Start- und Endpunkt sind heute identisch, aber das ist kein Grund, nicht doch rund 300 km zurückzulegen und die Halbinsel Snæfellsnes zum umrunden, Länge mal Breite mal Höhe. Vom 1446 Meter hohen Vulkan Snæfellsjökull sehen wir zwar nicht viel, da er sich in den Regenwolken verbirgt, aber dafür gibt es genug Möglichkeiten für Zwischenstopps. Der Blick aus dem Autofenster lohnt sich auch immer wieder, es tauchen einige interessante Krater und Berge unter den Wolken auf. Die Ringstraße lassen wir für diese Tour natürlich abseits liegen, die Halbinsel ist eine eigene Route und im Allgemeinen gut asphaltiert.
Der erste geplante Stop: Eine schwarze Kirche. Die Búðarkirkja ist aber nicht etwa ein Ort, an dem schwarze Messen abgehalten wurden, sondern vielmehr ein Denkmal für Schwarzarbeit. Als die Pfarrei in Búðir 1816 aufgelöst wurde, stieß das auf den Unmut von Steinunn Sveinsdóttir – die Frau wollte gegen den Willen der Landeskirche eine Kirche im Ort und erhielt letztlich die könligliche Erlaubnis zum Kirchenbau. Sie wurde 1848 vollendet und ist jetzt eine der ältesten Holzkirchen Islands.
Der nächste Halt ist ungeplant: Kurz vor Arnarstapi fasziniert die moosüberwucherte wilde Landschaft zu sehr, und es gibt einen Parkplatz am Straßenrand – also nichts wie raus. So eine Landschaft habe ich auch noch nie gesehen…
Der nächste Halt ist die Küste bei Arnarstapi. Hohe Klippen und unterspülte Basaltbögen fesseln den Blick; unzählige Vögel leben hier, ohne von der Brandung weggespült zu werden. Die Wege entlang der Küste bis zum Denkmal für den Halbriesen Bárður Snæfellsás sind noch ganz gut begehbar, verwandeln sich aber schon langsam in Matsch. Zum Ende der Saison dürfte es hier deutlich unangenehmer sein; der erste Reisebus verfolgt uns jetzt schon auf unserer Tour.
Das Denkmal von Bárður Snæfellsás ist weithin sichtbar und aus groben Steinen aufgeschichtet, die dem Regen trotzen – mittlerweile wird das Wetter wieder schlechter und nasser, also zurück zum Auto, auch um etwas Abstand von dem Reisebus zu halten.
Der nächste Halt wird kurz: Eine Höhle liegt an der Straße, durch die es auch Führungen gibt, aber wir haben den Einlass knapp verpasst – daher machen wir noch einen kurzen Abstecher an die Küste, bevor es auf den Parkplatz am Djúpalónssandur-Steinstrand geht. Hier war lange Zeit eine Fischereiflotte stationiert. Wer dort arbeiten wollte, musste seine Kraft beweisen, indem er einige der runden Steine dort hoch hob. Die vier Steine tragen je nach Gewicht die passenden Namen: Fullsterkur (“Ganzstarker”, 154 kg), Hálfsterkur (“Halbstarker, 100 kg), hálfdrættingur (“Brauchbarer”, 54 kg) und Amlóði (“Schwächling”, 23 kg). Zumindest Brauchbarer musste man auf einen Felsabsatz heben, um einen Platz an Bord zu erhalten.
1948 strandete der Fischtrawler Epine aus Grimsby hier, nur vier oder fünf der 19 Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden. Einige Reste des Schiffs liegen immer noch am Strand und stehen unter Denkmalschutz.
Davon, dass der Strand am Fuß des Snæfellsjökull liegen soll, ist aber nicht viel zu sehen. Also auf zum nächsten Halt, dem Krater Saxhóll. Island zeigt sich wieder einmal von seiner windigsten Seite. Eine Eisentreppe führt auf diesen Vulkankrater, aber oben ist es noch ungemütlicher als unten – wer sich nicht noch einmal in den Wind legen will, macht sich rasch wieder an den Abstieg. Von dem eigentlich schönen Panorama ist auch nicht viel zu sehen. Da hilft nur, bei besserem Wetter wiederzukommen und im Windschatten der Autos eine kurze Mittagspause einzulegen, nachdem die Kamera wieder trockengelegt wurde.
The road goes on and on, und nach ein paar Kilometern taucht ein Strich in der Landschaft auf: Der 412 Meter hohe Funkmast war einst das höchste Bauwerk Europas, 1994 wurde er abgeschaltet. Er ist immer noch das höchste Bauwerk Islands, uns aber keinen Stop wert – den gibt’s erst ein paar Meter weiter, am kleinen Museum in Hellissandur. Die Torfhäuser gehören zu einem Seemannsmuseum. Das Wetter hat sich jetzt völlig geändert: Vielleicht sind wir jetzt im Windschatten des unsichtbaren Snæfellsjökull, jedenfalls ist der Wind weg und der Himmel stellenweise sogar blau. Das wäre ein besserer Ort für eine Mittagspause gewesen als der Fuß der Saxhóll…
Gegenüber des Museums gibt es dafür eine Sehenswürdigkeit, die uns mittlerweile vertraut ist, auch wenn ich sie viel zu selten fotografiert habe. Zeit, das nachzuholen: Eine Tankstelle. Eine gute Chance, noch einmal die Getränkevorräte aufzufüllen – nutzen wir sie. Tankstellenshops gehören wohl zur Grundversorgung von Island-Reisenden, zumindest auf der Ringstraße.
Apropos Straße: Wir müssen ja weiter. Der nächste Halt ist der Kirkjufellsfossi, trotz des Regenwetters ein hübscher Wasserfall am Straßenrand. Aussteigen lohnt sich: was von der Straße aus regnerisch-trübe aussieht, macht vom Wasserfall selbst aus deutlich mehr her. Der Spitze Berg im Hintergrund ergibt ein sehr schönes Panorama, das bei gutem Wetter noch eindrucksvoller sein müsste. Definitiv einer der schöneren Wasserfälle und einen Stop wert.
Die Straße führt uns dann weiter Richtung Stykkishólmur, immer entlang der Nordküste der Snæfellsness-Halbinsel. Rund 20 km nach Kirkjufellsfossi ist ein unwirtliches Lavafeld, durch das schon zur Landnahmezeit Wege angelegt werden sollten. Dazu heuerten die Einheimischen Berserker aus Norwegen an – die starken Männer sollten zum Lohn isländische Frauen erhalten. Nur die Frauen waren davon weniger begeistert und lockten die Männer in eine Scheune, die sie dann anzündeten. Die Gegen trägt heute den Namen Berserkerjahraun – wir fahren sicherheitshalber durch.
Das schmucke Städtchen Stykkishólmur hat seltsame Kirchenbauten, eine Fährverbindung und auf der Insel Súgandisey einen kleinen Leuchtturm, von dem aus man einen schönen Rundumblick hat. Für einen Drohnenflug war es leider zu windig, aber der Aufstieg über die Treppe lohnt sich allemal. Wann sehen wir über Westisland sonst schon mal blauen Himmel?
Damit haben wir unser Programm für heute auch abgearbeitet. Zeit für ein bisschen Spaß… für den Rückweg könnten wir entweder die Asphaltstraße zurückfahren, oder die Piste quer durch die Halbinsel nehmen. Die Entscheidung fällt leicht, und den Rest der Rückfahrt dürfen andere filmen und fotografieren, während wir durch Staub und Pfützen pflügen. Zum Ausgleich steht danach noch einmal kurz Autoputzen an; zum Glück gibt es an jeder Tankstelle eine kostenlose Waschgelegenheit. Fazit: Gerne jederzeit wieder:-)
Was bleibt noch zu tun? Zurück nach Borganes, wo wir im Landnahmezentrum einen Tisch reserviert haben. Es gibt gehobene Küche, wozu – natürlich – auch Burger gehören. Kein Wunder, dass McDonalds und Burger King sich hier nicht durchsetzen können… Ich greife lieber zur gut gewürzten Lasagne und gönne mir ein Skyr zum Nachtisch. Das Restaurant gehört zum Landnahmezentrum, das eine Ausstellung über die Besiedelung Islands zeigt. Von den Wikingern an der Wand wirkt allerdings keiner besonders glücklich… Das Haus gehört zu den ältesten der Stadt und wurde an den Fels erweitert, um mehr Platz zu gewinnen – wir sitzen also direkt an der Felswand, an die Glasfenster und Dach angepasst wurden. Interessanter Baustil.
Abschließend bleibt noch etwas Zeit für einen kleinen Rundgang durch Borganes. So gemütlich die Häuser innen auch sein mögen: Schönheitspreise können nur die wenigsten gewinnen. Auch wenn das Klima rau ist, würde ein wenig Farbe nicht schaden. Aber dafür gibt es auch ausreichend Bauten, die vollständig mit Metall verkleidet sind, oder Betonbunker. Schade eigentlich, aber der einzige Baumarkt, den ich auf der Strecke gesehen habe, war auch weit weg in Reykjavík.