Das wär’s dann mit Island: Wir räumen die Appartments in Borganes und machen uns auf den Weg zum Flughafen. Da der Flieger aber erst gegen Mitternacht starten soll, haben wir noch genug Zeit für Reykjavík und die Sehenswürdigkeiten auf der Halbinsel. Bleibt nur die Frage nach der Startzeit für die letzten 226 Kilometer. Halb acht steht im Raum, um möglichst viel Zeit für die Hauptstadt zu haben… Ich schlage für mein Auto noch etwas Zeit heraus, wir starten eine halbe Stunde später und frühstücken in aller Ruhe in der Tanke in Borganes, statt erst nach Reykjavík zu fahren.
An der Tankstelle hatten wir gestern schon gefrühstückt und sind jetzt vor Kombinationen wie “Süße Waffel mit Lachs” gewarnt; das Sandwich mit Garnelensalat war aber auch nicht so der Renner. Die Kassierin ist wieder hochmotiviert und knallt die eingeschweißten Brote nach dem einscannen lustlos auf den Tresen – vielleicht liegt’s an der Uhrzeit? Jedenfalls google ich zur Frühstückslektüre mal nach Island und Selbstmordrate. Interessant: Sie liegt niedriger als bei uns, und der zweite Treffer ist Werbung für Island: “Wer Erholung sucht und ein Land, in dem man vom Alltag völlig abschalten kann, der ist in Island genau richtig.” So vollständig wollte ich hier eigentlich nicht abschalten, liebes Google…
Dann lassen wir die gute Frau doch lieber in Ruhe und machen uns auf den Weg nach Reykjavík, wo wir gegen halb zehn an der Hallgrímskirkja parken und die anderen suchen. Da ihr ursprünglich geplantes Restaurant gerade saniert wird, treffen wir sie an der Harpa, dem modernen Konzerthaus. Viel scheinen wir nicht verpasst zu haben, wenn ich mir die anderen Bilder so anschaue – uns hat es sogar noch für einen Blick in die Hallgrimmskirkja gelangt:-) Besonders lohnenswert ist der Betonbau aber nicht: Er ist groß, aber kahl.
Bevor wir an der Harpa zu den anderen aufschließen, steht noch ein kurzer Besuch an der Sólfar-Skulptur an. Das stilisierte Wikinger-Boot gehört ja zu den Wahrzeichen der Stadt; die Wohnblöcke dahinter fehlen auf den meisten Bildern verständlicherweise. Für die Harpa selbst bleibt uns nicht viel Zeit, es geht im Eilmarsch durch die Stadt. Einmal quer durch Reykjavík finden sich einige kleinere Häuser, zum Teil ganz aus Beton – seit die Wälder abgeholzt wurden, ist alternatives Baumaterial gefragt. Ein paar Impressionen:
Aber fragt mich nicht, wo in der Stadt sie aufgenommen wurden. Die kleine Panasonic hat leider kein eingebautes GPS, so sehr ich die Kamera auch sonst mag. In der Innenstadt dann eine Verschnaufpause: Wir finden einen Souvenirshop, der wohl in einer alten Bank ist – zumindest sind die Verkaufsräume im Kellergeschoss hinter dicken Panzertüren gesichert. So wertvoll sind Island-Pullis dann doch nicht.
Mir läuft hier noch ein Sagenbuch über den Weg, mit dem ich schon am Dimmuborgir geliebäugelt hatte – und die deutschsprachige Version ist hier sogar billiger. Island hat also keine Buchpreisbindung, wie’s aussieht. Die Ex-Bank akzeptiert auch meine Kreditkarte, beruhigend.
Der Marsch geht weiter durch die Einkausstraße, bis wir ein Restaurant für’s Mittagessen finden, das genug Platz für zehn Leute bieten dürfte. Es gibt noch einmal Burger, wer hätte das gedacht. Langsam kriege ich Lust auf einen Salat, aber hier oben wächst wohl in erster Linie Fleisch… Und, Überraschung: Meine Kreditkarte wird nicht akzeptiert. Zum Glück klappt’s mit der EC-Karte; mein Bargeldbestand ist mittlerweile gut reduziert.
Ich kann verstehen, warum sich die Bevölkerung in Reykjavík konzentriert: Man kann erkennen, dass es hier durchaus kulturelles Leben und eine lebendige Szene gibt, wobei die Häuser zwischen gepflegt und bruchreif schwanken. So manch kleine Hütte zeugt von vergangenen Zeiten und vor allem günstigen Grundstückspreisen. Einen Tag für die Hauptstadt einzuplanen ist wohl kein Fehler, aber was soll’s – wir wollen ja nur einen Eindruck vom Land. Also geht es weiter zum Perlan, dem Heißwasserspeicher der Stadt. Auf den Tanks steht eine Glaskuppel mit Restaurant und Aussichtsplattform; die verspiegelten Scheiben laden zu einer Art Selfie ein – ganz ohne Idiotenszepter Selfie-Stick.
Damit wäre auch Reykjavík abgehakt, und wir machen uns auf die Reise über die Halbinsel Reykjanes. Eine kleine Piste gibt noch einmal die Möglichkeit, das Auto zu waschen (ohnehin kein Fehler, bevor wir es heute Abend wieder abgeben). Die Ziele des Tages: Zunächst Gunnuhver, ein Thermalgebiet mit heißen Quellen und entsprechender Luftqualität… In den 1930er Jahren stand hier ein einfaches Haus – ein Däne mit seiner lettischen Frau züchtete hier Blumen, bis ihm der Boden unter den Füßen zu heiß wurde. Die Fundamente seiner Unterkunft sind noch erhalten, Blumen wachsen dort jedoch keine mehr. Bei unserem Besuch kommt nicht einmal nennenswert flüssiges Wasser aus dem Boden, sondern nur Dampf, der die Reste eines Stegs einhüllt. Auf der Google Maps ist hier ein See eingezeichnet…
Nächster Stop: die nahegelegene, schroffe Küste. Von den hohen Kliffs hat man einen schönen Ausblick auf den schwarzen Strand. Die Gegend hier könnte Tolkien zu seiner Vorstellung von Mordor inspiriert haben… Der Weg hinab zum Strand ist nicht weit, und man sieht jetzt erst, wie groß die “Kiesel” sind. Das ist schon was anderes als die Black Beach bei Vík vor ein paar Tagen. Ohne Regen kann man sich hier einige Zeit aufhalten und Zwergenfotos machen – die Bilder lassen einen fast vermuten, die Leute wären mit Photoshop geschrumpft und zwischen Kiesel gesetzt worden.
Ein Ziel bleibt noch in diesem Ödland, bekannt von vielen Fotos: Die Brücke zwischen den Kontinenten. Island driftet ja auseinander, und im Westen kann man eine kleine Version des Grabenbruchs zwischen europäischer und nordamerikanischer Platte beobachten. Trotz Regen sind bei der Brú Milli Heimsálfa sogar beide Seiten der Kontinentalplatten zu sehen.
Wer will, kann versuchen, die Brücke zumindest fotografisch zu tragen, wobei mir die Making-Off-Bilder besser gefallen:-) Die Brücke ist ein netter Gag mit eigenen Accounts in den sozialen Medien, aber man kommt natürlich auch ohne sie problemlos von Kontinent zu Kontinent.
Das war es dann fast schon mit dem Touri-Programm. Es bleibt nur noch die Blaue Lagune – im Prinzip ein Freibad mit blauem Wasser, das von Geothermalkraftwerk stammt. Kieselalgen verleihen im seine blaue Farbe, und das Kassenhäuschen macht es zu etwas exklusivem…
Sie liegt in unmittelbarer Nähe des Flughafens und ist ein entspannender Ausklang für die Reise, wenn auch nicht unbedingt ein notwendiger Punkt für eine Rundreise. Aber was soll’s, im warmen Wasser zurücklehnen und entspannen hat was – wenn wir auf der Tour schon keine Chance hatten, außer einmal im Hot Pod zu relaxen. Die Eintrittskarten mussten allerdings schon in Deutschland vorbestellt werden, sie ist ein wahrer Touristenmagnet.
Der Rest des Abends? Ein Besuch bei Kentucky Fried Chicken (mal keine Burger), dann die Autos abgeben und ab zum Flughafen, wo wir kurz nach Mitternacht mit dem Boarding unseres Fliegers nach Stuttgart beginnen sollten. Dumm nur, dass Deutschland gerade wesentlich schlechteres Wetter hat und der Flieger wegen Starkregen eine Stunde in Stuttgart fest saß. Irgendwann machen auch hier die Läden zu, wobei es am Flughafen mehr Auswahl an Souvenirs gibt als sonst auf unserer Route. Ich kann mein letztes Hartgeld in einen Schokoriegel investieren und habe noch eine Krone übrig. Wert ist sie nichts (naja, 0,7 Cent) und darf als Souvenir bei mir bleiben. Um 1:20 konnten wir dann endlich in den Flieger, wo wir mit Guten Morgen begrüßt wurden – und zum Glück etwas mehr Beinfreiheit als auf dem Hinflug hatten; die Sitze waren halbwegs benutzbar.
Um 5:20 isländischer Zeit bzw. 7:20 Ortszeit dann die Landung in Stuttgart – gerade noch rechtzeitig, um die vorgebuchte Parkzeit nicht zu überziehen. Die Begrüßung in Stuttgart: Gute Nacht. Tja, viel mit erholsam Schlafen war in dem Flieger nicht.
Auf dem Heimweg gab es erst ein wenig Stau bei Stuttgart (ja, wir sind eindeutig wieder zuhause), und dann Umleitungen und überflutete Straßen rund um Bad Friedrichshall. Bei Bad Wimpfen konnte ich dann über den Neckar – zumindest die Altstadt auf dem Berg hatte wohl keine Probleme mit Hochwasser, am Neckarufer sah das schon ganz anders aus.
Da hatten wir in Island doch das bessere Wetter… Schön war’s und wohl auch nicht das letzte Mal, aber das dürfte noch ein wenig dauern, bis ich wieder dahin komme.