Irgendwie geht die Reise südwärts immer schneller als die in den Norden – haben wir wirklich an diesem Morgen den Polarkreis überquert und die Polarnacht verlassen? Bei bestem Wetter und klarem Himmel wirkt natürlich alles gleich heller, und der leichte Schnee auf den Bergen hilft dabei noch mehr. Kein Wunder, dass das in der Heimat Neid erweckt, wenn ich fleißig Bilder twittere:-)
Etwa um 9:24 ist es voll auf dem Sonnendeck der Nordkapp, alle wollen einen Blick auf die Kugel auf der Insel Vikingen erhaschen. Jetzt, in der langen blauen Stunde, werden die Fotos auch etwas – nordgehend war das doch etwas anspruchsvoller. Die anschließende Zeremonie arktischer Tradition schenke ich mir (auch wenn der fischförmige Lebertranlöffel nun durch einen normaleren ersetzt wurde – ich habe weder den alten noch will ich mir den neuen verdienen) und verbringe noch ein paar Minuten mit meinem Laptop, bevor ich mir um 10:15 den Vortrag vom Schiff über nordische Mythologie anhöre. Unsere Expeditionsleiterin hat sich in Schale geworfen und gibt einen kurzen Überblick über den altnordischen Götterhimmel, bevor sie erzählt, wie Freyas Schmuck Brisingamen gestohlen und wiedergefunden wurde, und wie Thor seinen Hammer von Thrym wiederbekam. Thrym wurde am überzeugendsten dargestellt, war eine nette Erzählung.
Anschließend noch ein paar Gespräche, ein Blick auf Nesna und ein kurzes Mittagessen, bevor wir in Sandnessjøen anlegen. Am Kai gab es die Chance, handgemachte, echt norwegische Trolle zu kaufen statt der allgegenwärtigen chinesischen Massenware. Danach zog der Gebirgszug der Sieben Schwestern die Blicke auf sich. Wer wollte, konnte auf Deck 7 den Point of Interest anhören, aber auch vorne am Bug versammelten sich einige und fotografierten die Bergkette in Ruhe. Kurz nach Sonnenuntergang um 13:34 war auch die Sonne erstmals wieder zu erspähen (die Lichtbrechung in der Erdatmosphäre machts möglich) und nicht nur indirekt durch die beleuchteten Berggipfel und Wolken. Nett. Die Mørketid ist vorbei.
Danach rief die Pflicht: Reiseleiter- und Lektorenmeeting, um den Abschluss der Reise vorzubereiten. Schließlich sollen ja auch alle heil nach Hause kommen und es nicht auf eigene Faust probieren. Das hatten wir auch schon oft genug – aber wer die Gruppenreise bucht, muss sich kein Taxi zum Flughafen nehmen!
Anschließend blieb genug Zeit, um das Anlaufen von Brønnøysund noch ein wenig zu genießen. Es kommt mir heller vor als noch im November, aber das liegt wohl nur an den fehlenden Wolken. Etwa eine Stunde haben wir in der Stadt in der Mitte von Norwegen, da wir etwas verspätet aus Sandnessjøen aufgebrochen sind. Aber das langt für einen kurzen Gang durch das Einkaufszentrum, ein paar Fotos und ein Eis. Diesmal halte ich mich zurück und kaufe nichts, noch nicht einmal in der Buchhandlung. Langsam habe ich genug norwegische Bücher, die ich noch nicht lesen kann… Interessant finde ich nur, dass Game of Thrones unter Kinder- und Jugendbücher einsortiert ist…
Um 17 Uhr ruft das Schiff, nicht nur weil es pünktlich ablegt: Zur Abfahrt gibt es ein Glas Prosecco, um im Panoramasalon auf 125 Jahre Hurtigruten anzustoßen – die diesjährige Alternative zum Captain’s Dinner. Eine Dreiviertelstunde später folgt dann das Fünf-Gänge-Menü, das nach dem Hauptgericht jäh durch die Durchsage “Nordlicht” unterbrochen wird. Aber nach den letzten Tagen bleiben die meisten cool, während Hans und ich uns die Sache mal näher ansehen: Das Nordlichtoval ist als deutlicher, grauer Bogen zu sehen, aber für uns und unsere Gruppe mittlerweile nichts spektakuläres. Man hat ja mittlerweile Ansprüche, also geben wir den Gästen Entwarnung und sind zum ersten Nachtisch wieder im Restaurant.
Nach dem Abendessen ist der Bogen wieder abgeflaut, und in Rørvik erwartet uns dichter Nebel. Wir sind pünktlich im Hafen, aber die nordgehende Richard With hat Verspätung. Erst gegen 21 Uhr taucht sie aus dem Nebel auf – für einen kurzen Besuch an Bord langt es, aber die Schiffsbesuche lohnen sich kaum noch: Sie sieht fast genau so wie unsere Nordkapp aus. Schade – früher hatte jedes Schiff seinen eigenen Stil.
Ebenso traurig: Das war wohl eine der letzten Reisen meiner kleinen Reisekamera, der Panasonic Lumix LX100. Das Objektiv fährt nur noch widerwillig aus. Schade – mit Blende 1,7 war sie die ideale handliche Reise- und Nordlichtkamera, auch wenn der manuelle Fokus nicht immer ganz einfach war. Mal sehen, was der Markt so her gibt. Immerhin zeigt meine Nikon trotz aller Zeitraffer noch keine Verschleißerscheinungen bis auf ein wenig Rost durch das Seewasser. Mehr zu meiner Ausrüstung gibt’s übrigens hier.
Der Rest vom Abend nach dem Ablegen von Rørvik ist schnell erzählt: Er wurde wegen Nebel, Wolken und Sternen ohne Nordlicht in der Bar im Panoramasalon verbracht.