Mittlerweile sind wir ganz im Norden: Havøysund ist unser erster Hafen bei Tageslicht, oder Hawaiisund, wie das Fischerörtchen auch liebevoll genannt wird. Hier sollen wir der südwartsgehenden Hurtigrute Polarlys begegnen, mit der Gruppe von Margit und Tim. Da muss natürlich eine Winkekonkurransje gemacht werden, und ich hatte am Vorabend schon alle gebeten, um 8:20 an Deck zu sein.
Wer fehlte, war die Polarlys. Laut Marinetraffic hängt sie noch in Kirkenes rum, aber Marinetraffic hat (genau wie Flightradar) in letzter Zeit öfter mal Probleme. Aber wozu gibt es hierzulande fast überall Handy-Empfang? Die Polarlys ist unterwegs, hat Honningsvåg aber mit einer Dreiviertelstunde Verspätung verlassen. Ein Fehler, denn nun laufen wir zuerst Havøysund an, während die Polarlys erst hinter uns am Horizont auftaucht. Und sich auf eine längere Wartezeit gefasst machen darf. Zuerst einmal legen wir gewohnt behutsam an (mit Beschwerde vom Hafenarbeiter, dass das Schiff zurückfahren und am statt vor dem Kai halten soll), und dann haben wir viel Fracht, deren Verladung sich zieht. Derweil dreht die Polarlys ihre Runden.
Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung verlassen wir endlich Havøysund, winken einander zu und nehmen Kurs auf den Magerøyasund. Danach tauschen wir untereinander noch Bilder aus – wann hat man sonst die Gelegenheit, Bilder des eigenen fahrenden Schiffs zu kriegen?
Der Magerøyasund, der die Insel Magerøya mit Honningsvåg und dem Nordkapp vom Festland trennt, gibt sich diesmal betont kontrastarm, um nicht zu sagen monochrom.
Auch Honningsvåg, das wir mit Verspätung erreichen, versteckt sich in Schnee und Dunst. Wo die Berge in die Wolken übergehen, lässt sich kaum erahnen. Auch unser Schwesterschiff, die ehemalige Midnatsol (jetzt: Maud), ist im Hafen aus der Ferne kaum zu erkennen.
Wenn ich hier im Ort bleibe, mache ich meist einen Spaziergang hoch zum Friedhof über dem Ort; bei diesem Wetter lockt er aber nicht mit Aussicht auf Honningsvåg. Der Spaziergang in die andere Richtung, zur Shell-Tankstelle auf dem 71. Breitengrad, ist auch nur mäßig prickelnd. Dafür steht heute das Nordkap auf dem Plan. Bislang hatte es immer geklappt – ist heute das erste Mal, dass ich das Nordkap wegen Schnee oder Nebel nicht sehe?
Unsere Abfahrt verzögert sich etwas. Eigentlich hätten wir einen rein deutschsprachigen Bus, aber in Honningsvåg steigen die Corona-Zahlen, daher gibt es weniger Busfahrer, und die Midnatsol (an deren neuen Namen Maud ich mich noch gewöhnen muss) hat weitere Busse in Beschlag genommen. Also gibt es etwas Chaos, bis einige englischsprechenden Passagiere zusteigen und wir endlich abfahren können. Es gilt die starke Empfehlung, MAske zu tragen, auch wenn Norwegen alle Maßnahmen aufgehoben hat.
Die Fahrt auf das über 300 Meter hohe Nordkap-Plateau führt durch eine tief verschneite Landschaft, von der nicht so viel zu sehen ist. Aber die Straßen sind gut, und wir müssen nicht einmal im Konvoi dem Schneepflug hinterher fahren. Am Nordkap ist es dann für diese Jahreszeit voll: Vier Busse von der Trollfjord, noch mehr von der Midnatsol, und einige Privatfahrzeuge. Der Tourismus läuft eindeutig wieder an.
Als wir ankommen, ist die Sicht bestenfalls mäßig – also erst einmal in die Nordkaphalle und zum dritten Untergeschoss. Dort könnte man einen kurzen Film von einer Viertelstunde im Kino anschauen, oder man biegt in den Gang ab, in dem einige Dioramen die Geschichte des Nordkaps darstellen. Außerdem gibt es hier eine kleine Kapelle und einen Ausstellungsraum, der an den Besuch des thailiändischen Königs erinnert, und am Ende erwartet einen die Höhle des Lichts, in der ebenfalls ein (mit 6 Minuten deutlich kürzerer) Film läuft, der ebenfalls das Nordkap im Lauf der Jahreszeiten zeigt. Dafür langt die Zeit. Wenn man auf den Kinofilm verzichtet, ist unser verkürzter Aufenthalt zwar nicht üppig, aber lang genug. Wieder oben zeigt der Blick aus dem Fenster eine sehr schöne Lichtstimmung, und am Globus ist auch nicht viel los: Perfekt. Also nichts wie raus, erst einmal links abbiegen, um den Felsen mit dem Nordkap-Globus zu fotografieren, ebenso wie die benachbarte Landzunge Knivskjellodden, die sogar noch weiter nach Norden reicht.
Zehn Minuten später, auf dem Rückweg, wird die Sicht schon wieder schlechter, aber für die Erinnerungsbilder am Globus langt es. Alles richtig gemacht:-)
Eineinhalb Stunden Aufenthalt haben wir insgesamt am Nordkapp, damit bleibt noch etwas Zeit für den Souvenirshop und die “Kinder der Welt” – die runden Steine, die ein Stück abseits vom Parkplatz stehen. Aber statt den Wag durch den Schnee dorthin zu suchen, begnüge ich mich mit einem Foto.
Und dann endet der Aufenthalt auch schon, es geht zurück in den Bus. Pünktlich zur Abfahrt um 14:30 sind wir wieder in Honningsvåg, zum Glück wartet das Schiff noch ein paar Minuten auf uns. Bei Hurtigrutenausflügen ist das aber nie ein Problem. Übrigens: Die ersten Nordkap-Taxis standen bei der Ankunft auch schon am Hafen und boten günstigere Fahrten zum Nordkap an. Auf die wartet das Schiff zwar nicht, aber die Fahrer wissen, was sie tun.
Anschließend gibt es Waffeln und heiße Schokolade zu kaufen, um die Zeit bis zum Nordkapbuffet und die Überfahrt nach Kjøllefjord zu überbrücken. Wer will, kann sich einen Vortrag über die Sami anhören. Derweil gibt es schlechte Nachrichten: Der Schneemobil-Ausflug von Kjøllefjord nach Mehamn wurde abgesagt, da unklar war, ob wir in Mehamn anlegen kommen. Dabei ist die Barentssee gar nicht einmal so unruhig…
Kjøllefjord erreichen wir ohne Probleme; die Felsformation der Finnkirche wird diesmal nicht angekündigt. Zwischen dem Sami-Vortrag und dem Treffen mit dem Expeditionsteam wäre das wohl zu viel. Kjøllefjord liegt tief verschneit in der Abenddämmerung und wirkt wie ein Weihnachtsdorf. Es ist die richtige Jahreszeit für den Ort.
Der Rest des Abends ist ereignislos: Es gibt Nordkapbuffet (wunderbar für Liebhaber von Meeresfrüchten, ich halte mich wie immer an das Rentier – ich war hier auch schon nur beim Käsebrot gelandet), und wir legen ohne Probleme in Mehamn an. Danach noch ein paar Mal raus schauen: Anders als vorhergesagt regnet es immerhin nicht, aber es ist auch kein Stern in der Wolkendecke zu erkennen. Bei Berlevåg begegnen wir diesmal keinem Schiff (da Havila Kystruten eigentlich vier Abfahrten bedient, aber aktuell nur ein Schiff hat, gibt es Lücken im Fahrplan), das Meer ist ziemlich ruhig, und wir steuern den Hafen zwar an, drehen aber vorher ab. Es gibt wohl keine Fracht.
Und damit ist der Tag auch am Ende, ich kann bedenkenlos ins Bett. Wieder keine Nachtschicht, Mist.