Hurtigrute Tag 8: Hammerfest

Der Tagesplan

Was es ausmacht, wenn man nur die normalen Schiffsgeräusche hört – ich bin zwar trotzdem viel zu früh wach und kann in Ruhe frühstücken, noch bevor wir gegen acht Uhr Havøysund erreichen, aber das ist in Ordnung – und ich werde mit wunderbarem Morgenlicht begrüßt.

Wir haben etwa eine Viertelstunde Verspätung (wie erwartet gibt es in Honningsvåg wie üblich unerwartet viel Fracht), was sich den Tag über hindurchziehen wird. Nun, so lässt sich immerhin die Morgendämmerung genießen.

Während wir uns bereit zum Ablegen machen, biegt am Horizont auch schon die MS Havila Castor um die Ecke. Sie ist eines von demnächst vier Schiffen der Reederei Havila, die gemeinsam mit den sieben Schiffen der Reederei Hurtigruten die Kystrute bedient – also die Häfen entlang der klassischen Postschiffroute, die jeder als “Hurtigrute” kennt, auch wenn nur Hurtigruten AS die Namensrechte daran hat. Schönes Schiff – ich bin gespannt, ob ich irgendwann auch mal an Bord gehen kann. Die Schiffsbegegnungen im Hafen mit gegenseitiger Bessuchsmöglichkeit gibt es ja nicht mehr.

Von dieser Schiffsbegegnung abgesehen verspricht es ein recht ruhiger Tag zu werden. Die großen Häfen besuchen wir auf der nordgehenden Route, südgehend steht vor allem Landschaft auf dem Programm, soweit man das in der Polarnacht genießen kann – es wird doch recht früh dunkel. Bei perfektem Wetter und extrem ruhiger See fahren wir Richtung Hammerfest.

Mit leichter Verspätung und bei unglaublichen Farben passieren wir die Flüssiggasanlage Melkøya. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ist das ja auch bei uns wieder ein Thema geworden – hier wird das Gas des weiter Offshore-Fördergebiets “Schneewittchen” verflüssigt und in Tanker verladen, wovon natürlich auch das Städtchen Hammerfest profitiert.

Kurz nach Melkøya passieren wir die Halbinsel Fuglenes mit einer alten Schanze – der Skanzen oder Redoubt – die 1810 in den napoleonischen Kriegen nach einem Überfall durch die Engländer errichtet und zum 200-jährigen Stadtjubiläum 1989 restauriert wurde. Die berühmte Kirche sehen wir nur aus der Ferne: Das Hafenbecken wird ausgebaggert und umgestaltet, sodass wir auf Fuglenes anlegen. Ein kostenpflichtiger Shuttlebus fährt in den Ort und wohl auch zum Eisbärenclub (der umgezogen ist); viele andere zieht es mit dem Expeditionsteam zu Struves Meridiansäule.

Sie erinnert daran, dass in Hammerfest das nördliche Ende des Struve-Bogens war – eine 2821 Kilometer langen Vermessungsprojekts, das von Staro-Nekrassowka in der heutigen Ukraine bis Hammerfest reichte. Um 1850 wurde so die Erde vermessen und die Abplattung der Erde an ihren Polen bestätigt. Von der Meridiansäule aus besteht Blickkontakt zu zwei weiteren Messpunkten, auf der Insel Håja und auf dem Seilandstuva. Auch wenn die Säule direkten Blickkontakt zum Schiff hat, muss man einen etwas längeren Umweg durch das Industrieviertel gehen, um zu ihr zu gelangen.

Von der Meridiankreissäule ist es nicht mehr weit bis zur Spitze der Fuglenes-Landzunge, an der ein kleines Freilichtmuseum ist. Da sind einerseits die flachen Erdwälle der kleinen Schanze, in der heute wieder eine Kanone steht, außerdem ein kleines Freilichtmuseum unter anderem mit einem Haus, das einst auf der Insel Melkøya stand und aus Material bestand, das die deutschen in der Region zurückgelassen hatte – nachdem die deutschen Truppen bei ihrem Rückzug aus Nordnorwegen verbrannte Erde hinterlassen hatten, wurde so eine Unterkunft für die Familie errichtet, die auf Melkøya lebte. Als schönes Fotomotiv gibt es noch den kleinen Leuchtturm, den man auch erklimmen kann.

Viel mehr gibt es hier nicht zu sehen – aber normalerweise liegt die Meridiansäule zu weit abseits vom Anleger, daher war sie schon einmal einen Besuch wert. Mein Standard-Foto auf der Bank vor dem Musikpavillon bleibt mir wieder verwehrt. Noch mindestens bis Mitte 2023 dürfte der Hafenumbau dauern.

Øksfjord

Nach Hammerfest fahren wir weiter Richtung Süden, in die Nacht. Um 14:30 hält Thomas seinen zweiten Vortrag über Raumfahrt zum Mond, danach bieten wir noch einmal eine Reiseleitersprechstunde an. Øksfjord erreichen wir mit einer guten Viertelstunde Verspätung; von den mächtigen Bergen rundherum ist nicht viel zu sehen, dafür gibt es immer wieder ein tolles Echo, wenn wir einlaufen.

Kurz vor dem Abendessen wird noch einmal Polarlicht gesichtet. Ich bin um Viertel vor Sechs draußen und sehe noch einen schwachen Bogen, vorher war es wohl etwas besser. Naja, nach den Shows der letzten Tage lasse ich es gut sein und gehe Abendessen – es gibt die Schweinshaxe, die es normalerweise erst bei Molde gibt.

Frohe Norwegische Weihnachten!

Und dann wird es weihnachtlich: Margit hält ihren Weihnachtsvortrag und klärt um kurz vor acht darüber auf, welche Weihnachtsbräuche es in Norwegen gibt, wie man mit Nissen umzugehen hat und was es zu beachten gibt, wenn man zu regionalen Spezialitäten eingeladen wird.

Zwischendrin gibt es noch eine Nordlicht-Durchsage, aber wir halten ihr die Treue. Als ich nach dem Vortrag noch einmal raus schaue, hat es auch zugezogen – kein Stern mehr zu sehen. Sieht nach einem ruhigen Abend aus.

Stille Versteigerung

Um 21 Uhr endet außerdem eine “Stille Versteigerung” einer Seekarte und einer Postflagge – die ist aber so still und heimlich, dass davon kaum einer etwas mitkriegt. Erst eine Stunde vor Ende wird über die Lautsprecher darauf hingewiesen. Allerdings habe ich es auf dieser Tour noch kein einziges Mal zum allabendlichen Treffen mit dem Expeditionsteam geschafft, vielleicht wurde die Veranstaltung dort erklärt und beworben.

Der Rest des Abends ist ruhig: Die Wolken bleiben uns erhalten, wenn ich raus schaue, und ich kann noch ein paar Kleinigkeiten abarbeiten, bis wir Tromsø erreichen.

Eismeerkathedrale bei Nacht

Das Mitternachtskonzert in der Eismeerkathedrale findet weiterhin nicht statt (es gibt wohl Streitigkeiten zwischen dem Chor, der Kirche und Hurtigruten), stattdessen wird ein alternatives Konzert in einem Pub angeboten. Der Ausflug findet aber nicht statt, es gibt zu wenig Interessenten.

Wir planen stattdessen einen kurzen Abstecher in den Rørbua-Pub, der Livemusik anbietet. Gegen Mitternacht erreichen wir mit einer Viertelstunde Verspätung Tromsø, und viel weiter geht es erst einmal nicht: Wir verlassen das Schiff und stehen vor verschlossenen Türen. Die Türe zur Rolltreppe in das Prostneset Hafenzentrum, durch das man in den Ort gelangt, ist abgeschlossen, und der Rest des Hafengeländes ist mit Zäunen abgeriegelt. Das hatte ich auch noch nie – dass der Zugang zu dieser lebhaften Stadt für die Hurtigrute abgeriegelt ist. Vielleicht hatte sich jemand gedacht, dass das Schiff nicht mehr kommt, wenn es nicht pünktlich um 23:45 da ist… Um 0:15 macht uns jemand zumindest den Zaun auf, aber ich breche ab – nur für eine Stunde in die Stadt gehen, lohnt sich dann doch nicht, und das Bett ruft. Soviel zum Nightlife in Tromsø…

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