Hurtigrute Tag 2: Ålesund

Das Tagesprogramm

Normalerweise kann man das Westkap idealerweise verschlafen. Wenn man jedoch ganz ordentlichen Seegang hat – und den haben wir – sowie eine Kabine am Bug – und die habe ich, schließlich bin ich hier, um nach Polarlicht Ausschau zu halten, und irgendwer war wohl der Meinung, das geht am besten, wenn ich durch Bullaugen einen Meter weit horizontal durch die Schiffswand schaue und maximalen Abstand zu den Ausgängen auf das Deck habe – klappt das nicht ganz so gut. Oh jesses, was für ein Bandwurmsatz…

Also nochmal: Wir hatten eine recht wacklige Fahrt rund um das Westkap, und generell eine etwas unruhige Nacht. Wer sich unsicher ist, ob er zur Seekrankheit neigt, konnte das also heute gleich in der ersten Nacht herausfinden. Immerhin habe ich von den Bugstrahlrudern nicht viel mitbekommen, das Schiff ist angenehm ruhig – in der Kabine am Bug bekomme ich außer dem Seegang nicht viel mit von der Welt da draußen. Die Hurtigrutenschiffe werden ja immer wieder modernisiert, und durch den Umbau auf Hybridantrieb mit Elektrounterstützung wurde auch am Antrieb der Schiffe einiges verbessert. Das kommt nicht nur der Umwelt zugute, sondern auch der Nachtruhe – die Schiffe waren früher wesentlich lauter. Am Wackeln ändert das natürlich nichts… dafür ist das Restaurant morgens um halb acht noch sehr überschaubar, bei der Uhrzeit + Seegang denkt noch kaum jemand an Frühstück.

Torvik

Draußen ist auch noch finstere Nacht, man verpasst also nichts. In die Polarnacht kommen wir aber erst in Tromsø, bis zum Bodø-Tag haben wir noch Chancen auf Sonne. Theoretisch zumindest – auch wenn sie über den Horizont kommt, sind da noch die Wolken…

Der zweite Reisetag (die dreieinhalb Stunden ab der Abfahrt gestern um 20:30 zählen ja als ein Reisetag, daher dauert unsere 11-Tage-Tour 12 Tage) ist ein typischer Kreuzfahrttag. Eigentlich ist die Hurtigrute ja immer noch Fähre und wird auch von den Einheimischen als solche genutzt (zusätzlich zu der Fracht, die wir aufnehmen), aber hier im Süden fahren noch genug andere Reedereien und verbinden die Ortschaften miteinander. Daher wird dieser Tag im Sommer touristisch für eine Fahrt in den Geiranger-Fjord genutzt, im Herbst für den Hjørundfjord, und im Winter überhaupt nicht. Dafür gibt es jetzt das ganze Jahr über die selben Abfahrtszeiten – sodass wir vom Vormittag (regulär 9:45; wegen der schweren See erreichen wir Ålesund mit einer halben Stunde Verspätung) bis abends um 20 Uhr in Ålesund liegen.

Dummerweise ist für Ålesund heute Dauerregen angesagt, auch wenn er gegen Nachmittag weniger werden soll. Wer will, kann mit dem Oldtimer-Schiff Bruvik in den Hjørundfjord fahren, alle anderen sammlen ihre Regensachen und können Ålesund erkunden. 1904 wurde die Stadt durch ein Feuer zerstört und im Jugendstil neu aufgebaut. Wenn die damals dieses Wetter gehabt hätten, wäre es wohl noch heute eine typische Stadt voller Holzhäuser…

Wie dem auch sei, nach dem Frühstück treffe ich mich mit Margit, und wir machen Reiseleitersprechstunde – was kann man in Ålesund alles machen und anschauen? Anschließend mache ich mich auf, etwas Zeit an Land zu verbringen. Die übliche Runde – so groß ist der Ort ja nicht. Durch die Fußgängerzone zum Stadtpark, dann die über 400 Stufen rauf auf den Aksla und Ålesund von oben fotografieren. Die Aussichtsplattform der Fjellstua ist geöffnet, dort ist schon eine Reisegruppe eines kleineren Kreuzfahrtschiffes. Aber dass Wetter ist ungemütlich, während die ihre Gäste bewirten, begnüge ich mich mit ein paar schnellen Fotos. Ålesund ist heute ungastlich, auch wenn die Temperaturen angenehm warm sind.

Regnerisches Ålesund

Für den Rückweg entscheide ich mich für den Abstieg durch den Wald anstelle der Treppen. Nett: Der Wald ist mit zahlreichen Nissen dekoriert. Es weihnachtet sehr…

Unten angekommen, gebe ich mir die volle Dröhnung Ålesund und gehe durch das Jugendstilzentrum bis zum Storhaugen, dem kleineren Aussichtshügel hinter der markanten gelben Schule. Die steinerne Kirche wird übrigens gerade an einer Seite renoviert. Der Ausblick ist dort aber auch nicht besser, obwohl ich weiter weg von den Wolken bin. Sauwetter, aber prinzipiell hübsch.

Oder sollte ich sagen: Das pure, reine Norwegen mit seiner ungezähmten, wilden Natur, die dem Menschen immer wieder zeigt, wie klein er ist! Imposante Landschaft mit hohen Bergen, die in den Wolken mystisch verborgen sind!

Klingt doch besser, oder?

Ich gehe trotzdem zurück zum Schiff, die Kamera trocken legen. Die klassischen Bilder der Häuserfront am Brosund müssen trotzdem vorher noch gemacht werden. Auch bei Regen ist Ålesund hübsch – kein Wunder, dass es die Stadt in Norwegen mit den meisten Kreuzfahrtouristen ist. Ein Vorteil der Winterreise: Die großen Kreuzfahrschiffe fehlen; nur ein kleineres Schiff liegt noch auf der anderen Seite vom Hafen. Von ein paar Hapag-Lloyd-Rucksäcken mal abgesehen haben wir die Stadt für uns; montags bei Regen sind auch nicht viele Einheimische unterwegs.

Die Polarlys

Anschließend gehe ich noch zweimal kurz in den Ort, ein paar Einkäufe erledigen, und verbringe den Rest des Nachmittags auf dem Schiff. Einkaufstechnisch werde ich kaum fündig, obwohl schon alle Zeichen auf Weihnachten stehen. Dafür gelingt mir trotz Gegenwind und Regen zumindest ein Handybild unseres Schiffs, das sich in der Glasfront am Anleger spiegelt. Auch hübsch.

An Bord gibt es um 17 Uhr… ähm, seit es das Tagesprogramm nur noch digital auf den Monitoren oder als App gibt, kriege ich das nicht mehr mit. Wobei am Konferenzraum immerhin noch ein Ausdruck hängt… es gibt um 17 Uhr eine Ausflugspräsentation und um 17:30 das Gathering mit dem Expeditonsteam. Es sind wohl beide Vortragsräume voll, aber wir bieten ohnehin noch einmal Reiseleitersprechstunde an, und ich kenne das Programm mittlerweile halbwegs. Aber die Treffen sind immer recht informativ und bieten Norwegenneulingen einiges an Infos.

Dann das Abendessen, bevor wir endlich unsere Welcome-Veranstaltung machen können: Margit und ich stellen uns kurz vor, geben die wichtigsten Tipps und wünschen allen eine gute Reise – auch wenn die ersten schon nach der Nordlichtgarantie fragen. Aber auch wenn das Wetter noch mies ist, jetzt schon alle Hoffnung fahren lassen ist keine Option. Ich hatte erst einmal keinen Erfolg, und gegen Nikolaus könnte es eine stärkere Nordlichtaktivität geben. Da können hier unten ruhig Wolken sein! Abgesehen davon: Auch wenn die Polarlichtaktivität gerade gering ist – Tromsø hat weiterhin immer wieder hohe Aktivitätswerte

Die Richard With

Um 21:30 veranstaltet das Schiff noch eine Kostprobe norweigischer Küche im Panoramasalon, und eine gute halbe Stunde begegnen wir der südgehenden Hurtigrute Richard With. Die beiden Schiffe begrüßen einander mit Lichthupe; für das Schiffstyphoon ist es schon zu spät.

Der letzte Tagespunkt ist dann Molde, das wir gegen 22:45 erreichen. Von der Stadt bekommt man auch nicht viel mit, aber sie markiert für viele den Zeitpunkt, ins Bett zu gehen: Danach kommt die nächste offene Seestrecke, die Hustavika, mit Wind aus Nordwest. Mal sehen, wie die Nacht wird.

Molde

Ich sortiere noch ein paar Bilder, schreibe mein Blog, und dann ist auch schon Mitternacht. Zeit für Feierabend, in Molde gab es ein paar Schneeflocken, und das Polarlichtoval macht auch nicht so viel her – zumindest soweit wir doch noch so weit im Süden sind. Da kann ich getrost ins Bett gehen, selbst wenn ein paar Wolkenlücken zu erahnen waren. Immerhin: Morgen in Trondheim soll es trocken bleiben.

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