Hurtigrute Tag 1: Bergen

Süddeutschland im Nebel

Ich habe noch leichte Probleme daran zu glauben, dass ich heute Abend tatsächlich wieder auf dem Schiff bin – nach fast einem Jahr Homeoffice. Ich bin ja immer noch der Überzeugung, dass Kaiser Barbarossa, dem im Kyffhäuser der Bart durch den Tisch wächst, Schutzpatron aller Zuhause-Arbeiter ist…

Wir haben den 1. Dezember, und ich starte wohl tatsächlich auf die Polarlys. Immerhin: Es ist Sonntag, damit ist die Autobahn von Karlsruhe nach Stuttgart ausnahmsweise mal staufrei. Unter der Woche gilt ja: Das einzige, was Baden und Württemberg verbindet, ist der Bindestrich. A6 und A8 tun’s jedenfalls nicht… Ich starte zu einer überraschend angenehmen Zeit um 8 Uhr morgens (11:55 geht der Flieger) bei 0° durch ein raureifgesprenkeltes Ländle im dichten Nebel, während der Radiomoderator was von Sonne faselt. Am Stuttgarter Flughafen trifft das sogar zu, und ich mache mich auf die Suche nach dem Gate. Eine Reisegruppe (die nicht einchecken will, sondern nur im Weg steht) blockiert den KLM-Schalter, irgendwann wird der Weg frei gemacht und der Check-In beginnt wie bei KLM üblich in aller Seelenruhe. Gut, dass ich früh da bin.

Dafür geht die Security Ruckzuck und ausnahmsweise ohne Sprengstofftest an der Kamera, anschließend habe ich noch eineinhalb Stunden totzuschlagen, bevor das Boarding beginnt und ich fast ganz hinten im Flieger sitze. Und dann: Auf nach Amsterdam!

Meinen “Lieblingsflughafen” Amsterdam erreichen wir pünktlich und landen nach einer Busfahrt in einer Großbaustelle: Der Flughafen wird völlig neu gestaltet, ich erkenne nicht viel wieder. Bei einer guten Stunde Aufenthalt bleibt aber auch nicht viel Zeit zum Erkunden, was sich seit Januar geändert hat. Aber nach dem Januar-Zwischenstop am Ende der letzten Tour brauche ich das auch nicht nochmal… Amsterdam selbst ist ganz nett, aber Flughäfen sind ein notwendiges Übel.

Landeanflug auf Bergen

Gut, dass ich eine Stunde später im nächsten Flieger Richtung Bergen sitze, diesmal noch weiter hinten. Die Reise geht in die Nacht, außer der Bordverpflegung in Form eines Beemster-Käsebrots gibt es nichts lesenswertes zu berichten. Der Landeanflug auf Bergen: Sehr kontrastarm, wir fliegen durch Wolken in die Nacht. Sonnenuntergang war gegen 15:30, wir landen etwa eine Stunde später ziemlich hart: Bumms-hüpf-roll, und ein gut gelaunter Flugkapitän begrüßt uns mit “Welcome to Bergen, welcome to Norway!”

Draußen schifft es… an sich ein gutes Zeichen, auf vielen meiner Touren war der Rest der Reise schön, wenn es in Bergen schlecht war. Aber Norwegen hatte jetzt schon einige Wochen lang verspätete Herbststürme, ein Kollege mit einer anderen Tour ist grad in Alta, weil die Barentssee zu stürmisch ist, und ein anderer schreibt, dass auf Deck 2 die Bullaugen verriegelt werden. Seien wir gespannt. Erst einmal heißt es, raus aus dem Flieger, und zwar flott: “Due to weight distribution” sollen die Leute doch bitte schnell von hinten nach vorne gehen, gibt der Pilot irgendwann durch. Das Flugzeug wackelt auch leicht… Trotzdem dauert es ewig, bis ich als so ziemlich letzter von Bord gehe. Aber es bleibt noch genug Zeit, die Schokovorräte im Duty Free aufzufüllen: Es dauert heute ewig, bis das Gepäck kommt und ich endlich theoretisch Margit helfen könnte, unsere Gäste in Empfang zu nehmen. Aber sie hat schon Gäste requiriert, damit uns keiner der 21 Teilnehmer entkommt – wir sind eine kleine Gruppe, fast wie früher, auf meinen ersten Touren.

Margit ist ja auch ein Urgestein an der norwegischen Küste, und manchmal fährt sie zum Glück nicht nur auf den Oldtimern (wer noch ein richtiges Postschiff erleben will: Das bietet Margit unter Nostalgische-Postschiffreisen.de), sondern auch auf den moderneren Schiffen der Hurtigrute. Ich weiß nicht, wie sie unseren Busfahrer bestochen hat, aber statt wie in der Jahreszeit häufig der Fall fahren wir nicht durch den Tunnel direkt zum Schiff, sondern machen noch eine größere Orientierungsfahrt durch Bergen. Es hilft natürlich, dass wir schnell alle zusammen haben und aufbrechen können.

Heute macht Bergen seinem Titel als regenreichste Stadt Norwegens alle Ehre, aber interessant ist es allemal. Sie hat sogar ein paar Infos zu dem Bergen?-Schild am Flughafen ausgegraben: Das hat ein isländischer Künstler dem Flughafen für 9 Millionen NOK verkauft, um zum Nachdenken anzuregen. Immerhin ist es auch bei dem Wetter hell genug für ein Foto.

In Bergen selbst gibt’s nicht viel Neues, außer dem Weihnachtsmarkt, für den wir keine Zeit haben – kurz nach 18:30 erreichen wir die Polarlys, jetzt sind auch die Kabinen bezugsfertig. Von ihrer letzten Tour kam sie mit einer knappen Stunde Verspätung an, sodass nur drei Stunden Zeit waren, um in Bergen alle Kabinen endgültig fertig zu machen.

Meet the Crew

Das Schiff ist mit rund 350 Gästen relativ leer und doch ausgebucht, weil die meisten Einzelkabinen haben. Nur etwa 80 Deutsche sind an Bord, der Rest spricht größtenteils Englisch. Für Margit und mich steht die Organisation an: Wer ist Coastal Experience Team? Jan – den hatte ich noch nicht. Marko, der hier mal Restaurantchef war, ist jetzt auf der Kong Harald. Wir klären die ersten Termine ab, essen zu Abend, machen Reiseleitersprechstunde, verpassen das Auslaufen um 20:30, gehen um 21 Uhr zur Vorstellung der Crew und beziehen dann irgendwann unsere Kabinen. Uff.

Auch wenn ich zum Glück eine entspannte Anreise hatte, ist das doch immer ein langer Tag und vor allem ein stressiger Abend. Die alte Abfahrt um 22:30 war entspannter, aber mit etwas Glück verschlafe ich in meiner Kabine am Bug so das Westkap morgen früh.

In diesem Sinne: Gute Nacht, und mal schauen, was die nächsten Tage bringen!

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