Hurtigrute Tag 4: Polarkreis, Bodø und Trollfjord

Der Tagesplan

Heute ist der wohl längste Tag der Reise: Irgendwann zwischen 6:30 und 8:30 steht die Überquerung des Polarkreises an. Ich stelle meinen Wecker mal auf kurz nach sieben, und um 7:25 kommt dann auch die Durchsage, dass es in etwa 15 Minuten soweit ist. Also raus auf Deck und an den Bug, auch wenn an Deck 7 das Expeditionsteam anzutreffen wäre, aber auf Deck 5 kann man sich freier bewegen. Es ist natürlich stockduster, und ich mache mir keine Hoffnung auf brauchbare Bilder. Was mich überrascht: Wie viele Lichter an Land zu sehen ist – fast so, als wäre die Gegend dicht besiedelt.

Dann taucht die Insel Vikingen mit der Polarkreis-Kugel vor uns in der Finsternis auf, und der Captain ist gut: Diesmal trifft der Scheinwerfer des Schiffs die Kugel gut, und er hält sie auch schön angeleuchtet, bis wir sie um 7 Uhr 48 Minuten und 49 Sekunden passieren. Ein lautes Hupen, und das war es – Zeit für ein schnelles Frühstück, bevor das Restaurant voll ist. Nur die Begegnung mit der MS Nordnorge steht noch an.

MS Nordnorge

Nach dem Frühstück geht es kurz unter die Dusche und dann zur Reiseleitersprechstunde – Flagge zeigen im “Büro” vor dem Restaurant. Die üblichen Fragen: Was macht das Polarlicht? Nichts. Was macht das Wetter? Starkregen bei +5° auf gefrorenem Boden in Bodø, also Spikes einpacken. Haben in Bodø Läden offen? Sonntags eher nicht. Lohnt es sich trotzdem, nach Bodø zu gehen? Im Prinzip schon, und mehr als vor zehn Jahren. Warum sind wir eigentlich schon in Ørnes? Okay – die Frage stelle ich mir selbst – in der Nacht haben wir die Wolkendecke über Nordnorwegen erreicht, und es ist trüb draußen, aber die schönen verschneiten Berge, zwischen denen Ørnes liegt, erkenne ich doch.

Ørnes

Kurz nach zehn legen wir in Ørnes für einen kurzen Halt an, und dann steht auch schon die Polarkreiszeremonie an: Die Gewinnerin des Wettbewerbs wird bekanntgegeben, die die Zeit am besten geraten hat. Außerdem wird Njørd herbeigerufen – dick ist er geworden, und er kommt diesmal von den Whirlpools statt seinen Aufrtitte auf dem Dach zu haben. Aber bei dem Wind ist das verständlich.

Der Herr des Meeres macht seine Show daher an Deck statt auf der Plattform über unseren Köpfen: Seine Tröte streikt zuerst, bis er den Plastikmüll aus ihr herausholt, der so im Meer schwimmt – eine gute Gelegenheit für einen Hinweis auf Umweltschutz ganz allgemein und die Hurtigruten-Foundation im speziellen. Schließlich erschallt sie, und dann kann die Postfahne an die glückliche Gewinnerin des Polarkreiswettbewerbs übergeben werden. Weiterer Bonus: Sie kriegt die erste Taufe mit Eiswasser, danach dürfen alle anderen.

Die Taufe ist recht schnell vorbei, da gibt es wohl einige Drückeberger – aber Njørd scheint zufrieden zu sein, da tut sich tatsächlich eine Wolkenlücke auf. Hoffen wir das Beste.

Nach dem Ende der arktischen Zeremonie kommt der Postmann: Es gibt den Polarkreisstempel für alle Briefe, die heute eingeworfen werden, und bei Bedarf auch in Bücher und ähnliches. Die Veranstaltung geht nahtlos in das Mittagessen über (das ich ausfallen lasse, um noch kurz an einen Blick auf meinen nächsten Vortrag zu werfen), und dann tauchen auch schon die ersten Vorboten von Bodø auf. Bis ich an Deck bin, sind wir am Flughafen schon vorbei. Da hat sich was getan: Der Militärstützpunkt wurde Richtung Trondheim verlagert, und in einem Kilometer Entfernung soll ein kleinerer Flughafen entstehen, damit Platz für die rasch wachsende Stadt ist. Fast 55000 Einwohner hat Bodø mittlerweile, zehn Prozent mehr als bei meiner ersten Tour vor zehn Jahren.

Bei der Einfahrt tanzt ein Fischerboot auf den Wellen, und der Himmel sieht stellenweise gar nicht so aus, als ob das was mit dem angekündigten Starkregen wird. Also gehen wir mit Kai auf Erkundungstour in die Stadt. In den letzten Jahren hat sich Bodø durchaus gemacht, viele Baustellen sind mittlerweile fertig und Bodø ist europäische Kulturhauptstadt 2024. Die moderne Architektur muss man mögen, aber auch das Innere des Rathauses ist wohl einen Besuch wert – heute geht das natürlich nicht. Irgendwo zwischen Rathaus, Hauptstraße und Domkirche kommt dann der angekündigte Regen. Die gute Nachricht: Meine Sachen halten weitestgehend, nur am Rücken muss ich meine Jacke mal wieder imprägnieren. Immerhin geht kein allzu starker Wind. Die schlechte: Die Domkirche hat zu und bietet keinen Schutz.

Das Wandbild mit dem Polarlicht darf bei dem Rundgang natürlich auch nicht fehlen, bei meinem ersten Besuch in der Stadt gab es das auch noch nicht – erst 2016 gab es das Up North Festival, in dem viele Wandgemälde entstanden. Nicht jedes Gemälde aus der Zeit hat überlebt, einige wurden mit ihren Häusern abgerissen. Und Stück für Stück verschwinden immer mehr Nachkriegsbauten und werden durch moderne Architektur ersetzt. Auch Bodø wurde im Krieg fast völlig zerstört und viel zu schnell wieder aufgebaut. Jetzt werden alte Bausünden durch neue ersetzt (oder wie auch imme rman zu moderner Architektur steht). Der Reiz der Stadt erschließt sich nicht jedem auf den ersten Blick, aber Bodø bessert sich – auch wenn man zur Liegezeit der Hurtigrute nicht mehr auf die Hotels kommt, von deren Dach-Restaurants man einen schönen Blick über die Stadt hatte.

Gathering

Als wir wieder auf das Schiff kommen, hat der Regen auch wieder nachgelassen, und es heißt, alles trocken zu legen. Bei der Jacke dauert das, der Rest sieht gut aus. Auf der anschließenden Fahrt über den Westfjord ist etwas Bewegung im Schiff, Ruhe kehrt keine ein. Kurz nah dem Ablegen gibt es das Gathering mit dem Expeditionsteam, dann bietet das Schiff einen Nordlicht-Fotokurs an, dann ist um 17:30 mein Vortrag über Mond (ergänzt durch meine Meteoritensammlung), und schwups ist 18:30 – Abendessenzeit für alle, denen der Seegang nicht zusetzt. Kai und ich verlagern uns ins Bistro. Das Essen ist zwar gut, aber als Vielfahrer kennt man es mittlerweile, und da ist der Hurtigruten-Burger eine willkommene Abwechslung.

Und weiter geht das Programm: Kai nutzt das schlechte Wetter und erzählt ab 20 Uhr nach dem Halt in Stamsund etwas aus dem Leben der Trolle – schließlich ist er auch Beauftragter von Statens Trollvesen. Das erinnert mich an die Trollbrücke von Terry Pratchett – die fehlt in seinem Vortrag noch.

Anschließend dürfen wir meinen Reiseführer signieren, dann ist eine kurze Pause, bis wir Svolvær erreichen. Runde 50 Minuten Aufenthalt reichen für einen kurzen Gang zur Kirche und dem Skulpturenpark dahinter – aber nur mit Spikes. Schneematsch und Eis sind eine tückische Kombination, und die Kirche ist auf einem Hügel. Die gehende Frau irritiert mal wieder und geht einfach nicht aus dem Bild:-)

In Svolvær bleiben wir etwas länger als geplant, da der Bus mit den Teilnehmern des Wikinger-Fests Verspätung hat. Und dann legen wir mit 15-20 Minuten Verspätung ab, es geht Richtung Trollfjord. Was nicht mehr geht: Der Bildstabilisator meiner Kamera. Das ist bei diesen Lichtbedingungen natürlich der Supergau. Teleobjektiv und Polarlicht-Weitwinkel gehen noch, aber dem Immer-Drauf-Objektiv hat der Regen in Bodø wohl den Rest gegeben. Es hält nicht mehr still, nur gelegentlich kriege ich noch scharfe Bilder. Verdammnis. Und das Handy liefert immer viel zu stark bearbeitete Bilder…

Nun, wir fahren trotzdem durch den Raftsund, genießen die Fischsuppe und wer will auch den Trollfjordknerz (eine Art Tee mit Rum, den das Restaurant verkauft, und man darf die Tasse behalten), und gegen 23:45 sind wir an seiner Mündung – alles drängt sich am Bug, ich schaue mir das weiter hinten von Deck 5 an und schaue, was an Bildern noch geht.

Na immerhin, manchmal funktioniert es – filmen muss ich ab jetzt aber mit dem Handy. Mal sehen, was ich aus dieser Reise noch herausholen kann – und wann es endlich Polarlicht gibt!

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