Da unser Hotel kein Frühstück anbietet und auch sonst leer ist (zum Auschecken wird der Schlüssel einfach am Tresen abgegeben), überrennen wir am nächsten Morgen die benachbarte Bäckerei, die ausreichend belegte Brötchen, Sandwiches und Süßstückchen für uns bereit hält. Auch die vielen Handwerker, die während unserem Frühstück vorbeikommen, dürften noch satt geworden sein. Ehre, wem Ehre gebührt: Ich habe im Ausland schon schlechteres Brot gegessen als in Island.
Heute geht es richtig auf die Ringstraße, nach dem gestrigen Abstecher auf den Golden Circle. Die heutige Etappe umfasst nur 262 km entlang der Südküste, aber mit ausreichend Zwischenstopps. Ich kriege einen ersten Eindruck davon, wie ich mir Island im Gedächtnis behalten werde: Mit einer Linie aus Teer mittendurch. Ich stelle langsam fest, dass ich das falsche Kameraequipment habe: Eine Dashcam wäre sinnvoller gewesen… Nächstes Mal.
Macht aber nichts, auch für gute Kameras gibt’s genug Ziele. Da wäre zum Beispiel der Gluggarfoss, den wir fast für uns alleine haben. Nachdem die andere Touristengruppe weg ist, die vor uns da war, sind nur noch wir und ein Fotograf aus Großbritannien da. Er macht es für eine Fototour richtig: Alleine unterwegs und im Auto schlafen. Aber auch uns bleibt genug Zeit, um bei gutem Wetter mal Wasserfall Fotografieren zu üben. Macht Spaß, und neben den Graufiltern kommt auch auch der Polfilter zum Einsatz.
Das nächste Ziel ist wieder ein Wasserfall – der Seljalandsfoss. Wobei, der Weg ist das Ziel: Erst einmal geht’s auf eine Schotterpiste. Abstand halten, Gas geben und Staub aufwirbeln. Habe ich schon erwähnt, dass ich mal eine Selbstfahrertour durch Namibia machen will? Sowas wie hier wäre reizvoll… Vielleicht übernächstes Jahr. Wenn ich eine Dashcam habe, und mein Konto sich von Skandinavien wieder erholt hat…
Nach viel zu kurzer Fahrt erreichen wir dann wieder Asphalt und etwas später den Seljalandsfoss mit einem gut besuchten Parkplatz. Auch wenn die Sonne scheint, wird’s jetzt nass: Der Wasserfall hat sich eine Höhle gegraben, sodass man hinter ihm hindurch gehen kann. Jetzt zeigt sich, was die Kamera aushält.
Damit ist noch nicht genug: Ein paar Wasserfälle weiter geht es in eine kleine Höhle, wo einen der Gljúfurárfoss erwartet. Nicht jeder traut sich rein – so mancher Touri bevorzugt es, einfach im Eingang stehen zu bleiben. Ganz wie zuhause. Aber mit etwas Geduld gibt es doch ruhige Minuten, in denen man in der oben offenen Höhle/Schlucht fast alleine ist. Trotzdem muss man sich beim Fotografieren ran halten: Es ist eine nasse Sache. Hier spendiere ich meiner Kamera auch mal den professionellen Regenschutz (vulgo: Müllbeutel mit Gummiband und Loch für das Objektiv), sodass ich nur die Linse ständig trocken legen muss. Der Wasserfall heißt auch Gljúfrabúi, was Wikipedia mit Schluchtenbewohner übersetzt. Passt.
In der Schlucht machen sich auch meine wasserdichten Schuhe wirklich bezahlt. Während alle Welt sich am Felsrand drängt, habe ich deutlich mehr Bewegungsraum. Feine Sache. Ich weiß, warum ich so gerne in Norwegen Schuhe kaufe…
Dürfen’s noch mehr Wasserfälle sein? Auf der Fahrt zum 62 Meter hohen Skógafoss kommen wir an einigen Wasserfällen vorbei, die Boden nicht einmal erreichen. Sind das noch Wasserfälle, oder heißen die schon Wasserflüge? Oder Wasserwehen? Fragen über Fragen, die unbeantwortet bleiben. Am Skógafoss bleibt dann auch keine Luft mehr, um darüber nachzugrübeln: Die windige Treppe, die am Wasserfall entlang führt, raubt einem noch mehr den Atem als es der Anblick des Wasserfalls tut.
Trotzdem: Der Aufstieg lohnt sich, auch wenn man nicht die Acht-Stunden-Rundwanderung zum Eyjafjallajökull auf sich nimmt. Hier kann ich auch wunderbar die Frage beantworten, was ein Polfilter macht: Er kann Regenbögen verschwinden lassen. Die Frage “Warum sollte ich das wollen?” bleibt ebenfalls unbeantwortet:-)
(Das ist natürlich nicht der Sinn eines Polfilters. Er reduziert vor allem Spiegelungen auf Wasser, das so durchsichtiger wird oder keine Glanzpunkte mehr setzt – vor allem an bedeckten Tagen ist das sehr nett. Er kann auch blaueren Himmel machen oder Reflexionen an Glasscheiben reduzieren, nur bei extremen Weitwinkeln ist er bei klarem Himmel überfordert – er funktioniert nicht in jeder Himmelsrichtung gleich gut, sondern ist vom Einfallswinkel des Sonnenlichts abhängig.)
Am Skógafoss ist dann auch Zeit für das Mittagessen. Auf der Speisekarte stehen typisch isländisch wieder einmal Burger. Gut, dass ich kein Vegetarier bin, sondern das einheimische Essen genießen kann.
Das nächste Fahrtziel fällt flach: Auf dem schwarzen Strand von Sólheimasandur liegt seit 1973 das Wrack einer Douglas DC-3. Allerdings ist der Strand Privatbesitz und mittlerweile für PKW gesperrt. Für den 4 km langen Fußmarsch haben wir keine Zeit, aber der vollgestellte Parkplatz deutet darauf hin, dass das Wrack gut besucht sein dürfte. Verständlich, dass das Wrack nicht mehr mit dem Auto erreichbar sein soll, damit dort wenigstens noch etwas Ruhe ist.
Wir fahren stattdessen weiter bis zum Leuchtturm von Dyrhólaey in 120 m Höhe. Mein Reiseführer rät Wohnmobilen über VW-Bus-Größe von der Fahrt ab, ich fand das Allrad-SUV ganz passend für die Route. Nach der holprigen Auffahrt dürfte in jedem Wohnmobil erst mal Aufräumen angesagt sein…
Der Ausblick lohnt sich: Auf der einen Seite das schwarze Sólheimasandur, auf der anderen Seite noch mehr schwarzer Sand bis hin zu den Felsnadeln des Reynisdrangar im Meer.
Ein Stop jagt den nächsten: Vom Leuchtturm geht es herunter zum nächsten Parkplatz, für Fotosession und Essenspause (wofür hatten wir heute früh schließlich Proviant in der Bäckerei besorgt), und dann runter zum schwarzen Strand bei Vík í Mýrdal. Dort laufen gerade Dreharbeiten für einen Film, daher ist ein Teil der Küste gesperrt – wir nutzen die Zeit für Gruppenfotos, bevor wir ein Stück entlang der Basaltstrukturen wandern können, bevor die Flut kommt. Die Reynisdrangar-Felsen im Wasser sind eine eindrucksvolle und viel fotografierte Kulisse, aber der Weg durch die Lava-Kiesel ist anstrengend. Vor Flutwellen möchte ich hier wirklich nicht weglaufen.
In Vík í Mýrdal wird nur kurz Halt gemacht: Tanken (geht nur mit Kreditkarte, Menschen arbeiten an den isländischen Tankstellen keine – und Tankquittungen kriegt man auch kaum aus den Automaten raus) und shoppen – Icewear hat hier einen großen Fabrikverkauf und ist günstiger als der Laden bei den Geysiren gestern. Leider ist nichts im Angebot, was mich reizen würde, auch wenn die Qualität stimmt.
Die Metropole mit fast 300 Einwohnern verlassen wir rasch, um später ins Gelände abzubiegen. Fjaðrárgljúfur heißt das nächste Ziel, eine zwei Kilometer lange Schlucht, die bis zu 100 Meter tief ist. Imposant. Ein paar von uns wandern bis zum Ende der Schlucht, während die Drohne einen Einsatz hat und die Schlucht von oben und innen erkundet. Krasse Bilder, der Preis für das Extragepäck hat sich gelohnt. Wow. (Vielleicht veröffentlichen wir sie mal. Vielleicht auch nicht.)
Am Fjaðrárgljúfur trennen sich dann unsere Wege: Ein Wagen fährt schon einmal voraus zum nächsten Hotel, während Drohne und Wanderer noch unterwegs sind. Bis wir dann auch aufbrechen, zeigt ein Blick auf die Uhr, dass wir uns auf die Suche nach einem Abendessen machen sollten – die meisten Restaurants schließen schon um 21 Uhr, und das Hotel Núpar liegt ziemlich im Nirgendwo. Die Lösung: Eine Pizzeria (endlich kein Burger!) in Kirkjubæjarklaustur. Nach einiger Wartezeit bekommen wir sogar Sitzplätze für sieben Leute. Das Essen ist okay, wenn auch recht würzig. Warnung: Die große Pizza ist groß.
In Kirkjubæjarklaustur trennen sich unsere Wege erneut: Ein Wagen steuert das Hotel an, ich kann meine Mitfahrer zu einem Besuch am Kirkjugólf überreden, dem Kirchenboden – eine ganze Reihe von Basaltsäulen enden hier auf Bodenhöhe und erinnern an den Boden einer Kirche. Sie sind aber eine rein natürliche Formation, auch wenn es hier einst Mönche gab. Auf dem Weg dahin sehen wir einige isländische Ziegen, die sich für die Nacht in ihren unterirdischen Bau zurückziehen (zumindest erscheint es so?) und das Grab von Hildir – als der heidnische Wikinger in das Gebiet der Mönche ziehen wollte, fiel er der Überlieferung nach tot um und wurde in einem Grabhügel bestattet.
Nächstes Ziel: Dverghamrar, ein paar Kilometer weiter neben einer Kuppe. Die Zwergenklippe ist eine weitere Basaltformation, die von einem recht engen Durchgang durchschnitten wird. Eine Hinweistafel erinnert daran, dass sich um diesen Ort wohl viele Sagen ranken, die mittlerweile allesamt vergessen sind – aber 1904 soll das Mädchen Ólafia Pálsdóttir dort wunderschönen Gesang gehört haben, die Hymne “Vater im Himmel” (Faðir á himna hæð). Es waren wohl christliche Lichtelfen, die da sangen. Gesang hörten wir keinen, aber dafür den Ruf der Natur, sodass wir uns recht bald auf die letzte Etappe machten, zu Hotel mit allem Komfort der Zivilisation.