Hurtigrute Tag 6: Honningsvåg und Nordkap

Der Tagesplan

Es geht, mal wieder, viel zu schnell: Wir sind im hohen Norden und fahren heute eher ost- als nordwärts. Hawaiisund Havøysund ist der erste Hafen, den man normalerweise mitkriegt. Das Wetter: Leichter Nieselregen bei geschlossener Wolkendecke. Sieht nicht gut aus für das Nordkap heute… Hier oben ist nicht nur das Wetter, sondern auch die Landschaft trist. Viel wächst hier nicht, nur etwas “Birkenwolle” sorgt für gelbe Farbtupfer – das sieht aus der Entfernung mehr nach Flechten aus, sind aber wohl kleine Birken, die hier ums Überleben kämpfen und hoffen, nicht von Rentieren gefressen zu werden. Immerhin sorgen sie für Farbe zwischen den grünen Flechten und grauen Steinen.

Kurs Havøysund

Havøysund ist einer dieser kleinen Häfen, in denen nur ein Schiff Platz hat. Wir sind ziemlich beide ziemlich pünktlich, und bald taucht südgehende Nordnorge hinter den Felsen auf. Also lassen wir sie passieren, bevor wir anlegen und ich mich dem Frühstück widme. Immerhin sind diese dramatischen Wolkenberge besser für Fotos als strahlendblauer Himmel. Zumindest erzählen einem das immer die Landschaftsfotografen… Ich bin da flexibler und würde mich auch über klaren Himmel freuen.

Havøysund

In Havøysund lohnt es sich nicht von Bord zu gehen. Es ist ein kleines Fischerörtchen mit knapp 1000 Einwohnern, und wir halten planmäßig ohnehin nur eine Viertelstunde – und zehn Minuten vor Abfahrt soll man wieder an Bord sein.

Anschließend führt uns die Fahrt durch den Magerøya-Sund. Die Strecke ist durchaus schön, aber im tiefsten Winter, schneebedeckt und in der tiefstehenden Sonne, macht sie noch mehr her. Als das Expedition Team den Interessepunkt Magerøya-Sund macht, regnet es, und mindestens so viele Zuhörer suchen bei den überdachten Sitzplätzen Schutz, wie es Zuschauer direkt bei Johan und Are gibt. Wir überqueren den Tunnel zum Nordkap, dessen Mautgebühr von den Touristenmassen im Sommer mittlerweile abbezahlt ist und der somit keine Maut mehr kostet; neben Touristen wird er von den Rentierherden genutzt, die im Frühjahr auf die Insel kommen – im LKW, das kostet wohl weniger als wenn jedes Rentier Maut zahlt, und es gibt weniger Verlust als früher, als sie noch ausgehungert schwimmen mussten. Was es hier nicht gibt: Internet. Gab’s nicht, gibt’s nicht, wird’s nie geben – wir sind frei! (meint zumindest Johan). Der Schiffsverkehr hat auch abgenommen, seit die norwegische Seegrenze erweitert wurde und die meisten Schiffe außen um Magerøya herum fahren.

Interessepunkt Magerøya-Sund

Etwa zwei Stunden brauchen wir bis Honningsvåg, das Anlaufen verpasse ich diesmal fast.

Es gibt fotografisch aber auch nicht viel her: Es soll noch bis Mittag regnen, und tiefhängende Wolken verhüllen die Bergspitzen und reichen fast bis zu dem alten Friedhof über dem Ort, von dem aus man normalerweise einen schönen Blick auf den Ort hat.

Nachdem die Ausflugsbusse zum Nordkap abgefahren sind (ich habe gar nicht darauf geachtet, ob es wieder Taxis gibt, die auf Einzelreisende warten, die auf eigene Faust billiger zum Nordkap wollen), kehrt Ruhe auf dem Schiff ein.

Gegen Mittag hört der Regen tatsächlich auf, und ich mache eine kleine Runde entlang des Hafenbeckens. Den Aussichtspunkt über dem Ort schenke ich mir…

Viel neues gibt es nicht,aber mit dem Wolkenhintergund wirkt das alles etwas mystisch. Am Perleporten Kulturhaus hängt weiterhin die TrashArt aus angeschwemmten Gummistiefeln. Donnerstags haben die Läden offen, also mache ich noch einen Abstecher in das Weihnachtshaus direkt am Anleger. Vielleicht hätte ich eher in das Nordkapmuseum gehen sollen, aber da war ich einmal drin und nicht so begeistert. Dafür steigen jetzt zwei Nisse ein, ist ja bald Weihnachten, und ich bin erst im Januar wieder hier.

An Bord komme ich gerade rechtzeitig für die Rettungsübung: Es wird Evakuierung geübt, und die Brandschutztüren gehen zu. Aber das gilt nur für die Besatzung, wir kommen trotzem noch in unsere Kabinen.

Und dann ist auch schon kurz nach zwei, die Ausflugsbusse kommen zurück, und anstelle des früher zum Nordkapp üblichen heißen Apfelkuchens gibt es schottische Scones im Multe-Café. Heute war ja der harte Tag, an dem es 15 Minuten lang (zwischen Frühstück bis 9:45 und Mittagessen von 10-13 Uhr) nichts zu essen gibt. Ich mag die schottische Küche ja (nicht gesund, aber lecker), nur die Scones sind eher schwäbischer Hefezopf als schottische Scones. Was an sich nichts schlechtes ist! Nur kenne ich das aus Schottland anders…

Am Nordkap war das Wetter leider ähnlich bescheiden wie in Honningsvåg, dafür waren die Guides gut, sodass es eine unterhaltsame Fahrt hinauf auf die Nordkapklippe am Nordende von Magerøya war. Pretty Pictures sind ein anderes Problem.

Dann geht die Fahrt weiter, wir haben nur 1,5 Meter Wellen, die aber auf der Überfahrt nach Kjøllefjord mehr Bewegung ins Schiff bringen als die vier Meter auf dem Westfjord. Kommentar eines Gasts aus dem Schwäbischen: “Muss der denn durch jede Welle durchfahrn?” Da wir die Küste entlang fahren und nicht die letzten Kilometer zum Nordpol weiter, muss er das wohl…

Kurs Kjøllefjord, links die Finnkjerka

Zwei Stunden später ist Land in Sicht, wir nähern uns dem Örtchen Kjøllefjord und damit auch der Felsformation der Finnkjerka am Eingang des Fjords. Sie wird im Winter seit langem nicht mehr beleuchtet, wenn die Hurtigrute an ihr vorbei fährt, aber jetzt ist es noch hell, und sie hebt sich deutlich vor dem grauen Hintergrund ab. Am deutlichsten ist sie von vorne oder hinten zu erkennen; wenn wir direkt neben ihr sind, sind es nur zwei Felsnadeln. Dafür sind die geologischen Schichten in den Felsen deutlich zu sehen, die den Fjord infassen. Geologe sollte man sein, dann könnte man mehr darüber erzählen, wie weit wir hier in die Erdgeschichte blicken…

Kjøllefjord

Kjøllefjord ist im Winter ein herrlicher Anblick: Umgeben von tief verschneiten Bergen liegt das Örtchen am Ende eines Fjords. Im Herbst sieht man schon eher, wie abgelegen das Ganze hier ist. Hier oben hat die Hurtigrute noch wirklich Versorgungsdienst, gerade im Winter sind die Straßen öfter mal gesperrt, und Flugzeuge fliegen auch nicht immer.

Einige Ausflüge starten hier heute, die im Winter nicht stattfinden, und bei denen die Teilnehmer dann im nächsten Hafen wieder an Bord kommen. Für uns auf dem Schiff heißt es jetzt erstmal: Rein in die Barentssee, raus aus der Barentssee. Wir fahren von Fjord zu Fjord und haben zwischendrin immer wieder offene Seestrecken, die Bewegung in das Schiff bringen können – aber heute ist die Barentssee harmlos.

Berlevåg

Einige Wettermodelle machen sogar Hoffnung auf Wolkenlücken bei Berlevåg, während das Polarlichtoval sehr zurückhaltend ist. Ich gehe zwar immer wieder raus auf Deck 5, aber erst gibt es nur Wolken, nach Berlevåg dann Wolkenlücken und den tiefstehenden Vollmond – aber kein Nordlicht.

Um halb zwölf gebe ich auf und mache Feierabend.

Am nächsten Morgen lese ich in der Whatsapp-Gruppe dann, dass es um 1 Uhr doch noch Polarlicht gegeben hatte – die Aktivität war etwas besser als beim letzten mal, mit Kp 3 aber immer noch wenig – wobei wir natürlich mittendrin sind. Die Handy-Fotos zeigen ein paar schöne Bänder. Abwarten – für die Rückfahrt halten mehr Wettermodelle Wolkenlücken um Berlevåg für möglich, und es dürfte auch mehr Aktivität geben. Zeit wird’s.

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