Das Westkap meint es gut mit uns: 5,5 Meter Wellen von vorne, da wird ab sechs Uhr morgens in der Kabine alles abgeräumt, was nicht gesichert ist. Willkommen auf hoher See!
Die offene Seestrecke dauert zwar nur zwei Stunden, hat es aber in sich. Da dürfte so mancher froh sein, bereits in der Horizontalen zu sein. Ich bin bislang zum Glück von der Seekrankheit verschont geblieben, aber mit Ausschlafen wird das bei dem Geschaukel aber auch nichts. Trotzdem wird es gegen acht, bis ich dann doch aufstehe und meine Morgenrunde an Deck drehe. Ich bin auf Deck 6 in einer Rettungsbootkabine untergebracht. Das heißt, ich sehe von Norwegen nur den gelben Rumpf vom Rettungsboot vor meinem Fenster (“eingeschränkte Sicht” nennt sich das im Katalog), aber immerhin habe ich Tageslicht. Nur was das Wetter macht, davon kriege ich in der Kabine nichts mit. Also raus an Deck, bevor wir mit einiger Verspätung gegen neun Uhr Torvik erreichen. Torvik ist nur ein kleiner Ort, aber am gegenüberliegenden Ufer liegt das deutlich größere Ulsteinvik, wo auch unsere MS Nordkapp gebaut wurde. Der Blick nach hinten zeigt das unfreundliche Wetter, das wir am Westkap hatten: Drohende Wolken.

Vor uns schaut es besser aus, und ein kleiner Leuchtturm weist uns den Weg, bevor wir endlich in Torvik erreichen. Zeit für das Frühstück.



Von hier ist es nicht mehr weit bis Ålesund, und die Landschaft zieht bewegt an uns vorbei: Für diese Seestrecke ist überraschend viel Bewegung im Schiff. Es ist windig draußen, wahrscheinlich legen wir deshalb am geschützteren Kreuzfahrtterminal von Ålesund an. Den kenne ich: Vor zehn Jahren war das der Standard-Anlegeplatz, weil unser normaler Anleger noch in Bau war. Damit sind wir etwas näher am Jugenstilzentrum und dem Aussichtshügel hinter der Schule, und etwas weiter weg vom Aksla und den typischen Souvenirshops – wobei das vielleicht fünf Minuten ausmacht, die Jugendstilstadt ist sehr kompakt.
Dafür, dass Dauerregen angesagt war, ist das Wetter überraschend gut. Ich schnappe mir meine Kamera und mache mich doch auf den Weg zum Aksla. Das Jugendstilzentrum streife ich, der Sund sieht hübsch aus. Wer es noch nicht weiß: Ein Fjord ist eine Sackgasse, durch einen Sund kann man durchfahren. Die Kajaktour in Ålesund ist aber abgesagt, bleibt nur der Weg über die Brücke.
Bis zum Stadtpark und dem Aksla ist es nicht weit, besonders weit komme ich aber nicht: Auf der Höhe der Kanone macht sich nicht nur der Wind bemerkbar, auch der Regen setzt ein. Das macht am Berghang keine Spaß. Ich breche ab also und mache die kurze Shoppingtour.
Neben den bekannten Souvenirshops gibt es einen neuen (der aber auch nicht viel anderes hat), und im Kremmergaarden Einkaufszentrum gibt es auch nicht viel neues – der Kiwi hat Labans Nissefest und Freja-Schokolade ist aktuell sogar günstiger als im Duty Free (200g für 29,90 NOK statt 220g für 49 NOK bzw 2 Tafeln für 89 NOK im Duty Free). Also kurz die Grundversorgung erledigen, bevor es wieder auf das Schiff geht.



Was mir unterwegs noch neues auffällt: Es gibt jetzt Verleihstationen für Regenschirme. Warum auch nicht…
In Ålesund haben wir einen langen Aufenthalt, von (planmäßig) 10 Uhr bis 20 Uhr. Im Sommer geht es in Hjørund- oder Geiranger-Fjord, im Winter fallen diese Abstecher aus bzw. werden nur als Ausflug mit einem Oldtimerschiff angeboten. Aber so schön die nach dem Stadtbrand 1904 im Jugendstil wiederaufgebaute Stadt auch ist: Ganz so viel Zeit braucht man hier nicht. Bei dem Wetter erst recht nicht. Aber da niemand aus unserer kleinen Gruppe am Nachmittag einen Ausflug hat, können wir um 14:30 unsere Willkommensveranstaltung machen: Eine kleine Vorstellungsrunde, ein paar Infos und ein Gläschen Sekt.
Irgendwann in der Zwischenzeit hat sich auch die Finnmarken vor uns gelegt. Das längste Schiff der Hurtigruten-Flotte ist aus der Küstenroute gegangen und bereist seit längerem als Kreuzfahrtschiff ab Hamburg die norwegische Küste. Die ganzen kleinen Häfen, die wir besuchen, bleiben ihr jetzt vorenthalten, und während wir immer noch Versorgungsauftrag haben und gerade im Norden in jedem Hafen Fracht auf- oder abladen, macht sie nur das reine Tourismusprogramm.
Da ist mir die “echte” Hurtigrute doch lieber.
Da ich Ålesund schon kenne, ist das für mich heute ein ruhiger Tag – ich bleibde den Rest des Tages an Bord und besuche nicht einmal den Aussichtshügel hinter der Schule. Von dem angekündigten Dauer-Starkregen bleiben wir zwar verschont, aber trocken ist es auch nicht gerade. Da kümmere ich mich noch einmal um meine Vorträge und besuche das Gathering mit dem Expeditionsteam um 16:45. Die deutschen Gäste sind diesmal in der Minderzahl, weniger als 50 Deutsche sind an Bord. Aber Ina und Laura vom Expeditionsteam geben trotzdem alles und informieren über Land und Leute sowie das morgige Tagesprogramm. Good News: Der Seegang soll weniger werden (für die Nordroute…)
Um 18 Uhr haben wir Abendessen. Abends gibt es feste Essenszeiten und Essen a la Carte: Seit einigen Jahren kann man jeweils zwischen drei Vor-, Haupt- und Nachspeisen wählen. Da bleibt genug Auswahl.
Und noch eine gute Nachricht gibt es: Der letzte Koffer, der in Amsterdam verloren ging, ist nun auch an Bord angekommen!
Dann darf ich arbeiten: Mein erster Vortrag ist um 20 Uhr, es geht natürlich um das Nordlicht. Den “großen Schuss” von letzter Woche haben wir ja verpasst, aber da war in Norwegen auch schlechtes Wetter. Mal sehen, ob Wetter und Aurora uns gewogen sind, wenn wir weiter im Norden sind.
Feierabend ist dann aber immer noch nicht: Um 21:15 gibt es im Panoramasalon die Chance, Fenalår zu probieren, gepökelte Lammkeule. Für alle, die noch nicht satt sind.
Kurz nach 22 Uhr dann Polarlicht: Naja, wir begegnen der südgehenden MS Polarlys. Bei dem Schneegestöber klappt das Fotografieren auch nicht, dicke Wassertropfen auf der Linse sorgen für interessante Effekte. Molde erreichen wir dann kurz nach 22:30, die markante Silhouette des Scandic-Hotels ist zu sehen, aber von Bord gehen lohnt sich in der halben Stunde auch nicht. Es ist ungemütlich. Zeit, das Blog zu schreiben, den Vortrag für Morgen durchzuschauen und Feierabend zu machen.






