Es geht mit viel zu großen Schritten zurück in den Süden. Als ich kurz vor Havøysund aufstehe, haben wir den Magerøyasund bereits hinter uns, machen eine letzte Linkskurve und sind auf Südkurs. Die Polarnacht werden wir heute auch verlassen: In Hammerfest ist seit heute Polarnacht, und Øksfjord, der nächste Hafen, hat noch etwa eine Stunde Sonnenschein – die letzte, morgen geht die Sonne da auch nicht mehr auf.
Solange sich die Landschaft schön verschneit unter klarem Himmel präsentiert, stört das aber nicht: Es gibt statt ewiger Finsternis eine lange blaue Stunde, während die Sonne knapp unter dem Horizont steht.





Nach dem Ablegen begegnen wir der nordgehenden Hurtigrute MS Polarlys, grüßen schön, und ich gehe kurz frühstücken.
Der nächste Programmpunkt lässt nicht allzu lange auf sich warten. Nach der Ausflugspräsentation ist es schon Zeit für den Energiekaffee vor der Insel Melkøya mit ihrer Erdgasverflüssigungsanlage. Da wieder Kaffee statt heißer Schokolade auf dem Programm steht (also die berüchtigte Mischung aus je 50% Schweröl und Zucker), fotografiere ich die Industrieanlage von Deck 5 aus. Da ist doch weniger los, auch wenn ich ohne den Point of Interest nicht erfahre, ob es hier etwas neues gibt. Auf der anderen Seite vom Schiff schwimmt noch eine Bohrinsel rum: Die Transocean Enabler.



Auf der Fahrt in den Hafen grüßt die Kirche mit Geläut: Es ist Sonntag und Zeit für den Gottesdienst. Direkt vor der Kirche ist wieder der große Schneehaufen von der Straßenräumung
In Hammerfest legen wir endlich wieder einmal im Ort an. Die Meridiansäule, die an die Vermessung der Welt durch Struve erinnert, ist zwar auch hübsch, aber eigentlich will man ja in die Stadt. In Hammerfest hat sich seit meinem letzten Besuch einiges getan: Dass die hohen Löhne der Energieanlage auf Melkøya die Preise so nach oben getrieben haben, dass die alteingesessenen Einwohner (auf jeden Fall die in Mietwohnungen) die Stadt längst verlassen mussten, ist ja nichts neues _ Hammerfest ist die zweit- oder dritt-teuerste Stadt Norwegens, Oslo ist auf Platz eins. Der Einzelhandel sieht auch etwas weniger aus (erst Corona, dann die Hafenneugestaltung mit anderen Liegeplätzen). Wir liegen ein paar Meter weiter am selben Anleger wie früher, nur ein paar Meter vom Stadtzentrum entfernt. Die Eisbären vor dem Ratshaus sind belagert, und mit ein paar Gästen schlendern wir einmal durch den Ort.






Der Eisbärenclub hat ein neues Heim an der Hauptstraße, etwas abseits für uns. Das Museum ist kleiner geworden, der Verkaufsraum größer, ohne mehr zu bieten. Also weiter durch das verschneite Hammerfest.
Endlich kann ich wieder die Tradition pflegen und ein Foto auf meinem Bänkle vor dem Musikpavillon machen. Diesmal liegt mehr Schnee auf der Bank als davor.
Der Zickzackweg auf den Berg hinauf ist gesperrt, aber ich habe meine Spikes ohnehin auf dem Schiff vergessen. Also geht es in gemütlichem Tempo zum Friedhof mit der alten Kapelle, die als einzige den Rückzug der deutschen Wehrmacht überstanden hat, hin zur Kirche. Auf dem Weg liegen einige der alten Fertighäuser, mit denen Hammerfest dann wieder aufgebaut wurde, und an denen teils eindrucksvolle Eiszapfen hängen.



Einen Blick wert sind noch die Infotafeln am Anleger: Die Pläne für den neuen Hafen sind doch sehr futuristisch…


Zurück auf dem Schiff ruft die Arbeit: Mein letzter Vortrag steht an. Um 14 Uhr erzähle ich etwas über Sternsagen, während wir durch die Abenddämmerung fahren. Dann hat Kai noch eine Überraschung parat.
Damit endet mein Vortragsprogramm, ich habe alle fünf Vorträge untergebracht. Wobei heute eh volles Programm ist: Der Vortrag vom englischen Lektor wird auf das ganze Schiff übertragen und ist zeitgleich mit meinem, und um 15:15 finden parallel Vorträge über die Geschichte der Hurtigrute und das Wettrennen zu den Polen statt.
Zurück in der Kabine: Ein Lärm ist das hier… ist meine Lüftung im Eimer? Nein, draußen, ist es auch nicht ruhiger – ein Hubschrauber steht über dem Schiff, das Außendeck ist teilweise gesperrt, und jemand seilt sich ab und geht danach wieder zurück auf den Hubschrauber.
Es ist zum Glück nur eine Übung, die soweit ich das sehen kann ohne Probleme verläuft. Dann verabschiedet sich der Hubschrauber in die Abenddämmerung, und die Crew wirkt entspannt – sieht wirklich eher nach Übung als Ernstfall aus.
Bis wir Øksfjord erreichen, ist es dunkel – jetzt ist auch hier Polarnacht, die hatten ihren letzten schönen Tag. Als ich das Anlegen an Deck abwarte (der Hafen hat ein sehr schönes Echo), werde ich gefragt, ob ich schon nach Polarlicht Ausschau halte. Nein, diesmal nicht, und vor allem nicht jetzt schon. Da bräuchte es wesentlich mehr Aktivität, auch wenn es für heute Abend gut aussieht und noch immer ziemlich klar ist.
Die Zeit bis zum Abendessen vergeht schnell, die Überfahrt über die Loppa ist auch schön ruhig. Nichts mit “Loppa macht hoppa”, die großen Herbststürme verschonen uns bislang. Auch nicht schlecht.
Im Restaurant gibt es was neues: Jetzt wird samisches Essen promotet. Endlich steht Rentier auf der Karte, das hatte ich schon vermisst.
Und während des Essens – wir haben ja die 18-Uhr-Sitzung – kommt eine Durchsage, irgendwas von wegen Nordlicht wäre jetzt zu sehen. Nun, wir hatten alle schon einige Chancen, und der Saal leert sich kaum. Da kann ich auch in Ruhe essen, und dann sind wir eh schon fast in Skjervøy, dem nächsten Hafen.


Ich mag die Strecke zwischen Skjervøy und Tromsø für Polarlicht, und hatte drauf gehofft: Die Berge auf beiden Seiten bieten sowohl Windschutz mit ruhigem Fahrwasser als auch eine schöne Kulisse. Also schraube ich meine Kamera erst an den Bug und ziehe dann rasch ans Heck um: Hübsch. Schönes, helles, Polarlicht in diesem geisterhaften grün tanzt ruhig, aber nicht zu ruhig über den Himmel.
Die Nikon arbeitet fast zwei Stunden, der Film ist zu groß für die Webseite. Den kriegen nur unsere Gäste. Aber wofür habe ich zwei Kameras? Zur Abwechslung drehe ich meine Panasonic ins Hochformat, schließlich reicht das Polarlicht vom Horizont bis hoch über das Schiff. Hat was.
Die Überfahrt hat diesmal nur einen kleinen Haken: Um 21:15 wird die Postflagge versteigert. Im Panoramasalon wird Geld für die Hurtigrutenfoundation gesammelt.
Aber um 21 Uhr begegnen wir der nordgehenden Havila, und als das Licht wieder ausgeht, macht auch das Polarlicht schlagartig Pause. Ich lasse meine Kamera laufen und gehe zur Auktion.
Zur Auktion stehen eine Seekarte, ein Stück vom Schiff, ein Besuch im Maschinenraum und natürlich die Flagge, die schon den ganzen Tag auf Deck 5 begehrliche Blicke geweckt hat.
Dementsprechend hoch sind auch die Gebote, für über 3500 NOK geht die Flagge über den Tisch und in unsere Gruppe – gut, dass die Krone gerade günstig steht.
Derweil ging es nicht nur im Panoramasalon hoch her, sondern auch draußen – zumindest sehe ich ein paar schöne Fotos, und meine Kamera hat auch ein bisschen von dem eingefangen, was sich direkt über uns abgespielt hat. Irgendwann nach 22 Uhr baue ich aber ab. Der Himmel ist klar, aber kein Polarlicht mehr zu sehen – auch die Webcams der Umgebung zeigen nur noch ein diffuses Leuchten über den gesamten Himmel.
Vor Tromsø gehe ich noch an Deck und schaue mir das Anlegen an, dann geht es an den Rechner, die Bilder bearbeiten – bis morgen früh sind die Bilder für die Filme dann auch fertig. Den Kneipenbummel oder das Mitternachtskonzert in der hölzernen Domkirche spare ich mir aber.
Ein langer, aber schöner Tag endet.






