Heute klingelt der Wecker früh, denn irgendwann zwischen 7:30 und 8:30 überqueren wir den Polarkreis. Der genaue Zeitpunkt hängt vom Seegang ab und davon, wie viel Fracht wir aufnehmen – also letztlich davon, wie pünktlich wir in den Häfen vorher wegkommen, und wie schnell der Captain fährt.
In den Wintermonaten kann man diesen Moment eigentlich getrost verschlafen: Wenn wir am frühen Morgen den Polarkreis und die Insel Vikingen passieren, auf der die Polarkreiskugel steht, ist dann nämlich stockfinstere Nacht. Aber Ende März ist es schon längst hell, die Sonne geht schon gegen halb sechs auf. Die Nächte werden kürzer, und am Sonntag ist auch noch der Wechsel zur Sommerzeit – dann geht die Nordlichtsaison endgültig zu Ende. Es gibt zwar immer noch genug Chancen für Polarlicht, bevor die Mitternachtssonne alles überstrahlt. Wenn es weiter in den April geht, gibt es aber nur noch ein paar Stunden Dunkelheit nach Mitternacht, und im Norden schimmert schon das Dämmerlicht der Sonne am Horizont.
Aber jetzt bietet sich erst einmal ein Blick auf die arktische Landschaft am Polarkreis.



Dramatischer Himmel, kein Regen, Schnee auf den Bergen – einfach schön. Dazu eine absolut ruhige See und angenehme Temperaturen um den Gefrierpunkt. Bald taucht auch die Insel Vikingen vor dem Schiff auf, um 7:47 passieren wir sie und sind nun offiziell im hohen Norden.




Kurz danach begegnen wir noch der südgehenden Havila Pollux, und dann ist es Zeit für Frühstück und Blog schreiben. Viel Zeit bleibt aber nicht: um 10 erreichen wie mit Ørnes einen der am schönsten gelegenen Häfen, auch wenn das Örtchen einige Bausünden hat.



Unser Stop hier dauert nur etwa zehn Minuten, dann fahren wir weiter. Das Wetter wird schlechter, leichter Nieselregen setzt ein. Macht aber nichts: Es werden alle an Deck gejagt, zur arktischen Zeremonie. Erst wird die Gewinnerin des Wettbewerbs verkündet, die den Zeitpunkt der Polarkreisüberquerung am genauesten geschätzt hat, dann kommt die Preisübergabe: Es gibt die Hurtigrutenflagge und die erste Polarkreistaufe. Nachdem Njørd herbeigerufen wurde, verteilt er großzügig Eis. Diesmal kommt er wieder von den Whirlpools auf Deck 6 hochgestürmt, anstatt auf der Plattform über der Bar von Deck 8 aus seine Rede zu schwingen. Also rennt er einmal über Deck zur großen Eisschüssel und überlässt Svenja das Reden. Zuletzt wird wieder ein neues Crewmitglied getauft, das die restliche Schüssel abkriegt. Brrrr…



Danach: Ab ins warme Schiff, wo es kurz darauf Polarkreisstempel gibt. Dann ist eigentlich eineinhalb Stunden Ruhe, bis wir Bodø erreichen. Das Mittagessen lasse ich mal wieder ausfallen. Bei dem Wetter hat man eh nicht so viel Bewegung, da ist weniger essen kein Fehler.
Bodø erreichen wir planmäßig gegen 13 Uhr: Sauwetter. Es regnet. Es regnet stark genug, dass so mancher den Gang in die Stadt abbricht. Kann ich verstehen, schließlich hat man ja Urlaub. Es ist nur ein kleiner Trost, dass das Mittelmeer auch gerade absäuft, nur bei etwas wärmeren Temperaturen. Das wechselhafte norwegische Wetter ist wohl endgültig Geschichte.
Aber es hilft nichts, ich muss in den Ort – nachdem mein Objektivdeckel irgendwo in Trondheim liegt und er bei dem Wetter doch sinnvoll ist… Bodø ist ja im Krieg fast völlig zerstört worden und danach sehr schnell wieder aufgebaut worden, außerdem sind in den letzten Jahren viele Hochhäuser neu entstanden, die für Neubauten gar nicht mal so schlecht aussehen. Langsam werden die Baustellen im Ort weniger. Trotzdem erschließt sich der Charme der norwegischen Kulturhauptstadt nicht auf Anhieb.
Ich mache mit Sven nur die kleine Tour: Vom Hafen mit der Glocke des Hurtigrutenschiffs Prinsesse Ragnhild (das im Krieg versenkt wurde) über den Bahnhof (kurz trocknen) zum Rathaus (kurz reinschauen und trocknen – der neue Anbau ist richtig hübsch und hat auch Kunst zu bieten), dann in die Kirche (das Dach ist auch dicht), und schließlich in die überdachte Einkaufspassage. Dann lässt der Regen langsam nach, und ich setzte mich ab.






Die gute Nachricht: Das kleine Fotogeschäft ist gut sortiert, und ich finde einen passenden Deckel. Zwar von Tamron statt von Panasonic, aber egal. Die schlechte Nachricht: Das norwegische Preisniveau. 269 NOK ärmer mache ich mich auf den Rückweg. Einen Tag umsonst gearbeitet… naja, fast. Und gerade noch unter der Tax-Free-Grenze.
Zurück am Schiff lege ich meine Jacke trocken, ignoriere die beiden Vorträge des Expeditionsteams ebenso wie die tägliche “Tagesschau” und mache kurz Pause.
Nur den Leuchtturm Landegode nehme ich mit: Den sehe ich normalerweise auch nie. Entweder ist es dunkel, oder ich halte einen Vortrag. Er liegt hübsch vor einem hohen Berg und markiert den Beginn der Überquerung des Westfjords. Die Überquerung der offenen Seestrecke kommt mir übrigens wie ein Traum vor: Praktisch kein Seegang. Ein paar Sonnenstrahlen gibt es, aber von der Lofotenwand ist aus der Entfernung nichts zu sehen.




Dann habe ich tatsächlich ein paar Minuten Pause, bevor um 17:45 mein nächster Vortrag ansteht: Der Mond. Kommt mein echtes Mondgestein mal zum Einsatz. Mit dem Essen wird es etwas knapp, daher zeige ich meine Meteoritensammlung dann am Abend im Cafe auf Deck 7.
Stamsund erreichen wir wieder während dem Abendessen, wer zum Wikingerfest geht, steigt hier aus und kommt in Svolvær wieder an Bord. Wir fahren an den Lofoten entlang, deren schneebedeckte Berge im leichten Regen unter den tiefhängenden Wolken recht gut zu sehen sind.


Kurz vor Svolvær begegnen wir der südgehenden Vesterålen, und dann legen wir an. In Svolvær liegt dann endlich Schnee (gut, mit Schneematsch), aber das macht schon wesentlich mehr Spaß, so kurz durch den Ort zu gehen und das Scandic mit seinen Rorbu-Fischerhäuschen, die heute als Ferienwohnung mit Küche gemietet werden können. Bei meinem letzten privaten Ausflug hierher hatten wir uns auch eine gemietet – die drei Tage vorher aber 30 Euro billiger angeboten wurde als wir sie gemietet hatte. Fiese Falle: Parken kostet hier Geld. Wir hatten dann storniert und auf Svinøya ein Rorbu genommen – auf der anderen Seite des Hafenbeckens, etwas günstiger und mit kostenlosem Parkplatz.






Ansonsten lässt einem der einstündige Aufenthalt in Svolvær nicht viel Zeit. Einmal entspannt zum Scandic, Fischerhäuschen anschauen, und dann unterhalb der Kirche zurück zum Schiff.
Da dann kurz bei Svenja am Expedition Desk vorbeischauen: Fahren wir zum Trollfjord? Nein, heute nicht. Zu schlechtes Wetter. Auch recht. So gibt es nach dem Ablegen Fiskekake und Trollknerz auf Deck 7, ein paar Strukturen in den Wolken, während wir Richtung Raftsund fahren, und immer wieder leichte Schneeschauer – Time to say good night. Heute tut sich nichts mehr.