Hurtigrute Tag 6 – Honningsvåg (ohne Nordkapp)

Der Tagesplan

Heute kommt der höchste Norden: Nach einer unruhigen Nacht mit ordentlichem, aber gleichmäßigem Seegang (es ist noch alles in den Regalen) erreichen wir Havøysund in der Morgendämmerung. Hier erwartet uns ausnahmsweise kein südgehendes Schiff (die Havila Polaris soll im Februar einsteigen, die Havila Pollux ist noch nicht fertig gestellt, und Hurtigruten fehlen gerade die Polarlys, die in Polen in der Werft liegt, und die Kong Harald, die immerhin durch die Trollfjord ersetzt wird), aber dafür gibt es fantastsiches Morgenlicht. Mittlerweile gibt es hier oben schon drei Stunden Sonnenschein, die Polarnacht ist vorbei. Das heißt natürlich nicht, dass die Sonne es auch über die Berge am Horizont schafft, aber wenn keine Wolken stören, gibt es eine schöne lange Blaue Stunde. Die Temperaturen liegen nur um den Gefrierpunkt, mit winddichter Kleidung kann man es gut aushalten. Havøysund gehört auch zu den wenigen Orten, an denen man hier an der Küste Windräder sieht.

Von Havøysund geht es in den windgeschützten Magerøyasund, der die Insel mit Honningsvåg und dem Nordkapp vom Festland trennt. Die Wellen sehen immer noch eindrucksvoll aus, aber wir liegen ruhig im Wasser, bei wechselhaftem Wetter. Bei der Einfahrt in den Sund gibt es blauen Himmel, und als Roman den Interessepunkt Magerøyasund macht und unter anderem über den Tunnel redet, die die Insel mittlerweile mit dem Rest Norwegens verbindet, lässt der starke Graupelschauer nur eine Blickrichtung zu – weg vom Wind. Unangenehm.

Als Honningsvåg in Sicht kommt, sieht das Wetter wieder gut aus, aber das muss hier nichts heißen. Ich hatte schon oft Schneesturm im Ort, während am Nordkap auf der anderen Seite der Insel bestes Wetter war – und umgekehrt. Diesmal ist es umgekehrt: Das Wetter ist zu schlecht, die Busse fahren nicht. Stattdessen gibt es ein Alternativprogramm mit Gesang im Kulturhaus von Honningsvåg für alle, die nicht auf eigene Faust durch Honningsvåg wollen.

Kurs Honningsvåg

Es ist im Winter gar nicht so selten, dass das Nordkap abgeschnitten ist: Auf den letzten Kilometern der Zufahrtsstraße herrscht Kolonnenpflicht, und alle fahren im Konvoi dem Schneepflug hinterher. Trotzdem passieren immer wieder Unfälle – vor nicht allzu langer Zeit war ein polnischer Bus mit abgefahrenen Reifen (oder Sommerreifen?) umgekippt war. Auch wenn unsere Ausflugsbusse in besserem Zustand sind: Wenn ein anderes Fahrzeug auf der Straße liegt, geht halt nichts mehr. Und im Schneegestöber zum Nordkapp zu fahren, um dann nichts zu sehen oder den Souvenirshop nicht verlassen zu können, bringt dann auch nichts.

Trotzdem ist die Enttäuschung natürlich groß. Und Nordlicht gab es auch schon, also keine Chance auf eine billigere Ersatzreise durch die Nordlichtgalerie…

Während der Liegezeit in Honningsvåg mache ich mit Arno, Robert und Sabina einen Rundgang durch den Ort. Die Straßen sind überraschend gut, der Schnee ist griffig, sodass Spikes nicht unbedingt nötig sind. Am Hafen entlang gibt es einige Kunstwerke (die Infotafel dazu finde ich vor lauter Schnee allerdings nicht) und das Kulturhaus mit der Trash Art – die gesammelten Gummistiefel aus dem Meer sind hier ebenfalls zu Kunstwerken verarbeitet worden. Außerdem gibt es hier noch eine kleine Mikrobrauerei.

Wir lassen die Kultur zurück und peilen den Aussichtspunkt über dem Ort an – diesmal soll es nicht zum Denkmal für den Regisseur am Friedhof gehen, sondern noch ein Stück weiter, um einen Blick über den Berg auf den nächsten Ort zu werfen.

Wir kommen überraschend weit, bevor uns die drohenden Wolkenberge zum umkehren veranlassen – und auf der Höhe der Schützhütte ist dann auch nicht mehr viel vom Ort zu sehen. So viel zum Thema Ausblick…

Auf den Berg und wieder zurück

Schnee räumen

Also zurück zum Schiff, noch einmal um den Hafen, um die Richard With von der anderen Seite zu fotografieren, und dann zurück – der Schneegraupel macht keinen Spaß. Immerhin sehen wir den örtlichen Schneeräumer im Einsatz.

Kurz vor dem Schiff wird es wieder schön, aber für mich war es das dann mit Honningsvåg für dieses Mal. Robert hatte noch was neues im Hafen entdeckt: Seesterne. In dem klaren Wasser sind sie gut zu sehen.

Nachdem ich erst einmal wieder auf dem Schiff bin, bleibe ich auch da. Zu tun und sehen gibt es ohnehin nicht viel. Bis 13 Uhr gibt es Mittagessen, was mir gerade noch für eine Kleinigkeit reicht; um 14:30 gäbe es dann Apfelkuchen und heiße Schokolade, womit eigentlich die Nordkap-Heimkehrer begrüßt werden sollten. So legen wir einfach so planmäßig ab, während draußen bereits die Abenddämmerung einbricht.

Abendliches Honningsvåg

Die Überfahrt nach Kjøllefjord ist etwas unruhig und weitestgehend ereignislos. Der angekündigte Vortrag des Expeditionsteams über norwegische Mythologie wird durch einen Vortrag über das Nordkap ersetzt. Schade, den Mythologie-Vortrag hätte ich mir angehört. So mache ich es mir bequem, bis wir uns Kjøllefjord nähern. Für die Felsformation der Finnkirche ist es zu dunkel, sie könnte allenfalls aus der Ferne mit den Scheinwerfern des Schiffs angestrahlt werden. Stattdessen lassen wir sie rechts liegen und steuern direkt das Örtchen am Ende des Fjords an.

Schieflage beim Anlegen in Kjøllefjord

Als wir den Kai erreichen und wenden, legen wir uns ganz schön in den Wind. Das Gathering mit dem Expedition Team wurde auf die Ankunft in Kjøllefjord um 16:45 vorverlegt, um die ruhige See im Fjord auszunutzen. Dadurch verpasse ich das eigentliche Anlegemanöver, das sich wohl schwierig gestaltet: Erst 20 Minuten später liegen wir endlich am Kai.

Die See bleibt unruhig, und irgendwann wird gebeten, nicht raus an Deck zu gehen – das Deck wird aber nicht gesperrt, die Norweger sind da ziemlich entspannt und vertrauen noch auf den gesunden Menschenverstand.

Bereit zum Abendessen

Das Abendessen gibt es heute wieder als Buffet, ein Service für alle, die mit Seekrankheit zu kämpfen haben. In den nächsten Stunden sind wir immer wieder auf unruhiger offener See und haben nur kurze Pausen, wenn wir anlegen – wir planen unser Abendessen für die Zeit rund um Mehamn, den nördlichsten Hafen, den die Hurtigrute anläuft. Effektiv sind wir zu früh im Restaurant, da wir Verspätung haben. Dafür ist das Restaurant ziemlich leer…

Erinnern Sie sich noch an die Aufforderung, im Schiff zu bleiben? Gegen 19 Uhr kommt die Meldung, dass wir Nordlicht haben… Fairerweise erreichen wir Mehamn um 19:25, sind also schon wieder in ruhigerem Fahrwasser, als die Meldung kommt. An Backbord gibt es tatsächlich einen schönen Bogen zu sehen, bevor ihn die Wolken verschlucken. In Mehamn ist dann schon wieder Schneegestöber.

Nach Mehamn schraube ich meine Kamera noch einmal an die Reling und hoffe auf das beste. Die schmale Mondsichel scheint durch die Wolken, und etwas Polarlicht ist auch zu sehen, aber die starke Bewegung des Schiffs, die Gischt, die mir auch hinter den Rettungsbooten vor die Linse spritzt, und das Wetter machen aus der Beobachtung kein Vergnügen. Bald schieben sich die Wolken vor das Polarlicht, und ich breche ab.

Polarlicht nach Mehamn

Auf dem Zeitraffer sieht man dann auch, warum ich immer sage, in Fahrtrichtung oder nach hinten zu fotografieren, wenn möglich – was für ein Gewackel. Aber ich kann meine Kamera leider nicht am Bug der Richard With befestigen, und hinten war nichts zu sehen.

Um 20 Uhr breche ich ab und gehe wieder ins Schiff, Bilder bearbeiten und nachschauen, ob noch irgendwer unterwegs ist. Ein paar bekannte Gesichter sind auf Deck 7, aber die Hoffnung auf weiteres Polarlicht erfüllt sich nicht: Es bleibt bis auf ein paar größere Wolkenlücken bedeckt, und die Polarlichtaktivität endet ebenfalls – es gibt nichts mehr zu sehen, was bei dem Seegang auch gar nicht so schlecht ist.

Das Berlevåg-Maneuver

Berlevåg ist der letzte Hafen, den ich noch mitmachen will. Ich bin ohnehin verwundert, dass der Kapitän ihn bei dem Wetter anläuft. Also ich kurz vor dem Hafen runter auf Deck 5 will, zieht er aber die Handbremse an, macht eine scharfe 120°-Kehre (und ich einen Abstecher zur Seite), die einige Regale abräumt, und wir brechen ab – die Fahrt geht weiter Richtung Båtsfjord. Auf MArinetraffic war das Manöver auch schön zu sehen… Also Feierabend, kein Besuch in Berlevåg. Irgendwann in der Nacht lässt der Seegang auch etwas nach, bis wir schließlich die Kurve Richtung Vardø, Vadsø und Kirkenes nehmen. So lässt sich gut schlafen.

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