In manchen Wochen ist einfach zu viel los, und dann ist das noch komplett surreal. Vorgestern war ich noch in Bayern, meinen Zweitwohnsitz aufgeben (schade eigentlich, war doch sehr gemütlich, aber dank Corona brauche ich ihn nicht mehr), wo ich beim Wintereinbruch dann auch prompt mit dem Auto im Schnee stecken geblieben war.
Gestern stand kurzfristig noch ein Corona-Schnelltest auf dem Programm, weil in Deutschland die Inzidenz in den Himmel schießt und nur noch durch den Mangel an Testkapazitäten gedeckelt wird. Und heute bin ich schon in Norwegen auf der Hurtigrute. Im Oktober war hier ja noch alles sehr entspannt, mittlerweile steigen die Zahlen hier auch. Also ist der digitale Impfpass (den bei der Einreise keiner sehen wollte, auch am Flughafen nicht) ebenso im Gepäck wie die Einreiseerklärung für Norwegen (die erst recht keiner sehen wollte). Erst beim Boarding am Schiff kamen Covid-Test, Impfnachweise und die Online-Selbsterklärung fürs Schiff zum Einsatz (die in der Mail von Hurtigruten mit einem falschen Link verknüpft war).
Aber der Reihe nach. Mein erster Tagespunkt war die Fahrt nach Stuttgart, diesmal mit einem früheren Flieger: 9:45 Abflug, also gegen 7:45 am Flughafen. Bei einer Stunde Anfahrt plus etwas Karenzzeit heißt das früh aufstehen. Aber ich kenne den Dauerstau auf der A8 bei Pforzheim ja (bis 2026 wird die sechsspurig ausgebaut – damit weiß der geneigte Leser, worüber ich die nächsten Jahre bei der Anfahrt jammern werde) und weiß, dass ich die beiden rechten Spuren wegen LKW-Stau meiden muss. Auf der linken Spur ging’s dann doch ganz gut, sodass ich sogar 5 Minuten zu früh am Flughafen war, obwohl ich 15 Minuten früher als geplant losgefahren war. Das Wetter war vielversprechend.
Der KLM-Schalter war diesmal auch schon geöffnet, und ich wurde mein Gepäck los. Nach Impfung und Einreise-Formular für Norwegen wurde zwar gefragt, aber sehen wollte es wieder keiner. Nachdem das erledigt war, stand noch ein Anruf beim Covid-Testzentrum auf dem Programm: Mein Schnelltest-Ergebnis von gestern war immer noch nicht da, das ich für das Boarding vom Schiff brauche – seit einiger Zeit wird ein maximal 24 Stunden alter Test vorausgesetzt. Um 19:25 war ich testen, das langt gerade so. Gestern gab’s wohl technische Probleme, wenig später war die EMail da – wie erwartet negativ, die Reise kann also starten. Die Security interessierte sich diesmal statt für meine Kamera für meine Schuhe, mal was Neues.
Und dann war ich am Gate, eine Stunde vor Abflug. Nicht schlecht. Und die Maschine war auch pünktlich da! Wir starteten pünktlich mit einem nur zu einem Drittel besetzten Flieger. KLM weißt die Sitzplätze ja automatisch zu, aber manchmal kann man auch ohne Aufpreis den Sitzplatz ändern – bei 55 Minuten Aufenthalt in Amsterdam suchte ich mir einen Platz so weit vorne, wie ohne Aufpreis möglich. Den Aufpreis wollte wohl niemand bezahlen, also war das innere Drittel der Maschine dicht an dicht besetzt (acht oder zehn voll besetzte Reihen), der Rest war leer, und dazu gab es die Aufforderung, sich nicht umzusetzen, wegen der Gewichtsverteilung. Immerhin wurde beim Aussteigen dann darauf hingewiesen, doch bitte jetzt Abstand zu halten. Man hätte die Passagiere ja auch mit mehr Abstand platzieren können…
Viel mehr gibt’s über den Flug nicht zu berichten, außer dass ich die Bordverpflegung lieber einsteckte statt im Flugzeug die Maske abzunehmen. Und das Wetter wurde schlechter.
Das Wetter wurde erst besser, dann schlechter, und etwa zwei Stunden später (wegen Gegenwind mit 20 Minuten Verspätung) landete ich gegen 14 Uhr in Bergen – sogar mit meinem Köfferchen!
In Bergen suchte ich dann Margit und Andreas, unsere beiden Reiseleiter – alte Bekannte, die den fast kompletten Zusammenbruch der Tourismusbranche auch irgendwie überlebt hatten. Wir sind ja alles Freiberufler, die nur für die Reisen angeheuert wurden. Staatliche Unterstützung gab’s da keine. Umso schöner war es, die beiden wieder zu sehen. Dann noch ein paar organisatorische Sachen klären, und irgendwann kam dann auch unsere Gruppe aus Amsterdam nach. Wir fingen alle ab (ein paar hatten storniert, aber wir tragen immer noch mit rund 40 Gästen zu den gut 200 Passagieren des Schiffs bei), und es blieb bei Abfahrt um 18 Uhr noch Zeit für eine kleine Stadtrundfahrt durch das nächtliche, weihnachtlich beleuchtete Bergen, bevor es auf das Schiff ging.
Erstmals musste jeder selbst einchecken, nachdem er den Covid-Test vorgezeigt oder nachgeholt hatte. Margit nutze die Zeit, um mein Buch unter die Leute zu bringen (bei den Nordlicht-und-Sterne-Touren gehört es dazu, alle anderen müssen es so kaufen). Im Terminal gibt es jetzt eine Lounge mit Vortragsraum, in dem die Sicherheitsunterweisung stattfindet (endlich nicht mehr an Bord, wo eh keine Zeit dafür ist), und dann ging es endlich an Bord.
Dank der letzten Fahrplanänderung ist der Bergenabend leider sehr hektisch: Es gilt, die Kabine zu beziehen, sich zurechtzufinden, zu Abend zu essen (wir haben jetzt wieder morgens, mittags und abends feste Essenszeiten), die Infoveranstaltung vom Schiff anzuhören, die um 20 und 21 Uhr auf Deutsch stattfand – aber diesmal, ohne dass die Crew sich vorstellt – kein Wunder, denn um 20:30 legen wir schon ab, da hat der Captain anderes zu tun. Und wir müssen natürlich noch Termine abklären. So richtig die Abfahrt genießen ist da nicht mehr drin. Ablegen um 22:30 war da sehr viel entspannter.
Zwei Neuigkeiten fallen aber doch auf, als Volker und ich die Abfahrt an Deck mitmachen: Das Hurtigrutenterminalen heißt jetzt Jekteviksterminalen. Und gegenüber liegt die Havila Capella, die eigentlich gestern zu ihrer Jungfernfahrt hätte aufbrechen sollen. Die Havila-Reederei übernimmt irgendwann vier der elf Abfahrten entlang der Hurtigrute, die jetzt Kystrute heißt, da Hurtigruten AS die Namensrechte am Begriff Hurtigrute hat. Eigentlich sollte Havila schon sei langem unterwegs sein, aber Corona hat das alles verzögert, und die Capella wurde als erstes von vier Schiffen jetzt erst fertig.
Ach ja, eins noch: Es ist ziemlich frisch, und Nordnorwegen ist im Lockdown – also im Snowdown, es hat ordentlich geschneit, und zum Beispiel in Bodø fahren deshalb gerade keine Busse mehr. So viel Schnee so früh im Jahr ist selten, und kommt nach dem trockenen Sommer (der in Norwegen für hohe Strompreise sorgt, wie Margit erzählt hat, weil die Staudämme leer sind) auch eher überraschend. Deutlich zweistellige Minusgrade entlang der Route sind auch für mich neu – mal sehen, wie lange die Kamerakkus durchhalten. A propos: Auspacken muss ich auch noch, die Bilder heute sind alles Handy-Bilder, daher die teils suboptimale Qualität. Neuer Kamerarucksack, der etwas enger ist, sodass die Kamera drin blieb…
Immerhin: Während im Atlantik westlich der britischen Inseln Wellen von 16 Meter und mehr vorhergesagt werden, sieht es für uns und die Barentssee angenehm ruhig aus. Wenn jetzt noch die Wolken mitspielen… Am Westkapp könnte es morgen früh aber etwas holprig werden.
Wir werden sehen, für heute ist Schluss. Wir haben die erste Frühstückssitzung, 7:00-8:30. Bin gespannt, wie oft ich auf dieser Reise frühstücke…