Island im Tiefflug, Teil 4

Kaum zu glauben: Schon ist Halbzeit, und wir sitzen wieder im Auto, fahren durch – gefühlt – die verschneiten Alpen (der Pass zwischen Seyðisfjörður und Egilsstaðir ist immerhin rund 600 Meter hoch) und sind auf der Suche nach etwas zu essen, da in Seyðisfjörður niemand Frühstück anbietet. Immerhin tanken konnten wir noch im Ort, und Auto waschen. Irgendwo hinter Egilsstaðir plündern wir eine Bäckerei, und dann steht Fahrerei an: Bis zum Dettifoss sind es über 300 Kilometer durch den einsamen Nordosten Islands.

Die gut drei Stunden lange Fahrt ist trotzdem abwechslungsreich: Über die gut ausgebaute Ringstraße geht es erst durch grüne oder braune Täler, bis wir an Höhe gewinnen und weiter in das Landesinnere kommen. Näher am Dettifoss wird es dann unangenehm: Starker Wind schüttelt das Auto durch, während das Navi uns über Schotterpisten zu Straßensperrungen lotst. Erst im zweiten Anlauf gelangen wir zum Dettifoss, aber am oberen Parkplatz, nicht wie ursprünglich geplant am Fuß des Wasserfalls.

Auf zu den Wasserfällen

Auf zu den Wasserfällen

Der Wind: Wow. Kein Wunder, dass das Auto gewackelt hat. Der Besuch der Dixi-Klos am Parkplatz war dadurch ein echtes Erlebnis… Eins ist gewiss: Wenn ich nochmal nach Island gehe, kommt ein Windmesser mit. Trotz des Wetters ist der Parkplatz morgens um halb zwölf gut besucht. Der Fußweg zum Wasserfall wird immer wieder neu ausgeschildert, je nachdem, welche Route gerade begehbar ist und welche ins Wasser führt.

Wir gehen zuerst zum Selfoss, etwa einen Kilometer oberhalb des Dettifoss. Die Route hat noch gut Schnee, aber mit Profil an den Schuhen ist sie kein großes Problem – man darf nur nicht zu langsam werden oder über fernöstliche Touristen stolpern, die kein Auge für die Umgebung haben. Durch Schnee und Wasser erreichen die die Weggabelung Dettifoss/Selfoss und dann den Selfoss.

Die meisten strömen wohl direkt zum Dettifoss, daher ist es am Selfoss relativ ruhig. Aus einem gewissen Abstand lässt er sich gut überblicken; das Wasser strömt vom Wind unbeeindruckt über die Basaltklippen – hier ist es aber auch etwas windgeschützter als am höher gelegenen Parkplatz. Beim Rückweg begegnen wir Isländern, die die Wege neu markieren und uns den Rat geben, am besten gleich die Seite zu wechseln – das Wasser wird nicht weniger.

Richtung Parkplatz tauchen auch immer mehr Menschen auf – es ist eindeutig Zeit, zum Dettifoss zu gehen, bevor es zu voll wird. Dort angekommen, bietet eine kleine Plattform einen sicheren Ausblick auf den Wasserfall. Die Ablagerungen im Gestein sind für mich das faszinierendste an ihm.

44 Meter stürzt das Wasser hier in die Tiefe, mit 200 bis 1500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde ist er der wasserreichste Wasserfall Europas. Superlativ hin oder her, ein Wasserfall zum Anfassen wie der Gluggarfoss fasziniert mich mehr. Der Dettifoss bleibt irgendwie unbegreifbar, unnnahbar. Aber immerhin war jetzt noch kein Eintrittsgeld fällig, in der Hochsaison ist das mittlerweile anders. Wenn ich mir anschaue, wie viel jetzt schon  los ist, will ich aber auch nicht wissen, wie voll es hier zur Hochsaison ist.

Wie dem auch sei, wir entgehen dem Wind und den Menschenmassen und suchen wieder den Weg zur Ringstraße Richtung Myvatn. Am nächsten Ziel ist es wärmer, dummerweise vergesse ich, das Gebläse vom Auto rechtzeitig auf Umluft zu stellen: Wir fahren zum Krafla-Kraftwerk und den benachbarten Vulkankratern, dementsprechend schwefelgeschwängert ist die Luft. Fast wie früher im Chemielabor… Der Aufstieg zum Kraterrand – wohl der Vití, der 1724 entstand – ist dank Rückenwind easy.

Sich am Kraterrand aufzuhalten ist dagegen weniger leicht, dafür kann man sich gut in den Wind lehnen. Wenn da nicht das Gefühl wäre, sandgestrahlt zu werden… Ein Stück hinter dem Krater dampft es aus einer Spalte hervor, in der Schwefelablagerungen für scheinbar außerweltliche Farbenspiele sorgen.

Der Viti-Krater

Der Viti-Krater

Eine Stunde Fußweg von unserem Parkplatz liegt die Vulkanspalte Leirhnjúkur, die immer noch aktiv sein soll. Genau wie den eigentlichen Krafla schenken wir uns diese Tour jedoch; am Vití im Wind zu stehen macht genug Spaß und stresst die Akkus genug – erst im Auto springt manches Handy wieder an.

Das nächste Ziel liegt tiefer, stinkt aber noch mehr: Bei Hverir wurde noch vor 150 Jahren Schwefel für die Schießpulverherstellung abgebaut. Ein paar Fundamente zeugen noch von der Industrievergangenheit, viel eindrucksvoller sind die mannshohen Steinhaufen, aus denen heiße Gase ausströmen, ebenso die Schlammvulkane, die vor sich hinblubbern – und zum Glück nicht Geysir spielen. Die gefährlichen Gebiete sind mittlerweile abgesperrt, Plattformen erlauben einen sicheren Blick auf die brodelnden Schlammlöcher. Hier ist der starke Wind ein Segen, solange man keine der Wolken abkriegt.

Kein Ort, wo ich länger Urlaub machen wollte, geschweige denn arbeiten. Auch hier ist in der Urlaubszeit ein Eintrittsgeld fällig; für die paar Besucher im Mai zum Glück noch nicht. Fairerweise hätte ein Kiosk oder Restaurant hier aber einen schweren Stand, auch wir suchen rasch das Weite und frische Luft.

Der nächste Stopp war früher eine beliebte Badegelegenheit, heute ist Baden verboten. Dass wir zu spät sind, liegt aber nicht nur an der zunehmenden Bekanntheit, sondern vor allem an der Temperatur: Irgendwann stieg sie auf 60° an, seitdem ist Baden in der Grotte Grjótagjá verboten. Mittlerweile ist die Temperatur wieder gefallen, aber bei den ständig neuen Besuchern ist die Lust auf ein Bad auch eher gering – früher muss es eindrucksvoll gewesen sein, in Ruhe in diesen unterirdischen warmen See zu steigen. Das kristallklare Wasser würde einen regen Badebetrieb aber kaum überstehen, befürchte ich.

Von den Wasserfällen mal abgesehen liegen alle heutigen Tagesziele nah beieinander, im Myvatn-Gebiet. Unser letztes Ziel ist nur drei Kilometer entfernt: Dimmuborgir, die dunklen Burgen. Nur eines ist vorher zu zu überwältigen: Ziegen. Der Fotostop muss sein, wenn man in Island schon mal auf Lebewesen trifft… Neben den Ziegen ragt auch schon dunkle Lava wie eine Mauer auf, und irgendwann stehen wir vor einem Gatter – freilaufende Ziegen gibt es auch in Island nicht.

Wir lassen die ausgeschilderte Pizzeria rechts liegen und steuern stattdessen Dimmuborgir an, die dunklen Burgen – ein ausgedientes Lavafeld, das nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Das Umfeld von Dimmuborgir, rechts der Krater Hverfjall

Das Umfeld von Dimmuborgir, rechts der Krater Hverfjall

Eine ganze Reihe von Wanderwegen durchzieht dieses irre Gebiet, bei dem man sich unweigerlich fragt: Wer baut so was? Die Lavaformationen erinnern wirklich an verfallene, urzeitliche Festungen. Statt Orks sollen sich hier aber die Gesellen des Weihnachtsmanns rumtreiben. Es ist nur Zeit für eine Stipvisite eingeplant, aber ausgerechnet die, die nur kurz reinschauen wollen, verlaufen sich und machen die große Runde – wer sich auf den mittellangen Rundweg gemacht hat, hatte daher noch genug Zeit für den Souvenirshop…

Der mächtige Krater Hverfjall, der die Landschaft dominiert, lädt ebenfalls zu einem Besuch ein. Er entstand vor rund 2500 Jahren bei einer Wasserdampfexplosion – Magma traf auf Grundwasser, und das Ergebnis dieser Explosion rieselte senkrecht herunter und formte den mächtigen Tuffring. Es gibt wohl nur wenige vergleichbare Strukturen auf der Welt. Wir kommen ihm allerdings nur auf Sichtweite nahe, für einen Besuch kommt keine Mehrheit zustande. Stattdessen geht es zu den Ferienhäuschen, die wir für die Nacht gebucht haben.

Mini-Häuschen für die Nacht

Mini-Häuschen für die Nacht

Die Häuschen sind ziemlich neu und richtig süß: Ein Zimmer, Schlafzimmer, Kochecke, Bad und Hot Pod. Der Hot Pod wird mit warmem Grundwasser gefüllt und zusätzlich beheizt; ganz so entspannend wie ein norwegisches Bobblebad ist das allerdings nicht. Trotzdem nett.

Da die Umgebung der Häuschen außer Wasserfällen nicht viel zu bieten hat, fahren wir für das Abendessen nach Húsavík. Das Städtchen macht einen hübschen Eindruck: Gepflegte Häuser und weniger ungepflegt oder lieblos gebaut als in anderen Orten, in denen wir bislang waren. Hübsch. Der Hafen ist auch für Tourismus ausgelegt: Einige Boote bieten Walsafaris an, auch auf Segelbooten, teilweise mit regenerativem Zusatzmotor. Auf Touristen ist der Ort trotzdem nur bedingt eingerichtet: Ein Restaurant wird gerade saniert, eines hat über eine Stunde Wartezeit, und das war’s dann eigentlich auch schon so ziemlich für zehn Leute… Wir reservieren einen Platz und nutzen die Wartezeit für einen Gang durch den Ort und um Getränke zu kaufen.

Mit etwas über 2200 Einwohnern ist auch Húsavík überschaubar, sodass wir mehr als rechtzeitig wieder im Restaurant sind. Auf der Speisekarte stehen vor allem Burger, aber zum Glück nicht nur… Der Laden selbst ist urgemütlich, und das Essen schmeckt auch. Dann steht für den Tag nur noch an, zurück zur Unterkunft zu fahren und zu schauen, was der Hot Pod hergibt.

Island im Tiefflug, Teil 3

Fosshotel Núpar

Fosshotel Núpar

Das Fosshotel Núpar war unsere Unterkunft für die Nacht. Ein interessanter Bau: Ein Containerdorf im Nirgendwo. Aber egal: Zum Übernachten langt es locker; und vor ein paar Nächten im Ibis Budget in Essen habe ich deutlich schlechter geschlafen und gefrühstückt. Die Mehrbettzimmer haben alles, was man braucht: Bequeme Betten und jede Menge Steckdosen. Blöd nur, dass ich vergessen habe, mein Funkgerät über Nacht auszuschalten bzw. zu laden… Das Hotel ist zwar nicht mein üblicher Standard, aber mit Abenteuerurlaub hat es auch nicht viel zu tun. Island ist komfortabel geworden.

Das Ödland, indem das Hotel liegt, ist typisch für den nächsten Abschnitt unserer Tour. Heute stehen 457 Kilometer an, die uns bis an die isländische Ostküste bringen werden. Der erste Streckenabschnitt führt durch die trostlosen Weiten des Skeiðarársandur. Ein Sander ist eine Schwemmlandebene, und der Skeiðarársandur ist 50 km lang und bis zu 30 km breit. Erst seit 1974 durchquert eine feste Straße dieses Gewirr aus Gestein und Flussläufen, die immer wieder ihren Lauf ändern. Während der Schneeschmelzee und bei Gletscherläufen führen sie Unmengen von Wasser mit sich. Die letzte große Überschwemmung war 1996 – die Reste einer Brücke, die damals zerstört wurden, stehen immer noch am Straßenrand als Flutdenkmal, drei Kilometer hinter der mit 964 m längsten Brücke Islands. Vom Flutdenkmal sind auch Gletscher zu sehen – Ausläufer des Vatnajökull.

Die rustikaleren Teile des Skaftafell-Besucherzentrums

Die rustikaleren Teile des Skaftafell-Besucherzentrums

Vom Flutdenkmal aus war es nicht mehr weit bis zu unserem nächsten Ziel: Dem Besucherzentrum des Skaftafell-Nationalparks. Zwei Wanderwege passen in unseren Zeitplan: Entweder zum Skaftafellsjökull, einem Gletscher, oder zum Wasserfall Svartifoss. Für beide Touren sind je eineinhalb Stunden einzuplanen, wir entscheiden uns mehrheitlich für den Svartifoss – so viele Wasserfälle hatten wir ja bislang nicht. Ich schleppe mein Stativ mit (ich sollte doch mal über ein Carbon-Stativ nachdenken. Oder einen Tragegurt, wenn ich die Tragetasche nicht mitnehme. Die Einkaufsliste wächst mit jeder Tour…) – Fototime!

Auf dem Weg zum Svartifoss kommen wir erst am kleinen Hundafoss vorbei, bevor der Svartifoss dann sichtbar wird – aus der Ferne eine kleine, schwarze Basaltwand in der Landschaft.

Foto-Stopps haben einen Nachteil: Bis man am Ziel ist, sind die ersten Kollegen schon wieder auf dem Rückweg. Naja, nicht mein Problem, wenn man sich keine Zeit nimmt. Ich bin doch nicht zum Spaß hier – also mache ich es mir im Fluss bequem, wo ich freien Blick auf den Wasserfall habe, und nehme einige Belichtungsreihen auf. Macht Spaß:-)

So langsam wird das mit dem Wasserfallfotografieren, und wenn man die Kamera weit genug im Abseits aufbaut, sieht man auch die Spuren der Zivilisation nicht auf den Bildern. Schließlich ist der Svartifoss nicht unbekannt und der Weg dahin gut ausgebaut. Nach der Fotosession wird es dann auch schon wieder Zeit für den Rückweg, schließlich haben wir für den Jökulsárlón Karten vorbestellt.

Rund 70 km sind es bis zu diesem Gletschersee. Direkt davor überqueren wir die Jökulsá, mit 800 Meter Islands kürzester Fluss. Sie entspringt dem Gletschersee Jökulsárlón, der mit Amphibienfahrzeugen befahrbar ist. Wir machen eine Tour mit: Für etwa 30 Minuten kurven wir über den See, knipsen Eisberge und Robben und lassen ein Stück Eis durchgehen.

Sogar die Sonne lässt sich blicken und bringt das Farbenspiel der Eisberge noch besser zur Geltung. Der See ist nur etwas über 100 Jahre alt – erst seit dem späten 19. Jahrhundert hat sich der Gletscher Breiðamerkurjökull so weit zurückgezogen, dass See und Fluss entstanden sind. Nach der Fahrt steht noch ein Besuch im Kiosk an; ein Restaurant für das Mittagessen ist auf unserer heutigen Route kritisch – also muss Proviant gebunkert werden. Es gibt belegte Sandwiches…

Der nächste Stop ist nicht weit weg: Die “Diamond Beach” an der Mündung der Jökulsá ist ein weiterer Strand aus schwarzer Lava, auf dem zahllose kleinere Eisberge liegen und sich als vergängliche Fotomotive anbieten. Nur die Brandung boykottiert ein paar Aufnahmen… Auch wenn es dekadent erscheint: Wir sind zum Strand gefahren. Agressive Seevögel verleiden einem den Fußweg am Fluss entlang.

Diese Rentiere sind wohl aus Norwegen herübergeschwommen...

Diese Rentiere sind wohl aus Norwegen herübergeschwommen…

Nach der Diamond Beach heißt es Kilometer schrubben – bis Egilsstaðir (mit über 2300 Einwohnern die größte Stadt im Osten Islands) stehen keine wichtigen Ziele auf dem Plan, und gehalten wird nur, wenn die Gegend interessant aussieht. Zum Beispiel für einige der 3000 isländischen Rentiere, auch wenn es nicht so leicht ist, mit der kleinen Wagenkolonne immer gleich einen Parkplatz zu finden.

A propos: Parkende Autos am Wegesrand sind oft ein Hinweis darauf, dass es etwas zu sehen gibt. So haben wir auch das Hvalnes Naturschutzgebiet gefunden. Noch ein schwarzer Strand, an dem viele Vögel brüten sollen. Tja, was soll ich sagen: Haben wir den auch gesehen. Die Küstenlandschaft fand ich imposanter.

Der Sveinstekksfoss stand dagegen ganz regulär auf dem Plan – ein hübscher, etwas versteckter Wasserfall. Die Piste dorthin ist etwas steil, lohnt sich aber. Der Wasserfall wird durch eines der seltsamen Tore geschützt, die wohl Tiere abhalten sollen.

An der Ostküste

An der Ostküste

Der Abstecher lohnt sich, wie auch ein weiterer: Wir verlassen die Ringstraße und nehmen eine Alternativroute nach Egilsstaðir, die landschaftlich reizvoller und schöner zu fahren ist. Durch eine verschneite Landschaft geht es an der Küste entlang auf der Route 92, inklusive einem fast sechs Kilometer langem Tunnel mit Blitzern. Normalerweise wird in Island wohl aus Autos heraus geblitzt, aber hier im Tunnel wird auch mal was anderes ausprobiert. Außerhalb des Tunnels gibt es immer wieder strahlend blauen Himmel und eine zunehmend winterlich-verschneite Landschaft. Unser Reiseziel ist der Fährhafen Seyðisfjörður, da wir in Egilsstaðir keine Zimmer mehr gefunden haben.

Die Fähre "Norröna" nach Färöer

Die Fähre “Norröna” nach Färöer

In Seyðisfjörður legt die Fährverbindung zu den Färöer-Inseln an – das Schiff sehen wir auch noch, bevor es ablegt. Unsere Unterkunft sind zwei schmucke kleine Ferienhäuser von Lónsleira Appartments, die nur einen Nachteil haben: Zwei Bäder für zehn Leute, was gerade morgens einige Logistik nötig macht. Als Fahrer kann ich zum Glück eine Spätschicht im Bad durchsetzen…

Frühstück gibt es in dem Örtchen keines, aber im Skaftfell eine gute Pizzeria, die auf unser Kommen vorbereitet wurde. Die Einrichtung ist rustikal-pragmatisch und urgemütlich, das Essen empfehlenswert.

Seyðisfjörður selbst hat noch etwas weniger als 700 Einwohner, Tendenz wie in weiten Teilen Ostislands sinkend. Dementsprechend machen viele Häuser auch einen heruntergekommenen Eindruck – wer weiß, wie viele mittlerweile verlassen sind? Ein Konstrukt namens Tvísöngur hat mein Interesse geweckt, und ein vormitternächtlicher Verdauungsspaziergang führt durch den Ort an einigen Wasserfällen vorbei zu dem Bau. Unterwegs sehen wir unter anderem eine Kanone des Tankers El Grillo, der hier 1944 von deutschen Bombern versenkt wurde, und das Technikmuseum direkt neben dem unscheinbaren schwedischen Konsulat. Die Stadt wurde als erste in Island voll elektrifiziert wurde.

Nach mehreren Wasserfällen fanden wir – immerhin war ich am Ende der Tour nicht ganz alleine, Sandra nahm auch jedes Stückchen Island mit – kurz vor Mitternacht die Kuppeln des Tvísöngur. Das Bauwerk soll die Fünfklangharmonie traditioneller isländischer Musik darstellen oder so – ganz bin ich mir über die Funktionsweise nicht im klaren, aber zumindest gab es einen schönen Ausblick auf die Stadt. Die hellen Nächte sind irritierend, daher stand uns eine kurze Nacht bevor, nachdem wir wieder zurück in den Ferienhäusern waren…

Island im Tiefflug, Teil 2

Da unser Hotel kein Frühstück anbietet und auch sonst leer ist (zum Auschecken wird der Schlüssel einfach am Tresen abgegeben), überrennen wir am nächsten Morgen die benachbarte Bäckerei, die ausreichend belegte Brötchen, Sandwiches und Süßstückchen für uns bereit hält. Auch die vielen Handwerker, die während unserem Frühstück vorbeikommen, dürften noch satt geworden sein. Ehre, wem Ehre gebührt: Ich habe im Ausland schon schlechteres Brot gegessen als in Island.

Auf der Ringstraße

Endlich auf der Ringstraße

Der Gluggarfoss

Der Gluggarfoss

Heute geht es richtig auf die Ringstraße, nach dem gestrigen Abstecher auf den Golden Circle. Die heutige Etappe umfasst nur 262 km entlang der Südküste, aber mit ausreichend Zwischenstopps. Ich kriege einen ersten Eindruck davon, wie ich mir Island im Gedächtnis behalten werde: Mit einer Linie aus Teer mittendurch. Ich stelle langsam fest, dass ich das falsche Kameraequipment habe: Eine Dashcam wäre sinnvoller gewesen… Nächstes Mal.

Macht aber nichts, auch für gute Kameras gibt’s genug Ziele. Da wäre zum Beispiel der Gluggarfoss, den wir fast für uns alleine haben. Nachdem die andere Touristengruppe weg ist, die vor uns da war, sind nur noch wir und ein Fotograf aus Großbritannien da. Er macht es für eine Fototour richtig: Alleine unterwegs und im Auto schlafen. Aber auch uns bleibt genug Zeit, um bei gutem Wetter mal Wasserfall Fotografieren zu üben. Macht Spaß, und neben den Graufiltern kommt auch auch der Polfilter zum Einsatz.

Trockene Straßen

Trockene Straßen

Das nächste Ziel ist wieder ein Wasserfall – der Seljalandsfoss. Wobei, der Weg ist das Ziel: Erst einmal geht’s auf eine Schotterpiste. Abstand halten, Gas geben und Staub aufwirbeln. Habe ich schon erwähnt, dass ich mal eine Selbstfahrertour durch Namibia machen will? Sowas wie hier wäre reizvoll… Vielleicht übernächstes Jahr. Wenn ich eine Dashcam habe, und mein Konto sich von Skandinavien wieder erholt hat…

Nach viel zu kurzer Fahrt erreichen wir dann wieder Asphalt und etwas später den Seljalandsfoss mit einem gut besuchten Parkplatz. Auch wenn die Sonne scheint, wird’s jetzt nass: Der Wasserfall hat sich eine Höhle gegraben, sodass man hinter ihm hindurch gehen kann. Jetzt zeigt sich, was die Kamera aushält.

In der Höhle des Gljúfurárfoss

In der Höhle des Gljúfurárfoss

Damit ist noch nicht genug: Ein paar Wasserfälle weiter geht es in eine kleine Höhle, wo einen der Gljúfurárfoss erwartet. Nicht jeder traut sich rein – so mancher Touri bevorzugt es, einfach im Eingang stehen zu bleiben. Ganz wie zuhause. Aber mit etwas Geduld gibt es doch ruhige Minuten, in denen man in der oben offenen Höhle/Schlucht fast alleine ist. Trotzdem muss man sich beim Fotografieren ran halten: Es ist eine nasse Sache. Hier spendiere ich meiner Kamera auch mal den professionellen Regenschutz (vulgo: Müllbeutel mit Gummiband und Loch für das Objektiv), sodass ich nur die Linse ständig trocken legen muss. Der Wasserfall heißt auch Gljúfrabúi, was Wikipedia mit Schluchtenbewohner übersetzt. Passt.

In der Schlucht machen sich auch meine wasserdichten Schuhe wirklich bezahlt. Während alle Welt sich am Felsrand drängt, habe ich deutlich mehr Bewegungsraum. Feine Sache. Ich weiß, warum ich so gerne in Norwegen Schuhe kaufe…

Dürfen’s noch mehr Wasserfälle sein? Auf der Fahrt zum 62 Meter hohen Skógafoss kommen wir an einigen Wasserfällen vorbei, die Boden nicht einmal erreichen. Sind das noch Wasserfälle, oder heißen die schon Wasserflüge? Oder Wasserwehen? Fragen über Fragen, die unbeantwortet bleiben. Am Skógafoss bleibt dann auch keine Luft mehr, um darüber nachzugrübeln: Die windige Treppe, die am Wasserfall entlang führt, raubt einem noch mehr den Atem als es der Anblick des Wasserfalls tut.

Trotzdem: Der Aufstieg lohnt sich, auch wenn man nicht die Acht-Stunden-Rundwanderung zum Eyjafjallajökull auf sich nimmt. Hier kann ich auch wunderbar die Frage beantworten, was ein Polfilter macht: Er kann Regenbögen verschwinden lassen. Die Frage “Warum sollte ich das wollen?” bleibt ebenfalls unbeantwortet:-)

(Das ist natürlich nicht der Sinn eines Polfilters. Er reduziert vor allem Spiegelungen auf Wasser, das so durchsichtiger wird oder keine Glanzpunkte mehr setzt – vor allem an bedeckten Tagen ist das sehr nett. Er kann auch blaueren Himmel machen oder Reflexionen an Glasscheiben reduzieren, nur bei extremen Weitwinkeln ist er bei klarem Himmel überfordert – er funktioniert nicht in jeder Himmelsrichtung gleich gut, sondern ist vom Einfallswinkel des Sonnenlichts abhängig.)

4 km bis zum Flugzeugwrack. Schade.

4 km bis zum Flugzeugwrack. Schade.

Am Skógafoss ist dann auch Zeit für das Mittagessen. Auf der Speisekarte stehen typisch isländisch wieder einmal Burger. Gut, dass ich kein Vegetarier bin, sondern das einheimische Essen genießen kann.

Das nächste Fahrtziel fällt flach: Auf dem schwarzen Strand von Sólheimasandur liegt seit 1973 das Wrack einer Douglas DC-3. Allerdings ist der Strand Privatbesitz und mittlerweile für PKW gesperrt. Für den 4 km langen Fußmarsch haben wir keine Zeit, aber der vollgestellte Parkplatz deutet darauf hin, dass das Wrack gut besucht sein dürfte. Verständlich, dass das Wrack nicht mehr mit dem Auto erreichbar sein soll, damit dort wenigstens noch etwas Ruhe ist.

Wir fahren stattdessen weiter bis zum Leuchtturm von Dyrhólaey in 120 m Höhe. Mein Reiseführer rät Wohnmobilen über VW-Bus-Größe von der Fahrt ab, ich fand das Allrad-SUV ganz passend für die Route. Nach der holprigen Auffahrt dürfte in jedem Wohnmobil erst mal Aufräumen angesagt sein…

Der Ausblick lohnt sich: Auf der einen Seite das schwarze Sólheimasandur, auf der anderen Seite noch mehr schwarzer Sand bis hin zu den Felsnadeln des Reynisdrangar im Meer.

Ein Stop jagt den nächsten: Vom Leuchtturm geht es herunter zum nächsten Parkplatz, für Fotosession und Essenspause (wofür hatten wir heute früh schließlich Proviant in der Bäckerei besorgt), und dann runter zum schwarzen Strand bei Vík í Mýrdal. Dort laufen gerade Dreharbeiten für einen Film, daher ist ein Teil der Küste gesperrt – wir nutzen die Zeit für Gruppenfotos, bevor wir ein Stück entlang der Basaltstrukturen wandern können, bevor die Flut kommt. Die Reynisdrangar-Felsen im Wasser sind eine eindrucksvolle und viel fotografierte Kulisse, aber der Weg durch die Lava-Kiesel ist anstrengend. Vor Flutwellen möchte ich hier wirklich nicht weglaufen.

In Vík í Mýrdal wird nur kurz Halt gemacht: Tanken (geht nur mit Kreditkarte, Menschen arbeiten an den isländischen Tankstellen keine – und Tankquittungen kriegt man auch kaum aus den Automaten raus) und shoppen – Icewear hat hier einen großen Fabrikverkauf und ist günstiger als der Laden bei den Geysiren gestern. Leider ist nichts im Angebot, was mich reizen würde, auch wenn die Qualität stimmt.

Die Metropole mit fast 300 Einwohnern verlassen wir rasch, um später ins Gelände abzubiegen. Fjaðrárgljúfur heißt das nächste Ziel, eine zwei Kilometer lange Schlucht, die bis zu 100 Meter tief ist. Imposant. Ein paar von uns wandern bis zum Ende der Schlucht, während die Drohne einen Einsatz hat und die Schlucht von oben und innen erkundet. Krasse Bilder, der Preis für das Extragepäck hat sich gelohnt. Wow. (Vielleicht veröffentlichen wir sie mal. Vielleicht auch nicht.)

Am Fjaðrárgljúfur trennen sich dann unsere Wege: Ein Wagen fährt schon einmal voraus zum nächsten Hotel, während Drohne und Wanderer noch unterwegs sind. Bis wir dann auch aufbrechen, zeigt ein Blick auf die Uhr, dass wir uns auf die Suche nach einem Abendessen machen sollten – die meisten Restaurants schließen schon um 21 Uhr, und das Hotel Núpar liegt ziemlich im Nirgendwo. Die Lösung: Eine Pizzeria (endlich kein Burger!) in Kirkjubæjarklaustur. Nach einiger Wartezeit bekommen wir sogar Sitzplätze für sieben Leute. Das Essen ist okay, wenn auch recht würzig. Warnung: Die große Pizza ist groß.

In Kirkjubæjarklaustur trennen sich unsere Wege erneut: Ein Wagen steuert das Hotel an, ich kann meine Mitfahrer zu einem Besuch am Kirkjugólf überreden, dem Kirchenboden – eine ganze Reihe von Basaltsäulen enden hier auf Bodenhöhe und erinnern an den Boden einer Kirche. Sie sind aber eine rein natürliche Formation, auch wenn es hier einst Mönche gab. Auf dem Weg dahin sehen wir einige isländische Ziegen, die sich für die Nacht in ihren unterirdischen Bau zurückziehen (zumindest erscheint es so?) und das Grab von Hildir – als der heidnische Wikinger in das Gebiet der Mönche ziehen wollte, fiel er der Überlieferung nach tot um und wurde in einem Grabhügel bestattet.

Nächstes Ziel: Dverghamrar, ein paar Kilometer weiter neben einer Kuppe. Die Zwergenklippe ist eine weitere Basaltformation, die von einem recht engen Durchgang durchschnitten wird. Eine Hinweistafel erinnert daran, dass sich um diesen Ort wohl viele Sagen ranken, die mittlerweile allesamt vergessen sind – aber 1904 soll das Mädchen Ólafia Pálsdóttir dort wunderschönen Gesang gehört haben, die Hymne “Vater im Himmel” (Faðir á himna hæð). Es waren wohl christliche Lichtelfen, die da sangen. Gesang hörten wir keinen, aber dafür den Ruf der Natur, sodass wir uns recht bald auf die letzte Etappe machten, zu Hotel mit allem Komfort der Zivilisation.

Island im Tiefflug, Teil 1

Island im Mai 2016 – die Reiseroute anhand der GPS-Daten der Bilder

Island im Mai 2016 – die Reiseroute entlang der Ringstraße anhand der GPS-Daten der Bilder

Es ist vollbracht und schon wieder viel zu lange her: Eine Woche Island auf der Ringstraße, zehn Leute, drei Autos und 2400 km in sieben Tagen. Eigentlich genau die falsche Art, um Island zu erkunden, aber was soll’s: Für einen ersten Eindruck langt es, wobei die Flut von Eindrücken auch erst einmal verarbeitet werden muss. Von der Bilderflut mal ganz abgesehen…

Der Reisetermin war die letzte Maiwoche, eingekeilt zwischen den ATT in Essen und den Beginn der isländischen Urlaubssaison Anfang Juni, um noch einigermaßen erschwingliche Preise mitzunehmen. Den Flug führte Eurowings ab Stuttgart durch: Gut 3,5 Stunden mit -2 cm Beinfreiheit. Zum Glück war die Maschine nicht ausgebucht und man durfte sich umsetzen, ansonsten wären Stehplätze bequemer gewesen… Im Prinzip war es ein Nachtflug: Abflug zu Beginn der Nacht gegen 22:00 in Stuttgart, Ankunft im Hellen gegen Mitternacht in Keflavík. Beeindruckend, wie es immer heller wurde, je weiter es nach Norden ging. Ich weiß ja im Prinzip, dass es jetzt schon an der Ostsee kaum dunkel wird, aber es ist schon beeindruckend, am Abend über Heilbronn den den Mond über den Wolken zu sehen und gegen Mitternacht dann aus dem Flugzeug erstmals die Mitternachtssonne. Vom Boden aus blieb sie dann zwar wieder unter dem Horizont, aber es war immer noch helle Dämmerung. Kein Wunder, dass die Isländer sich den Ärger mit der Uhrenumstellung zur Sommerzeit sparen.

Keflavík ist ein schöner, sauberer Flughafen, und die Autovermietung nur ein paar hundert Meter weit weg – da wir reserviert hatten, holte uns ein Shuttleservice ab; und nachdem der Papierkrieg endlich erledigt war, hatten wir dann drei Autos zur Verfügung: Einmal Chevrolet Captiva und zweimal SsangYong Rexton. Nie vorher gesehen, aber überraschend bequem und geräumig. Über großzügige Kreisverkehre und gut ausgebaute Straßen ging es dann zum Hotel; die Abenddämmerung ging schon in die Morgendämmerung über – Zeit für Feierabend.

Tag 1 – Golden Circle – 250 km

Der Tag begann mit einem überschaubaren, aber guten Frühstücksbuffett inclusive einem glutenfreien Toaster. Seit wann sind Glutenunverträglichkeiten eigentlich so in Mode gekommen?

Zum Auftakt steht der Golden Circle auf dem Programm, und wir trennten uns erst einmal: Bei meinem Auto leuchtete das  Check-Engine-Lämpchen nach ein paar Kilometer Fahrt auf, und während die eine Gruppe zu heißen Quellen aufbrach, besuchte ich nochmal Sixt und tauschte das Auto gegen einen fast brandneuen Rexton. Keine schlechte Entscheidung bei der Fahrtstrecke, die noch vor uns lag, und er fuhr auch deutlich ruhiger…

Der Island-Ponytrail zum Þingvellir

Der Island-Ponytrail zum Þingvellir

Der nächste Treffpunkt, an dem wir die Gruppe wiedersehen wollten, war Þingvellir. Kein Problem, wofür hat man ein Navi? Ganz einfach: Um nach endlosen Kreisverkehren rund um Reykjavik die Straße rechts zu verlassen und nach einigen Feldwegen den alten Islandponytrail zum Þingvellir zu finden… Ich habe ja nichts dagegen, offroad zu fahren, aber nicht wenn die Steine auf dem Weg deutlich höher sind als die Bodenfreiheit des SUVs.

Die alte Straße war trotzdem eindrucksvoll: Wir hatten alle Touris hinter uns gelassen und waren allein in der kargen isländischen Landschaft, an irgendeinem tieferen Graben. Sogar das Wetter war okay: Der Regen hatte aufgehört, und es war einfach nur ruhig und leise. So etwa habe ich mir Island vorgestellt, wenn auch vielleicht noch mit etwas mehr Feuer und Eis. Trotzdem hieß es umkehren und den asphaltierten Straßen folgen, bis mein Navi mir eine neue, landschaftlich weniger reizvolle Route vorschlug.

Wir treffen die anderen dann am Þingvellir, wo die Parkplätze mittlerweile mit Parkticket-Automaten ausgerüstet wurden. Noch sind sie nicht in Betrieb, aber mit der Hochsaison dürfte sich das ändern.

Das Þingvellir ist historisch bedeutsam, weil hier das Parlament tagte und wichtige Entscheidung traf – die Übernahme des Christentums zum Beispiel, und welche Männer geköpft wurden und welche Frauen im Fluss ertränkt. Raue Sitten. Heute ist es eher geologisch bedeutsam, da hier Europa und Amerika immer weiter auseinanderdriften (das Flachland ist neues Land, wegen Wolken war für uns nur eine Kontinentalplatte sichtbar).

Ein Wasserfall im Nirgendwo

Ein Wasserfall im Nirgendwo

Unser Rundweg führte vom Öxarárfoss an den steilen Basaltwänden der Allmännerschlucht entlang zum Gestastofa Besucherzentrum, und da es langsam wieder zu regnen anfing bald weiter zu den Autos, nach einem Blick über den Grabenbruch. Nächster Halt: Erst ein See und dann ein Wasserfall irgendwo im Nirgendwo, aber auch hübsch.

Und weiter geht’s zu den Geysiren in der Region Haukadalur. Bei der Gelegenheit: Mittagessen, und eine Begegnung mit der zu Recht nicht berühmten isländischen Küche. Es gibt keinen vergammelten Hai oder flambierten Hammelkopf, sondern etwas viel typischeres: Burger und kalte Chicken Nuggets. Ich beginne zu verstehen, warum einige Urlauber ihr eigenes Essen mitbringen… Ans Restaurant ist ein riesiges Outdoor-Geschäft angeschlossen, für alle, die die falsche Kleidung mitgebracht haben, aber die eigentliche Show ist auf der anderen Straßenseite: Die Geysire. Ein gewisser Schwefelgeruch ist nicht zu ignorieren, und die Landschaft wird unwirklich: Zahlreiche Dampfwolken steigen aus dem Boden auf, der in vielen Gelbtönen schimmert. Alle paar Minuten schleudert der Strokkur-Geysir Wassermassen in die Luft, während er von den Schaulustigen umringt wird. Wie mag das hier erst zur Hochsaison abgehen? Der Namensgeber der Geysire, der Stori Geysir, liegt ein paar Meter weiter und bricht nur sporadisch mal aus – warten lohnt sich nicht.

Das Ödland des Haukadalur ist faszinierend – eine karge, braun-bunte Landschaft mit zahlreichen kleinen Wasserläufen und Seen, die trotzdem nicht zum Verweilen einlädt. Also weiter geht’s, nachdem die Ausbrüche des Strokkur ein paar Mal gefilmt und geknipst wurden. Seine aufsteigende Wasserblase war zu erwischen, während die weiße Wasserfontäne vor dem grauweißen, dichtbewölkten Himmel wenig her gibt. Die tiefblaue Blesi-Thermalquelle ist da schon lohnenswerter.

Nächster Stopp, nachmittags gegen halb fünf: Gullfoss, der “Goldene Wasserfall”, der sich in zwei Stufen in eine Schlucht ergießt. Bei Regen eine nasse Angelegenheit, aber eine erste Chance, mal mit den ND-Filtern zu spielen, die ich eingepackt habe. Es stimmt: Wenn man Cokin-Filter stapelt, kriegt das Bild einen Braunstich. Aber bei einer Fünftel Sekunde verschwimmt alles schon ganz nett, und der Regenhimmel erinnert mit etwas Bildbearbeitung fast an eine Nachtaufnahme.

Der Tross drängt weiter, aber das Wetter macht auch keine Lust auf Fotoexperimente (eher auf eine Küchenrolle, um die Kamera wieder trocken zu legen), also geht’s weiter. Überlassen wir den Gullfoss den anderen Touris; wobei der Andrang noch überschaubar war. Nächstes Ziel: Das Hotel in Selfoss.

Der Kerið

Der Kerið

Auf dem Weg dahin wird nochmal Halt gemacht: Linkerhand ist ein Parkplatz, eines der vielen Hinweisschilder auf eine Sehenswürdigkeit und Leute mit Kameras – ein Grund, da auch hinzugehen. Uns erwarten ein Kassenhäuschen und der mit Grundwasser gefüllte Kratersee Kerið. Er entstand wahrscheinlich, als der Boden einbrach, und ist kein Vulkan- oder gar Meteoritenkrater – aber ganz sicher ist das noch nicht. Man kann oben herum gehen und bis zum Kratergrund heruntersteigen; der Weg ist teilweise ausgebaut – weitere Baumaßnahmen werden mit den Eintrittsgeldern finanziert. Hübsch, und dahinter verbirgt sich ein Wäldchen. Island soll ja langsam wieder aufgeforstet werden, nachdem die ursprünglichen Wälder von den Siedlern verarbeitet wurden.

Ampelsmiley

Ampelsmiley

Das Tagesendziel ist Selfoss. Hier zeigt sich: Island lohnt sich wegen der Landschaft, nicht wegen der Architektur. Die Häuser sind einfach und nicht unbedingt schön, zumindest von außen. Die größte Sehenswürdigkeit sind die Ampeln…

Dafür kann man sich noch einmal an das Preisniveau gewöhnen: Eine Flasche Pepsi kostet so viel wie eine Flasche Wasser (und ist mit den Preisen am Stuttgarter Flughafen im Duty-Free-Bereich durchaus konkurrenzfähig), und das Abendessen im Restaurant Tryggvaskali ist teurer als eine Tankfüllung. Fairerweise ist es das Geld aber auch wert. Der Lachs war hervorragend, das Skyr war okay, wenn auch etwas wenig – das Eis dazu wurde großzügiger portioniert. Das Restaurant selbst von außen unscheinbar, aber innen urgemütlich. Auch die No-Fish-Fraktion wird auf der Speisekarte fündig. Ich sag nur Tenderloin… Es gibt also doch gutes Essen in Island.

Und das Hotel? Bequem, mit Free WiFi und noch im Umbau. Frühstück war keins inklusive, dafür gab es ein nettes Kaffeebuffet. Sehr angenehm übrigens in Island: Wasser gibt’s im Restaurant eigentlich immer gratis, auch wenn man manchmal nachfragen muss. Und es ist Trinkwasser; das Leitungswasser in der Region trägt deutliche Spuren von Schwefel…