Es ist soweit: Wir erreichen den nördlichsten Punkt unserer Reise. Mein erster Hafen, den ich an diesem Tag bewusst mitnehme, ist immer Havøysund, wo wir diesmal der südgehenden MS Polarlys begegnen. In dem kleinen Hafen langt es nie, an Land zu gehen, aber die Schiffsbegegnung ist immer nett. Das südgehende Schiff muss uns erst den Anleger frei machen, damit wir anliegen können, dementsprechend nah kommt man sich teilweise – richtig Spaß macht das, wenn mal wieder jemand an Bord ist, den man kennt und dem man zuwinken kann. Heute aber nicht, und die Polarlys legt pünktlich ab, sodass wir nicht drängeln müssen.
Das Wetter: Es beginnt mit ein paar blauen Flecken am Himmel, und im Magerøyasund wird es stellenweise richtig schön. Endlich, ganz oben im Norden, sehen wir die Sonne wieder. Und ich habe keine Sonnenbrille dabei…



Im Magerøyassund gibt es wieder einen Point of Interest, zum Tunnel, der die Insel mit dem Festland verbindet, und den Rentieren, die den Tunnel benutzen, wenn sie nicht zur Insel Magerøya schwimmen. Im Sommer finden sie hier ihre Weideplätze, auf der “mageren Insel”.
Kurz vor Honningsvåg ist das Wetter nicht mehr ganz so vielversprechend, Wolken hängen über dem Ort.



Diesmal steht bei mir kein Spaziergang durch den Ort und hoch zum Ausguck an: Alle Jahre kann man doch mal zum Nordkap gehen. Es gibt was Neues: Einerseits erhält man jetzt Eintrittskarten für dieNordkaphalle (mit QR-Code, damit man ins Warme kommt), und andererseits muss jetzt bekannt sein, wer in welchem Bus sitzt. Es gab doch immer wieder mal Unfälle, und bei vier oder fünf Bussen vom Schiff weiß natürlich niemand, ob dann jemand fehlt. Also wird jetzt eine Strichliste geführt. Sven und ich dürfen auch je einen Bus abhaken. Ich weiß, warum ich lieber als Lektor arbeite und nicht als Reiseleiter. Wenn 70 Leute in einen Bus mit 50 Plätzen wollen und dann ignorieren, für welche Sprache er gedacht ist – nein, so ein Reiseleiter muss manchmal wirklich arbeiten. Da schlage ich mir lieber die Nächte um die Ohren mit dieser Diva von Nordlicht…
Aber endlich sind alle verteilt, und wir fahren zum Nordlicht. Irgendein Touri im wahrscheinlich Kastenwagen-Wohnmobil wundert sich wahrscheinlich, warum dieser Reisebus ihn hupend über die verschneiten Straßen hetzt, aber das hat sogar seinen Sinn: An den Steigungen brauchen wir den Schwung, um nicht hängen zu bleiben. Sonst kommen wir nicht weiter und blockieren die Straße, weil sich irgendwer nicht traut, Gas zu geben (oder vom Vermieter die abgefahrenen Sommerreifen erhalten hat statt vernünftiger Spike-Bereifung. Von meiner Seite mal wieder schöne Größe an Europcar und eine Empfhelung für Hertz).
Schließlich erreichen wir das Nordkap, und im Schneegestöber strömen alle in die Nordkap-Halle – Sauwetter. Also erst einmal ins Untergeschoss, die kleinen Dioramen anschauen und einen Blick in die Halle des Lichts werfen. den Panoramafilm schenke ich mir.



Ein paar Minuten später bin ich wieder oben, und es ist der perfekte Tag: Strahlendblauer Himmel. Cool.
Statt direkt zur Kugel zu gehen, mache ich mich auf den Weg nach links. Es liegt viel weicher Schnee, Spikes sind diesmal nicht nötig. Auf dem Parkplatz: Einige deutsche Kennzeichen, inklusive einem Offroad-Wohnwagen auch nett.



Am Parkplatz höre ich irgendwas von Walen: Ja, da unten in der Bucht – 300 Meter unter uns – schwimmt irgendwas im Wasser. Jetzt ein Fernglas oder ein gutes Teleobjektiv, aber es sind tatsächlich mindestens vier Wale, die gerade das Nordkap besuchen. Wahrscheinlich Finnwale.
Ein paar schwarze Schemen und die Wasserfontainen, die sie in die Luft blasen – viel mehr ist auf die Entfernung nicht zu sehen, aber es hat trotzdem was. Normalerweise bekomme ich auf dem Schiff immer nur mit, dass man gerade die Chance gehabt hatte, eventuell Wale zu sehen…







Danach bleibt das Wetter gut, und ich kann das Gelände noch ein wenig erkunden. Wir sind zwar nicht am nördlichsten Punkt der Insel (die flache Landzunge Knivskjellodden ist aber zu sehen, die noch weiter nach Norden ragt), aber eindrucksvoll ist das allemal.
Positiv überrascht bin ich von dem Cafe, das auf meiner erstenTour als “Sogar für Norweger zu teuer” angepriesen wurde. 39 NOK für einen Kaffee, 49 für eine Heiße Schokolade, 149 NOK für Pizza oder Panini – das können unsere Tankstellen zuhause aber auch.
Schließlich ist die Zeit rum, und um 13:30 sitzen alle wieder im Bus – unserer ist jetzt deutlich voller, das zum Thema “Wir müssen, wer in welchem Bus ist.” Aber wir kommen sicher durch die eindrucksvoll öde, tief verschneite Landschaft.
Von Honningsvåg sieht man bei diesem Ausflug nichts, aber die Reiseleiterin im Bus erzählt etwas. Zur Boom-Zeit der Fischerei in den 1950ern war der Ort als Klein-Chicago verrufen, so viele Schägereien gab es. Heute haben die Fischfabriken am anderen Ufer zu, und auch der Polizeiposten hat nur noch an zwei Tagen die Woche kurz geöffnet. Mittlerweile ist Honningsvåg ein friedliches Örtchen.
Zurück auf dem Schiff geht das Programm weiter: Von 14:30-15 wird Apfelkuchen verkauft, und um 15 Uhr bin ich schon mit meinem vorletzten Vortrag dran – die Sonne. Dazu ein kleiner Ausblick auf das Wetter: Heute Abend vielversprechend, morgen zur partiellen Sonnenfinsternis in Kirkenes wieder Schnee und Wolken.
Und jetzt entspannen? Von wegen. Um 16:10 wird an Deck Fischsuppe serviert, dann passieren wir bei schönstem Licht die Felsformation der Finnkirche, bevor wir Kjøllefjord erreichen – wunderbar verschneit am Ende eines Fjords.






Jetzt Pause? Nö. Die “Abendschau” steht an, das Treffen mit dem Expeditionsteam. Und dann gibt es schon Abendessen. Währenddessen legen wir kurz in Mehamn an, dem nördlichsten Hafen der Route. Jetzt geht es südwärts nach Kirkenes, wo wir morgen umdrehen.
Anschließend ist es noch zu hell für Polarlicht, und die Aktivität ist so lala, aber beim nächsten Check gegen 20 Uhr: JA, ein schwacher, aber deutlicher Bogen quer über den Himmel. Also die Kamera schnappen und an die Reling setzen, Durchsage machen und staunen.
Es fängt ruhig an und bleibt meistens geisterhaft grün, aber es tut sich was: Mal etwas mehr Helligkeit, dann Bewegung, und das alles bei ruhigster Seen. Da hat jeder die Chance, was zu sehen, und das ist jetzt auch mal wieder richtiges Polarlicht. Perfekt Immer wieder tanzt es über unseren Köpfen – ich bin vorne am Bug und sehe mal wieder alle Arten von Polarlichtguckern. Den Profi-Fotograf, der mit seiner Rotlicht-Stirnlampe herumhantiert. Die Profi-Fotografin, die davon ausgeht, dass der beste Platz da ist, wo meine Kamera ist, und sich 20 cm daneben aufbaut – und wohl davor stünde, wenn die Kamera nicht über die Reling zeigen würde. Dazu dann immer elegant quer über den Weg hinter der Kamera knien. Die englische Gruppe, die sich am Eck versammelt, sodass niemand durchkommt. Und die Wandervögel, die ständig um das Schiff laufen, auf der Suche nach dem besten Platz. Auf Deck 7 soll noch mehr Action sein.
Ich lasse meine Kamera laufen und genieße die Show, bis wir Berlevåg erreichen.









In Berlevåg ist kurz Pause, im Hafen geht das Licht an. Danach ist die große Show vorbei, aber an backbord tut sich nochmal kurz was.




Gegen 23 Uhr mache ich dann Feierabend. Über Nacht darf mein Rechner arbeiten.
Wegen der bescheuerten Abo-Lizenzpolitik habe ich Lightroom den Rücken gekehrt; ON1 ist für die Bildbearbeitung auch nicht schlechter und bearbeitet die Nacht über rund 60 Gig Bilder. Blöd: Zeitraffer gehen nicht so gut, die Bilder sind schön, der Zeitraffer hat einen Lilastich. Keine Ahnung, wo der her kommt… Da brauche ich wohl mal eine neue Software für meine Zeitraffer. Ein 320-Pixel-Export für die Webseite ist auch nicht so der Knaller…
Was für ein Tag – Norwegen hat es doch noch drauf, wenn es mal will!