Das war’s: Kirkenes. Halbzeit. Ab heute werden wir zur südgehenden Hurtigrute und haben immer noch kein Polarlicht gesehen, bis auf den Hauch bei Skjervøy, und der zählt nicht. Genauer gesagt: Für die Polarlichtgarantie von Hurtigruten zählen die Einträge im Captains Log, nicht die in Alex’ Blog.
Aber fairerweise: Als Urlaubsreise war das bislang gar nicht so schlecht: Keine schwere See, keine ausgelassenen Häfen (anders als die Nordnorge hinter uns), keine Katastrophen, kein verlorenes Gepäck, und durchaus schöne Tage für Ausflüge. Aber wir sind ja nicht zum Vergnügen hier, sondern um Nordlicht zu sehen. Heute gibt es aber erst einmal Kirkenes zu sehen. Am Schneehotel mit der Huskyfarm und den Rentieren war ich letztes Mal, und die russische Grenze hat prinzipiell auch ihren Reiz, aber stattdessen geht es wieder einmal nach Kirkenes. Das tief verschneite Städtchen ist wie gewohnt sehr ruhig, und die Uhr der Kirche scheint noch kaputter zu sein als normal – waren die Zeiger schon immer so kurz?
Neu ist ein großes Fragezeichen mitten im Ort – das Fremdenverkehrsbüro ruft zur Suche verschollenen Baby-Fragezeichen auf, entweder per App oder per Zettel, der an der Touri-Info erhältlich ist. Mein Verdacht: Die stecken im Schnee… Das Russendenkmal und das für die Kriegsmütter fallen mehr auf.
Besonders viele Sehenswürdigkeiten hat der Ort sonst nicht zu bieten, daher lande ich bald recht im Amfi Einkaufzentrum. Beim Einkaufen zeigt sich: Das Tax Free System wird auf App umgestellt, jetzt muss man seine Kredikartendaten – samt Sicherheitscode – in einer App eingeben. Mal was neues… aber nur mäßig vertrauenserweckend.
Auf dem Rückweg steht noch Proviant einkaufen auf dem Plan: das Rema am Anleger existiert nicht mehr; ein Stück weiter weg gibt es einen Europris (der von allem etwas hat) und ein Spareland, in dem ich nicht war. Zu beiden ist es ein etwas weiterer Weg, aber sie sind nicht zu weit abseits. Die Schokoladenpreise sind aber nicht besonders günstig.
Langsam wird es zur Gewohnheit, dass wir tagsüber schönes Wetter haben und abends Wolken: Der Vormittag war für die Ausflüge wie die Hundeschlittentour optimal, aber als wir über den Varangerfjord nach Norden fahren, nehmen die Wolken immer mehr zu.
In Vardø ist der Himmel dann 50/50 mit strahlendem blau und drohendem Grau. Wir kommen sogar fast pünktlich an, aber bis die Gangway offen ist, vergeht wieder einmal eine Viertelstunde. (Ja, ich weiß – wäre man jetzt auf der alten Lofoten, wo einfach nur die Gangway an die Reling gelehnt wurde… aber wir sind ja in der Zukunft.) Also langt es doch nur für die Festung Vardøhus und nicht für das Hexendenkmal. Eine neue Baustelle sorgt für eine zusätzliche Verzögerung, sodass es bei einem Blick auf das Steilneset bleibt, und einem kurzen Gang durch die Festung.
Nach dem Ablegen habe ich um 17:15 meinen nächsten Vortrag, über den Mond. Krater, Schluchten, Wälle sind das Thema, und passend dazu ist die Barentssee sehr unruhig. Ich hatte hier schon ruhigere Fahrten, auch bei mehr als den aktuellen zwei Metern Wellenhöhe. Aber fast alle halten bis zur Polarlichtprognose durch. Polarlicht: Mau. Wolken: Nur eines von drei Wettermodellen ist halbwegs optmistisch und prophezeit Wolkenlücken. Ich bin skeptisch, aber bereit, und lasse das Abendessen ausfallen. Andere genießen mit Günter ein Königskrabben-Essen um 19 Uhr.
Alle halbe Stunde schaue ich raus: Sternklarer Himmel ohne Grün, dann Wolken, dann sternklarer Himmel, dann Graupelschauer, bei dem ich die Augen nicht aufkriege. Als wir Båtsfjord erreichen, gönne ich mir einen Burger im Bordbistro. Auf der Nordkapp gab es im Bistro Rabatt, wenn man Vollpension hat, hier nicht.
Es kommt, wie es kommen muss: Kurz vor dem letzten Bissen, mitten in Båtsfjord, kommt die Durchsage: Nordlicht! Erspäht hat es jemand aus meiner Gruppe – da habe ich wohl alles richtig gemacht:-) Also rasch auf Deck 9, meine Nikon an die Reling klemmen, so gut das geht. Die Trollfjord hat eine dickere Reling als die älteren Schiffe, da gibt es nicht so viele Optionen. Was aber immer funktioniert: Keine 10 Sekunden später steht ein Engländer vor dem Objektiv, das über das Deck gerichtet ist. Auf meine Bitte, zur Seite zu gehen, erklärt er mir, dass das Polarlicht auf Deck 6 viel schöner zu sehen ist, weil es da dunkler ist. Und was machst du dann vor meiner Kamera???
Da ich mit der Kamera beschäftigt bin, verpasse ich etwas Show, aber das ist okay: Über uns leuchtet ein schön strukturierter Bogen, in dem es auch Bewegung gibt. Dann kommen Wolken, und immer wieder größere Wolkenlücken. Båtsfjord verlassen wir mit deutlicher Verspätung und nehmen noch einen Schneesturm mit, der in Minutenschnelle den klaren Himmel ersetzt. Das Spiel zieht sich dann den ganzen Abend, mindestens bis Berlevåg: Schneegestöber und Wolkenlücken mit Polarlicht, das teils so hell ist, dass ich es sogar mit dem Handy filmen kann. Eigentlich eine Unverschämtheit, was so ein Smartphone heute leistet.
Von dem Wellengang auf der Barentssee und dem glatten Deck ist das eigentlich fast ein perfekter Abend: Das Polarlicht ist lange genug sichtbar, dass jeder eine Chance hat, es zu erspähen; es ist nicht nur ein langweiliger Bogen, den ich dann als etwas tolles verkaufen muss, sondern hell und zeigt deutliche Aktivität, mit etwas Tanz und Rot – was will man mehr? Na klar – man will mehr! Aber immerhin kann jetzt jeder sagen, dass er Polarlicht gesehen hat.
Dabei geht die Schiffsbegegnung mit der nordgehenden Nordnorge fast unter – ich sehe sie nur an uns vorbeiziehen, als ich eine Polarlichtpause nutze, um bei dem Seegang einmal nicht mittschiffs am Pool zu stehen. Gegen halb elf mache ich das letzte Bild, wenig später kommen auch die ersten Crew-Mitglieder, die den Pool, zur abendlichen Entspannung nutzen – es sei ihnen gegönnt! Ich füttere lieber den Rechner mit Bildern, damit es wieder ein hübsches Filmchen gibt.
Da wir immer wieder starken Schneefall haben, gibt es diesmal einige kleine Zeitrafferfilmchen. Viel Spaß damit!