Der Tag beginnt viel zu früh: gegen halb sechs sind wir in Måløy. Davon kriege ich zwar eigentlich nicht viel mit, aber es ist wohl das Pfeifen und Quietschen der Ladeluke, das ich um die Uhrzeit höre. Und wenn ich schon wach bin, kriege ich auch mit, dass in der Folgezeit gut Bewegung im Schiff ist: Wir umrunden das Westkapp mitten in der Nacht, aber es sind doch einige Wellen – nicht schlimm, aber ein regelmäßiges Auf und Ab, das das Wiedereinschlafen erschwert. Erst als ich gegen halb acht in der Dusche bin, hört es schlagartig auf.
Wir haben feste Frühstückszeiten, um eine Überfüllung des Restaurants zu vermeiden – von 7:00-8:30. Aber erwartungsgemäß bedeutet das, dass von den Teilnehmern der ersten Sitzung fast alle erst kurz nach 8 Uhr auftauchen (man hat ja Urlaub), dementsprechend gedrängt geht es zu. Ein bisschen mulmig ist einem da schon.
Also wird nicht zu lange gefrühstückt, und dann der Morgenhimmel genossen: Wir erreichen Torvik fast pünktlich gegen halb neun, und der Himmel zeigt sich mit einer prächtigen Morgendämmerung. Dazu der verschneite Hafen – schön!
Der geplante Aufenthalt in Torvik beträgt nur 10 Minuten – gerade lang genug, um zwei Paletten und ein Auto auszuladen. Früher konnte man hier sogar noch kurz von Land gehen, aber während Corona wurde der Winter-Fahrplan geändert. Jetzt legen wir schon um 20:30 in Bergen ab statt wie früher um 22:30, was das ganze etwas stressiger macht. In der Zeit von Frühjahr bis Herbst lohnt sich das sogar, weil es dann Abstecher in den Geiranger- oder den Hjørundfjord gibt; im Winter liegen wir stattdessen über 10 Stunden in Ålesund.
Für uns bedeutet das ein anderes Programm als in den letzten Jahren: Statt den Vormittag für die Willkommensveranstaltung zu nutzen, in der unsere Reiseleiter Margit und Andreas sowie Volker und ich als Lektoren und vorstellen, bevor wir Ålesund erreichen, kommen wir schon um 9:45 in der Jugendstilstadt an. Da es Ausflüge gibt und man nie weiß, wer da alles wann teilnimmt, können wir da natürlich kein Programm anbieten. Dafür gibt es die erste Reiseleitersprechstunde mit Ausflugstipps und Tipps zu Ålesund, und wir klären mit dem Schiff unsere Vortragstermine ab. Sowas klappt leider nie im Voraus und muss an Bord gemacht werden. Aber auch wenn der Bordreiseleiter Onkel Heinz wieder volles Programm fährt, finden wir auch noch Termine. Tja, und dann haben wir noch 10 Stunden Liegezeit in Ålesund zu füllen. Ich komme mir vor wie auf einem Kreuzfahrtschiff und nicht wie auf der Hurtigrute…
Daher gehen wir ganz entspannt auf Einkaufstour, statt einen der Ausflüge zu machen, die angeboten werden (die 8-Stunden-Fahrt zur Trollwand findet übrigens diesmal nicht statt). Das erste Ziel hat Margit ausgegraben: Der Korsatunnel, der unter dem Park mit dem Ålesund Museum hindurch führt. Er entpuppt sich als alter Schutzraum und ist überraschend groß, wenn auch nicht besonders lang. Aber er hat genug Platz für Verkaufsbuden, Autos und Straßenlaternen. Mal was Neues.
Und dann? Wir trennen uns, ich peile den Aussichtspunkt hinter der Kirche an, bevor es in den Kremmergården geht. Da oben war ich auch noch nie, und es ergibt sich mal ein anderer Blick auf Ålesund. Auf dem Weg geht es durch das Jugendstil-Stadtzentrum, und zur Otto Sverdrup: Die ehemalige MS Finnmarken fährt heute keinen Liniendienst mehr, sondern “Expeditionsreisen” ab Hamburg. Wir hatten sie gerade noch auf der anderen Seite von Ålesund einfahren sehen, und zumindest einen Abstecher dorthin gönnen wir uns. Da sie keine Fähre mehr ist, könnten wir sie aber nicht einmal besuchen, wenn gerade keine Corona-Regeln wären…
Ein bisschen nostalgisch wird man da ja: Sie liegt fast dort, wo die normalen Hurtigrutenschiffe angelegt hatten, als ich mit den Touren angefangen hatte. Unser aktueller Anleger ist erst ein paar Jahre alt.
Da uns der Zugang zur Otto Sverdrup verwehrt ist, geht es also hoch zur Kirche, dann an der prominenten gelben Schule vorbei zum Aussichtspunkt Storhaugen. Hübsch.
Der Rückweg ist auf den tief verschneiten, steilen Straßen teils etwas sportlich und führt über das Stadtzentrum zum Kremmergården. Noch einmal entspannt erste Weihnachtseinkäufe tätigen, während in Deutschland 2G+ eingeführt wird. A propos: Wir sind die letzten, die noch halbwegs entspannt nach Norwegen kommen konnten: Seit heute muss man nach der Ankunft in Norwegen einen Corona-Schnelltest machen. Uns langte noch der Impfnachweis und für das Boarding ein Corona-Test vom Vortag.
Nach gut zwei Stunden war dann das normale Besuchsprogramm abgehakt. Für mich ist das der erste so lange Aufenthalt in Ålesund, meine letzte Chaos-Tour im Oktober hatte ja wegen Motorschaden am Flugzeug erst abends in Ålesund begonnen.
Und jetzt? Die Beute auf’s Schiff bringen. Am Hafenbecken noch ein paar schnelle Standard-Fotos, und ein paar ungewöhnliche: Am Hafenbecken stehen beheizte Bänke, und die Tauben freuen sich, dass in Norwegen einige Gehwege ebenfalls beheizt sind. Wir gönnen uns auf dem Schiff das erste Eis der Route, bevor es weiter geht. Im Multe-Cafe auf Deck 7 sitzt immer noch der mitgenommene arme Schiffshund, der mir von meiner letzten Fahrt auf der Kong Harald noch im Gedächtnis geblieben ist. Mittlerweile hat er ein neues Auge erhalten, immerhin.
Natürlich müssen wir noch den Hausberg Aksla in Angriff nehmen. Der Plan war, kurz nach 14 Uhr aufzubrechen, um den Sonnenuntergang mitzunehmen. Das mit dem Sonnenuntergang klappt prinzipiell, wir sind gut in der Zeit, nachdem wir die über 400 verschneiten Stufen erklommen haben. Nur mit blauer Stunde wird das nichts – dank der flach stehenden Wintersonne dauert es noch bis zur Dämmerung, und in Ålesund sind noch keine Lichter an.
Der Rückweg führt uns durch den verschneiten Wald und ist gut machbar, bis die zugeschneite Treppe in die Stadt kommt. Zum Glück ist ein Norweger schon halb damit fertig, sie zu räumen, und wir müssen nur noch eine steile Straße heil herunterkommen, bevor wir wieder in der Stadt sind. Dort erwartet und das Waldehus, das vom Stadtbrand verschont bliebt – es ist somit eines der wenigen klassischen Holzhäuser, während der Rest der Stadt im Jugendstil neu aufgebaut wurde.
Außerdem kommen wir an der Stelle vorbei, die 2019 noch eine Baugrube war und wo heute das Stadtbad steht. Großer Bau und kurze Bauzeit. Die warme Abluft des Hallenbads könnte man genießen, wenn sie nicht so chlorgeschwängert wäre…
Bevor es zum Schiff zurück geht, machen wir noch einen Abstecher zum Ålesund Museum, das einen weiteren hübschen Aussichtspunkt auf die Stadt hat.
Damit ist 15:30, und wir haben eigentlich alles wichtigen fußläufig erreichbaren Sehenswürdigkeiten gesehen (und, zugegeben, auf das Mittagessen um 12 Uhr verzichtet). Na dann: Feierabend, zurück zum schiff und unsere Willkommensveranstaltung um 20:45 vorbereiten. Um 18 Uhr steht das Abendessen auf dem Programm: Unsere Sitzung ist im hinteren, voll besetzten Teil des Restaurants. Es zieht sich – wir können wieder zwischen drei verschiedenen Vor-, Haupt- und Nachspeisen wählen, aber bis zum Nachtisch dauert es über eine Stunde. Das ging im Oktober schneller…
Aber es langt noch gut bis zu unserer Willkommensveranstaltung, bei der wir uns endlich unseren Gästen vorstellen und erste Tipps geben. Den Abend lassen wir gemütlich ausklingen. Molde erreichen wir etwas verspätet kurz vor 23 Uhr, damit ist der Aufenthalt zu kurz, um von Bord zu gehen. Noch schnell ein Handy-Foto vom Scandic-Hotel, und dann ist endgültig Feierabend – Polarlichtaktivität wäre zwar da, aber die Wolken sind stärker.