Wir sind in der Arktis angekommen, und so viel gibt es heute erst einmal gar nicht zu berichten.
Der Wecker klingelt viel zu früh, weil ich sehen will, wie Harstad mittlerweile aussieht: In den letzten Jahren war der Hafen Baustelle, mittlerweile sind die arbeiten beendet. Für einen Neubau sieht das Ergebnis gar nicht so schlecht aus. Von 7:10 bis 7:45 liegen wir hier. Und wenn ich schon einmal da bin, will ich auch die Schiffsbegegnung mitmachen – aber die südgehende Havila Pollux verpasse ich fast, da sie kurz nach dem Ablegen an unserer Steuerbordseite vorbeifährt, statt wie üblich an Backbord. Aber ich sehe sie noch vorbeirauschen, bevor ich zum Frühstück gehe.
Der Vormittag an Bord ist ruhig, wir fahren durch die Vesterålen nach Finnsnes und lassen die verschneite Landschaft an uns vorbeiziehen. Immer wieder eine schöne Gegend, und es wird auch noch hell genug, um etwas von ihr zu haben.
Wer lieber im Warmen ist: Um 10 Uhr stellt das Coastal Experience Team die nächsten Ausflüge vor, um 11 gibt es einen englischen Vortrag über die “Norwegian Whale Experience”, und um 11:30 bin ich schon mit meinem dritten Vortrag über den Sternenhimmel dran – also genau nach unserem Zwischenstop in Finnsnes. Bei der halben Stunde Aufenthalt lohnt es sich kaum, von Bord zu gehen, aber wer will, kann einen näheren Blick auf das Schoko-Männchen an dem Haus am Anleger werfen und die Statue des norwegischen Händlers Ottar fra Hålogaland am Ende unseres Anlegers besuchen. Ich begnüge mich mit einem Blick von Deck mit dem Teleobjektiv, schließlich habe ich gleich Vortrag.
Finnsnes ist mit rund 5000 Einwohnern gar nicht mal so klein, sondern zieht sich die Küste entlang bis zu der Brücke zur Insel Senja. Es gilt auch als Tor nach Senja – bei meinem letzten Trip dorthin wurde ich von Schnee überrascht und war froh, bei Hertz ein Auto mit Spikes bekommen zu haben, statt bei Europcar wir üblich was mit abgefahrenen Sommerreife…
Kurz nach 12 bin ich mit meinem Vortrag fertig, damit bleibt sogar etwas Zeit für das Mittagessen oder einen Blick auf die Landschaft, bevor der nächste Interessepunkt kommt: Jan stellt auf Deck 7 den Rystraumen vor, einen starken Gezeitenstrom, gegen den unser Schiff ankämpfen muss. Das ist aber bei weitem nicht so eindrucksvoll wie der Saltstraumen bei Bodø, nur der Spritverbrauch vom Schiff steigt durch den Kampf gegen die Strömung – gut, dass wir keine Galeere sind!
Wir passieren die Insel Ryøya, vor der immer noch Schiffswracks liegen. Die Moschusochsen-Population aus Grönland, die hier mal kurzfristig angesiedelt war, ist seit etwa 2018 ausgestorben, wenn ich mich richtig erinnere. Aber ich erfahre auch was neues: Einige der Häuser am linken Ufer standen einst in Tromsø. Holzhäuser kann man ja gut wieder zerlegen; als Platz für größere Neubauten gebraucht wurde, wurden sie kurzerhand hier wieder aufgebaut.
Und dann kommt auch schon Tromsø in Sicht, ausnahmsweise nicht mit Regen oder Schneesturm, sondern nur mit Wolken am Himmel und Schnee auf den Straßen.
Tromsø, das Paris des Nordens! Tatsächlich habe ich hier schon mehr Geld gelassen als mir lieb ist. Für Outdoor-Sachen bietet Norwegen einfach eine gute Auswahl. Wir haben auch ziemliche viele Gäste mit Norwegen-Erfahrung dabei, sodass die Ausflüge wohl nicht allzu ausgebucht sind (zumindest nicht mit deutschen Gästen). Mein letzter Besuch hier ist noch nicht lange her (eineinhalb Wochen Lofoten mit einem völlig verregneten Abflugtag in Tromsø), daher ist meine Einkaufsliste nicht zu lang. Also mache ich die kleine Runde am Hafen entlang zum Polarmuseum und der “Festung” Skansen (da steckt wohl unsere “Schanze” drin, das passt auch besser zu dem kleinen Erdwall mit zwei Holzhäusern und ein paar alten Kanonen), dann durch die geschmückte Innenstadt am Dom vorbei zum Nerstranda Einkaufszentrum und zurück.
Was neu ist: Der Weihnachtsmarkt, direkt im Terminalgebäude und mein erster Halt. Hier gibt es viel lokales Kunsthandwerk, das im Haus vor dem nordnorwegischen Klima gut geschützt ist. Diesmal finde ich aber nichts, was den Haben-Will-Reflex auslöst. Vor dem Gebäude sind noch ein paar Fressbuden, aber mich reizt weder holländischer Käse noch Tacos oder Gyros für 20 Euro.
Da ich keine Einkaufsliste habe, bleibt Zeit für ein paar neue Läden. Man muss leider sagen: Die Souvenirshops mit Plastik-Krimskrams haben überhand genommen. Ein Wackeldackel Wackelelch gibt mir den Rest… Brauchbare Souvenirs gibt’s eigentlich allenfalls in den Sami-Shops (werden auch immer mehr, und die Joik-Musik muss man mögen, sonst ist sie auf Dauer… anstrengend) und in Tromsøs Greatest Souvenir Shop gegenüber der hölzernen Domkirche. Da reizen mich ein paar schwedische Nisse… Der Rest? Puh. Quantität statt Qualität. Aber die Leerstände nach Corona wurden mit Souvenirs aufgefüllt.
Zum Glück hat Tromsø immer noch einige gute Läden und trotz der vielen Neubauten ein schönes Stadtbild, gerade im Winter. Die Stadt ist weiterhin Baustelle, aber sie scheinen langsam mit dem Projekt “Trrrrrromsø” fertig zu werden.
Letztlich verbringe ich einen entspannten Nachmittag in der verschneiten Stadt und lasse nicht allzu viel Geld hier. Leergut wegbringen und Getränke auffüllen, das war fast schon das Programm für die vier Stunden, bevor es zurück auf das Schiff geht. Um 18:15 legen wir ab, und um 18 Uhr gibt es schon Abendessen – diesmal das vorgezogene Nordkap-Buffett. Ich bleibe beim Rentiereintopf und dem Eis hängen; Meerestiere sind nicht ganz mein Ding.
Und dann: Waiting for the Light. Aber die Prognose ist mau, und das auf der Strecke nach Skjervøy! Immerhin ein paar Sterne sind zu sehen, wobei es bodennah neblig-dunstig ist, und um 21 Uhr begegnen wir der südgehenden Hurtigrute MS Vesterålen. Mittlerweile ist sie das älteste Schiff der Flotte; mal sehen, wie lange sie noch fährt.
Und dann, um 21:30, erspähe ich tatsächlich eine kleine helle Wolke, die die Kamera grün sieht. Wird das doch noch was?
Für eine Durchsage ist das zu wenig, also mache ich mal die Runde im Schiff und sagen allen Bescheid, die ich von unserer Gruppe finde. Einige kommen raus und sehen noch einen Hauch von grauem Licht, bevor wir Skjervøy erreichen.
Aber es ist zäh… so richtig klar ist der Himmel nicht, auch wenn die Sterne über uns nicht schlecht zu sehen sind, und das helle Wölkchen löst sich auch auf. Die, die mit mir an Deck sind, stimmen mir zum Glück zu, dass sich dafür keine Durchsage lohnt.
So viel zum Thema Skjervøy geht immer…
Ich kann so nicht arbeiten.
Skjervøy erreichen wir pünktlich, damit ist erst einmal Pause angesagt. Im hellen Hafen geht mit dem schwachen Polarlichtchen nichts. Und als wir ablegen, ist der Himmel komplett zugezogen. Welchen Troll haben wir beleidigt? Hat jemand beim Buffett nicht aufgegessen, oder was ist los? Spaß macht das nicht, und gegen 23 Uhr streicht der “harte Kern”, der an Deck war, inklusive mir die Segel. Das ist sinnlos…
Am nächsten Morgen schaue ich auf das Handy und sehe, dass über Kanada etwas Aktivität ist, und beim Frühstück kriege ich die Meldung, dass um halb sechs was zu sehen gewesen sein soll. Meldung und Durchsage hat aber keiner gemacht… Ach ja, und die Aktivität? KP 1-2. Da muss doch mehr gehen…