Jetzt hatten wir zwei Tage, an denen sich sämtliche Trolle gegen uns verschworen haben, und gestern auf der Hustavika war auch wieder gut Bewegung im Schiff – die Wellen waren wohl flacher als am Westkap, aber dafür der Winkel ungünstiger. So manch einer hat da wohl überlegt, welcher Teufel ihn geritten hat, im Dezember nach Norwegen zu gehen.
Und heute?
Strahlender Sonnenschein, während wir durch den ewig langen, von flachen Hängen umsäumten Trondheimfjord fahren. Ein Bilderbuchwetter, wie es besser nicht sein kann, bei Temperaturen um die 0°. War da gestern wirklich Regen? Ich kann mich nicht mehr erinnern:-)
Endlich zeigt Norwegen, was es kann!
Wir erreichen Trondheim pünktlich und passieren die Insel Munkholmen. Auf Deck 7 gibt es einen Point of Interest – Jan erzählt die Geschichte der Insel. Als Olav Tryggvason hier die Macht übernahm und später Trondheim gründete, floh der örtliche Machthaber Håkon Jarl (der damals praktisch Herrscher von Norwegen war) nach Munkholmen. Ein Sklave verriet ihn, Håkon wurde geköpft, und der Sklave als Lohn für seinen Verrat gleich mit. Auf Munkholmen wurden die Köpfe der Besiegten ausgestellt, und wer nach Trondheim segelte, musste vor der Insel ausspucken – aber immer auf die Windrichtung achten! Später war die Insel Kloster mit lebhaftem Brauereibetrieb (über die Lautstärke der Mönche auf der gut 2 km entfernten Insel gab es in Trondheim immer wieder Beschwerden), und heute ist die Insel Munkholmen Ausflugsziel, während das Bier Munkholmen alkoholfrei ist.
Etwa jetzt muss ich auf Deck 5: Am Kai blockiert die Nordnorge unseren Anlegeplatz, und an Bord ist Tim ebenfalls mit einer Nordlicht-und-Sterne-Tour. Das bedeutet: Winkekonkurranse!
Endlich legt die Nordnorge ab, und auch wenn die Gruppe dort etwas größer ist, gewinnen wir natürlich. Auch wenn auf der Nordnorge vielleicht etwas anderes erzählt wird. Wie dem auch sei: Gute Heimreise!
Und wofür kennt man seine Leute: Wir tauschen Bilder mit der Gruppe auf der Nordnorge aus, zur Abwechslung gibt es Fotos vom eigenen Schiff auf See, ohne dass dafür jemand an Land zurückgelassen werden muss. Dank an Tim!
Jetzt heißt es noch rückwärts einparken – früher lagen die beiden Schiffe im Winter noch nebeneinander in Trondheim am Hafen, mittlerweile haben wir mehr Platz zum Rangieren. Da die Schiffe nur auf einer Seite eine Ladeluke haben, ist vorgegeben, welches die Landseite ist: “Packbord”, bzw. backbord.
Und dann legen wir für drei viel zu kurze Stunden in Trondheim an. Aber für einen Gang durch die Stadt langt es, diesmal folge ich der Meute und beginne mit der Innenstadt statt wie gewohnt mit Nedre Elvehavn. Der Morgen ist wirklich traumhaft! Der einzige Wermutstropfen: Der Weihnachtsmarkt macht erst morgen auf.
Dafür ist die Stadt schon hübsch eingeschneit, wir kommen langsam in die Gegend, in der sich Spikes lohnen. Viel hat sich auf den ersten Blick nicht geändert seit meinem letzten Besuch. Nachdem es über den Fluß Nidelv in die Stadt ging, war einer meiner erste Fotostops die königliche Residenz, Norwegens größtes Holzhaus, das direkt neben dem Markplatz mit dem Weihnachtmarkt und gegenüber vom Burger King liegt – Karsten vom Coastal Experience Team hat im täglichen Gathering erzählt, dass der König samt Familie aber meist im Hotel Britannica residiert, wenn er vor Ort ist. Da sind die Zimmer schon vorgeheizt.
Ziemlich genau eine halbe Stunde braucht man vom Schiff bis in die Innenstadt, wenn man zügig, aber ohne Hetze den Weg am Hafen entlang über den Bahnhof nimmt. Für einen schnellen Blick in ein paar Läden langt das, meine wichtigsten Einkäufe für die Tour dürften jetzt erledigt sein. Die Kreditkarte freut sich…
Nächster Halt: Der Nidaros-Dom.
Auf meiner letzten Tour war ich ja im Dom drin, mit dem Ausflug in die geheimen Gemächer des Nidaros-Doms – sehenswert. Damit kann ich mir den Blick in den Dom diesmal auch sparen. Aber ich hatte was gelernt und finde die Skulptur des Dombaumeisters am rechten Turm wieder. Er zögert noch, den Bau zu vollenden – der Legende nach endet dann entweder die Welt, oder zumindest stürzt der Dom ein.
Und ich weiß mittlerweile auch, wo Bob Dylan verewigt sein soll – eine der Figuren auf dem oben auf dem Seitenturm rechts in der Bildergalerie oben.
Und dann stand auch schon der Rückweg an, über die alte Stadtbrücke und zu den Fotospots am gegenüberliegenden Ufer.
Nach der Stadtbrücke kommt Bakklandet mit seinen kleinen, alten Holzhäuschen und dem berühmten Fahrradlift. Der Lift hat für den Winter geschlossen, und jetzt ist angeblich ganzjährig Winter in Trondheim: Wegen zu vielen Unfällen soll der Lift jetzt permanent geschlossen sein. Ich hatte ihn einmal in Betrieb gesehen: Es sieht schon wild aus, wenn man auf dem Fahrrad sitzt und einen Fuß auf den Klotz stellt, der per Seilzug den steilen Berg hochgezogen wird.
Der Rückweg durch Bakklandet und das alte Industrieviertel Nedre Elvehavn ist vertraut, und ich gehe auch recht zügig. Drei Stunden sind knapp bemessen für die hübsche Stadt.
Zurück auf dem Schiff legen wir auch ziemlich bald ab und fahren noch einmal an Munkholmen vorbei und durch den Trondheimfjord. Mit seinen flachen Hängen ist er nicht besonders eindrucksvoll, aber entspannend. Zeit, noch einmal die Sonne zu genießen. Bald ist Polarnacht!
Auf dem Schiff gibt es nach dem Mittagessen einen Vortrag über die Norweger (den mit Karsten auch ein Norweger hält), dann um 15:15 Miesmuscheln auf Deck 7 und anschließend um 15:30 mit Kjeungskjærfyr den meist-fotografierten Leuchtturm Norwegens. Das rote, achteckige Gebäude ist in der Abenddämmerung noch gut zu sehen, das gute Wetter hält weitestgehend.
Danach haben wir ein kaum Ruhe, um 16:00 wird schon was neues vorgestellt: Der Cameralla Fotoclub, eine norwegische Fotocommunity, die (kostenpflichtige) Fotokurse anbietet und jetzt mit Hurtigruten kooperiert. Über die Cameralla-App läuft auch der Fotowettbewerb, den es auf den Schiffen gibt – wer teilnehmen will, lädt seine Bilder einfach über die App hoch und kann die eingereichten Bilder dort auch gleich bewerten. Zur Präsentation gehört auch ein Film, der per KI übersetzt und vertont wurde – ziemlich moton vorgetragen, nur mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Und ganz offen: Ich finde es erbärmlich, wenn man sich bei so einem Projekt keinen Synchronsprecher leisten kann, sondern auf KI setzt. Als nächstes werden dann noch die Bilder rein digital gemacht… Bei der Gelegenheit: Aktuell kursiert wohl ein Video mit der Rettung eines Eisbären aus einem Fischernetz. Das ist alles nur gefakt, eyo, eyo, das ist alles gar nicht echt, eyo.
Aber gut, zumindest hinter der Präsentation steckt wohl doch noch ein Mensch, jedenfalls sind ein paar gute Tipps und nicht zu viele Fehler dabei – und danach menschelt es wieder, Jan gibt gleich noch Kurzinfos zur Nordlicht-Fotografie und -Beobachtung. Wie immer ganz wichtig: Blitz aus!
Das Gathering um 17:30 schaue ich mir von der Kabine aus an. Die Vorträge werden auch auf dem Fernseher übertragen, man muss nicht vor Ort sein. Ein nettes Überbleibsel aus Coronazeiten, das auch jetzt bei vollem Schiff hilft, wenn der Vortragsraum zu voll ist – aber irgendwie hat es was davon, zuhause auf der Couch Youtube zu schauen. Ist nicht ganz mein Ding, nächstes Mal doch wieder live vor Ort. Aber Karsten hat das ganz interessant gemacht.
Draußen hält sich das gute Wetter, und um 18 ruft das Abendessen. Kurz vor der Hauptspeise dann die Durchsage “Vi har liten lys” – schwaches Polarlicht an backbord. Ich schaue kurz raus und gebe dann Entwarnung – da ist zwar ein leichtes Schimmern, aber nichts, was das Auge grün sehen würde. Nur die Kamera sieht ein schwaches grünes Band, aktuell können wir entspannt essen.
Ein bisschen ungünstig ist, dass mein erster Vortrag heute Abend um 20 Uhr ist – versprochen war ruhige See und bedeckter Himmel, stattdessen haben wir klaren Himmel und etwas Wellengang. Anyway, ich wage es, und auf halber Höhe kommt die nächste Durchsage – schwaches Nordlicht. Wir machen mal weiter, auch wenn Jan vom Coastal Experience Team irgendwann einen Zettel an die Tür hält – full service vom Schiff, nur das Polarlicht macht nicht viel. Ich beeile mich mit meinem Vortrag, aber an Deck ist nicht viel zu sehen. Dafür geht der Abend für Terminplanung raus. Da wir Jan in Beschlag nehmen, überrascht uns auch die Begegnung mit der südgehenden Havila…
In Rørvik, unserem letzten Hafen, ist es klar, aber am Himmel tut sich nichts. Nur die Kamera sieht noch etwas grün, aktuell ist zu wenig Materie unterwegs, als dass wir hier im Süden eine nennenswerte Show hätten. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen.