Hurtigrute Tag 3: Trondheim

Das Tagesprogramm

Die Nacht war kurz (weil ich den Rechner erst um 1 Uhr zugeklappt habe), aber ruhig. Noch haben wir echtes Traumwetter, und die Sonne kommt auch noch über den Horizont. Das verspricht eine schöne lange blaue Stunde. In den nächsten Tagen wird sich das so oder so ändern: Wir kommen in die Polarnacht, und die Sonne wird es also nicht mehr über den Horizont schaffen. Und wann gibt es in Norwegen jetzt eigentlich keine Sonne?

Morgendämmerung im Trondheimfjord

Nordkap: 20. November – 22. Januar
Vardø: 23. November – 19. Januar
Tromsø: 27. November – 15. Januar
Harstad: 2. Dezember – 10. Januar
Bodø: 16. Dezember – 29. Dezember

Wobei das für Bodø nicht ganz stimmt, durch die Lichtbrechung in der Atmosphäre kommt die Sonne scheinbar etwas höher, andererseits gibt es ja auch noch Berge, hinter denen sie sich verstecken kann. Jedenfalls heißt es, diesen Tag noch einmal genießen und Sonne tanken; wenn wir morgen von Bodø auf die Lofoten und in der Nacht auf die Vesterålen fahren, erreichen wir die Polarnacht. In Svolvær (das wir morgen Abend erreichen) scheint die Sonne morgen von 11:35 bis 12:40, in Harstad (übermorgen früh) gar nicht mehr. Bodø hat prinzipiell von 10:51-13:25 Sonnenschein – aber es ist auch Regen angesagt.

Aber das ist das Thema von morgen. Heute sind wir erst einmal zügig unterwegs und eigentlich zu früh in Trondheim. Die lange Morgendämmerung mit perfektem Himmel verspricht für heute noch einmal bestes Wetter. Der Trondheimfjord ist zwar der drittlängste Fjord Norwegens, aber dank seiner Breite und der flachen Uferhänge wirkt er nicht wie ein klassischer Fjord. Aber ein Fjord ist ja nichts weiter als eine Sackgasse, während man durch einen Sund hindurchfahren kann. In den eindrucksvollen Trollfjord fahren wir in dieser Jahreszeit wegen Lawinengefahr auch nicht hinein (das Schiff würde das aushalten, die Gäste an Deck nicht, und dank der GPS-Überwachung aller größeren Schiffe wäre der Kapitän dann auch seine Lizenz los), aber der Raftsund zwischen Lofoten und Vesterælen ist ähnlich beeindruckend – südgehend ist es hoffentlich hell genug, um etwas davon zu haben.

Jetzt dümpeln wir erst einmal vor Trondheim Richtung Munkholmen herum und warten darauf, dass die südgehende Havila Polaris unseren Anleger frei macht. Die Crew nutzt die Zeit für eine Rettungsübung und lässt ein Beiboot zu Wasser. Theorie: Der Captain will frische Brötchen von Land… Dann setzt sich auch die Havila Polaris in Bewegung, die beiden Schiffe begrüßen sich mit der Hupe, und dann haben wir immerhin drei Stunden Zeit für die alte Königsstadt Trondheim.

Tja, Trondheim… Die drei Stunden Aufenthalt sind wie immer zu wenig. 20 bis 30 Minuten benötigt man durch den Industriehafen und den Bahnhof, bis man in der Stadt ist. Ich mache meine normale Route in der umgekehrten Richtung über Nedre Elvehavn, das alte Industriegebiet, in dem die alten Backsteinbauten mit Läden und bestimmt noch billigen Wohnungen zu neuem Leben erweckt wurden. Das Solsiden Einkaufszentrum verbirgt sich recht unauffällig hinter der Backsteinfassade, und die alten Docks sind zu Eislaufbahnen umgewidmet worden. Morgens um zehn ist da natürlich noch nicht so viel los.

Dann gehe ich recht zügig weiter nach Bakklandet mit den ganzen kleinen Holzhäuschen, die auch schon lange keine Arme-Leute-Siedlung mehr sind. Immer wieder gibt es die Möglichkeit für einen Abstecher zum Fluss, und es ist kaum jemand unterwegs. Dazu Schnee und blaue Stunde – was will das Fotografenherz mehr? Da kann man nicht mal meckern. Na gut, ein paar Baustellen weniger vielleicht, irgendwas ist doch immer:-)

Dafür kommt die Straßenräuming vorbei – vorne kehrt der Traktor, hinten wird gestreut. Die Straßen sind auch ohne Spikes weitestgehend problemlos begehbar. Etwa eine Stunde nach Verlassen des Schiffs bin ich an der Gamle Bybro und gehe noch ein paar Schritte weiter. Vor der Brücke am Ufer spiegelt sich das klassische Trondheim-Postkartenmotiv im Wasser, gegenüber der Brücke ist der Fahrradlift, mit dem sich im Sommer die Radfahrer den steilen Berg hochschieben lassen können, und ein paar Meter weiter ist noch ein kleiner Park mit Zugang zum Fluss. Klick, klick, klick – gut, dass Digitalbilder nichts kosten.

Dann aber ab über die Brücke, wo mir schon die ersten Passagiere begegnen, die den Stadtrundgang in der üblichen Richtung machen, und weiter zum Dom. Ohne Blätter an den Bäumen ist er deutlich fotofreundlicher. Einmal außen rum, der Palast des Erzbischofs dahinter mit seinem Museum hätte jetzt sogar schon geöffnet – aber ich habe hier etwa eine halbe Stunde Zeit, bevor ich wieder auf dem Schiff sein muss. Das langt nicht… also noch ein paar Fotos vom Dom von außen. Der Blick hinein kostet Geld, außer, ich würde die Stadtrundfahrt samt Dombesichtigung machen. Irgendwann vielleicht mal wieder – aber nicht bei diesem tollen Wetter!

Und dann ist es schon Zeit für den Rückweg – diesmal schaue ich nicht in den Trondheim Torg, in den eine alte Häuserzeile mit integriert ist, sonder schlendere durch ein paar andere Straßen, die ich normalerweise nicht nehme. Wenn ich nicht zum Shoppen komme, will ich wenigstens mal was anderes sehen. Ein Blick in den Garten des Königssitzes Stiftsgården ist aber trotzdem drin.

Stiftsgården

Letztlich bin ich sogar eine halbe Stunde zu früh am Schiff. Besser so als anders: Bevor wir ablegen, werden noch zwei Namen ausgerufen. Aber wir warten nicht, und mit etwas Glück wurden die beiden nur nicht registriert, als sie wieder an Bord kamen.

Noch ein Blick auf die Mittagssonne von Trondheim, und dann ab durch den Fjord. Heute tut sich nicht viel: Hier im Süden hat die Hurtigrute keinen Versorgungsauftrag, und der nächste Hafen ist erst Rørvik am späten Abend.

Die Fahrt ist dementsprechend entspannt – im Fjord ist natürlich ruhige See, ab und zu verschwindet die Sonne schon hinter den flachen Bergen, und man hat nicht das Gefühl, in einem Fjord zu sein. Gegen 14:30 gibt es den nächsten Interessepunkt des Schiffs: Miesmuscheln verkosten, am Ausgang des Fjords. Der Leuchtturm Agdenes Fyr markiert die Mündung des Fjords, das weiße Türmchen ist in der verschneiten Landschaft gut getarnt. Und es gibt etwas Neues: Von unserem Expeditionsteam ist nur noch Eike an Bord, die beiden Männer haben uns verlassen. Stattdessen sind zwei neue an Bord – die Namen muss ich mir noch merken; leider stehen keine Namensschilder an ihrem Arbeitsplatz. Ich glaube, Martin wurde durch Christina ersetzt. Aber das kriege ich auch noch hin.

Für 15:30 ist dann der unaussprechliche, frisch sanierte rote Leuchtturm Kjeungskjærfyr geplant, aber der Kapitän gibt Gas, sodass wir für alle überraschend früher ankommen. Bei bestem Wetter taucht er vor uns auf, unter dem Venusgürtel – dem rosa Band, dass der Abenddämmerung in den vor uns liegenden Gegenden entspricht. Hinter uns: Ein farbiger Abendhimmel. Sehr, sehr schön.

Anschließend stehen noch die tägliche Ausflugspräsentation und das Treffen mit dem Expeditionsteam an. Die schwänze ich aber: Heute Abend steht mein erster Vortrag an, noch die letzten Folien aufpolieren. Dann um 18:30 Abendessen und um 19:45 mein Polarlichtvortrag: Gerade unsere öffentlich-rechtlichen Medien und die Marketingabteilungen zeigen immer die schönsten Bilder vom Polarlicht, da muss ein bisschen Realismus vermittelt werden. Und die Wetterprognose ist mäßig. Durch den Klimawandel hat sich wohl der Jetstream verlagert, und durch die höheren Temperaturen ist mehr Wasser in der Atmosphäre. Bedeutet: Mehr Wolken und weniger wechselhaftes Wetter in Norwegen. In Süddeutschland ist die letzte klare Nacht auch schon eine Ewigkeit her. Aber egal: Für den 9. ist etwas aktiveres Weltraumwetter angekündigt, und bis dahin ändert sich die Wettervorhersage hoffentlich noch, sodass wir in der Barentssee was sehen können. Chancen auf ausreichend große Wolkenlücken gibt es – und ich verspreche lieber zu wenig als zu viel.

Nur für morgen und übermorgen haben wir sicherlich mit viel Regen und Wolken zu rechnen. Grmpf. Und heute: Noch weitestgehend klarer Himmel und keine Polarlichtaktivität. Ich mache es mir noch einmal auf Deck 7 bequem, bis wir Rørvik erreichen und der Richard With begegnen. Immerhin: Am Hafen steht niemand, der so aussieht, als hätte er in Trondheim das Schiff verpasst und wäre mit dem Flieger nachgekommen.

Und das war es dann eigentlich auch für heute. Morgen früh überqueren wir den Polarkreis. Mal sehen, ob ich mir das anschaue – erfahrungsgemäß ist es da zu dunkel, um ein brauchbares Bild zu schießen. Und nein, wir wissen auch nicht, wann wir den Polarkreis überqueren. Aber wahrscheinlich eher früher als später.

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