Der Tag beginnt viel zu früh: Diesmal verschlafe ich die Polarkreisüberquerung nicht, sondern bin rechtzeitig genug für die Kugel an Deck. Kurz nach halb acht ist es vor allem dunkel – in Tromsø fängt die Polarnacht übermorgen an (am 27., also einen Tag nachdem wir dort waren), in Svolvær am 7. Dezember und in Bodø am 15. Dezember. Der Polarkreis markiert ja die Grenze, ab der es Polarnacht oder Mitternachtssonne gibt. Dementsprechend finster ist es bereits, und bei bedecktem Himmel ist es fast unmöglich, ein schönes Bild der Kugel auf der Insel Vikingen zu machen.
Trotzdem wird es versucht. Auf Deck 7 gibt das Expeditionsteam Infos und bietet Sekt (käuflich) an, während einige Fotografen ihr Glück am Bug versuchen. Auch wenn der Captain die Kugel anstrahlt: Es ist eher was für das Auge als für die Kamera.
Gegen 7:55 überqueren wir dann den Polarkreis, der Gewinner des Wettbewerbs steht fest (wer schätzt die Uhrzeit am genauesten?), und ich kann frühstücken gehen. Danach ist es endlich auch hell genug, um etwas von der Landschaft zu sehen – schließlich steht nun Ørnes auf dem Programm, einer der am idyllischsten gelegenen Häfen der Route.
Auf der Suche nach neuen Fotomotiven fotografiere ich Ørnes einmal von der Backbordseite statt der Steuerbordseite. Auch nicht schlecht:-)
Wir halten hier nur kurz, bevor es weiter in den Norden und zum nächsten Programmpunkt geht: Der Pflege arktischer Traditionen in Form der Polarkreistaufe. Unter Anleitung des Expeditionsteams rufen wir Neptun herbei, der dann auch seinen Weg aus dem Multe-Cafe auf Deck 7 findet. Also diesmal keine große Show, sondern ein pflichtbewusster Neptun. Nachdem seine Rede vorgelesen wurde (als Meeresbewohner kann er an Land ja schlecht sprechen), verteilt er großzügig Eiswürfel. Die erste Runde geht natürlich an die Gewinnerin des Wettbewerbs, nachdem sie die Hurtigrutenflagge erhalten hat.
Anschließend geht es schon im Schiff weiter: Wer will, kann sich Postkarten und anderes mit dem Polarkreisstempel versehen lassen. Die Hurtigrute führt ja immer noch die Postflagge, auch wenn die Post längst in den größeren Häfen auf Flugzeug umgeladen wird. Ein nettes Souvenir ist’s allemal.
Dann noch schnell zum Mittagessen, bevor wir Bodø erreichen. Am Eingang des Restaurants macht ein Troll Werbung für den magischen Trolltrunk, der traditionsgemäß verkauft wird, wenn wir abends durch den Raftsund und am Trollfjord vorbei fahren.
Um 12:40 sind wir fast wieder im vertrauten Fahrplan, unser Aufenthalt in Bodø ist nur zehn Minuten kürzer als früher. Bei ehemals 2,5 Stunden Aufenthalt merkt man das trotzdem. Das Wetter ist regnerisch, und da Sonntag ist, haben auch alle Läden geschlossen. Schmuddelwetter. Da gibt es eigentlich nur zwei sinnvolle Möglichkeiten: Im Schiff bleiben, oder einen Ausflug zu geschlossenen Räumen machen.
Von Bodø habe ich daher diemal nur ein paar Bilder vom Schiff aus, mein Reiseziel war diesmal das Luftfahrtmuseum. Ein Kleinbus vom Museum holt einen am Kai ab und fährt für – wenn ich mich richtig erinnere – 290 NOK zum Museum, der Eintritt ist da gleich mit dabei.
Das Museum überrascht mich positiv, auch wenn ich eigentlich mit Luftfahrt nicht viel am Hut habe: Es besteht aus zwei großen Hallen, die sich der Geschichte der militärischen und der zivilen Luftfahrt widmen. Vor allem der militärische Teil ist vollgestopft mit Flugzeugen und einer gut ausgewählten Menge an Informationen, sogar auf Deutsch. Wir haben nur etwas mehr als eine Stunde, aber für einen Streifzug durch die beiden Hallen langt das ganz gut. Es ist durchaus faszinierend, mit was für Spielzeugen die ersten Piloten unterwegs waren.
Der Rücktransfer klappt auch gut: Kurz nach 14:40 fahren wir los, und wenige Minuten später sind wir am Schiff. Für das übliche 10 Minuten vor Abfahrt an Bord ist das zwar knapp, aber die Busse mit den anderen Ausflugstouren sind auch noch nicht da – die kürzere Liegezeit macht sich bemerkbar, das ist alles knapp getaktet. Da wartet sogar die Hurtigrute mal.
Da bleibt genug Zeit, um an Deck zu gehen und den fehlenden Sonnenschein zu dokumentieren. Und dann trifft man auch noch Wiederholungstäter meiner Fahrt auf der Trollfjord – die Hurtigrute macht durchaus süchtig.
Die anschließende Überfahrt über den Westfjord verläuft ruhig, auch wenn zum ersten Mal leichter Seegang zu spüren ist. Das Schiff ist recht voll, da viele Einheimische am Sonntagnachmittag von Bodø zu den Lofoten übersetzen – schließlich sind wir mit einer Fähre unterwegs. Das größte Ereignis ist ein schöner Vortrag von Jan vom Expeditionsteam über die Wikinger.
Stamsund erreichen wir um 19 Uhr während des Abendessens. Es gibt vegetarisch: Eine gut gewürzte Pilz-Hafer-Bulette, die durchaus gut schmeckt. Der relativ leere Speisesaal ist weder auf das vegetarische Essen noch auf den leichten Seegang zurückführen, sondern auf den Ausflug zu den Wikingern: Die Teilnehmer verlassen in Stamsund das Schiff, essen in einem rekonstruierten Langhaus und kommen in Svolvær wieder an Bord.
Da die Wolkendecke sich hält, gibt es auf der Fahrt nach Svolvær kein Polarlicht – schade eigentlich. Die Begegnung mit der Vesterålen kurz vor Svolvær fällt auch aus, sie ist in der Werft und erhält neue Motoren. In Svolvær selbst mache ich auch nur einen kurzen Spaziergang. Der einsetzende Regen treibt mich rasch zurück aufs Schiff.
Dort erwartet uns eine Kostprobe Norwegens: Der Restaurantchef und der Chefkoch stellen das Coastal Kitchen Programm vor, mit dem Hurtigruten seit rund fünf Jahren fast nur noch einheimische Produkte serviert, die von über vierzig Lieferanten entlang der Küste bezogen werden.
Dazu wird Pökelfleisch serviert. Das ganze findet im Panoramasalon (bzw. der Bar) statt, die voll wie nie ist: Der Abstecher zum Trollfjord entfällt, weil das Wetter nicht so gut ist, und den Trollknerz gibt es daher in der Bar. Es ist tatsächlich proppenvoll, auch wenn die meisten wohl nur den magischen Trolltrunk wollen. Aber das Fleisch ist auch lecker (und ein netter Abschluss zu dem Tag mit vegetarischer Küche).
Für den Rest vom Abend gibt es nichts weiter zu tun, als das Gespräch zu suchen. Wer will, kann hier leicht Kontakte knüpfen, während draußen der enge Raftsund am Fenster vorbei zieht. Wir wechseln von den Lofoten auf die Vesterålen und lassen den Trollfjord links liegen.