Es ist wieder soweit: Ich hinke mit meinem Blog etwas hinterher. Unsere Polarkreisüberquerung war am Sonntag, dem 5. Dezember, also mittlerweile vorgestern – die Reise geht übrigens vom 2.12 bis zum 13.12.2021. Der Tag 4 unserer Nordlicht-und-Sterne-Reise war aber auch lang…
Da wir im Dezember unterwegs sind, fahren wir natürlich mitten durch die Polarnacht. Das macht das zu einer etwas speziellen Reisezeit mit viel Dunkelheit, mit der man zurecht kommen muss. Solange es klar ist, gibt es aber viel Blaue Stunde, sodass man doch noch einiges vom Tag hat – aber nicht bei der Polarkreisüberquerung: Die findet meist irgendwann zwischen 7 und 8 Uhr statt, je nachdem, wie viel Fracht in der Nacht noch aufgenommen wird. Nun ist unser Captain zwar gut darin, Verspätung einzufahren, aber so verspätet, dass es bei der Überquerung des Polarkreises bereits hell wäre, sind wir dann doch nicht.
Im Gegenteil: Um 7:42 ist es stockfinstere Nacht, und dass der Schiffsscheinwerfer den Globus auf der Insel Vikingen immer wieder nur streift, macht die Sache für Fotografen nicht einfacher. Und dafür steht man so früh auf – wobei wir ja eh Frühstück zu einer unchristlichen Zeit haben. Südgehend werden wir den Polarkreis zu einer angenehmeren Zeit passieren.
Eine Stunde später lohnt es sich dann, wach zu sein: Die lange Blaue Stunde fängt an, und Norwegen ist in schöne Pastellfarben getaucht. Unser nächster Hafen ist Ørnes, das in wunderbar-kitschiger Postkartenidylle zwischen verschneiten Bergen liegt. Wir haben hier nur einen ganz kurzen Halt, bevor es schon wieder weiter geht.
Die Temperaturen liegen heute um die -10°, mit dem Wind wird es noch etwas frischer. Aber es gibt keinen Grund, im Schiff zu bleiben, es ist einfach zu schön draußen. Und kurz nach Ørnes wird es ohnehin voll auf Deck 7: Onkel Heinz, unser Reiseleiter, zieht seine Show ab und ruft zur Polarkreistaufe. Als Neptun/Njørd angerufen wird, richte ich meine Kamera wir gewohnt auf das Deck oberhalb der Theke von Deck 7, aber Neptun kommt diesmal ohne großes Theater von den warmen Whirlpools eine Etage tiefer zu uns.
Anschließend wird der Gewinner des Polarkreis-Wettbewerbs verkündet, der die Uhrzeit der Polarkreis-Überquerung am besten geschätzt hatte und neben einer Hurtigrutenflagge auch die erste Taufe gewonnen hatte. Ich bleibe dabei, dass die Taufe im Winter angenehmer ist, wenn man Eis abkriegt, das vielleicht sogar wärmer ist als die Umgebungstemperatur… Trotzdem verzichte ich auf das Vergnügen, eine Taufe auf der ersten Tour langt. Zuschauen und zuhören macht aber immer wieder Spaß:-)
Im Anschluss werden von den Offizieren noch Bücher signiert, während Stempel für die Polarkreisüberquerung für alle angeboten werden, die noch Postkarten schreiben. Und dann dauert es auch nicht mehr lange bis, wir kurz nach 13 Uhr Bodø erreichen.
Die Fahrt ist auch ohne Mittagessen (das gäbe es für uns bereits um 11:30) abwechslungsreich: Eine tolle Landschaft, außerdem treffen wir ein altes Segelschiff (die Noorderlicht) und sehen kurz vor Bodø sogar eine Fata Morgana: Einige Inseln scheinen knapp über dem Horizont zu schweben.
Da Sonntag ist, hat Bodø eigentlich nicht viel zu bieten. Für Sightseeing bietet die im Krieg zerstörte Stadt ohnehin wenig, dafür ändert sich in kurzer Zeit viel: Die Bautätig ist enorm, und auch der Flughafen soll demnächst um rund 700 Meter verlegt werden, um Platz für Neubauten zu schaffen. Eine moderne Stadt eben, deren Reiz sich beim ersten Besuch nicht unbedingt sofort erschließt.
Für uns steht daher neben einem kurzen Rundgang am Hafenbecken entlang das absolute Highlight der Reise an: Unser erster Weihnachtsmarkt in Norwegen. Hinter der Kirche stehen einige Buden, und es ist der letzte Tag, an dem der Weihnachtsmarkt offen hat. Bei -10 Grad und Wind ist nachvollziehbar, dass Weihnachtsmärkte in Norwegen keine große Tradition haben. Margit überredet uns zu einer Runde Gløg: Der norwegische Glühwein ist – angesichts der Alkoholpreise – alkoholfrei, sehr süß, und enthält so viele Nüsse und Beeren, dass er eher als Suppe durchgeht. Kann man mal trinken.
Und was wäre ein Weihnachtsmarkt ohne was zu Essen? Zur Auswahl stehen Crepes, Langosch, Pizza und German Döner. Wir entscheiden uns für den Döner und erhalten für 17 Euro immerhin keinen Fisch im Fladenbrot, sondern ein Pide mit vorübergehend warmen Fleisch, tiefgefrorenen Tomaten und Salat sowie einer Zaziki-Soße, die bei der Kälte immerhin auch nicht vom Brot fließt.
Das ist echt kein Klima für Weihnachtsmärkte, wo Bodø eh für seinen Wind berüchtigt ist. Anschließend geht es in den nächsten Kiwi-Supermarkt, um uns und unsere klammen Finger wieder aufzutauen. Die Handschuhe für’s Essen auszuziehen war ein Fehler.
Zurück auf dem Schiff steht schon unser zweiter Vortrag an, es geht um den Sternenhimmel und die griechischen Sternsagen. Die Polarlichtprognose für diesen Abend: Knifflig – es ist wenig Materie unterwegs, also gibt’s entweder gar nichts, oder eine so-lala-Show, oder was kurzes, aber richtig gutes. Wir werden sehen.
Bleiben noch eineinhalb Stunden bis zum Abendessen. Es ist klar, aber eigentlich noch zu früh für Polarlicht, nur dass um halb sechs trotzdem das erste zu sehen ist: Ein schöner Bogen vor dem Schiff.
Jetzt schon Polarlicht? Das verspricht gut zu werden! Der Bogen entwickelt sich zwar nur schwach, aber es ist im Lauf der Zeit noch rechts etwas Bewegung zu sehen. Eine Durchsage gibt es auch – die gleich darauf von der Info gefolgt wird, dass das später noch besser wird und man doch bitte ruhig zu Abend essen soll. Volker und ich entscheiden uns, ganz auf das Abendessen zu verzichten und bleiben bis kurz vor Stamsund am Bug – an unserem Tisch wird ohnehin sehr zäh serviert, da können wir es auch ganz bleiben lassen. Belohnt werden wir mit einem hübschen kleinen Polarlicht am Horizont.
Dabei habe ich auch genug Zeit, mit einem Fischaugenobjektiv rumzuspielen – ich werde wohl bei normalen Weitwinkelobjektiven bleiben. Da kam dann doch ein besseres Filmchen bei raus:
In Stamsund belohnen Volker und ich uns mit einer Pizza im Bordbistro, mit der wir fertig sind, bevor die Restaurantbesucher ihren Nachtisch haben. Dafür, dass wir eigentlich Vollpension haben, erhalten wir die Pizza sogar billiger und fast zu deutschen Preisen. Nicht schlecht.
Zwischen Stamsund und Svolvær wäre der ideale Zeitpunkt für Polarlicht. Alle Apps geben grünes Licht, und wir sehen: Nichts. Das einzige Polarlich ist die MS Polarlys mit der Nordlicht-und-Sterne-Gruppe von Hans und Ingrid, mit der wir uns eine kleine Winkekonkurransje gönnen. Immer wieder nett, und die Kapitäne scheinen auch mitzumachen – beide Schiffe haben maximale Beleuchtung. Gewinner: Beide:-)
In Svolvær liegen wir nur eine knappe Stunde, was für einen kleinen Stadtrundgang reicht. Neu im Ort ist ein Kunstwerk, das Auge in den Norden oder so ähnlich. Hinter der Kirche ist die Skulptur mit Loch, zu dem eine Treppe führt, sodass man einen Blick hindurch auf die Kirche werfen kann.
Ansonsten hat sich in Svolvær nicht viel verändert, und am Sonntagabend ist nichts los.
Nach Svolvær nehmen wir Kurs auf den Raftsund, wo uns der Trollfjord erwartet – bei klarem, Polarlicht-freiem Himmel. Und dann, kurz vor dem Trollfjord: Doch noch Polarlicht, das sich im Lauf der nächsten Stunde zu einer richtig guten Show entwickelt. Kurzzeitig ist auch Bewegung dabei, dazu die grandiose Kulisse des Raftsunds, auch wenn wir wegen Lawinengefahr nicht in den Trollfjord hineinfahren – das sind die Momente, in denen ich meinen Job liebe. Erst gegen ein Uhr packen wir zusammen, weil die Polarlichtaktivität nachlässt, bzw. nur noch diffuses Grün zu sehen ist.
Das war ein langer Tag… das Video gibt’s auf Twitter:
Zum Abschluss gehe ich um halb zwei noch einmal raus und werfe in Stokmarknes einen Blick auf die Finnmarken in ihrem neuen Glasbau: Bei Nacht kann man sie immerhin sehen; bei Tag spiegelt es zu sehr. Fehlt nur der richtige Winkel…
Und damit mache ich Feierabend. Morgen fällt das Frühstück für mich aus, das ist sicher.