Hands on: 10Micron Leonardo Fernglas-Montierung

Zugegeben: Eigentlich würde ich jetzt gerne mit der Avalon M-Zero spielen – der Sommer fängt ja mit prächtigem Wetter an. Aber für die Heilbronner Sternwarte sind wir grad auf der Suche nach einem schönen Großfernglas in der 100mm-Klasse, und dazu gehört natürlich auch vernünftiger Unterbau. Eine Bino-Mount / Parallelogramm-Montierung hat mich schon immer gereizt, da gibt’s ja einige – zum Beispiel von Intercon Spacetec die Bino-Mount oder von Orion die Monster, die alle gar nicht mal so teuer sind. Das Problem ist nur: Das kleine “Monster” hat eine Traglast von 6,5kg, und bei der Bino-Mount gibt’s keine Angabe (aber immerhin 4 kg Gegengewichte). Süß.

Süß deshalb, weil ein schönes 100mm-Fernglas mit Schrägeinblick locker an die 10 kg auf die Waage bringt. Die Vixen HF2 wäre tragfähig genug, aber ist nicht so komfortabel höhenverstellbar – der Vorteil einer Parallelogramm-Montierung ist ja, dass ein Objekt immer im Bild bleibt, auch wenn man die Höhe verstellt. Das ist natürlich perfekt für die Öffentlichkeitsarbeit.

Die Leonardo mit einem ED80/600 und Herschelkeil.

Die Leonardo mit einem ED80/600 und Herschelkeil.

Und dann gibt’s noch die neue 10Micron Leonardo. Die ist weder billig noch klein, aber sehr solide. Als ich das erste mal davor stand, dachte ich auch: Was für ein Monster. Aber nachdem Orion seine kleine Montierung schon Monster nennt, muss das wohl was anderes sein. Leviathan? Eine freundliche Version von Jörmungandr, der Midgard-Schlange? Groß A’Tuin? Keine Ahnung, aber die Größe ist erst einmal respekteinflösend. Bleiben wir einfach mal bei Leonardo, der ist ja auch als Geistesgröße bekannt. Als Tragkraft sind 13,5 kg angegeben, das langt sogar für ein C8.

Im Frühjahr konnte ich sie zum Glück einmal ausleihen (auch, um sie in der Öffentlichkeit vorzuführen). Wenn man sie erst einmal aus dem Karton befreit hat, ist sie gar nicht mehr so erschreckend, und passt (wenn die Gegengewichtsstange abgeschraubt ist) problemlos quer in den hinteren Fußraum von meinem Auto. Das Gewicht ist auch okay – 13 kg laut Hersteller, ohne Gegengewichte. Es gibt genügend Griffmöglichkeiten, sodass man sie gut greifen und tragen kann.

Die Montierung ist ausgereifte Ingenieurskunst, die man selber sehen muss, um das Preisschild zu begreifen – oder man muss zumindest einmal darunter stehen. Bilder werden ihr nicht gerecht… Das Prinzip ist simpel: Genau wie bei einer Schreibtischlampe ist die Halterung für das Fernglas an zwei parallelen Armen befestigt, so dass ihre Lage auch bei Höhenänderung gleich bleibt. Damit das auch mit richtigen Großferngläsern funktioniert, sind hier gleich vier statt zwei Stangen verbaut. Eine massive Gegengewichtsstange sorgt dafür, dass das Gerät auch in der eingestellten Höhe bleibt, ohne dass eine Klemmung betätigt werden müsste. Soweit ginge das alles auch mit Baumarktmitteln – die Details und die Verarbeitung sind es, die ein Foto nicht vermitteln kann.

Klemmungen in der Mittelachse auf dem Stativ (für rechts/links) und für die Höhe sind eine Selbstverständlichkeit, und die großen Klemmgriffe sind sehr angenehm zu bedienen. Weniger selbstverständlich (aber naheliegend) sind das Paar aus zwei großen Griffen, um gesamte Halterung für Fernglas/Teleskop nach oben oder unten zu schwenken, und der Handgriff an dem Parallelogramm-Ausleger, um den ganzen Arm zu bewegen. Überhaupt nicht selbstverständlich ist das Gelenk an der Fernglasaufnahme, mit dem das Fernglas noch zusätzlich ein Stück weit nach rechts oder links geschwenkt werden kann – so kann ein Objekt zentriert werden, ohne dass gleich die ganze Montierung bewegt werden muss. Dadurch ist die Befestigung des Fernglases etwas ungewöhnlich: An der Schraube ist ein kleiner Zapfen, der in diese Feinverstellung greift. Zum Befestigen des Fernglases muss die Schraube angehoben und in den Stativadapter geschraubt werden, anschließend wird sie mit einer Kontermutter in der Platte der Feineinstellung gesichert. Das ist blöd zu erklären, funktioniert aber ganz gut.

Die 10Micron Leonardo mit einem 100mm-Fernglas auf dem TAN.

Die 10Micron Leonardo mit einem 100mm-Fernglas auf dem TAN 2014.

Kritisch wird es nur, wenn man auf diese Art alleine ein schweres 100mm-Fernglas chinesischer Fertigung auf der Schraube mit kleinem Fotogewinde befestigen will (der Montierung liegen zwei Befestigungschrauben bei, eine mit großem und eine mit kleinem Fotogewinde) und das Fernglas chinesischen Standards entsprechend das Stativgewinde so hahe an den Prismen hat wie bei kleineren Ferngläsern – dann lässt sich das Fernglas nämlich schon von Haus aus nicht ausbalancieren, und die Schraube zu treffen, wird etwas kniffliger.

Aber auch dafür gibt es eine Lösung: Wenn am Fernglas eh schon gebastelt werden muss, damit die Stativbefestigung am Schwerpunkt liegt, kann man es auch gleich mit einer Prismenschiene versehen. Und dann kann auch gleich noch eine Schnellklemme auf die Montierung geschraubt werden – dann ist das Fernglas ausbalanciert und die Montage leichter.

A propos leicht: Das Ganze muss natürlich noch ausbalanciert werden. Damit die Gegengewichtsstange nicht zu lang wird, ist sie kürzer als der Parallelogramm-Ausleger. Daher ist etwas mehr an Gegengewichten nötig, als die eigentliche Optik wiegt, und bei etwas größeren Optiken sind zusätzliche Gegengewichte nötig. Sehr praktisch: Die Montierung lässt sich über eine Schraube in der Horizontalen fixieren, sodass die Gegengewichte in aller Ruhe auf die Stange geschoben werden können. Dann wird die Schraube einfach herausgezogen und um eine Vierteldrehung gedreht, und schon ist die Montierung wieder frei beweglich.

Etwas ungewöhnlich (wenn man nur die kleineren Montierungen gewohnt ist) ist die Befestigung der Leonardo auf dem Stativ: Sie wird auf einen flachen, mitgelieferten Flansch geschraubt und nicht über eine Mittelschraube. Ich hatte zur Montierung noch ein T-Pod-Stativ von Baader, auf dem der Flansch einfach mit drei Inbusschrauben befestigt wird. Dann muss nur noch die Gegengewichtsstange an die Montierung geschraubt werden, die Montierung auf den Flansch gesetzt und mit drei griffigen Schrauben befestigt werden. Das geht recht komfortabel, wenn man den Ausleger über einem der Stativbeine positioniert, dann kann nichts umkippen.

Um die Montierung auch auf vorhandenen, stabilen Stativen mit EQ-Anschluss zu verwenden, gibt es von Baader den Flanschkopf #245 1145 für Celestron/NexStar – er müsste auch mit dem Ansatzflansch der Leonardo kompatibel sein. Die Chancen sind sehr gut, dass ich das diesen Sommer noch ausprobieren werde…

Die Leonardo im Einsatz - mit einem ED80-Refraktor und Herschelkeil in der Fußgängerzone.

Die Leonardo im Einsatz – mit einem ED80-Refraktor und Herschelkeil in der Fußgängerzone.

Und wie ist sie im Feldeinsatz? Sie ist natürlich keine Montierung, die man zusammen mit dem Fernglas immer im Auto hat, um mal schnell einen Blick in die Sterne zu werfen – die Höhenverstellung lohnt sich vor allem dann, wenn mehrere Leute durch das Fernglas schauen sollen. Ihren ersten Test hatte sie im April bei der Veranstaltung “Kinder Kinder” in der Heilbronner Fußgängerzone. Da waren wir als Sternwarte natürlich auch vertreten, und die Leonardo war ein genialer Kundenfänger:-) Aber sie hat nicht nur als Blickfang funktioniert: Wir hatten einen ED80 mit Herschelkeil drauf gesetzt und konnten so jedem gefahrlos die Sonne zeigen. Nachführung/Einstellen war über den Sonnensucher vom Baader-Herschelkeil auch kein Problem und immer wieder nötig: Wer schon einmal Kinderführungen gemacht hat, weiß, dass da atombombensicher gebaut werden muss. Die Leonardo hatte mit grober Behandlung durch Kinderhände keine Probleme, aber sobald das erste Kind sich mit beiden Händen an das Okular hängt, wird die Montierung natürlich erst einmal verstellt. Also musste immer wieder nachgestellt werden. (Wieder mal meinen großen Respekt vor allem, die mit Kindern arbeiten!)

Vom kleinsten Besucher bis zum größten konnte so jeder bequem einen Blick in das Teleskop werfen. Für den kleinen Refraktor hatten wir uns übrigens nicht nur wegen der Sonnenbeobachtung entschieden, sondern auch, weil so nicht jedes mal der Augenabstand vom Fernglas verstellt werden musste – für Erwachsene ist das kein Problem, aber bei einer Kinderveranstaltung ist oft schon der Blick in ein Einzelokular anspruchsvoll genug.

Eine Woche später waren die Taubensuhler Astronächte der Kollegen aus Bellheim, wo die Montierung ihren ersten Einsatz unter dem Sternenhimmel hatte. Auch hier hatte sie Eindruck geschunden (erste Zweifel, ob sie ein 100mm-Fernglas überhaupt trägt, waren nach dem ersten Blick auf die Leonardo in voller Lebensgröße beseitigt) und sich bewährt. Auch bei etwas höherer Vergrößerung wurde das Fernglas noch ordentlich getragen, der Farbfehler und später der Tau auf den Linsen hat da mehr bei der Beobachtung gestört.

Tja, und das Fazit?

Wenn man die Leonardo mal live gesehen hat, überzeugt sie sehr schnell. Eigentlich hatten wir für dieses Jahr die Anschaffung eines iPads für unsere Führungen, aber jetzt wird es doch erst einmal die Leonardo mit einem Großfernglas. Sorry, Apple… Ab Spätsommer wird sie dann wohl auf einer unserer Sandsteinsäulen auf der Plattform zum Einsatz kommen, und dann kann ich auch mal den erwähnten Adapterflansch für andere Stative ausprobieren.

2 thoughts on “Hands on: 10Micron Leonardo Fernglas-Montierung

  1. Ein sehr interessantes Gerät, das wohl so einige Preisklassen sprengen dürfte 🙂
    Gibt es die Möglichkeit, die eingefangenen Bilder festzuhalten um einmal eine Vorstellung davon zu bekommen, in wie weit sich solche Geräte von Anfängergeräten unterscheiden?

    Viele Grüße

    Markus

  2. Hallo!

    Ja, die Leonardo ist in erster Linie für Einrichtungen interessant, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben, sowie für ambitionierte Beobachter, und das 100mm Omegon ist zwar recht günstig, aber nichts was man mal kurz kauft.
    Für Heilbronn haben wir die Leonardo und das Omegon 20+40×100 NightStar jetzt endgültig angeschafft, inclusive den Adaptern, um sie auf einem Berlebach-Stativ mobil einzusetzen. Das T-Pod ist klasse, aber da schon Stative vorhanden sind, langt erst einmal ein Adapter auf die vorhandenen – das spart Platz:-)
    Den Eindruck im Fernglas festzuhalten ist nicht ganz einfach. Man kann zwar durch ein Okular fotografieren und so bei gleichen Einstellungen einen Unterschied in der Leistungsfähigkeit dokumentieren, aber letztlich ist das nicht sehr hilfreich – der Unterschied zwischen Kamerabild und Anblick im Okular ist enorm und nicht vergleichbar. Die Kamera sieht Farben, während das Auge einen größeren Dynamikumfang hat, und die beidäugige Beobachtung einfach sehr entspannt ist, vor allem mit Schrägeinblick.
    Die beste und fairste Möglichkeit wäre das Zeichnen – nur ist das mittlerweile aus der Mode gekommen und beim Fernglas mit seinem großen Gesichtsfeld ohnehin eine Herausvorderung: So viele Sterne…
    Das mehr an Öffnung hat vor allem den Vorteil, dass deutlich mehr Sterne zu sehen sind, und kompakte Sternhaufen keine Nebelfleckchen bleiben, sondern (gerade auch bei mehr Vergrößerung) in Einzelsterne aufgelöst werden.
    Was mir bei diesem Großfernglas aufgefallen war (bei dem Exemplar auf dem TAN, durch unseres konnte ich noch nicht viel schauen, es kam erst diese Woche, und mir fehlt noch eine passende Prismenschiene, um es auf die Leonardo zu setzen – freihand ist bei dem Gerät nicht mehr): Das Bildfeld ist relativ klein, ich vermute dass einfache Plössl-Okulare beiliegen und keine Weitwinkelokulare. Bessere Okulare holen mehr raus, interessanterweise war der Farbfehler bei hoher Vergrößerung dann auch nicht mehr so auffällig wie mit den Originalokularen. Irgendwo bei 100x dürfte Schluss sein, aber das muss ich mal ausprobieren.
    Was ich gut kenne ist der Vergleich monokular zu binokular am Teleskop, und der ist fotografisch überhaupt nicht festzuhalten. Es gibt Binokularansätze, die zwar leichte Reflexionen einführen können, aber entspanntes Beobachten ermöglichen. Leider benötigen die alle einen Glaswegkorrektor, der Brennweite und somit Vergrößerung erhöht, aber dafür den Farbfehler beseitigt, den die Prismen des Binokularansatze ansonsten einbringen würden. Daher lohnt er sich am Teleskop eigentlich nur für Sonne (mit Filter oder Herschelkeil), Mond und Planeten, an denen ohnehin höher vergrößert werden muss. Und da ist er klasse: Das Bild wird dann fast dreidimensional, und obwohl man immer noch nur ein Objektiv benutzt, kann das Gehirn die Luftunruhe besser ausgleichen, ebenso wie natürlich Fehler wie Trübungen oder Mouches volantes im Auge besser ausgleichen.
    Ich hoffe, das Omegon bald mal am Nachthimmel testen zu können, aber der Aufwand ist natürlich einiges größer als bei einem normalen Fernglas, und schon eher mit einem Teleskop vergleichbar. Mit mal schnell aufbauen ist da nichts, Stativ, Montierung, Fernglaskoffer und Gegengewichte haben schon ein gewisses Volumen. Ich hoffe, im nächsten Monat kann ich was dazu schreiben. Nur das Zeichnen werde ich nicht anfangen, sorry:-)

    Beste Grüße,
    Alex

Schreibe einen Kommentar zu Alex Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert