord gelegentlich auf der Route, die anderen sind für Hurtigruten Expedition unterwegs und fahren keinen Liniendienst mehr, sondern haben wie Kreuzfahrtschiffe längere Aufenthalte in den Häfen, laufen aber nicht alle Häfen an. Dafür starten sie auch mal ab Hamburg.

Bei ruhiger See kann man bis auf den Grund der Risøyrinne sehen; heute sehen wir vor allem die Fahrbahnmarkierungen, die wir anpeilen – fast wie die Landebahn eines Flughafens. In Risøyhamn erinnert der Königsstein mit den Unterschriften dreier norwegischer Könige an die Einweihung der Rinne, und vorher gibt es noch einen absolut wahnsinnigen roten Morgenhimmel.

In Rosøyhamn bliebe diesmal sogar genug Zeit, um kurz rüber zum Königsstein zu gehen, bei Schneeglätte verzichte ich aber darauf. So energisch, wie der Captain vor dem Ablegen die Hupe betätigt, scheint doch irgendwer von Bord gegangen zu sein – aber es kommt niemand mehr angerannt, und wir legen ab.

Dann bleibt etwas Zeit, um die Landschaft zu genießen, und gegen 12 Uhr heißt es ab an Deck: Wir fahren wieder unter der Brücke bei Sortland durch, während die drei Ausflugsbusse über uns hinweg fahren. Also alle Mann an Deck und mit Norwegenfahnen winken. Es ist gar nicht so leicht, gleichzeitig die Fahne zu schwenken und mit der Kamera zu hantieren…

Der tolle Morgenhimmel wurde mittlerweile durch Wolken ersetzt, aber sie stehen hoch genug am Himmel, dass man die Landschaft auf sich wirken lassen kann. Das Mittagessen ist zum Glück immer optional… Themenreise 11 Tage, 11 Kilo.

Kurz durchschnaufen, und wir nähern uns Stokmarknes. Der Busausflug mit Besuch des Hurtigrutenmuseums findet nicht statt, aber es werden an Bord wieder Eintrittskarten für “Fast Lane” angeboten. Mit 100 NOK ist das auch wieder ein realistischer Preis für die Besichtigung der alten MS Finnmarken in ihrem neuen Glaskasten und somit eine Empfehlung wert. Das Museum ist privat finanziert und bietet die Chance für einen Eindruck der alten Hurtigrute, als noch die kleinen schwarz-weißen Postschiffe unterwegs waren. In Stokmarknes wurde auch fleißig gebaut: Neben dem Museum steht ein neues Hotel, der kleine rote Pub ist nun zwischen den neuen Gebäuden eingezwängt.

Am Trollfjord

Direkt nach dem Ablegen steht das nächste Treffen mit dem Expeditionsteam an, und dann geht es ab in den wunderschönen Raftsund, von dem in der Finsternis allerdings nicht viel zu sehen ist – tiefschwarze Nacht um 16 Uhr, mit Schneegestöber als Topping obendrauf. Das hält uns aber nicht davon ab, zur Trollfjordmündung zu fahren und vorher Trollfjordknerz samt Tasse zu kaufen.

Das ist das erste Mal, dass ich hier größere Mengen Eis sehe. Vom Fjord selbst ist nicht so viel zu sehen, auch wenn der Captain sein bestes gibt, um ihn auszuleuchten. Von der Schiffsmitte ist wieder weniger zu sehen, aber das Gedränge am Bug überlasse ich anderen – und unter den Rettungsbooten bin ich besser vor dem Schneegestöber geschützt. Dann geht es weiter durch die finstere Nacht nach Svolvær.

In Svolvær begrüßt uns dichtes Schneegestöber, das aber kurz darauf nachlässt. Während des zweistündigen Aufenthalts gibt es einige Ausflüge, aber alternativ auch genug Zeit, um das Magic Ice mit seinen Skulpturen aus Eis zu besuchen (was für die interessant sein kann, die nicht in Kirkenes im Eishotel waren), das Lofoten-Kriegsmuseum, oder einfach so durch die Stadt zu schlendern. Da der Anker Winterpause hat, gibt es heute keinen Kneipenbesuch, und ich mache nur einen kurzen Gang durch das Stadtzentrum mit der Kirche und den roten Hütten des Scandic-Hotels, bevor ich zurück an Bord gehe und ein spätes Abendessen mitnehme.

Auf der Überfahrt nach Stamsund vertreibt Kristina vom Expeditionsteam uns die Zeit mit drei norwegischen Volksmärchen. Das bekannteste ist das von Askeladden und seinem Wettessen mit dem Troll, dann kommt die Geschichte von der Handmühle, die dem Teufel abgerungen wurde und nun am Grund des Meeres endlos Salz produziert, und zuletzt die Geschichte von des Zwergs Spur Trampelfuß, der die Wege in Norwegen anlegt, genauer die Trampelpfade. Er ging einfach gerade aus, und wenn Bach, Berg oder Moor im Weg war, befahl er ihnen, ihm aus dem Weg zu gehen. Die weigerten sich natürlich, sondern erzählten ihm, wie nützlich sie für seinen Weg sein könnten – für erfrischendes Wasser, gute Aussicht, oder um seine Sorgen im Moor zu versenken. “Ja, glaub nur an die Weisheit der Natur”, dachte sich der Zwerg, und ging dann einfach weiter und integrierte sie in seinen neuen Weg. Und wer schon einmal in Norwegen wandern war, kennt die hiesigen Wanderwege, die auch einmal direkt senkrecht den Berg hochgehen.

Stamsund

Langsam wird die See auch etwas unruhiger, und in Stamsund werfe ich nur einen kurzen Blick an Deck. Ein Leichenwagen fährt an unsere Laderampe – die Hurtigrute verbindet die Küste und begleitet auch manchen Norweger auf seiner letzten Fahrt. Die kleinen Orte haben keine Krankenhäuser vor Ort.

Dann geht es auf den Westfjord – ich mache zur Abwechslung einmal früh Feierabend, das Anlegen in Bodø bekomme ich trotzdem mit. Damit ist die Nacht nicht ganz so erholsam wie gehofft. Hoffnung auf Polarlicht gibt es aber keine – eventuell bei Rørvik noch einmal.

Hurtigrute Tag 8: Hammerfest

Der Tagesplan

Es geht mit großen Schritten südwärts, und wir haben die Barentssee überlebt – auch wenn die, die unter Seekrankheit leiden, sich stellenweise wohl nicht so gefühlt haben, als ob sie es überleben. Aber ab jetzt kommen nur noch kurze offene Seestrecken, das Schlimmste sollte hinter uns liegen.

Ich habe zum Glück keine Probleme mit Seekrankheit, dafür liege ab kurz vor fünf wach und mache mich dann die Bearbeitung der Polarlichtbilder von gestern. Zuhause muss ich einmal einen Vergleich zwischen ON1 und meiner alten Lightroom-Version machen… Jedenfalls läuft ON1 auf dem neuen Rechner schneller als auf dem zehn Jahre alten MacBook Air. Nur bei den Ergebnissen bin ich mir noch nicht sicher, da muss ich noch an ein paar Reglern rumspielen. Aber das waren gestern auch verschärfte Bedingungen, dafür bin ich zufrieden. Dieses Jahr ist die Aurora wirklich nicht kooperativ. Dafür herrschen in Deutschland die winterlichen Temperaturen, die man hier erwartet hat: -10° in Deutschland gegen +2/-5 in Nordnorwegen. Verkehrte Welt.

Wieder Erwarten werfe ich in Havøysund also doch wieder einen Blick raus, während der Laptop die letzten Filmchen bearbeitet, und winke der nordgehenden MS Polarlys zu, die ganz kitschig-romantisch einer Wolkenlücke am Horizont entgegendampft. Beim Frühstück gehöre ich dann zu den ersten. Anschließend mache ich es mir vor dem Restaurant gemütlich und zeige allen interessierten meine Ergebnisse.

Die südgehende Tour vergeht immer wie im Flug, gefühlt ist es ein Tag weniger – aber schließlich waren wir nur gestern Vormittag in Kirkenes, der Rest von Tag 7 gehörte bereits zur Rückfahrt. Große Städte kommen auch nicht mehr: Hammerfest ist das heutige Tageshighlight, und im Vergleich mit Honningsvåg, das Hammerfest den Rang (wenn auch nicht den Titel) der nördlichsten Stadt Norwegens streitig macht, ist Hammerfest auch tatsächlich städtisch. Der Grund ist die Flüssiggasanlage Melkøya, die nicht nur Arbeitsplätze geschaffen hat, sondern auch dafür gesorgt hat, dass sich nur noch die Mitarbeiter die hiesigen Mieten leisten können. Wohl dem, der Eigentum hat…

Unser Anleger ist immer noch auf der Fuglenes-Halbinsel. Der Umbau des Hafenbeckens hätte zwar 2023 beendet werden sollen, aber es dauert wohl etwas länger. Wer in die Stadt will, hatte bis gestern Abend einen Platz in einem der Transferbusse buchen können; mit dem abgelegenen Anleger lohnt sich aber auch die Stadtrundfahrt einmal wirklich. Ich nutze die Gelegenheit und statte der Meridiansäule meinen wahrscheinlich letzten Besuch ab: Meine nächste Tour ist erst im Dezember, und bis dahin ist der Hafen hoffentlich fertig. So gehe ich mit Kai und einem Drittel unserer Gruppe durch den kniehohen Schnee zur Meridiansäule. Kai erzählt uns derweil etwas von den Änderungen der letzten zehn Jahre, über das Schulsystem (immerhin gehen wir über den Campus der weitergehenden Schule, die an die zehnjährige Schule anschließt, die alle Norweger besuchen, und am ehesten mit einer Berufsschule vergleichbar ist) und die ganzen Neubauten – von den Wohngebäuden am Hafenbecken bis zum neuen Krankenhaus, dass Richtung Melkøya entsteht. Immerhin über die Meridiansäule und Struves Vermessungsprojekt erfahre ich nicht viel neues.

Blick von der Schanze auf das Museum

Ein paar Meter weiter durch den Schnee kommen wir dann zu der alten Schanze, die vor über 200 Jahren nach dem Überfall zweier englischer Fregatten während der napoleonischen Kriege errichtet wurde und jetzt wieder eine von ursprünglich sechs Kanonen beherbergt. Der einfache Erdwall wurde nie benötigt – die Engländer kamen nicht wieder (bzw. jetzt als zahlende Gäste z.B. mit der Hurtigrute), und beim Einmarsch der Wehrmacht war die Schanze längst veraltet und verlassen. Sie wurde erst vor wenigen Jahren zum Stadtjubiläum wieder hergerichtet. Davor ist das kleine Freilichtmuseum mit ein paar alten Gebäuden von Melkøya.

Dann kehren wir langsam zurück – uns bleibt noch eine Viertelstunde, um uns Plätze im Restaurant zu sichern, bevor die Transferbusse zurück kommen. Viel Zeit bleibt da nicht für einen Stadtrundgang durch Hammerfest. Ich verzichte wieder auf das Mittagessen und widme mich lieber dem Feinschliff von meinem letzten Vortrag – um 14:45 geht es um Sternbilder und ihre Mythen, direkt im Anschluss an das tägliche Treffen mit dem Expeditionsteam, während sich das Tageslicht draußen schon wieder verzogen hat. Kurz vor 16 Uhr und dem Anlegen in Øksfjord bin ich fertig mit dem Vortrag.

Øksfjord

Und dann war es das eigentlich schon für mich – die Wetterprognose für die nächsten Tage sieht schlecht aus, vielleicht haben wir vor Rørvik noch eine Chance. Es ist trotzdem ganz gut, dass ich mit den Vorträgen durch bin – die nächsten beiden Tage haben viele kleine Häfen, und morgen sind einige unserer Gäste bei der Bustour durch die Vesterålen dabei. Aber das heißt natürlich nicht, dass ich mich jetzt auf die faule Haut lege. Viel freie Zeit gibt es hier für niemanden, das ist keine Erholungsreise … selbst in der Polarnacht wird es hier nicht langweilig. Es gibt viel zu sehen, und als Vielfahrer kann ich fast so viel über die Orte entlang der Route erzählen wie manch Reiseleiter – wobei ein Urgestein wie Kai natürlich in einer ganz anderen Liga spielt.

Nach Øksfjord geht es raus auf die Loppa, aber das alte Sprichwort “Loppa macht Hoppa” bewahrheitet sich zum Glück nicht. Ich verpasse nur den Vortrag über Wale in Norwegen, den das Schiff kurz nach mir hält – schade eigentlich, denn nach Walen werde ich immer wieder gefragt. Aber gut, so sortiere ich Fotos und bereite noch ein bisschen was vor.

Skjervøy

Das war es dann eigentlich auch schon für heute: Nach dem Abendessen legen wir in Skjervøy an, wo es leichtes Schneegestöber hat, und die Begegnung mit der nordgehenden Havila schenke ich mir, weil der Schneefall deutlich stärker wird. Dann lieber noch ein bisschen bloggen, und entspannen. Die Nacht war doch zu kurz.

Gegen 22 Uhr gibt es oben in der Bar noch ein Quiz rund um Norwegen und die Hurtigrute – aber da enthalte ich mich genau wie beim Fotowettbewerb. Wäre vielleicht doch etwas unfair… A propos Foto: Der künstliche Horizont meiner Nikon funktioniert wieder. Geht nichts über eine robuste Kamera.

Tromsø erreichen wir pünktlich kurz vor Mitternacht im Schneegestöber. Ich bin nach der kurzen Nacht etwas groggy und entscheide mich gegen einen Kneipenbummel – bei dem Wetter lohnt sich auch eine Fotoexkursion nicht. Zu viel Schnee vor der Linse, aber trotzdem hübsch anzuschauen. Einfach mal genießen… Daher mache ich Feierabend und hoffe, dass Tromsø irgendwann mal wieder freundlicheres Wetter bietet. Morgen früh steht schon wieder Harstad auf dem Programm – mal sehen, wie weit die Baustelle dort am Hafen mittlerweile ist.

Hurtigrute Tag 7: Kirkenes, der Wendepunkt

Der Tagesplan

Wir haben Halbzeit: In Kirkenes drehen wir um, und wir haben mehr als die Hälfte unserer Häfen besucht – in Vadsø legen wir nur nordgehend an, da der Hafen und Kirkenes aus leicht erreichbar ist, und wir sonst zweimal am selben Tag dort wären. Für den kurzen Stop um 7 Uhr stehe ich seltenst auf, und auch heute plagt mich keine Schlaflosigkeit.

Also schaue ich erst gegen acht Uhr raus: Es lohnt sich nicht, es ist deutlich dunkler als gestern um die Zeit in Havøysund, und vor allem neblig. Es gibt im Varangerfjord schlicht nichts zu sehen. Also ab zum Frühstück. Das mit der Reiseleitersprechstunde ist wieder einmal schlecht besucht, kein Wunder: Fast jeder will die Schlittenhunde und das Schneehotel besuchen, oder geht zu Krabbenfischern oder auf Stadtrundfahrt. Hier ist auch die interessantere Hundetour: Tromsø hat zwar die schönere Landschaft, dafür sieht man dann nichts von der Stadt. In Kirkenes gibt die Stadt nicht so viel her, dafür kann man beim Schlittenhundeausflug auch noch das Eishotel und mit etwas Glück ein paar Rentiere besuchen. Und da die Schlittenhundetour in Tromsø ins Wasser gefallen war, ist Kirkenes heute gut ausgelastet.

Kirkenes Hafen

Ich entscheide mich mal wieder für den Gang in den Ort. Es liegt schön viel Schnee, und leichter Schneefall sorgt endlich für noch mehr Winterstimmung. Die übliche kleine Runde führt mich durch den ausgestorbenen Ort an dem Luftschutzbunker der Andersgrotte und dem Russendenkmal vorbei ins Amfi-Einkaufszentrum. Da wird viel umgebaut: Drei oder vier Läden im Obergeschoss sind Baustelle, dafür finde ich im Outdoor-Outlet im Untergeschoss nichts interessant. Kurz bei der benachbarten Werft vorbei, die davon lebt, russische Fischtrawler schwimmfähig zu halten und jetzt mit den Russland-Sanktionen natürlich ein Problem hat, dann entscheide ich mich, die verbliebene Zeit für einen Gang zu dem Ausguckspunkt an der Straße über der Stadt zu nutzen. Es hat zwar aufgehört zu schneien, aber wirklich toll ist die Sicht auch nicht – also zurück zum Schiff, mit einem Besuch beim Sparkjøp und dem Kiosk am Kai.

Kontrastarmer Varanger-Fjord

Kurz vor 12 ist noch Ruhe auf dem Schiff, und ich will nur kurz ins Restaurant schauen (mehr aus Langeweile denn aus Hunger), aber man quatscht sich fest, und am Ende wird doch eine vollwertige Mahlzeit mit zweimal Nachtisch draus… Irgendwann kommen auch die Ausflugsbusse zurück, und nach dem was man so hört,w aren es optimale Bedingungen für die Huttenschlittenfahrt. Kai kündigt an, alle süßen Huskywelpen einzusammeln, die eventuell entführt wurde:-)

Derweil legen wir ab, und der Fjord versinkt wieder im Nebel und ist sehr kontrastarm, während wir als südgehende Hurtigrute nordwärts schippern – schließlich ist Kirkenes etwa auf der selben Höhe wie Tromsø. Seitens des Schiffs gibt es die Sicherheitsanweisung für die neu zugestiegenen Gäste und die Ausflugspräsentation, dann bin ich mit meinem nächsten Vortrag dran.

Auf der Überfahrt ist etwas Bewegung im Schiff, aber es kommen noch erfreulich viele Gäste zu meinem Vortrag um 15 Uhr. Irgendwie steht diese Nordlicht-und-Sterne-Tour bislang ohnehin unter dem Motto Mythen, ich erzähle hier von lauter Sachen, die man nicht sieht. Erst das Nordlicht, dann der Mond (wir machen die Fahrten immer rund um Neumond), gefolgt vom Sternenhimmel, heute die Sonne (die während der Polarnacht eh fehlt)… Naja, Hauptsache, ich bin auf einem Level, der niemanden überfordert; wer tiefer ins Detail gehen will, kann mich immer noch im Anschluss ausquetschen. Die Leute sind im Urlaub, da sind Vorlesungen fehl am Platz. Mir bleibt die undankbare Aufgabe überlassen, den Polarlichtrückblick für gestern zu machen. Viel war das ja wirklich nicht – darf man den Captain eigentlich kielholen für diese Durchsage? Ich habe zwar nicht nachgefragt, aber die Polarlichtgarantie gilt als erfüllt, wenn es eine Durchsage gab und die Sichtung im Logbuch steht – das dürfte der Fall sein, und es war ja wirklich was da. Wenn auch nur mit der Kamera wirklich grünlich. Und die weiteren Aussichten? Keine extrem starke Aktivität, dazu Wolken für die nächsten Tage – nur ein Wettermodell ist zumindest für heute Abend etwas optimistisch.

Vardø

Ich bin rechtzeitig mit dem Vortrag fertig, um in Vardø aussteigen zu können, dass mittlerweile auch an steuerbord auftaucht. Wieso eigentlich steuerbord? Wind und Wellen sind zu stark, wir lassen Vardø aus und fahren windgeschützt zwischen der Insel und dem Festland Richtung Barentssee. Mal was neues – und meine normale Kamera streikt. Vardø von der Südseite macht weder mit dem Handy noch mit dem Weitwinkel-Objektiv was her, und die Panasonic wackelt munter vor sich hin. Von daher habe ich kein wirklich scharfes Bild von der Südseite von Vardø.

Auf der Barentssee wackelt es dann tatsächlich ganz ordentlich – für die Gegend hier nicht extrem, aber doch spürbar. Die 3-4 Meter hohen Wellen kommen von Norden, gegen uns. Die Reihen im Restaurant haben sich deutlich gelichtet, der Kellner serviert auch einige Care-Pakete mit Brot und Keksen für alle, die die Seekrankheit erwischt hat. Båtsfjord erreichen wir früher als geplant, da die Stunde Aufenthalt in Vardø entfallen ist. Gut für unser Abendessen, und wir bleiben etwas länger bis zur geplanten Abfahrt. Zwischendurch kam die Info, dass der Schneemobilausflug von Mehamn nach Kjøllefjord entfällt – der Captain weiß nicht, ob er in Mehamn anlegen kann, außerdem macht die Fahrt über das Hochland bei dem Wind eh keinen Spaß.

Båtsfjord

In Båtsfjord zerschlagen sich meine Hoffnungen auch: Es schneit und schneestürmt. Bäh. Also kein Landgang im nach Hammerfest zweitgrößten Fischereihafen Norwegens mit über 2200 Einwohnern. Dafür ein Besuch beim Expeditionsteam: Stefan (von unseren Gästen) hat auch Interesse an den Geheimen Gemächern des Nidaros-Doms. Wir brauchen noch ein oder zwei Teilnehmer, damit der Ausflug auch stattfindet. Falls jemand mitliest: Wer will?

Ich schnappe mir meinen Laptop und mache es mir im Multe-Cafe bequem, bis kurz nach dem Ablegen in Berlevåg die Durchsage kommt: Nordlicht backbord voraus. Echt jetzt?

Ab in die Kabine, Laptop gegen Kamera austauschen, und raus an Deck: Ja, das ist schon eher echtes Nordlicht. Die nächsten drei Stunden haben es in sich: Es schaukelt ordentlich, sodass wir Berlevåg mal wieder auslassen, vorne am Bug kann man sich kaum halten, und immer wieder ziehen Wolkenfelder durch, und doch: Endlich Nordlicht! Erst dieses geisterhafte Grün, dann intensiver und gegen 22 oder 23 Uhr kommt dann auch etwas Bewegung in die Sache. Nicht die ganz große Show, aber schon sehr schön – da ist nach unten wesentlich mehr Luft als nach oben, das macht schon was her. Rund 2000 Bilder habe ich danach im Kasten, außerdem etwas Wasser im Batteriefach meiner Nikon. Außerdem hat sich jetzt ihr künstlicher Horizont verabschiedet, aber davon abgesehen läuft sie unbeeindruckt weiter, trotz mittlerweile über 170.000 Auslösungen. Ein echtes Arbeitstier.

An den Zeitraffer-Filmchen muss ich noch ein bisschen drehen, ein neuer Rechner war fällig, und auf laufen Lightroom und LRTimeLapse nicht mehr; die Alternative ist jetzt ON1. Ein paar Sachen funktionieren da doch anders, aber bei dem Gewackel sind so oder so wenige scharfe Bilder dabei. Es war ja schon interessant, dass bei der Nordlicht-Durchsage jede Nation außer den Deutschen darauf hingewiesen wurde, dass es draußen windig und rutschig ist – daraufhin waren auch fast nur Deutsche am Bug, wobei sich auch kaum jemand nach da vorne durchkämpfen konnte.

Gegen 23 Uhr mache ich Schluss – ich bin nass, meine Kamera ist nass, und die Bilder wollen durchgesehen werden. Aber das war es wert: Endlich mal wieder ein Polarlicht, das diesen Namen auch verdient!

Hurtigrute Tag 6: Honningsvåg und Nordkap

Der Tagesplan

Was soll ich dazu sagen… nach dem Fluttag in Tromsø gestern und den ergiebigen Niederschlägen mindestens bis Øksfjord heute Nacht werden wir heute von tiefblauem, klaren Himmel begrüßt, während wie Kurs auf Havøysund nehmen. Haben wir doch noch Chancen? Jedenfalls erleben Frühaufsteher nun die Polarnacht so, wie sie sein kann: Überraschend hell, gar nicht kalt und mit wenig Wind. Wer richtig früh unterwegs ist, sieht sogar noch das verschneite Deck – kurz darauf schiebt ein Matrose die weiße Pracht ins Meer, und übrig bleiben die glatten Kunststoffmatten. Tja.

Auf den Bildern wirkt das alles noch dunkler als in echt, aber ich bin ja froh, dass ich Bilder habe. Mein Bildstabilisator streikt immer noch – wenn ich Glück habe, geht es auf Garantie, falls nicht, wird der kostenpflichtige Kostenvoranschlag für die Katze sein, weil sich die Reparatur einer knapp zwei Jahre alten Kamera nicht mehr lohnt. Mal sehen. Aber mit ausreichend kurzer Belichtungszeit kommt etwas scharfes aus der Kamera, und auch ohne das perfekte Foto war es schön anzuschauen, wie die Lichter von Havøysund hinter der Landzunge auftauchen – die Lichterkette der Havila Pollux taucht zuerst auf, und dann verlässt sie den Hafen, um Platz für uns zu machen. Unsere Wihnachtsbeleuchtung wurde übrigens mittlerweile abgebaut; in Bergen hatten wir sie noch.

Havøysund ist nur ein kurzer Stop, und ich mache mich ans Frühstücksbuffet, bevor ich mit Kai wieder Flagge zeige. Aber viel zu tun gibt es bei der Reiseleitersprechstunde diesmal nicht, alle wollen ans Nordkap – nur ich werde mich Honningsvåg und meinen EMails widmen. Anders als vielleicht anzunehmen wäre zahlt Hurtigruten deutsche Heuer, sodass ich von zwei bis drei Touren im Jahr als Freiberufler nicht leben kann. Aber selbst mit norwegischem Gehalt wäre das nicht machbar. Außerdem war ich neulich erst am Nordkap, zumindest kommt es mir so vor – im März 2022 war das…

Aber jetzt steht erst einmal der Magerøya-Sund an – südlich von uns liegt das norwegische Festland, links von uns die “magere Insel” Magerøya, unter uns der Nordkap-Tunnel und vor uns bald Honningsvåg. Eike macht den Point of of Interest und erzählt von den Rentieren, die früher mit Militärbooten zum Weiden auf die Insel gebracht wurden und heute den Tunnel nehmen. Als Besonderheit hat der Tunnel Türen, damit es innen warm bleibt und das Wasser nicht friert, das die Autos (und Rentiere) unweigerlich mitbringen.

Der klare Himmel hat sich mittlerweile wieder zugezogen, und die Kamera ist mit dem ganz besonderen Licht hier überfordert – finster ist es dennoch nicht, und die Fahrt durch den Sund ist wie immer unglaublich ruhig. Verschneit wie er ist kommt man sich nun wirklich vor wie in der Arktis.

Dann kommt Honningsvåg in Sicht, wir legen im Hafen an und fast alle verlassen das Schiff, um das Nordkap zu besuchen. Ich bleibe mit einer Handvoll Passagiere zurück und mache einen kleinen Rundgang um den Hafen. Eine Reihe Kunstwerke säumen das Ufer, und von der anderen Seite hat man einen hübschen Blick auf das Schiff. Auf dem Rückweg gehe ich nur kurz bei der Kirche vorbei; bei dem Schnee spare ich mir den Weg zum Friedhof hoch über dem Ort mit dem Denkmal für den Regisseur des Films über den Männerchor von Berlevåg. Stattdessen schaue ich kurz in den Läden vorbei, unterstütze die nordnorwegische Wirtschaft ein wenig und begnüge mich zurück an Bord mit dem Nachtisch vom Mittagsbuffet. Das übrige Angebot macht mich nur mäßig an – aber schließlich konnten alle Nordkap-Besucher vor der Abfahrt und somit schon vor mir essen, und so lange ist das Frühstück noch nicht her. Ein paar Impressionen aus Honningsvåg für alle, die am Nordkap waren:

Mittlerweile wurde wohl noch mehr Plastikmüll in Honningsvåg angeschwemmt, ich habe noch ein weiteres Kunstwerk aus alten Gummistiefeln und anderem Strandgut entdeckt. Ansonsten ist in Honningsvåg nichts los, nur in den Cafes sind ein paar Menschen.

An Bord ist erst einmal alles ruhig, ich bin mir nicht sicher, ob einige der Gäste nicht doch nur Hafengäste sind, die die Nordkapp als schwimmendes Restaurant nutzen. Ich mache es mir im Multe auf Deck 7 bequem, räume meine Mailbox auf und bekomme außer dem Generalalarm wenig von der Sicherheitsübung mit, die das Schiff meistens hier im Hafen durchführt. Da wird ausgenutzt, dass fast keiner an Bord ist. Draußen wird es mittlerweile dunkel, und kurz vor Ablegen um 14:30 sind auch die Ausflugsbusse zurück – es wird voll im Cafe. Aber der Ausflug hat sich gelohnt: Trocken, schön und windstill war es. Kai überlässt mir ein paar Fotos vom Nordkap – ja, ich hätte auch noch einmal hingehen können.

Am Nordkap

Was für ein Kontrast zwischen dem eigentlich unwirtlichen Nordkap und dem eigentlich gemütlichen Städtchen Tromsø gestern. Irgendwas läuft hier doch falsch.

Nachdem wir ablegen, steht eine offenere Seestrecke an. Das Programm zwischendurch: Apfelkuchen und Getränke für die Ausflügler, die ja seit dem verfrühten Mittagessen hungern mussten, dann das Treffen mit dem Expeditionsteam und Ausschiffungsinfos für die Passagiere, die uns in Kirkenes verlassen. Die See ist angenehm ruhig, und die Überfahrt nach Kjøllefjord vergeht rasch. Von der Felsformation sehen wir um diese Jahreszeit ohne Beleuchtung nichts, dafür wirkt Kjøllefjord jetzt schön winterlich – ein schmuckes Dorf am Ende eines Fjords. Idyllisch, auch wenn ich hier nicht wohnen wollte.

Es schneit leicht, und ich richte mich schon einmal auf einen ruhigen Abend ein – der Schuss Polarlicht, der für heute angekündigt war, kam gestern schon, und Wolkenlücken soll es erst morgen geben. Also ab zum Abendessen.

Und nach dem Abendessen die Durchsage von der Brücke: Der Captain hat sehr schwaches Polarlicht erspäht, und Christina trommelt alle an Deck 7. Ich schnappe mir meine Polarlicht-Kamera (die gute Nikon), um sie wieder an den Bug zu schnallen. Tja… ein Hauch von Polarlicht ist da tatsächlich, die Kamera kann auch grün erkennen. Ich würde das das auf kp 1-2 schätzen. Wir sind noch weit weg vom Oval, und Aktivität gibt es auch kaum. Nach eineinhalb Stunden gebe ich endgültig auf – das gibt nichts her, und dafür hätte ich keine Durchsage gemacht. Nur ein grauer Dunstschleier ist mit dem Auge zu erahnen, mit vernünftigem Polarlicht hat das nichts zu tun.

Die Nordlys

Irgendwann dominieren die Wolken, und ich kapituliere. Im Konferenzraum läuft der Reiserückblick vom Schiff auf Dauerschleife mit grusliger Musik, und ich werfe immer wieder einen Blick raus. In Berlevåg begegnen wir noch der Nordlys, während der Himmel fast komplett zugezogen ist, und bis wir Båtsfjord kurz nach Mitternacht erreichen, tut sich auch nichts weiter.

Zeit für Feierabend – und dieses so genannte Sonnenmaximum geht mir langsam auf den Keks.

Zum Abschluss noch der Zeitraffer von gestern, tatsächlich bei einem K-Index von 1-2:

“Polarlicht” zwischen 18:50 und 19:30

Hurtigrute Tag 5: Tromsø unter Wasser mit kaputter Kamera

Der Tagesplan

Neuer Morgen, neues Glück? Eher nicht – bei meiner Panasonic hat sich nicht das Objektiv verabschiedet, sondern der kamerainterne Bildstabilisator, der den Sensor an der Stelle halten soll. Mit anderen Worten: Der Sensor zittert, egal was ich mache. Für den Rest der Reise wird es also wohl keine Bilder in der gewohnten Qualität geben, sondern entweder Handybilder (die bei Tag doch stark bearbeitet aus der Kamera kommen), oder welche mit meiner Polarlichtkamera und Objektiv – also 16mm Weitwinkel an der Nikon D7100. Mal sehen, was mein Fachhändler meint, schließlich ist die Panasonic G91 noch keine zwei Jahre alt (damals hatten -28° in Kirkenes den Vorgänger gekillt).

Blick zurück auf Harstad

Immerhin sollte das mit dem Polarlicht jetzt perfekt klappen, wenn mir schon eine Kamera ausfällt und wir am Polarkreis Njørd so schön geopfert haben. Ihr Götter, was wollt ihr noch?

Mit dem Blick zurück auf Harstad (links) ist das Handy jedenfalls leicht überfordert, aber ich habe es nicht rechtzeitig aus der Koje geschafft, um nachzuschauen, wie weit die Baustelle am Hafen jetzt fortgeschritten ist und Bilder aus der Nähe zu machen oder die Schiffsbegegnung anzuschauen. Aber das Wetter ist auch unfreundlich-regnerisch. Südgehend sind wir ja wieder hier, dann ist es vielleicht trockener.

Leider wird der Tag nicht besser: Wir tuckern auf Finnsnes zu, das wir kurz vor 11 Uhr erreichen, vorher findet noch das tägliche Treffen mit dem Expeditionsteam statt – wahrscheinlich kommt deshalb keiner zu unserer vormittäglichen Reiseleiter-Sprechstunde. Mittlerweile ist es trotz Polarnacht hell geworden, allerdings sorgen tiefhängende Wolken und Regen nicht dafür, dass einem die Polarnacht so sympathisch wird, wie sie es sein kann. Mir gelingen ein paar Bilder vom Ort und dem markanten Haus mit der Schoko-Werbung am Hafen; die Insel Senja gegenüber ist bei dem Wetter kein Fotomotiv. Sie ist etwas abgelegen, aber reizvoll – und Finnsnes ist größer als man denkt, das Städtchen mit rund 5000 Einwohnern erstreckt sich bis zu der langen Brücke, die nach Senja führt, wo der bereits nächste Ort anschließt.

Nach dem vollgepackten Tagesprogramm gestern lassen wir es heute ruhig angehen. Außer Mittagessen und einem Film über das Nordlicht auf Norwegisch steht nichts auf dem Programm – Zeit genug, um zu quatschen. Nordlichtversprechen und Bauernproteste in Deutschland sind da ebenso Themen wie die Geschichte von Hurtigruten und Havila, während draußen das mystische Norwegen vorbei zieht. Kurz vor Tromsø gibt es dann schlechte Nachrichten: Aufgrund des Wetters muss die Hundeschlittentour abgesagt werden – Zu viel Wasser, zu wenig Schnee. Wer gebucht hat, kann auf Kirkenes umbuchen oder sein Geld zurückbekommen. Fairerweise: Bei dem Wetter wäre das auch kein Spaß, selbst wenn es möglich wäre. Und Kirkenes soll zumindest trocken sein.

So erkunden also ein paar Leute mehr Tromsø, und man merkt auch den Einsatz der Hurtigrute als Fähre: Die Autobesitzer werden gebeten, aufs Autodeck zu gehen, einige Passagiere verlassen uns, und ein paar Engländer kommen an Bord, wohl für den Kurztrip Tromsø-Kirkenes-Tromsø. Auch Tromsø selbst ist recht voll mit Touristen – weit mehr, als auf unserem Schiff sind.

Und was macht Tromsø? Ist ja eigentlich meine Lieblingsstadt, aber sie macht es einem in letzter Zeit nicht leicht, sie zu mögen. Das Preisniveau für Hotels hat extrem angezogen, und das Wetter wird immer schlechter. Mit Polarlicht ist gerade auch nichts los.

Das Weltraumwetter ist tot, dafür ist in Tromsø Land unter. Bei leichten Plusgraden regnet es, während auf den Straßen die aufgetürmten Schneehaufen wegschmelzen und Sturzbäche und Seen speisen. Gut dass unser Schiff schwimmt… Da wo ich herkomme, gibt es ein Wort dafür: Sauwetter, elendiges. Aber da wo ich herkomme gibt es auch gerade Sonnenschein und Frost.

Trotzdem mache ich mich auf eine kleine Fotorunde durch den Ort. Man sieht, dass die Gehwege teilweise beheizt sind: Knapp 10 Zentimeter hohe Schneedecken wechseln sich mit knapp 10 Zentimeter tiefen Seen ab. Da muss man schon aufpassen, dass das Wasser nicht von oben in die Schuhe läuft, wenn man einen falschen Tritt macht.

In der Storgate wird immer noch gebaut, aber sie kommen gut voran – auch wenn die großen Bagger aktuell eher den Schnee wegschieben, wenn der nicht gerade von selber taut. Die Fotorunde ist nicht sehr ergiebig, der graue Himmel und der Schneeregen sorgen für verschärfte Bedingungen.

Dann ab zum Schiff, die Kamera ins Trockene bringen, Leergut holen und die Wocheneinkäufe erledigen. Dazu der Süßkram, der mit nach Hause soll. Kai hat schon Einkaufsvorschläge rumgeschickt, ich würde das noch um die heiße Schokolade “Rett-i-Koppen” von Toro ergänzen, sowie die Schokotherapie-Kekse. Außerdem kann ich meine Einkaufsliste fast vollständig abarbeiten. Fehlt noch ein hübscher Husky, mal sehen was der Kiosk am Hafen von Kirkenes zu bieten hat.

Zurück ins Schiff, und dann noch eine kurze Runde zum Nerstranda-Einkaufszentrum und durch die Souvenirshops – Tromsøs Greatest Souvenir-Shop an der Domkirche ist zwar mittlerweile der kleinste, aber immer noch der mit dem hochwertigsten Angebot. Die Nach-Corona-Leerstände in der Innenstadt sind weitestgehed wieder vermietet, dafür ist im Prostneset-Hafencenter immer noch Platz. Bergans ist noch da, der andere, (noch) teurere Outdoor-Laden ist schon wieder weg.

Nach drei Stunden kehre ich dann auch schon endgültig auf das Schiff zurück. Winterwunderland geht anders, ich hänge meine Jacke wieder zum Trocknen in die Dusche. Nach zehn Jahren wird es vielleicht doch mal Zeit für eine neue, aber Helly Hansen hat gerade nichts hübsches im Angebot, und Bergans nichts vergleichbar robustes und warmes. Vielleicht in der nächsten Saison, wenn nach der Kamerareparatur noch Geld übrig ist…

So habe ich noch etwas Zeit, bevor das Restaurant ruft. Heute gibt es Buffet – das ursprüngliche Nordkap-Buffet wurde schon vor einiger Zeit auf Tromsø vorverlegt, und dementsprechend wenig Meeresfrüchte gibt es heute. Der Rentiereintopf enttäuscht auch – der Geschmack ist diesmal wieder gut, dafür fehlt irgendwie das Rentier. Ich wollte eigentlich nicht vegetarisch essen… also gibt es noch ein Brot mit Schinken und eins mit Rentierwurst zum Abschluss. Auch nicht schlecht.

Was auffällt: Der neue Antrieb der Nordkap ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch leise. Wir legen etwas später ab als geplant, weil Teile der Besatzung wechseln. Der neue Kapitän ist bereits an Bord, aber ein weiteres Crew-Mitglied reist mit dem Flugzeug an, das Verspätung hat. Früher hatte beim Ablegen die ganze Decke im Restaurant vibriert und gewackelt, sodass man sich Tischgespräche sparen konnte; heute merke ich gar nicht, wann wir ablegen.

Der Vorteil beim Buffet ist ja, dass man die Geschwindigkeit selbst bestimmen kann. Wer will, kann also um 19:30 den deutschen Film über das Polarlicht anschauen, bevor ich um 20 Uhr etwas über den Sternenhimmel und die griechischen Sagen erzähle. Die Begegnung mit der Vesterålen verpasse ich daher – um 21 Uhr bin ich zwar fertig, räume aber noch ein bisschen auf.

Skjervøy

Wer will, kann sich im Anschluss noch einen Vortrag über die Sami anhören, ich nutze die Zeit lieber, um noch ein wenig Bilder zu sortieren und Blog zu schreiben.

In Skjervøy werfe ich noch einen kurzen Blick raus: Es schneit bei etwa fünf Grad, und sporadisch hält meine Kamera noch still, sodass ich doch ein Foto hinbekomme. Das wird anstrengend – aus einer Serie mit 5-15 Bildern das brauchbare heraussuchen…

Das war es aber auch für diesen Abend an Ereignissen – noch ein bisschen am PC, und Schluss für heute. Kurz nach 23 Uhr kommen wir auch auf offene See, und es fängt an etwas zu schaukeln. Zeit für Feierabend.

Hurtigrute Tag 4: Polarkreis, Bodø und Trollfjord

Der Tagesplan

Heute ist der wohl längste Tag der Reise: Irgendwann zwischen 6:30 und 8:30 steht die Überquerung des Polarkreises an. Ich stelle meinen Wecker mal auf kurz nach sieben, und um 7:25 kommt dann auch die Durchsage, dass es in etwa 15 Minuten soweit ist. Also raus auf Deck und an den Bug, auch wenn an Deck 7 das Expeditionsteam anzutreffen wäre, aber auf Deck 5 kann man sich freier bewegen. Es ist natürlich stockduster, und ich mache mir keine Hoffnung auf brauchbare Bilder. Was mich überrascht: Wie viele Lichter an Land zu sehen ist – fast so, als wäre die Gegend dicht besiedelt.

Dann taucht die Insel Vikingen mit der Polarkreis-Kugel vor uns in der Finsternis auf, und der Captain ist gut: Diesmal trifft der Scheinwerfer des Schiffs die Kugel gut, und er hält sie auch schön angeleuchtet, bis wir sie um 7 Uhr 48 Minuten und 49 Sekunden passieren. Ein lautes Hupen, und das war es – Zeit für ein schnelles Frühstück, bevor das Restaurant voll ist. Nur die Begegnung mit der MS Nordnorge steht noch an.

MS Nordnorge

Nach dem Frühstück geht es kurz unter die Dusche und dann zur Reiseleitersprechstunde – Flagge zeigen im “Büro” vor dem Restaurant. Die üblichen Fragen: Was macht das Polarlicht? Nichts. Was macht das Wetter? Starkregen bei +5° auf gefrorenem Boden in Bodø, also Spikes einpacken. Haben in Bodø Läden offen? Sonntags eher nicht. Lohnt es sich trotzdem, nach Bodø zu gehen? Im Prinzip schon, und mehr als vor zehn Jahren. Warum sind wir eigentlich schon in Ørnes? Okay – die Frage stelle ich mir selbst – in der Nacht haben wir die Wolkendecke über Nordnorwegen erreicht, und es ist trüb draußen, aber die schönen verschneiten Berge, zwischen denen Ørnes liegt, erkenne ich doch.

Ørnes

Kurz nach zehn legen wir in Ørnes für einen kurzen Halt an, und dann steht auch schon die Polarkreiszeremonie an: Die Gewinnerin des Wettbewerbs wird bekanntgegeben, die die Zeit am besten geraten hat. Außerdem wird Njørd herbeigerufen – dick ist er geworden, und er kommt diesmal von den Whirlpools statt seinen Aufrtitte auf dem Dach zu haben. Aber bei dem Wind ist das verständlich.

Der Herr des Meeres macht seine Show daher an Deck statt auf der Plattform über unseren Köpfen: Seine Tröte streikt zuerst, bis er den Plastikmüll aus ihr herausholt, der so im Meer schwimmt – eine gute Gelegenheit für einen Hinweis auf Umweltschutz ganz allgemein und die Hurtigruten-Foundation im speziellen. Schließlich erschallt sie, und dann kann die Postfahne an die glückliche Gewinnerin des Polarkreiswettbewerbs übergeben werden. Weiterer Bonus: Sie kriegt die erste Taufe mit Eiswasser, danach dürfen alle anderen.

Die Taufe ist recht schnell vorbei, da gibt es wohl einige Drückeberger – aber Njørd scheint zufrieden zu sein, da tut sich tatsächlich eine Wolkenlücke auf. Hoffen wir das Beste.

Nach dem Ende der arktischen Zeremonie kommt der Postmann: Es gibt den Polarkreisstempel für alle Briefe, die heute eingeworfen werden, und bei Bedarf auch in Bücher und ähnliches. Die Veranstaltung geht nahtlos in das Mittagessen über (das ich ausfallen lasse, um noch kurz an einen Blick auf meinen nächsten Vortrag zu werfen), und dann tauchen auch schon die ersten Vorboten von Bodø auf. Bis ich an Deck bin, sind wir am Flughafen schon vorbei. Da hat sich was getan: Der Militärstützpunkt wurde Richtung Trondheim verlagert, und in einem Kilometer Entfernung soll ein kleinerer Flughafen entstehen, damit Platz für die rasch wachsende Stadt ist. Fast 55000 Einwohner hat Bodø mittlerweile, zehn Prozent mehr als bei meiner ersten Tour vor zehn Jahren.

Bei der Einfahrt tanzt ein Fischerboot auf den Wellen, und der Himmel sieht stellenweise gar nicht so aus, als ob das was mit dem angekündigten Starkregen wird. Also gehen wir mit Kai auf Erkundungstour in die Stadt. In den letzten Jahren hat sich Bodø durchaus gemacht, viele Baustellen sind mittlerweile fertig und Bodø ist europäische Kulturhauptstadt 2024. Die moderne Architektur muss man mögen, aber auch das Innere des Rathauses ist wohl einen Besuch wert – heute geht das natürlich nicht. Irgendwo zwischen Rathaus, Hauptstraße und Domkirche kommt dann der angekündigte Regen. Die gute Nachricht: Meine Sachen halten weitestgehend, nur am Rücken muss ich meine Jacke mal wieder imprägnieren. Immerhin geht kein allzu starker Wind. Die schlechte: Die Domkirche hat zu und bietet keinen Schutz.

Das Wandbild mit dem Polarlicht darf bei dem Rundgang natürlich auch nicht fehlen, bei meinem ersten Besuch in der Stadt gab es das auch noch nicht – erst 2016 gab es das Up North Festival, in dem viele Wandgemälde entstanden. Nicht jedes Gemälde aus der Zeit hat überlebt, einige wurden mit ihren Häusern abgerissen. Und Stück für Stück verschwinden immer mehr Nachkriegsbauten und werden durch moderne Architektur ersetzt. Auch Bodø wurde im Krieg fast völlig zerstört und viel zu schnell wieder aufgebaut. Jetzt werden alte Bausünden durch neue ersetzt (oder wie auch imme rman zu moderner Architektur steht). Der Reiz der Stadt erschließt sich nicht jedem auf den ersten Blick, aber Bodø bessert sich – auch wenn man zur Liegezeit der Hurtigrute nicht mehr auf die Hotels kommt, von deren Dach-Restaurants man einen schönen Blick über die Stadt hatte.

Gathering

Als wir wieder auf das Schiff kommen, hat der Regen auch wieder nachgelassen, und es heißt, alles trocken zu legen. Bei der Jacke dauert das, der Rest sieht gut aus. Auf der anschließenden Fahrt über den Westfjord ist etwas Bewegung im Schiff, Ruhe kehrt keine ein. Kurz nah dem Ablegen gibt es das Gathering mit dem Expeditionsteam, dann bietet das Schiff einen Nordlicht-Fotokurs an, dann ist um 17:30 mein Vortrag über Mond (ergänzt durch meine Meteoritensammlung), und schwups ist 18:30 – Abendessenzeit für alle, denen der Seegang nicht zusetzt. Kai und ich verlagern uns ins Bistro. Das Essen ist zwar gut, aber als Vielfahrer kennt man es mittlerweile, und da ist der Hurtigruten-Burger eine willkommene Abwechslung.

Und weiter geht das Programm: Kai nutzt das schlechte Wetter und erzählt ab 20 Uhr nach dem Halt in Stamsund etwas aus dem Leben der Trolle – schließlich ist er auch Beauftragter von Statens Trollvesen. Das erinnert mich an die Trollbrücke von Terry Pratchett – die fehlt in seinem Vortrag noch.

Anschließend dürfen wir meinen Reiseführer signieren, dann ist eine kurze Pause, bis wir Svolvær erreichen. Runde 50 Minuten Aufenthalt reichen für einen kurzen Gang zur Kirche und dem Skulpturenpark dahinter – aber nur mit Spikes. Schneematsch und Eis sind eine tückische Kombination, und die Kirche ist auf einem Hügel. Die gehende Frau irritiert mal wieder und geht einfach nicht aus dem Bild:-)

In Svolvær bleiben wir etwas länger als geplant, da der Bus mit den Teilnehmern des Wikinger-Fests Verspätung hat. Und dann legen wir mit 15-20 Minuten Verspätung ab, es geht Richtung Trollfjord. Was nicht mehr geht: Der Bildstabilisator meiner Kamera. Das ist bei diesen Lichtbedingungen natürlich der Supergau. Teleobjektiv und Polarlicht-Weitwinkel gehen noch, aber dem Immer-Drauf-Objektiv hat der Regen in Bodø wohl den Rest gegeben. Es hält nicht mehr still, nur gelegentlich kriege ich noch scharfe Bilder. Verdammnis. Und das Handy liefert immer viel zu stark bearbeitete Bilder…

Nun, wir fahren trotzdem durch den Raftsund, genießen die Fischsuppe und wer will auch den Trollfjordknerz (eine Art Tee mit Rum, den das Restaurant verkauft, und man darf die Tasse behalten), und gegen 23:45 sind wir an seiner Mündung – alles drängt sich am Bug, ich schaue mir das weiter hinten von Deck 5 an und schaue, was an Bildern noch geht.

Na immerhin, manchmal funktioniert es – filmen muss ich ab jetzt aber mit dem Handy. Mal sehen, was ich aus dieser Reise noch herausholen kann – und wann es endlich Polarlicht gibt!

Hurtigrute Tag 3: Trondheim

Das Tagesprogramm

Die Nacht war kurz (weil ich den Rechner erst um 1 Uhr zugeklappt habe), aber ruhig. Noch haben wir echtes Traumwetter, und die Sonne kommt auch noch über den Horizont. Das verspricht eine schöne lange blaue Stunde. In den nächsten Tagen wird sich das so oder so ändern: Wir kommen in die Polarnacht, und die Sonne wird es also nicht mehr über den Horizont schaffen. Und wann gibt es in Norwegen jetzt eigentlich keine Sonne?

Morgendämmerung im Trondheimfjord

Nordkap: 20. November – 22. Januar
Vardø: 23. November – 19. Januar
Tromsø: 27. November – 15. Januar
Harstad: 2. Dezember – 10. Januar
Bodø: 16. Dezember – 29. Dezember

Wobei das für Bodø nicht ganz stimmt, durch die Lichtbrechung in der Atmosphäre kommt die Sonne scheinbar etwas höher, andererseits gibt es ja auch noch Berge, hinter denen sie sich verstecken kann. Jedenfalls heißt es, diesen Tag noch einmal genießen und Sonne tanken; wenn wir morgen von Bodø auf die Lofoten und in der Nacht auf die Vesterålen fahren, erreichen wir die Polarnacht. In Svolvær (das wir morgen Abend erreichen) scheint die Sonne morgen von 11:35 bis 12:40, in Harstad (übermorgen früh) gar nicht mehr. Bodø hat prinzipiell von 10:51-13:25 Sonnenschein – aber es ist auch Regen angesagt.

Aber das ist das Thema von morgen. Heute sind wir erst einmal zügig unterwegs und eigentlich zu früh in Trondheim. Die lange Morgendämmerung mit perfektem Himmel verspricht für heute noch einmal bestes Wetter. Der Trondheimfjord ist zwar der drittlängste Fjord Norwegens, aber dank seiner Breite und der flachen Uferhänge wirkt er nicht wie ein klassischer Fjord. Aber ein Fjord ist ja nichts weiter als eine Sackgasse, während man durch einen Sund hindurchfahren kann. In den eindrucksvollen Trollfjord fahren wir in dieser Jahreszeit wegen Lawinengefahr auch nicht hinein (das Schiff würde das aushalten, die Gäste an Deck nicht, und dank der GPS-Überwachung aller größeren Schiffe wäre der Kapitän dann auch seine Lizenz los), aber der Raftsund zwischen Lofoten und Vesterælen ist ähnlich beeindruckend – südgehend ist es hoffentlich hell genug, um etwas davon zu haben.

Jetzt dümpeln wir erst einmal vor Trondheim Richtung Munkholmen herum und warten darauf, dass die südgehende Havila Polaris unseren Anleger frei macht. Die Crew nutzt die Zeit für eine Rettungsübung und lässt ein Beiboot zu Wasser. Theorie: Der Captain will frische Brötchen von Land… Dann setzt sich auch die Havila Polaris in Bewegung, die beiden Schiffe begrüßen sich mit der Hupe, und dann haben wir immerhin drei Stunden Zeit für die alte Königsstadt Trondheim.

Tja, Trondheim… Die drei Stunden Aufenthalt sind wie immer zu wenig. 20 bis 30 Minuten benötigt man durch den Industriehafen und den Bahnhof, bis man in der Stadt ist. Ich mache meine normale Route in der umgekehrten Richtung über Nedre Elvehavn, das alte Industriegebiet, in dem die alten Backsteinbauten mit Läden und bestimmt noch billigen Wohnungen zu neuem Leben erweckt wurden. Das Solsiden Einkaufszentrum verbirgt sich recht unauffällig hinter der Backsteinfassade, und die alten Docks sind zu Eislaufbahnen umgewidmet worden. Morgens um zehn ist da natürlich noch nicht so viel los.

Dann gehe ich recht zügig weiter nach Bakklandet mit den ganzen kleinen Holzhäuschen, die auch schon lange keine Arme-Leute-Siedlung mehr sind. Immer wieder gibt es die Möglichkeit für einen Abstecher zum Fluss, und es ist kaum jemand unterwegs. Dazu Schnee und blaue Stunde – was will das Fotografenherz mehr? Da kann man nicht mal meckern. Na gut, ein paar Baustellen weniger vielleicht, irgendwas ist doch immer:-)

Dafür kommt die Straßenräuming vorbei – vorne kehrt der Traktor, hinten wird gestreut. Die Straßen sind auch ohne Spikes weitestgehend problemlos begehbar. Etwa eine Stunde nach Verlassen des Schiffs bin ich an der Gamle Bybro und gehe noch ein paar Schritte weiter. Vor der Brücke am Ufer spiegelt sich das klassische Trondheim-Postkartenmotiv im Wasser, gegenüber der Brücke ist der Fahrradlift, mit dem sich im Sommer die Radfahrer den steilen Berg hochschieben lassen können, und ein paar Meter weiter ist noch ein kleiner Park mit Zugang zum Fluss. Klick, klick, klick – gut, dass Digitalbilder nichts kosten.

Dann aber ab über die Brücke, wo mir schon die ersten Passagiere begegnen, die den Stadtrundgang in der üblichen Richtung machen, und weiter zum Dom. Ohne Blätter an den Bäumen ist er deutlich fotofreundlicher. Einmal außen rum, der Palast des Erzbischofs dahinter mit seinem Museum hätte jetzt sogar schon geöffnet – aber ich habe hier etwa eine halbe Stunde Zeit, bevor ich wieder auf dem Schiff sein muss. Das langt nicht… also noch ein paar Fotos vom Dom von außen. Der Blick hinein kostet Geld, außer, ich würde die Stadtrundfahrt samt Dombesichtigung machen. Irgendwann vielleicht mal wieder – aber nicht bei diesem tollen Wetter!

Und dann ist es schon Zeit für den Rückweg – diesmal schaue ich nicht in den Trondheim Torg, in den eine alte Häuserzeile mit integriert ist, sonder schlendere durch ein paar andere Straßen, die ich normalerweise nicht nehme. Wenn ich nicht zum Shoppen komme, will ich wenigstens mal was anderes sehen. Ein Blick in den Garten des Königssitzes Stiftsgården ist aber trotzdem drin.

Stiftsgården

Letztlich bin ich sogar eine halbe Stunde zu früh am Schiff. Besser so als anders: Bevor wir ablegen, werden noch zwei Namen ausgerufen. Aber wir warten nicht, und mit etwas Glück wurden die beiden nur nicht registriert, als sie wieder an Bord kamen.

Noch ein Blick auf die Mittagssonne von Trondheim, und dann ab durch den Fjord. Heute tut sich nicht viel: Hier im Süden hat die Hurtigrute keinen Versorgungsauftrag, und der nächste Hafen ist erst Rørvik am späten Abend.

Die Fahrt ist dementsprechend entspannt – im Fjord ist natürlich ruhige See, ab und zu verschwindet die Sonne schon hinter den flachen Bergen, und man hat nicht das Gefühl, in einem Fjord zu sein. Gegen 14:30 gibt es den nächsten Interessepunkt des Schiffs: Miesmuscheln verkosten, am Ausgang des Fjords. Der Leuchtturm Agdenes Fyr markiert die Mündung des Fjords, das weiße Türmchen ist in der verschneiten Landschaft gut getarnt. Und es gibt etwas Neues: Von unserem Expeditionsteam ist nur noch Eike an Bord, die beiden Männer haben uns verlassen. Stattdessen sind zwei neue an Bord – die Namen muss ich mir noch merken; leider stehen keine Namensschilder an ihrem Arbeitsplatz. Ich glaube, Martin wurde durch Christina ersetzt. Aber das kriege ich auch noch hin.

Für 15:30 ist dann der unaussprechliche, frisch sanierte rote Leuchtturm Kjeungskjærfyr geplant, aber der Kapitän gibt Gas, sodass wir für alle überraschend früher ankommen. Bei bestem Wetter taucht er vor uns auf, unter dem Venusgürtel – dem rosa Band, dass der Abenddämmerung in den vor uns liegenden Gegenden entspricht. Hinter uns: Ein farbiger Abendhimmel. Sehr, sehr schön.

Anschließend stehen noch die tägliche Ausflugspräsentation und das Treffen mit dem Expeditionsteam an. Die schwänze ich aber: Heute Abend steht mein erster Vortrag an, noch die letzten Folien aufpolieren. Dann um 18:30 Abendessen und um 19:45 mein Polarlichtvortrag: Gerade unsere öffentlich-rechtlichen Medien und die Marketingabteilungen zeigen immer die schönsten Bilder vom Polarlicht, da muss ein bisschen Realismus vermittelt werden. Und die Wetterprognose ist mäßig. Durch den Klimawandel hat sich wohl der Jetstream verlagert, und durch die höheren Temperaturen ist mehr Wasser in der Atmosphäre. Bedeutet: Mehr Wolken und weniger wechselhaftes Wetter in Norwegen. In Süddeutschland ist die letzte klare Nacht auch schon eine Ewigkeit her. Aber egal: Für den 9. ist etwas aktiveres Weltraumwetter angekündigt, und bis dahin ändert sich die Wettervorhersage hoffentlich noch, sodass wir in der Barentssee was sehen können. Chancen auf ausreichend große Wolkenlücken gibt es – und ich verspreche lieber zu wenig als zu viel.

Nur für morgen und übermorgen haben wir sicherlich mit viel Regen und Wolken zu rechnen. Grmpf. Und heute: Noch weitestgehend klarer Himmel und keine Polarlichtaktivität. Ich mache es mir noch einmal auf Deck 7 bequem, bis wir Rørvik erreichen und der Richard With begegnen. Immerhin: Am Hafen steht niemand, der so aussieht, als hätte er in Trondheim das Schiff verpasst und wäre mit dem Flieger nachgekommen.

Und das war es dann eigentlich auch für heute. Morgen früh überqueren wir den Polarkreis. Mal sehen, ob ich mir das anschaue – erfahrungsgemäß ist es da zu dunkel, um ein brauchbares Bild zu schießen. Und nein, wir wissen auch nicht, wann wir den Polarkreis überqueren. Aber wahrscheinlich eher früher als später.