Hurtigrute Tag 6: Honningsvåg und Nordkap

Der Tagesplan

Was soll ich dazu sagen… nach dem Fluttag in Tromsø gestern und den ergiebigen Niederschlägen mindestens bis Øksfjord heute Nacht werden wir heute von tiefblauem, klaren Himmel begrüßt, während wie Kurs auf Havøysund nehmen. Haben wir doch noch Chancen? Jedenfalls erleben Frühaufsteher nun die Polarnacht so, wie sie sein kann: Überraschend hell, gar nicht kalt und mit wenig Wind. Wer richtig früh unterwegs ist, sieht sogar noch das verschneite Deck – kurz darauf schiebt ein Matrose die weiße Pracht ins Meer, und übrig bleiben die glatten Kunststoffmatten. Tja.

Auf den Bildern wirkt das alles noch dunkler als in echt, aber ich bin ja froh, dass ich Bilder habe. Mein Bildstabilisator streikt immer noch – wenn ich Glück habe, geht es auf Garantie, falls nicht, wird der kostenpflichtige Kostenvoranschlag für die Katze sein, weil sich die Reparatur einer knapp zwei Jahre alten Kamera nicht mehr lohnt. Mal sehen. Aber mit ausreichend kurzer Belichtungszeit kommt etwas scharfes aus der Kamera, und auch ohne das perfekte Foto war es schön anzuschauen, wie die Lichter von Havøysund hinter der Landzunge auftauchen – die Lichterkette der Havila Pollux taucht zuerst auf, und dann verlässt sie den Hafen, um Platz für uns zu machen. Unsere Wihnachtsbeleuchtung wurde übrigens mittlerweile abgebaut; in Bergen hatten wir sie noch.

Havøysund ist nur ein kurzer Stop, und ich mache mich ans Frühstücksbuffet, bevor ich mit Kai wieder Flagge zeige. Aber viel zu tun gibt es bei der Reiseleitersprechstunde diesmal nicht, alle wollen ans Nordkap – nur ich werde mich Honningsvåg und meinen EMails widmen. Anders als vielleicht anzunehmen wäre zahlt Hurtigruten deutsche Heuer, sodass ich von zwei bis drei Touren im Jahr als Freiberufler nicht leben kann. Aber selbst mit norwegischem Gehalt wäre das nicht machbar. Außerdem war ich neulich erst am Nordkap, zumindest kommt es mir so vor – im März 2022 war das…

Aber jetzt steht erst einmal der Magerøya-Sund an – südlich von uns liegt das norwegische Festland, links von uns die “magere Insel” Magerøya, unter uns der Nordkap-Tunnel und vor uns bald Honningsvåg. Eike macht den Point of of Interest und erzählt von den Rentieren, die früher mit Militärbooten zum Weiden auf die Insel gebracht wurden und heute den Tunnel nehmen. Als Besonderheit hat der Tunnel Türen, damit es innen warm bleibt und das Wasser nicht friert, das die Autos (und Rentiere) unweigerlich mitbringen.

Der klare Himmel hat sich mittlerweile wieder zugezogen, und die Kamera ist mit dem ganz besonderen Licht hier überfordert – finster ist es dennoch nicht, und die Fahrt durch den Sund ist wie immer unglaublich ruhig. Verschneit wie er ist kommt man sich nun wirklich vor wie in der Arktis.

Dann kommt Honningsvåg in Sicht, wir legen im Hafen an und fast alle verlassen das Schiff, um das Nordkap zu besuchen. Ich bleibe mit einer Handvoll Passagiere zurück und mache einen kleinen Rundgang um den Hafen. Eine Reihe Kunstwerke säumen das Ufer, und von der anderen Seite hat man einen hübschen Blick auf das Schiff. Auf dem Rückweg gehe ich nur kurz bei der Kirche vorbei; bei dem Schnee spare ich mir den Weg zum Friedhof hoch über dem Ort mit dem Denkmal für den Regisseur des Films über den Männerchor von Berlevåg. Stattdessen schaue ich kurz in den Läden vorbei, unterstütze die nordnorwegische Wirtschaft ein wenig und begnüge mich zurück an Bord mit dem Nachtisch vom Mittagsbuffet. Das übrige Angebot macht mich nur mäßig an – aber schließlich konnten alle Nordkap-Besucher vor der Abfahrt und somit schon vor mir essen, und so lange ist das Frühstück noch nicht her. Ein paar Impressionen aus Honningsvåg für alle, die am Nordkap waren:

Mittlerweile wurde wohl noch mehr Plastikmüll in Honningsvåg angeschwemmt, ich habe noch ein weiteres Kunstwerk aus alten Gummistiefeln und anderem Strandgut entdeckt. Ansonsten ist in Honningsvåg nichts los, nur in den Cafes sind ein paar Menschen.

An Bord ist erst einmal alles ruhig, ich bin mir nicht sicher, ob einige der Gäste nicht doch nur Hafengäste sind, die die Nordkapp als schwimmendes Restaurant nutzen. Ich mache es mir im Multe auf Deck 7 bequem, räume meine Mailbox auf und bekomme außer dem Generalalarm wenig von der Sicherheitsübung mit, die das Schiff meistens hier im Hafen durchführt. Da wird ausgenutzt, dass fast keiner an Bord ist. Draußen wird es mittlerweile dunkel, und kurz vor Ablegen um 14:30 sind auch die Ausflugsbusse zurück – es wird voll im Cafe. Aber der Ausflug hat sich gelohnt: Trocken, schön und windstill war es. Kai überlässt mir ein paar Fotos vom Nordkap – ja, ich hätte auch noch einmal hingehen können.

Am Nordkap

Was für ein Kontrast zwischen dem eigentlich unwirtlichen Nordkap und dem eigentlich gemütlichen Städtchen Tromsø gestern. Irgendwas läuft hier doch falsch.

Nachdem wir ablegen, steht eine offenere Seestrecke an. Das Programm zwischendurch: Apfelkuchen und Getränke für die Ausflügler, die ja seit dem verfrühten Mittagessen hungern mussten, dann das Treffen mit dem Expeditionsteam und Ausschiffungsinfos für die Passagiere, die uns in Kirkenes verlassen. Die See ist angenehm ruhig, und die Überfahrt nach Kjøllefjord vergeht rasch. Von der Felsformation sehen wir um diese Jahreszeit ohne Beleuchtung nichts, dafür wirkt Kjøllefjord jetzt schön winterlich – ein schmuckes Dorf am Ende eines Fjords. Idyllisch, auch wenn ich hier nicht wohnen wollte.

Es schneit leicht, und ich richte mich schon einmal auf einen ruhigen Abend ein – der Schuss Polarlicht, der für heute angekündigt war, kam gestern schon, und Wolkenlücken soll es erst morgen geben. Also ab zum Abendessen.

Und nach dem Abendessen die Durchsage von der Brücke: Der Captain hat sehr schwaches Polarlicht erspäht, und Christina trommelt alle an Deck 7. Ich schnappe mir meine Polarlicht-Kamera (die gute Nikon), um sie wieder an den Bug zu schnallen. Tja… ein Hauch von Polarlicht ist da tatsächlich, die Kamera kann auch grün erkennen. Ich würde das das auf kp 1-2 schätzen. Wir sind noch weit weg vom Oval, und Aktivität gibt es auch kaum. Nach eineinhalb Stunden gebe ich endgültig auf – das gibt nichts her, und dafür hätte ich keine Durchsage gemacht. Nur ein grauer Dunstschleier ist mit dem Auge zu erahnen, mit vernünftigem Polarlicht hat das nichts zu tun.

Die Nordlys

Irgendwann dominieren die Wolken, und ich kapituliere. Im Konferenzraum läuft der Reiserückblick vom Schiff auf Dauerschleife mit grusliger Musik, und ich werfe immer wieder einen Blick raus. In Berlevåg begegnen wir noch der Nordlys, während der Himmel fast komplett zugezogen ist, und bis wir Båtsfjord kurz nach Mitternacht erreichen, tut sich auch nichts weiter.

Zeit für Feierabend – und dieses so genannte Sonnenmaximum geht mir langsam auf den Keks.

Zum Abschluss noch der Zeitraffer von gestern, tatsächlich bei einem K-Index von 1-2:

“Polarlicht” zwischen 18:50 und 19:30

Hurtigrute Tag 5: Tromsø unter Wasser mit kaputter Kamera

Der Tagesplan

Neuer Morgen, neues Glück? Eher nicht – bei meiner Panasonic hat sich nicht das Objektiv verabschiedet, sondern der kamerainterne Bildstabilisator, der den Sensor an der Stelle halten soll. Mit anderen Worten: Der Sensor zittert, egal was ich mache. Für den Rest der Reise wird es also wohl keine Bilder in der gewohnten Qualität geben, sondern entweder Handybilder (die bei Tag doch stark bearbeitet aus der Kamera kommen), oder welche mit meiner Polarlichtkamera und Objektiv – also 16mm Weitwinkel an der Nikon D7100. Mal sehen, was mein Fachhändler meint, schließlich ist die Panasonic G91 noch keine zwei Jahre alt (damals hatten -28° in Kirkenes den Vorgänger gekillt).

Blick zurück auf Harstad

Immerhin sollte das mit dem Polarlicht jetzt perfekt klappen, wenn mir schon eine Kamera ausfällt und wir am Polarkreis Njørd so schön geopfert haben. Ihr Götter, was wollt ihr noch?

Mit dem Blick zurück auf Harstad (links) ist das Handy jedenfalls leicht überfordert, aber ich habe es nicht rechtzeitig aus der Koje geschafft, um nachzuschauen, wie weit die Baustelle am Hafen jetzt fortgeschritten ist und Bilder aus der Nähe zu machen oder die Schiffsbegegnung anzuschauen. Aber das Wetter ist auch unfreundlich-regnerisch. Südgehend sind wir ja wieder hier, dann ist es vielleicht trockener.

Leider wird der Tag nicht besser: Wir tuckern auf Finnsnes zu, das wir kurz vor 11 Uhr erreichen, vorher findet noch das tägliche Treffen mit dem Expeditionsteam statt – wahrscheinlich kommt deshalb keiner zu unserer vormittäglichen Reiseleiter-Sprechstunde. Mittlerweile ist es trotz Polarnacht hell geworden, allerdings sorgen tiefhängende Wolken und Regen nicht dafür, dass einem die Polarnacht so sympathisch wird, wie sie es sein kann. Mir gelingen ein paar Bilder vom Ort und dem markanten Haus mit der Schoko-Werbung am Hafen; die Insel Senja gegenüber ist bei dem Wetter kein Fotomotiv. Sie ist etwas abgelegen, aber reizvoll – und Finnsnes ist größer als man denkt, das Städtchen mit rund 5000 Einwohnern erstreckt sich bis zu der langen Brücke, die nach Senja führt, wo der bereits nächste Ort anschließt.

Nach dem vollgepackten Tagesprogramm gestern lassen wir es heute ruhig angehen. Außer Mittagessen und einem Film über das Nordlicht auf Norwegisch steht nichts auf dem Programm – Zeit genug, um zu quatschen. Nordlichtversprechen und Bauernproteste in Deutschland sind da ebenso Themen wie die Geschichte von Hurtigruten und Havila, während draußen das mystische Norwegen vorbei zieht. Kurz vor Tromsø gibt es dann schlechte Nachrichten: Aufgrund des Wetters muss die Hundeschlittentour abgesagt werden – Zu viel Wasser, zu wenig Schnee. Wer gebucht hat, kann auf Kirkenes umbuchen oder sein Geld zurückbekommen. Fairerweise: Bei dem Wetter wäre das auch kein Spaß, selbst wenn es möglich wäre. Und Kirkenes soll zumindest trocken sein.

So erkunden also ein paar Leute mehr Tromsø, und man merkt auch den Einsatz der Hurtigrute als Fähre: Die Autobesitzer werden gebeten, aufs Autodeck zu gehen, einige Passagiere verlassen uns, und ein paar Engländer kommen an Bord, wohl für den Kurztrip Tromsø-Kirkenes-Tromsø. Auch Tromsø selbst ist recht voll mit Touristen – weit mehr, als auf unserem Schiff sind.

Und was macht Tromsø? Ist ja eigentlich meine Lieblingsstadt, aber sie macht es einem in letzter Zeit nicht leicht, sie zu mögen. Das Preisniveau für Hotels hat extrem angezogen, und das Wetter wird immer schlechter. Mit Polarlicht ist gerade auch nichts los.

Das Weltraumwetter ist tot, dafür ist in Tromsø Land unter. Bei leichten Plusgraden regnet es, während auf den Straßen die aufgetürmten Schneehaufen wegschmelzen und Sturzbäche und Seen speisen. Gut dass unser Schiff schwimmt… Da wo ich herkomme, gibt es ein Wort dafür: Sauwetter, elendiges. Aber da wo ich herkomme gibt es auch gerade Sonnenschein und Frost.

Trotzdem mache ich mich auf eine kleine Fotorunde durch den Ort. Man sieht, dass die Gehwege teilweise beheizt sind: Knapp 10 Zentimeter hohe Schneedecken wechseln sich mit knapp 10 Zentimeter tiefen Seen ab. Da muss man schon aufpassen, dass das Wasser nicht von oben in die Schuhe läuft, wenn man einen falschen Tritt macht.

In der Storgate wird immer noch gebaut, aber sie kommen gut voran – auch wenn die großen Bagger aktuell eher den Schnee wegschieben, wenn der nicht gerade von selber taut. Die Fotorunde ist nicht sehr ergiebig, der graue Himmel und der Schneeregen sorgen für verschärfte Bedingungen.

Dann ab zum Schiff, die Kamera ins Trockene bringen, Leergut holen und die Wocheneinkäufe erledigen. Dazu der Süßkram, der mit nach Hause soll. Kai hat schon Einkaufsvorschläge rumgeschickt, ich würde das noch um die heiße Schokolade “Rett-i-Koppen” von Toro ergänzen, sowie die Schokotherapie-Kekse. Außerdem kann ich meine Einkaufsliste fast vollständig abarbeiten. Fehlt noch ein hübscher Husky, mal sehen was der Kiosk am Hafen von Kirkenes zu bieten hat.

Zurück ins Schiff, und dann noch eine kurze Runde zum Nerstranda-Einkaufszentrum und durch die Souvenirshops – Tromsøs Greatest Souvenir-Shop an der Domkirche ist zwar mittlerweile der kleinste, aber immer noch der mit dem hochwertigsten Angebot. Die Nach-Corona-Leerstände in der Innenstadt sind weitestgehed wieder vermietet, dafür ist im Prostneset-Hafencenter immer noch Platz. Bergans ist noch da, der andere, (noch) teurere Outdoor-Laden ist schon wieder weg.

Nach drei Stunden kehre ich dann auch schon endgültig auf das Schiff zurück. Winterwunderland geht anders, ich hänge meine Jacke wieder zum Trocknen in die Dusche. Nach zehn Jahren wird es vielleicht doch mal Zeit für eine neue, aber Helly Hansen hat gerade nichts hübsches im Angebot, und Bergans nichts vergleichbar robustes und warmes. Vielleicht in der nächsten Saison, wenn nach der Kamerareparatur noch Geld übrig ist…

So habe ich noch etwas Zeit, bevor das Restaurant ruft. Heute gibt es Buffet – das ursprüngliche Nordkap-Buffet wurde schon vor einiger Zeit auf Tromsø vorverlegt, und dementsprechend wenig Meeresfrüchte gibt es heute. Der Rentiereintopf enttäuscht auch – der Geschmack ist diesmal wieder gut, dafür fehlt irgendwie das Rentier. Ich wollte eigentlich nicht vegetarisch essen… also gibt es noch ein Brot mit Schinken und eins mit Rentierwurst zum Abschluss. Auch nicht schlecht.

Was auffällt: Der neue Antrieb der Nordkap ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch leise. Wir legen etwas später ab als geplant, weil Teile der Besatzung wechseln. Der neue Kapitän ist bereits an Bord, aber ein weiteres Crew-Mitglied reist mit dem Flugzeug an, das Verspätung hat. Früher hatte beim Ablegen die ganze Decke im Restaurant vibriert und gewackelt, sodass man sich Tischgespräche sparen konnte; heute merke ich gar nicht, wann wir ablegen.

Der Vorteil beim Buffet ist ja, dass man die Geschwindigkeit selbst bestimmen kann. Wer will, kann also um 19:30 den deutschen Film über das Polarlicht anschauen, bevor ich um 20 Uhr etwas über den Sternenhimmel und die griechischen Sagen erzähle. Die Begegnung mit der Vesterålen verpasse ich daher – um 21 Uhr bin ich zwar fertig, räume aber noch ein bisschen auf.

Skjervøy

Wer will, kann sich im Anschluss noch einen Vortrag über die Sami anhören, ich nutze die Zeit lieber, um noch ein wenig Bilder zu sortieren und Blog zu schreiben.

In Skjervøy werfe ich noch einen kurzen Blick raus: Es schneit bei etwa fünf Grad, und sporadisch hält meine Kamera noch still, sodass ich doch ein Foto hinbekomme. Das wird anstrengend – aus einer Serie mit 5-15 Bildern das brauchbare heraussuchen…

Das war es aber auch für diesen Abend an Ereignissen – noch ein bisschen am PC, und Schluss für heute. Kurz nach 23 Uhr kommen wir auch auf offene See, und es fängt an etwas zu schaukeln. Zeit für Feierabend.

Hurtigrute Tag 4: Polarkreis, Bodø und Trollfjord

Der Tagesplan

Heute ist der wohl längste Tag der Reise: Irgendwann zwischen 6:30 und 8:30 steht die Überquerung des Polarkreises an. Ich stelle meinen Wecker mal auf kurz nach sieben, und um 7:25 kommt dann auch die Durchsage, dass es in etwa 15 Minuten soweit ist. Also raus auf Deck und an den Bug, auch wenn an Deck 7 das Expeditionsteam anzutreffen wäre, aber auf Deck 5 kann man sich freier bewegen. Es ist natürlich stockduster, und ich mache mir keine Hoffnung auf brauchbare Bilder. Was mich überrascht: Wie viele Lichter an Land zu sehen ist – fast so, als wäre die Gegend dicht besiedelt.

Dann taucht die Insel Vikingen mit der Polarkreis-Kugel vor uns in der Finsternis auf, und der Captain ist gut: Diesmal trifft der Scheinwerfer des Schiffs die Kugel gut, und er hält sie auch schön angeleuchtet, bis wir sie um 7 Uhr 48 Minuten und 49 Sekunden passieren. Ein lautes Hupen, und das war es – Zeit für ein schnelles Frühstück, bevor das Restaurant voll ist. Nur die Begegnung mit der MS Nordnorge steht noch an.

MS Nordnorge

Nach dem Frühstück geht es kurz unter die Dusche und dann zur Reiseleitersprechstunde – Flagge zeigen im “Büro” vor dem Restaurant. Die üblichen Fragen: Was macht das Polarlicht? Nichts. Was macht das Wetter? Starkregen bei +5° auf gefrorenem Boden in Bodø, also Spikes einpacken. Haben in Bodø Läden offen? Sonntags eher nicht. Lohnt es sich trotzdem, nach Bodø zu gehen? Im Prinzip schon, und mehr als vor zehn Jahren. Warum sind wir eigentlich schon in Ørnes? Okay – die Frage stelle ich mir selbst – in der Nacht haben wir die Wolkendecke über Nordnorwegen erreicht, und es ist trüb draußen, aber die schönen verschneiten Berge, zwischen denen Ørnes liegt, erkenne ich doch.

Ørnes

Kurz nach zehn legen wir in Ørnes für einen kurzen Halt an, und dann steht auch schon die Polarkreiszeremonie an: Die Gewinnerin des Wettbewerbs wird bekanntgegeben, die die Zeit am besten geraten hat. Außerdem wird Njørd herbeigerufen – dick ist er geworden, und er kommt diesmal von den Whirlpools statt seinen Aufrtitte auf dem Dach zu haben. Aber bei dem Wind ist das verständlich.

Der Herr des Meeres macht seine Show daher an Deck statt auf der Plattform über unseren Köpfen: Seine Tröte streikt zuerst, bis er den Plastikmüll aus ihr herausholt, der so im Meer schwimmt – eine gute Gelegenheit für einen Hinweis auf Umweltschutz ganz allgemein und die Hurtigruten-Foundation im speziellen. Schließlich erschallt sie, und dann kann die Postfahne an die glückliche Gewinnerin des Polarkreiswettbewerbs übergeben werden. Weiterer Bonus: Sie kriegt die erste Taufe mit Eiswasser, danach dürfen alle anderen.

Die Taufe ist recht schnell vorbei, da gibt es wohl einige Drückeberger – aber Njørd scheint zufrieden zu sein, da tut sich tatsächlich eine Wolkenlücke auf. Hoffen wir das Beste.

Nach dem Ende der arktischen Zeremonie kommt der Postmann: Es gibt den Polarkreisstempel für alle Briefe, die heute eingeworfen werden, und bei Bedarf auch in Bücher und ähnliches. Die Veranstaltung geht nahtlos in das Mittagessen über (das ich ausfallen lasse, um noch kurz an einen Blick auf meinen nächsten Vortrag zu werfen), und dann tauchen auch schon die ersten Vorboten von Bodø auf. Bis ich an Deck bin, sind wir am Flughafen schon vorbei. Da hat sich was getan: Der Militärstützpunkt wurde Richtung Trondheim verlagert, und in einem Kilometer Entfernung soll ein kleinerer Flughafen entstehen, damit Platz für die rasch wachsende Stadt ist. Fast 55000 Einwohner hat Bodø mittlerweile, zehn Prozent mehr als bei meiner ersten Tour vor zehn Jahren.

Bei der Einfahrt tanzt ein Fischerboot auf den Wellen, und der Himmel sieht stellenweise gar nicht so aus, als ob das was mit dem angekündigten Starkregen wird. Also gehen wir mit Kai auf Erkundungstour in die Stadt. In den letzten Jahren hat sich Bodø durchaus gemacht, viele Baustellen sind mittlerweile fertig und Bodø ist europäische Kulturhauptstadt 2024. Die moderne Architektur muss man mögen, aber auch das Innere des Rathauses ist wohl einen Besuch wert – heute geht das natürlich nicht. Irgendwo zwischen Rathaus, Hauptstraße und Domkirche kommt dann der angekündigte Regen. Die gute Nachricht: Meine Sachen halten weitestgehend, nur am Rücken muss ich meine Jacke mal wieder imprägnieren. Immerhin geht kein allzu starker Wind. Die schlechte: Die Domkirche hat zu und bietet keinen Schutz.

Das Wandbild mit dem Polarlicht darf bei dem Rundgang natürlich auch nicht fehlen, bei meinem ersten Besuch in der Stadt gab es das auch noch nicht – erst 2016 gab es das Up North Festival, in dem viele Wandgemälde entstanden. Nicht jedes Gemälde aus der Zeit hat überlebt, einige wurden mit ihren Häusern abgerissen. Und Stück für Stück verschwinden immer mehr Nachkriegsbauten und werden durch moderne Architektur ersetzt. Auch Bodø wurde im Krieg fast völlig zerstört und viel zu schnell wieder aufgebaut. Jetzt werden alte Bausünden durch neue ersetzt (oder wie auch imme rman zu moderner Architektur steht). Der Reiz der Stadt erschließt sich nicht jedem auf den ersten Blick, aber Bodø bessert sich – auch wenn man zur Liegezeit der Hurtigrute nicht mehr auf die Hotels kommt, von deren Dach-Restaurants man einen schönen Blick über die Stadt hatte.

Gathering

Als wir wieder auf das Schiff kommen, hat der Regen auch wieder nachgelassen, und es heißt, alles trocken zu legen. Bei der Jacke dauert das, der Rest sieht gut aus. Auf der anschließenden Fahrt über den Westfjord ist etwas Bewegung im Schiff, Ruhe kehrt keine ein. Kurz nah dem Ablegen gibt es das Gathering mit dem Expeditionsteam, dann bietet das Schiff einen Nordlicht-Fotokurs an, dann ist um 17:30 mein Vortrag über Mond (ergänzt durch meine Meteoritensammlung), und schwups ist 18:30 – Abendessenzeit für alle, denen der Seegang nicht zusetzt. Kai und ich verlagern uns ins Bistro. Das Essen ist zwar gut, aber als Vielfahrer kennt man es mittlerweile, und da ist der Hurtigruten-Burger eine willkommene Abwechslung.

Und weiter geht das Programm: Kai nutzt das schlechte Wetter und erzählt ab 20 Uhr nach dem Halt in Stamsund etwas aus dem Leben der Trolle – schließlich ist er auch Beauftragter von Statens Trollvesen. Das erinnert mich an die Trollbrücke von Terry Pratchett – die fehlt in seinem Vortrag noch.

Anschließend dürfen wir meinen Reiseführer signieren, dann ist eine kurze Pause, bis wir Svolvær erreichen. Runde 50 Minuten Aufenthalt reichen für einen kurzen Gang zur Kirche und dem Skulpturenpark dahinter – aber nur mit Spikes. Schneematsch und Eis sind eine tückische Kombination, und die Kirche ist auf einem Hügel. Die gehende Frau irritiert mal wieder und geht einfach nicht aus dem Bild:-)

In Svolvær bleiben wir etwas länger als geplant, da der Bus mit den Teilnehmern des Wikinger-Fests Verspätung hat. Und dann legen wir mit 15-20 Minuten Verspätung ab, es geht Richtung Trollfjord. Was nicht mehr geht: Der Bildstabilisator meiner Kamera. Das ist bei diesen Lichtbedingungen natürlich der Supergau. Teleobjektiv und Polarlicht-Weitwinkel gehen noch, aber dem Immer-Drauf-Objektiv hat der Regen in Bodø wohl den Rest gegeben. Es hält nicht mehr still, nur gelegentlich kriege ich noch scharfe Bilder. Verdammnis. Und das Handy liefert immer viel zu stark bearbeitete Bilder…

Nun, wir fahren trotzdem durch den Raftsund, genießen die Fischsuppe und wer will auch den Trollfjordknerz (eine Art Tee mit Rum, den das Restaurant verkauft, und man darf die Tasse behalten), und gegen 23:45 sind wir an seiner Mündung – alles drängt sich am Bug, ich schaue mir das weiter hinten von Deck 5 an und schaue, was an Bildern noch geht.

Na immerhin, manchmal funktioniert es – filmen muss ich ab jetzt aber mit dem Handy. Mal sehen, was ich aus dieser Reise noch herausholen kann – und wann es endlich Polarlicht gibt!

Hurtigrute Tag 3: Trondheim

Das Tagesprogramm

Die Nacht war kurz (weil ich den Rechner erst um 1 Uhr zugeklappt habe), aber ruhig. Noch haben wir echtes Traumwetter, und die Sonne kommt auch noch über den Horizont. Das verspricht eine schöne lange blaue Stunde. In den nächsten Tagen wird sich das so oder so ändern: Wir kommen in die Polarnacht, und die Sonne wird es also nicht mehr über den Horizont schaffen. Und wann gibt es in Norwegen jetzt eigentlich keine Sonne?

Morgendämmerung im Trondheimfjord

Nordkap: 20. November – 22. Januar
Vardø: 23. November – 19. Januar
Tromsø: 27. November – 15. Januar
Harstad: 2. Dezember – 10. Januar
Bodø: 16. Dezember – 29. Dezember

Wobei das für Bodø nicht ganz stimmt, durch die Lichtbrechung in der Atmosphäre kommt die Sonne scheinbar etwas höher, andererseits gibt es ja auch noch Berge, hinter denen sie sich verstecken kann. Jedenfalls heißt es, diesen Tag noch einmal genießen und Sonne tanken; wenn wir morgen von Bodø auf die Lofoten und in der Nacht auf die Vesterålen fahren, erreichen wir die Polarnacht. In Svolvær (das wir morgen Abend erreichen) scheint die Sonne morgen von 11:35 bis 12:40, in Harstad (übermorgen früh) gar nicht mehr. Bodø hat prinzipiell von 10:51-13:25 Sonnenschein – aber es ist auch Regen angesagt.

Aber das ist das Thema von morgen. Heute sind wir erst einmal zügig unterwegs und eigentlich zu früh in Trondheim. Die lange Morgendämmerung mit perfektem Himmel verspricht für heute noch einmal bestes Wetter. Der Trondheimfjord ist zwar der drittlängste Fjord Norwegens, aber dank seiner Breite und der flachen Uferhänge wirkt er nicht wie ein klassischer Fjord. Aber ein Fjord ist ja nichts weiter als eine Sackgasse, während man durch einen Sund hindurchfahren kann. In den eindrucksvollen Trollfjord fahren wir in dieser Jahreszeit wegen Lawinengefahr auch nicht hinein (das Schiff würde das aushalten, die Gäste an Deck nicht, und dank der GPS-Überwachung aller größeren Schiffe wäre der Kapitän dann auch seine Lizenz los), aber der Raftsund zwischen Lofoten und Vesterælen ist ähnlich beeindruckend – südgehend ist es hoffentlich hell genug, um etwas davon zu haben.

Jetzt dümpeln wir erst einmal vor Trondheim Richtung Munkholmen herum und warten darauf, dass die südgehende Havila Polaris unseren Anleger frei macht. Die Crew nutzt die Zeit für eine Rettungsübung und lässt ein Beiboot zu Wasser. Theorie: Der Captain will frische Brötchen von Land… Dann setzt sich auch die Havila Polaris in Bewegung, die beiden Schiffe begrüßen sich mit der Hupe, und dann haben wir immerhin drei Stunden Zeit für die alte Königsstadt Trondheim.

Tja, Trondheim… Die drei Stunden Aufenthalt sind wie immer zu wenig. 20 bis 30 Minuten benötigt man durch den Industriehafen und den Bahnhof, bis man in der Stadt ist. Ich mache meine normale Route in der umgekehrten Richtung über Nedre Elvehavn, das alte Industriegebiet, in dem die alten Backsteinbauten mit Läden und bestimmt noch billigen Wohnungen zu neuem Leben erweckt wurden. Das Solsiden Einkaufszentrum verbirgt sich recht unauffällig hinter der Backsteinfassade, und die alten Docks sind zu Eislaufbahnen umgewidmet worden. Morgens um zehn ist da natürlich noch nicht so viel los.

Dann gehe ich recht zügig weiter nach Bakklandet mit den ganzen kleinen Holzhäuschen, die auch schon lange keine Arme-Leute-Siedlung mehr sind. Immer wieder gibt es die Möglichkeit für einen Abstecher zum Fluss, und es ist kaum jemand unterwegs. Dazu Schnee und blaue Stunde – was will das Fotografenherz mehr? Da kann man nicht mal meckern. Na gut, ein paar Baustellen weniger vielleicht, irgendwas ist doch immer:-)

Dafür kommt die Straßenräuming vorbei – vorne kehrt der Traktor, hinten wird gestreut. Die Straßen sind auch ohne Spikes weitestgehend problemlos begehbar. Etwa eine Stunde nach Verlassen des Schiffs bin ich an der Gamle Bybro und gehe noch ein paar Schritte weiter. Vor der Brücke am Ufer spiegelt sich das klassische Trondheim-Postkartenmotiv im Wasser, gegenüber der Brücke ist der Fahrradlift, mit dem sich im Sommer die Radfahrer den steilen Berg hochschieben lassen können, und ein paar Meter weiter ist noch ein kleiner Park mit Zugang zum Fluss. Klick, klick, klick – gut, dass Digitalbilder nichts kosten.

Dann aber ab über die Brücke, wo mir schon die ersten Passagiere begegnen, die den Stadtrundgang in der üblichen Richtung machen, und weiter zum Dom. Ohne Blätter an den Bäumen ist er deutlich fotofreundlicher. Einmal außen rum, der Palast des Erzbischofs dahinter mit seinem Museum hätte jetzt sogar schon geöffnet – aber ich habe hier etwa eine halbe Stunde Zeit, bevor ich wieder auf dem Schiff sein muss. Das langt nicht… also noch ein paar Fotos vom Dom von außen. Der Blick hinein kostet Geld, außer, ich würde die Stadtrundfahrt samt Dombesichtigung machen. Irgendwann vielleicht mal wieder – aber nicht bei diesem tollen Wetter!

Und dann ist es schon Zeit für den Rückweg – diesmal schaue ich nicht in den Trondheim Torg, in den eine alte Häuserzeile mit integriert ist, sonder schlendere durch ein paar andere Straßen, die ich normalerweise nicht nehme. Wenn ich nicht zum Shoppen komme, will ich wenigstens mal was anderes sehen. Ein Blick in den Garten des Königssitzes Stiftsgården ist aber trotzdem drin.

Stiftsgården

Letztlich bin ich sogar eine halbe Stunde zu früh am Schiff. Besser so als anders: Bevor wir ablegen, werden noch zwei Namen ausgerufen. Aber wir warten nicht, und mit etwas Glück wurden die beiden nur nicht registriert, als sie wieder an Bord kamen.

Noch ein Blick auf die Mittagssonne von Trondheim, und dann ab durch den Fjord. Heute tut sich nicht viel: Hier im Süden hat die Hurtigrute keinen Versorgungsauftrag, und der nächste Hafen ist erst Rørvik am späten Abend.

Die Fahrt ist dementsprechend entspannt – im Fjord ist natürlich ruhige See, ab und zu verschwindet die Sonne schon hinter den flachen Bergen, und man hat nicht das Gefühl, in einem Fjord zu sein. Gegen 14:30 gibt es den nächsten Interessepunkt des Schiffs: Miesmuscheln verkosten, am Ausgang des Fjords. Der Leuchtturm Agdenes Fyr markiert die Mündung des Fjords, das weiße Türmchen ist in der verschneiten Landschaft gut getarnt. Und es gibt etwas Neues: Von unserem Expeditionsteam ist nur noch Eike an Bord, die beiden Männer haben uns verlassen. Stattdessen sind zwei neue an Bord – die Namen muss ich mir noch merken; leider stehen keine Namensschilder an ihrem Arbeitsplatz. Ich glaube, Martin wurde durch Christina ersetzt. Aber das kriege ich auch noch hin.

Für 15:30 ist dann der unaussprechliche, frisch sanierte rote Leuchtturm Kjeungskjærfyr geplant, aber der Kapitän gibt Gas, sodass wir für alle überraschend früher ankommen. Bei bestem Wetter taucht er vor uns auf, unter dem Venusgürtel – dem rosa Band, dass der Abenddämmerung in den vor uns liegenden Gegenden entspricht. Hinter uns: Ein farbiger Abendhimmel. Sehr, sehr schön.

Anschließend stehen noch die tägliche Ausflugspräsentation und das Treffen mit dem Expeditionsteam an. Die schwänze ich aber: Heute Abend steht mein erster Vortrag an, noch die letzten Folien aufpolieren. Dann um 18:30 Abendessen und um 19:45 mein Polarlichtvortrag: Gerade unsere öffentlich-rechtlichen Medien und die Marketingabteilungen zeigen immer die schönsten Bilder vom Polarlicht, da muss ein bisschen Realismus vermittelt werden. Und die Wetterprognose ist mäßig. Durch den Klimawandel hat sich wohl der Jetstream verlagert, und durch die höheren Temperaturen ist mehr Wasser in der Atmosphäre. Bedeutet: Mehr Wolken und weniger wechselhaftes Wetter in Norwegen. In Süddeutschland ist die letzte klare Nacht auch schon eine Ewigkeit her. Aber egal: Für den 9. ist etwas aktiveres Weltraumwetter angekündigt, und bis dahin ändert sich die Wettervorhersage hoffentlich noch, sodass wir in der Barentssee was sehen können. Chancen auf ausreichend große Wolkenlücken gibt es – und ich verspreche lieber zu wenig als zu viel.

Nur für morgen und übermorgen haben wir sicherlich mit viel Regen und Wolken zu rechnen. Grmpf. Und heute: Noch weitestgehend klarer Himmel und keine Polarlichtaktivität. Ich mache es mir noch einmal auf Deck 7 bequem, bis wir Rørvik erreichen und der Richard With begegnen. Immerhin: Am Hafen steht niemand, der so aussieht, als hätte er in Trondheim das Schiff verpasst und wäre mit dem Flieger nachgekommen.

Und das war es dann eigentlich auch für heute. Morgen früh überqueren wir den Polarkreis. Mal sehen, ob ich mir das anschaue – erfahrungsgemäß ist es da zu dunkel, um ein brauchbares Bild zu schießen. Und nein, wir wissen auch nicht, wann wir den Polarkreis überqueren. Aber wahrscheinlich eher früher als später.

Hurtigrute Tag 2: Ålesund

Torvik

Die erste entspannte Nacht an Bord ist vorbei – vom Westkap war nichts zu spüren, und Torvik als erster Hafen liegt noch ruhig in der ersten Andeutung der Morgendämmerung. Viel ist nicht zu sehen: Ein paar Häuschen, und bei der Anfahrt noch eine hübsch beleuchtet Brücke. Torvik hat außer ein paar Häuschen nicht viel zu bieten, während Ulsteinvik mit über 6000 Einwohnern sich als Lichtermeer am gegenüberliegenden Ufer bemerkbar macht – wenn es in Frühjahr oder Herbst schon hell ist, übersieht man die Stadt leichter als jetzt. In Torvik machen wir nur einen kurzen Stop, ich bringe die Kamera zurück in die Kabine und kümmere mich um das Frühstück – bei knapp unter 0° hält mich wenig draußen, wir haben immerhin die kälteste Nacht in Norwegen seit 25 Jahren: Im nordnorwegischen Inland waren es -43,5 Grad. Dagegen ist es hier kuschelig warm.

Nach dem Frühstück machen Kai und ich es uns in unserem Büro vor dem Restaurant gemütlich – ein paar Tips für Ålesund geben. Das wird auch gut genutzt, dazu kommt noch die Info, dass die Ausflugsbusse wegen Glätt die Aussichtspunkte nicht anfahren können. Klingt eisig… vor lauter Gesprächen verpasse ich fast die Ankunft um 9:45 – also Kamera schnappen und Foto machen, dann noch ein bisschen Flagge zeigen und dann ab in die Stadt.

Ålesund

Grund zur Hektik besteht nicht: Seit einigen Jahren gilt das ganze Jahr über der selbe Fahrplan, sodass wir zehn Stunden in Ålesund liegen – nach der überstürzten Abfahrt aus Bergen gestern kommt jetzt Kreuzfahrtfeeling auf. Ein ganzer Tag in einem Ort – aber die Zeit fehlt uns morgen in Trondheim. Außerhalb des Winterfahrplans machen wir in dieser Zeit einen Abstecher in Hjørund- oder Geirangerfjord, im Winter liegen wir stattdessen nur im Hafen. Keine Ahnung, ob der Geirangerfjord im Winter gesperrt ist und im Hjørundfjord wegen Glättegefahr keiner das Dörfchen Urke erkunden darf, jedenfalls fährt jetzt nur ein altes, kleines Schiff als Ausflug in den Hjørundfjord.

Also Spikes einpacken und ab in den Ort. Mein erster Weg führt mich am Sund vorbei durch das Jugendstilzentrum und weiter zur Kirche neben der markanten gelben Schule, und dann noch ein paar Meter weiter zum Aussichtspunkt Storhaugen. Ohne Spikes (und zwar die guten) geht hier nichts, mit Spikes ist es kein Problem, auf den kleinen Berg zu kommen, dort auf der Eisplatte zu stehen und den Blick auf die Stadt samt Hausberg Aksla zu werfen. Regelmäßige Leser dieser Reiseberichte wissen, dass die Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts abgebrannt war und nicht zuletzt mit deutscher Hilfe wieder aufgebaut wurde. Ein Denkmal an den Kaiser unterhalb des Aksla erinnert noch daran; der 2. Weltkrieg machte die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern dann wenig später zunichte – die Wehrmacht hinterließ in Nordnorwegen verbrannte Erde, und im Hafen erinnert ein Denkmal an die Flucht vieler Schiffe nach England, mit den “Englandsfarten”. Mittlerweile sind die Beziehungen zum Glück wieder gut…

Vom Storhaugen gehe ich zurück zum Schiff, mit einem Abstecher zu den Einkauszentren. Ich habe von zuhause eine Einkaufsliste mitbekommen, und meine Vorräte muss ich auch noch auffrischen. Auf dem Schiff werfe ich ausnahmsweise einen Blick auf das Mittagsbuffet, das ich normalerweise ausfallen lasse – aber in paar Happen Lachs und Eis sind doch drin.

Das Tagesprogramm

Dann eine kleine Pause und ein Blick in die neue Hurtigruten-App: Solange man im Schiffs-WLAN ist und eine Kabine hat, kann man hier den Fahrplan und eventuell auch das Tagesprogramm abrufen, das auch auf den Fernsehern läuft, die jetzt in jeder Kabine sind. Deutsches Fernsehen gibt es hier nicht, nur norwegisches, aber dafür noch ein paar Infoseiten. Alles für die Umwelt – aber seit es das nur noch digital gibt, kriege ich von den ganzen Veranstaltungen nichts mehr mit. Da bin ich wohl zu altmodisch, der Fernseher in meiner Kabine ist auch meistens aus. (Soll ich bei der Gelegenheit noch über die nervigen Touchscreen-Monitore in modernen Autos lästern?)

Dann gehe ich noch einmal in den Ort – meine Wetterapp meint, es wäre heute bedeckt, aber wenn die Wolken so ein strahlendblauer Himmel bleiben, ist die Fahrt gerettet. Sonnenuntergang auf dem Aksla wäre doch was, oder?

Nö – die Treppenstufen den Berg hoch sind gesperrt. Zu der Säule, die an Kaiser Wilhelm erinnert, kommt man, aber nicht weiter. Also schaue ich mir den Stadtpark mal näher an – wenn man rechts um den Berg geht, kommt man zu einer alten Bunkeranlage und der Via Ferrata auf den Berg hoch – dieser Klettersteig wäre mit entsprechender Ausrüstung sogar geöffnet. Aber da braucht man mehr als ein paar Spikes…

So ganz lässt mich die Idee mit dem Sonnenuntergang noch nicht los – es gibt ja den Waldweg hoch auf den Berg. Aber naja – die Treppen finde ich zwar, und sie sind nicht gesperrt, aber auch nicht wirklich passierbar. Mit Spikes würde man zwar hochkommen, aber nicht unbedingt auch wieder runter. Zumindest nicht heil… und die steile Straße, die zu den Treppen führt, ist auch schon heftig genug.

Also drehe ich um und suche das Ålesund Museum. Die Reste von Silvester sind noch gut zu sehen, von Altglas bis zu Böller-Batterien. Hier wurde gut gefeiert. Das Museum liegt auf einem kleinen Hügel, ist deutlich besser erreichbar und bietet auch einen netten Ausblick.

Dann noch ein Blick in den Fluchttunnel unter dem Berg: Die Bilderausstellung vom letzten Besuch ist weg, und jetzt zieren ihn zwei Sprüche. Um An attempt to turn this is the way it is into this is the was it was zu verstehen, brauche ich ein bisschen. Mit Satzzeichen wäre es einfacher: An attempt to turn “This is the way it is” into “This is the was it was” wäre einfacher gewesen. Noch ein Blick in die Läden, und dann beende ich den Aufenthalt und kehre aufs Schiff zurück. Keine schlechte Idee: Ich mache es mir auf Deck 7 bequem, komme mit den Gästen ins Gespräch und kann die ersten Kameras einstellen. Mittlerweile habe ich auch meinen ersten Vortragstermin: Morgen Abend um 19:45 Uhr. Das kann ja was geben…

Die Schiffsveranstaltungen – das tägliche Gathering mit dem Expeditionsteam – ignoriere ich, bis zum Abendessen um 18:30 gibt’s genug zu tun. Und die Hurtigrute ist zum Glück kein Kreuzfahrtschiff, auf dem man von Entertainern gejagt wird. Um 20 Uhr kommen Kai und ich dann endlich dazu, unsere Gäste zu begrüßen: Mit dem Welcome-Drink und ein paar kleinen Infos im Konferenzraum. Dann: Ab auf Deck 7, Flagge zeigen, Kameras vorbereiten (wobei das Handy heute oft die bessere Wahl ist), die Wetterprognose der nächste Tage studieren (puh – Starkregen für Tromsø, und viel zu viele Wolken, aber das kann sich ja noch jederzeit ändern), während es im Panoramassalon eine Geschmacksprobe aus der Küche gibt, und dann zieht die MS Polarlys in der Dunkelheit an uns vorbei, ohne Ankündigung. Beinahe hätte ich diese Schiffsbegegnung verpasst, so sehe ich sie durch das Fenster und weiß, dass wir gleich in Molde sind.

Das Scandic in Molde

Also noch kurz die Kamera schnappen und an Deck, wo sich weitere Gespräche ergeben (das schöne an kleinen Gruppen: Man kennt sich besser), und einen kurzen Blick auf Molde werfen. Das Scandic-Hotel glitzer jetzt nicht im Sternenlicht, sondern ist ein dunkler Fleck unter dem wolkigen Himmel. Dann: Bilder sichten, Blog schreiben, und Feierabend machen.

Hurtigrute Tag 1: Bergen

Neues Jahr, neues Glück – wir haben den 4. Januar 2024, und ich gehe wieder auf Hurtigrute. Wir haben zwar gerade so ziemlich das Maximum der Sonnenaktivität, aber bislang war die Saison für mich nicht so prickelnd. Die letzte Tour im September war meine erste, bei der wegen konstanter Wolkendecke die Polarlichtgarantie griff, und mein Urlaub in Island Anfang November war zwar wunderschön, aber entweder war bedeckt, oder kein Polarlicht. Leicht frustrierend das Ganze.

Gefühlt gab es seit meiner September-Tour auch nur ein oder zwei klare Nächte, während denen ich in Deutschland war, und im Südwesten soll es nächste Woche klar werden – wenn ich noch in Norwegen bin, mitten in der Polarnacht. Mal sehen, was das gibt…

Jetzt geht es erstmal morgens um 6:30 nach Stuttgart, und dann nach Amsterdam. So früh im Jahr und mitten in den Ferien kriegt nicht mal die Dauerbaustelle auf der A8 bei Pforzheim einen Stau hin, und ich bin überraschenderweise schon nach einer Stunde am Stuttgarter Flughafen, wo ich nach einer weiteren Stunde im Stau vor dem KLM-Schalter endlich mein Gepäck aufgeben kann (von fünf Schaltern arbeiten drei – links ist ein langes Beratungsgespräch, und der Kollege am Priority-Schalter schickt alle weiter zu den normalen Schaltern, statt selbst wen einzuchecken), mich frage, ob die Anzeigetafeln mit nicht registrierter Shareware laufen, in der Security weitere 20 Minuten mit Sprengstoffkontrolle & Co verbringe, und anschließend eine kaputte Toilette finde (Stuttgart 21?). Die Sitzplätze am Gate vom letzten Mal wurden mittlerweile in eine weitere Lounge umgewandelt, sodass ich da nicht mehr hin komme (dafür drängen sich jetzt mehr Fluggäste auf weniger Sitzplätzen, toll), und von den Getränkepreisen im Duty-Free-Bereich will ich gar nicht reden. Der Flughafen zeigt sich von seiner besten Seite… immerhin sind die Wege kürzer als in Frankfurt. Aber mir geht’s noch gut: Ein paar von unseren Gästen standen wohl vor einem überbuchten Flieger…

Immerhin ist das Wetter schön. Aber wenn ich schon am Lästern bin: Ich habe keine Ahnung, warum jemand Inlandsflüge machen will. Gegen Frühling will ich mal privat Amsterdam anschauen, und die Fahrtzeiten ab Süddeutschland? Mit dem Flieger inklusive den Wartezeiten am Flughafen 4,5 Stunden bis zur Landung am Flughafen, und dann hätte ich immer noch kein Gepäck wieder in Empfang genommen. Mit dem Auto eine Stunde mehr, und ich bin direkt am Zielhotel – mindestens so schnell wie mit dem Flieger. Alternativ mit Bus und Bahn und Umsteigen: 6,25 Stunden. Da fällt die Wahl leicht, und es wird auch kein Gepäck beschädigt. Auch wenn es dann keinen Keks als Bordverpflegung gibt.

Wie dem auch sei, immerhin ist das Wetter nach dem Regen der letzten Tage schön. Kai, unser Reiseleiter, ist ja schon einen Tag vorher nach Bergen geflogen – und wegen dem Wetter erst gegen 1 Uhr morgens angekommen. So musste er immerhin nicht zu lange auf uns warten. Und ich? Muss daran denken, dass uns der Pilot auf dem Islandflug begrüßt hatte mit: “Machen Sie es sich so bequem, wie Ihr Sitznachbar es zulässt.” Den musste ich nämlich erst einmal von meinem Fensterplatz vertreiben. Eigentlich ist mir das ja egal, wo ich sitze, aber am Fensterplatz kann man besser schlafen – und diesmal lohnt sich der Blick aus dem Fenster. Also genug gelästert, wenden wir uns den schönen Dingen zu: Vor der Landung gibt es noch eine schöne Glorie.

Hübsche Glorie

Sowas gibt’s im Auto nicht:-)

Um kurz nach elf dann die Landung in Amsterdam, und eine halbe Stunde Fußmarsch später bin ich auch schon am nächsten Gate angekommen. Knapp vier Stunden Zeit – das langt, um sich auf dem Laptop einen kompletten Film anzuschauen. Viel mehr gibt’s hier eh nicht zu tun, der Flughafen wird umgebaut.

Das Selbstbedienungsrestaurant ist weg, mal sehen, was danach kommt.

Kurz vor 15 Uhr geht es endlich weiter, und nach einem ereignislosen Flug (Bordverpflegung: ein Frischkäsebrot) erreichen wir im letzten Tageslicht Norwegen und landen in Bergen. Uff.

Jetzt läuft es aber auch alles glatt: Mein Koffer kommt als einer der ersten, Kai wartet schon draußen auf uns, und wir können die Gäste gemeinsam in Empfang nehmen. Alle haben ihr Gepäck (nur ein Koffer ist beschädigt), der Bus ist auch schon da, und wir können zügig durchstarten. (Und bevor hier falsche Eindrücke entstehen: Ich erzähle keine Horrorstories vom Fliegen – dafür gibt es ja meine Tour vom Oktober 2021 – es sind nur die Zeiten vorbei, in denen Fliegen was mit Glamour zu tun hatte, heute nervt es nur noch.)

Da wir mit 22 Teilnehmern nur eine kleine Gruppe sind, geht alles schnell, und es bleibt tatsächlich genug Zeit für eine Stadtrundfahrt durch Bergen.

Bergen

Das Problem: Um 17 Uhr ist es schon dunkel, und man sieht nicht viel. Durch die Scheiben vom Bus fotografieren bringt auch nicht viel, aber Kai packt einiges an Infos in unsere Rundfahrt. Trotz -5° liegt hier kein Schnee mehr, und wir kommen schließlich wohlbehalten am Schiff an. Jetzt wird es wieder hektisch: Jeder kriegt seine Cruisecard und mein Begleitbuch, um 19:30 und als Wiederholung um 21 Uhr gibt es die Infoveranstaltung vom Schiff (wie funktioniert alles an Bord), vorher die obligatorische Sicherheitseinweisung, zwischendrin Abendessen (bis 21 Uhr – wieder mit interessanten Essensschildchen), um 20:30 muss ich traditionsgemäß an Deck sein, um das Anlegen anzuschauen, dann noch die Kabine beziehen, verlorenes Gepäck suchen, zuhause melden, versuchen, die ersten Termine auszumachen… und dann ist 22 Uhr, es leert sich (war doch für alle ein langer Tag), und ich kann mich an mein Blog setzen, solange wir noch in der Nähe von Bergen sind und Netz haben.

Schauen wir, was diese Reise bringt – bislang waren noch keine zwei Touren gleich!

Die partielle Mondfinsternis vom 28. Oktober 2023

Es gibt so ein paar astronomische Ereignisse, die nimmt man nach ein paar Jahren im Hobby eher zur Kenntnis, anstatt sich groß darauf vorzubereiten. Partielle Mondfinsternisse sind so was: Eigentlich nicht besonders spektakulär (ein bisschen Mond ist halt angeknabbert), aber wenn es soweit ist, ist es dann doch immer wieder schön.

Die partielle Mondfinsternis vom 28. Oktober war dafür mal wieder ein schönes Beispiel. Für Baden-Württemberg war mehr oder weniger Wolken plus Regen angesagt, und für die Rheinebene gab es keine Ausnahme. Daher hatte ich außer dem gelegentlichen Blick vom Balkon aus nichts geplant. Von der Zeit her lag die Finsternis eigentlich optimal – Samstagabend von 20 Uhr bis 0:30 –, aber außer einem kleinen schwarzen Schatten am unteren Rand gegen 22:30 war eh nichts groß zu erwarten. Unspektakulär.

Aber ich hatte Glück, so etwa zur maximalen Phase lockerten die Wolken auf, und der angeknabberte Mond war zwischen den Wolken zu sehen, links von ihm der helle Jupiter. Also schnell ein Bild freihand mit Kamera (Panasonic G91) und Teleobjektiv (70-300): Ja, schaut sogar besser aus als mit bloßem Auge.

Die partielle Mondfinsternis freihand mit Teleobjektiv
Mondfinsternis mit dem Handy durch’s Spektiv

Die Wolkenlücke hielt sogar noch ein bisschen länger durch – Zeit genug, um das Fotostativ auf den Balkon zu stellen und das Spektiv draufzupacken. Durch die Wolken war das ganze zwar wie durch einen Weichzeichner (das Foto mit der Kamera darf man auch nicht zu groß anschauen), aber trotzdem nett.

Noch ein kurzes Souvenirbild mit dem Handy durch das Okular und ein paar Blicke auf den Mond, bevor der extrem warme Wind die nächsten Wolken und den ersten Regen bringt.

Viel mehr gibt’s auch nicht zu erzählen – war doch wieder ein schöner Anblick und nett, mal ganz ohne großen Aufwand einen Blick in die Sterne zu werfen und das Monatsereignis mitzukriegen.

Hurtigrute Tag 12: Back to Bergen

Der Tagesplan

So, das war es dann: Der letzte Tag bricht an, der Koffer ist gepackt (wieder 23 kg) und steht bei den Aufzügen, und unserer letzter Zwischenstop ist Florø – eine halbe Stunde zwischen 8 und 8:30 in der Morgensonne. 9 Uhr ist die erste Dealine heute, bis dahin müssen die Koffer bereit sein, damit sie im Laderaum zwischengelagert werden können. So erhält man sie bequem im Terminal in Bergen zurück und muss nicht den ganzen Tag auf dem Gepäck sitzen. Schließlich muss die Kabine spätestens um 10 Uhr geräumt werden, solange man keine Suite hat.

Florø präsentiert sich als Industriehafen und hat vom Schiff aus außer Landschaft und einer schönen Spiegelung in einer Glasfassade nicht viel zu bieten. Zeit, um zu Frühstücken und sich dann einen schönen Platz auf Deck 7 zu sichern. So weit im Süden fahren auch im tiefsten Winter viele Schiffe, sodass die Hurtigrute hier keinen Versorgungsauftrag hat und nur wenige Häfen anfährt. Daher brettern wir schnurstracks durch bis Bergen, zwischen Schären hindurch und mit kurzen Passagen hin zur offenen See, in denen überraschend viel Bewegung im Schiff ist. Heute früh am Westkapp war auch schon genug Wellengang, um mich zu wecken. Eine Erholungsreise ist das auch an den Tagen ohne großes Programm nicht – aber schlafen kann man zuhause!

Ab 10 Uhr läuft im Konferenzraum der Tourfilm des Schiffs, und um 10:45 ist Treffen an Deck: Wir passieren den engen Steinsund, Johan ruft zum Gruppenfoto auf, und wir nutzen das auch für ein eigenes Gruppenbild mit allen, die gerade da sind.

Es ist angenehm warm (irgendwas oberhalb von 10° laut Wetter-App – ein Thermometer habe ich auf diesem Schiff noch nicht gefunden), die Wolken bieten alles von blauem Himmel bis bedrohlich, Norwegen zeigt sich nochmal von seiner besten Herbst-Seite, während die Landschaft fast in Reichweite an uns vorbei zieht.

Ab 11:30 gibt es Mittagessen, und wir versuchen immer noch eine Antwort zu erhalten, wie es mit der Nordlicht-Garantie läuft. Sie gilt ja erst bei Reisen ab Oktober, andererseits sind wir ja die Gruppenreise Nordlicht und Sterne. Auf jeden Fall steht im Schiffs-Logbuch keine Sichtung – ein absolutes Novum für mich. Eine Reise ohne Nordlicht, und das während des Sonnenfleckenmaximums, und während zuhause immer noch sommerliche Temperaturen und Sonnenschein herrschen. Ich muss meine Niederlage eingestehen 🙁

Falls die Polarlichtgarantie für unsere Gruppenreise schon gilt, gibt es eine halbe Reise mit Innenkabine und Anreise auf eigene Kosten, wobei es sich aktuell durchaus lohnt, selbst einen Flug zu buchen (z.B. über Fluege.de schauen und direkt bei der Airline oder eurem Reisebüro buchen) und mit dem Ambassador-Status (den ja nach Anmeldung jeder erhält, der eine Reise auf der Hurtigrute gemacht hat) gegebenenfalls upzugraden. Drei Varianten bieten sich dann an: Direktflug ab Frankfurt nach Bergen, mit dem Schiff entweder nur nach Kirkenes (die billigste Version), oder noch verlängern bis Tromsø und zwei, drei Übernachtungen für Hundeschlittenfahrten und/oder Polarlichttour einplanen (die teuerste Version mit der höchsten Polarlichtchance), oder weiter bis Trondheim, wo man dann mittags oder am frühen Nachmittag direkt zurückfliegen kann (die schönste Option) – einen Transferbus vom Hafen bietet das Schiff meistens an. Wenn es in den Winter geht, empfiehlt es sich, zur Sicherheit einen Tag vor dem Rückflug einzuplanen, falls das Schiff etwas Verspätung hat und der Flug so knapp ist wie unser Rückflug diesmal. Und bei der Anreise einen Tag in Bergen einzuplanen lohnt sich eh! Meinen Reiseführer habt ja schon:-)

Und für alle, die länger in Tromsø vor Ort bleiben wollen, kann ich die lokalen Tourguides wie Dan Steinbakk von http://arcticx.no/ empfehlen. Die fahren auch nach Finnland, falls es in Norwegen mal wieder nur Wolken gibt, und sind angenehmer als die großen Reisebusse.

Nun, zurück zur Tour: Wir sind zu schnell, sodass der Captain noch einen kleinen Umweg durch die landschaftlich (noch) reizvollere Route macht und wir Bergen trotzdem rechtzeitig erreichen. Und dann geht alles ganz schnell: Der angekündigte Regen fällt aus, und wir können trocken in den Bus einsteigen (nachdem ein Busfahrer doch noch zugibt, dass er für Gruppe Peter da ist (wenn schon nicht für Nordlicht und Sterne – aber Schwamm drüber).

Die knapp halbstündige Fahrt zum Flughafen machen wir noch weitestgehend ohne in den drohenden Berufsverkehr zu kommen, dann alle zum KLM-Schalter, weil die Check-In-Automaten in der Regel ähnlich unkooperativ sind wie es Wolken und Nordlicht auf dieser Tour waren, weiter zur Ark-Buchhandlung direkt hinter der Security für den Tax Refund, und dann ab zum Gate – bleibt eine gute halbe bis dreiviertel Stunde Luft, um noch in den Duty Free zu gehen. Und dann ab in den Flieger, eineinhalb Stunden Umsteigezeit mit Gatewechsel in Amsterdam, ab nach Stuttgart, wo mein Parkplatz noch 20 Minuten lang bezahlt ist, und rechtzeitig ab auf die Autobahn. Kurz vor 1 Uhr bin ich dann zuhause, und wieder ist eine Tour zuende – die supergut war, auch wenn das Polarlicht diesmal gestreikt hatte. Aber es hat trotzdem Spaß gemacht, mit einer tollen Gruppe!

In diesem Sinne: Takk for turen, og alltid god tur!

Hurtigrute Tag 11: Trondheim

Der Tagesplan

Es gibt Tage, über die gibt es wenig zu erzählen – die letzten beiden Reisetage gehören dazu. Wir legen frühmorgens in Trondheim an, und das ist so ziemlich die letzte Gelegenheit, noch kurz im Rema Leergut abzugeben. Für viel mehr reicht die Zeit hier nicht, außer man steht extrem früh auf. Ob der Ausflug in die geheimen Gemächer des Nidaros-Doms stattfindet, weiß ich nicht – aber wahrscheinlich nicht. Viele Gäste (auch die Gruppe aus dem Schwäbischen) verlassen uns hier, dafür kommen zwei Gruppen für Konferenzen mit insgesamt 140 Teilnehmern an Bord, die bis Molde bzw. Kristiansund an Bord bleiben. Die angekündigte Schülergruppe entpuppt sich soweit ich das erkennen kann als Studenten einer Marineschule/Technischen Hochschule, die die Laptop-Konzentration an Bord deutlich in die Höhe treiben. Am Morgen hat jeder von denen entweder etwas zu Essen oder einen Laptop in der Hand, während für die andere Konferenzgruppe ein kleines Buffet vor dem Konferenzraum aufgebaut wird.

Trondheim

In Trondheim herrscht bestes Wetter, die Sonne lacht (uns aus). Das Coastal Experience Team nutzt die Neuankömmlinge aus, als wir den Hafen verlassen und der nordgehenden Richard With begegnen: Mit den neuen Gästen der Marineschule auf Deck 5, die mit Norwegen-Fähnchen ausgestattet werden, hat die Richard With beim Winkewettbewerb keine Chance.

Der Interessepunkt zu Munkholmen wird auch gleich auf Deck 5 verlegt bzw. auf das letzte Treffen im Konferenzraum später. Bei strahlendem Sonnenschein spurte ich nach der Schiffsbegegnung noch auf die andere Seite vom Schiff für ein paar Fotos von Munkholmen, und dann war es das fürs erste: Ich gehe in meine Kabine und schaue nach dem kleinen Tourfilm, den ich wieder vorbereite. Und ich frage mich, warum wir so Wetter nicht öfter hätten haben können, und vor allem nachts…

Auf dem Schiff gibt es derweil den zweiten Vortrag über die Polarforschung, mit Roald Amundsen zum Südpol, und im Anschluss um 11:15 das letzte Treffen mit dem Expeditions Coastal Experience Team: Johan erklärt den Ablauf des letzten Tags und verabschiedet uns schon einmal von Giske: Sie steigt heute schon aus. Normalerweise wechselt die Besatzung frei durch, je nachdem in welchem Hafens ie wohnen – nur Restaurantchef und Coastal Experience Team wechseln in der Regel nur in Bergen, damit wir immer die selben Ansprechpartner haben. Aber wir sind ja fast da.

Agdenes Fyr

Derweil verlassen wir bei immer noch schönem Wetter den Trondheimfjord und haben noch einen Blick auf den 200 Jahre alten Agdenes Fyr an der Fjordmündung. Wer will, kann Essen gehen, und um 15 Uhr ist dann unsere Abschiedsveranstaltung: Mein Tourfilm ist fertig und kann im steuerbord-rechten Konferenzraum gezeigt werden, und Peter hat schon mit dem Check-In der Gäste für das Flugzeug begonnen. Nach dem Film müssen wir den Konferenzraum frei machen und geben die übrigen Abreiseinformationen im Panoramasalon – nicht ganz einfach, da wir zwar einen Teil reserviert haben, sich andere Passagiere aber entweder gestört fühlen oder lautstark unterhalten. Naja.

Bis wir Kristiansund erreichen, sind wir fertig, also ab zu einem letzten Landgang mit einer Stipvisite bei den Statuen der Klippfiskkjerringa, der Klippfischfrau, die das Symbold der Stadt ist und an die Arbeiterinnen der Klippfisch-Industrie erinnert, sowie die des Heringsjungen gegenüber. Der Ausflug zum Marmorbergwerk Bergtatt startet jetzt ebenfalls – anders als bei meinem Besuch seinerzeit sogar bei Tageslicht, sodass man etwas von der Atlantikstraße sieht.

Dann: Ab aufs Schiff, Ablegen genießen und auf zum letzten Abendmahl. Als wir ablegen, zeigt sich rechts der Sonne auch noch eine kleine Nebensonne als bunte Leuchterscheinung – ähnlich wie ein Regenbogen, nur an Eiskristallen in der Atmosphäre.

Beim Abendessen fällt meine Wahl auf die Rindshaxe. Derweil wechselt das Wetter draußen, für Molde ist Regen angesagt, und die Prognose scheint zu stimmen. Damit verschwindet auch unsere letzte Chance für Polarlicht auf dieser Reise. Der Captain hat auch keine Polarlichtsichtung eingetragen – jetzt müssen wir klären, wie das mit Polarlichtgarantie funktioniert und ob die bei Gruppenreisen im September greift. Aber heute ist Feiertag in Deutschland (3. Oktober), die Antwort muss dann morgen früh kommen.

Molde

Die Fahrt nach Molde verläuft dann in finsterer Nacht, aber die Hustavika ist friedlich und schaukelt kaum. Von der Erdgasanlage “Ormen Lange” sehe ich heute nichts. Normalerweise ist sie hell beleuchtet, aber vielleicht beschäftigt mich mein Blog zu sehr… Ein Blick nach draußen, es nieselt, ich mache ein paar Bilder von Molde und gehe wieder rein.

Und dann bimmelt das Handy, eine Whatsapp mit Polarlichtbildern von der Gangway, falls die wer brauchen kann. Panik! Ist das jetzt? Ich war vor 5 Minuten draußen und stand im Nieselregen… Aber nein, das Foto ist von Freitag und nicht aktuell. Also keine Panik, ich habe nichts übersehen. Schade eigentlich, aber hier ist aktuell ohnehin keine große Show zu erwarten.

So langsam muss man aber auch ans Kofferpacken denken – bis morgen früh um 9 sollten die Koffer bei den Aufzügen stehen, damit man sie nach dem Anlegen des Schiffs in Bergen im Terminal abholen und zum Bus bringen kann. In diesem Sinne: Gute Nacht!

Hurtigrute Tag 10: Helgelandküste

Der Tagesplan

Nachdem die Aurora sich gestern wieder äußerst unkooperativ gezeigt hat (bzw. gar nicht gezeigt hat), verpasse ich heute fast den Polarkreis. Sechs Minuten Vorwarnzeit gibt mir Johan, was gerade von der Dusche bis an Deck langt – uff. Ich muss mir doch mal wieder angewöhnen, ins Tagesprogramm zu schauen – auf der Kong Harald gibt es das ja sogar in gedruckter Form; andere Schiffe zeigen es nur noch auf den Monitoren, und seitdem beachte ich es meist nicht mehr.

Aber egal, ich bin rechtzeitig um 8:37 draußen, um die südgehende Polarkreisüberquerung mitzumachen.

Auch wenn jetzt eigentlich nicht mehr viel auf der Reise passiert – alle großen Häfen haben wir tagsüber auf der nordgehenden Route besucht, jetzt kommen kleine Häfen und viel Landschaft – hat man trotzdem keine Ruhe. Nach dem Frühstück kommt um 9:45 die Polarkreistaufe mit Lebertran-Verköstigung, dann wird der Polarkreisstempel vorgezogen, um elf Uhr signiert die Crew wieder Bücher, und um 11:15 habe ich meinen Abschlussvortrag über Sternbilder und ihre Mythen.

Nesna

Ach ja: Kurz vor halb elf legen wir auch noch Nesna an. Etwas überraschend, da über die Sprechanlage der Text für Sandnessjøen kommt. Aber wir halten hier doch nicht bis 12:15, und gleich darauf kommt die Korrektur, dass es nur ein kurzer Halt ist.

Als ich kurz vor 12 mit meinem Vortrag fertig bin, sind wir dann doch schon in Sandnessjøen. Bei einer halben Stunde Liegezeit sind die Zeiten vorbei, in denen man hier kurz durch die Fußgängerzons sprinten und die zahlreichen Kunstwerke anschauen konnte, mit dem aktuellen Fahrplan ist das nicht mehr drin. Der Blick aus dem Fenster verheißt auch nichts Gutes für die Bergkette der sieben Schwestern, und es gibt auch keinen Interessepunkt. Nur auf dem Tagesprogramm wird mit einem Bild darauf hingewiesen. Aber Überraschung: Sie stecken zwar tief in den Wolken, sind aber mit wehenden Schleiern doch zu erkennen.

Die Sieben Schwestern
Die Helgelandküste…

Auch mal ein interessanter Anblick. Danach geht die Fahrt weiter, um 14 Uhr ist noch einmal ein Treffen mit dem Expeditionsteam, während draußen die Helgelandküste in den Wolken verschwindet. Nach dem wunderbaren Trollfjord gestern präsentiert sich Norwegen nun wieder betont kontrastarm. Schade. Immerhin: Die Gewitterwarnung für Brønnøysund wurde nun durch normalen Regen ersetzt.

In Brønnøysund haben wir einen etwas längeren Aufenthalt, damit neben dem dem Besuch bei den Lachsen auch eine Tour zum Torghatten stattfinden kann, dem Berg mit Loch. Bei dem Wetter wird das bestimmt ein Erlebnis – auf der Herfahrt ist der Torghatten kaum zu sehen.

Suchspiel: Erkennen Sie den Torghatten im Hintergrund?
Norwegens Mitte

Mein Weg führt mich heute nicht allzu weit: Erst ein Besuch in der Mitte Norwegens, und dann ab ins Amfi zum Coop, mein gesammeltes Leergut abgeben und die Getränkevorräte und den Kühlschrank zuhause auffüllen. Soweit der Plan für heute, der mal wieder scheitert: Der Coop wird umgebaut und eröffnet “demnächst” wieder. Da steh ich nun mit meinem Altglas und ohne Chance, noch Wurst für daheim oder Getränke für den Rest der Tour zu kaufen.

Nun gut. Also noch eine Runde durch das Amfi drehen (mit gewissem Erfolg im Sportgeschäft), und dann ab zum nächsten Kiwi. Zumindest werde ich dort das Leergut los; dann muss ich morgen dem Rema in Trondheim noch einen Besuch abstatten. Oder den kurzen Aufenthalt in Kristiansund nutzen, mal sehen.

Auf dem Weg zum Kiwi fällt mir zum ersten Mal die Tourist Information auf, die direkt hinter dem Anleger liegt, und neben der eine hübsche alte Scheune oder ein anderes Wirtschaftsgebäude steht. Dann noch ein Bild vom Schiff (ich habe schon lange nicht mehr am Tau entlang fotografiert), und die Einkäufe verstauen.

Und dann? Natürlich ein Eis, während einige aus unserer Gruppe zurückkommen. Vielleicht lerne ich es irgendwann und bestelle entweder das berühmte Softeis oder einen Becher… so erhalte ich eine schmale Waffel, auf der zwei große Kugeln Eis kurzfristig balancieren. Mal sehen, ob ich das Beweisfoto erhalte – zum selberknipsen hatte ich keine Chance. Das war zwar lecker, aber eine Sauerei. Zum Glück gibt’s im Kiosk ein WC mit Waschbecken… Bei den Plusgraden schmilzt das Eis doch recht flott.

Jubiläumsmenü

Von Peter erfahre ich dann, dass ich beim Shoppen aufs falsche Pferd gesetzt habe – der Bunnpris hätte noch Wurst gehabt. Egal.

Die Vorbeifahrt am Torghatten um 18:10 fällt mangels Sichtbarkeit und wegen Wind aus. Der nächste Programmpunkt wäre damit das Captains Dinner um 18 Uhr, da uns erfahrungsgemäß viele Gäste in Trondheim verlassen. Aber alles ist anders auf dieser Tour: Morgen steigen 140 Schüler zu (zumindest bis Kristiansund), und Hurtigruten feiert 130jähriges Jubiläum, also gibt es ein 5-Gänge-Jubiläumsmenu. Gut und ausreichend. Burps…

Um 20:15 gehen die Feierlichkeiten im Panoramasalon weiter, der Captain (?) steht da, während Johan eine kurze Festansprache hält und jeder ein Glas Sekt erhält. Anschließend greigt er zur Gitarre und unterhält uns zusammen mit Giske noch zwei Stunden lang mit Livemusik. Schön.

Rørvik

Derweil ärgern uns draußen ein paar Wolkenlücken, aber in Rørvik regnet es dann schon wieder leicht. Es ist ja nicht so, dass es hier in der Region keine Chancen auf Polarlicht gibt, aber in dieser Nacht dann doch nicht.

Nach dem Ablegen aus Rørvik winke ich der Havila Polaris noch einmal zu und widme mich dann dem Blog, unterbrochen von einigen Blicken nach draußen. Aber es lohnt sich nicht, und die offene Seestrecke der Folda ist zwar alles andere als wild, aber mit Wind und etwas Wellen ist es doch unangenehm draußen, trotz Temperaturen um die 12 Grad. Also Schluss für heute.

Die Havila Pollux bei Rørvik