Heute könnte er sein, der Tag der Tage: Endlich ist klarer Himmel angesagt, und das auch noch für die Strecke zwischen Tromsø und Skjervøy. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir hier kein Polarlicht sehen – oder zumindest mit einem Troll oder einem Stallo, schließlich sind wir hier in der Finnmarken, im hohen Norden.
Zuerst ist es aber kalt und bedeckt, als wir auf Hammerfest zufahren. Die Gasflamme über der (mittlerweile gut profitablen) Erdgasverflüssigungsanlage Melkøya brennt hell und sehr groß, wahrscheinlich ist den Arbeitern dort auch etwas kühl. Auf den morgendlichen Energiekaffee verzichte ich, stattdessen ist Zeit für ein paar Gespräche und um Niri zuzuhören, der etwas über Melkøya und die Erdgasgewinnung hier erzählt. Diese Points of Interest sind eine sehr feine Sache, wenn man Englisch kann.
Wenig später erreichen wir auch schon wieder Hammerfest. Zeit für einen kleinen Spaziergang; ich schleppe Hans mit, um ein Foto von mir auf “meiner Bank” zu machen. Diesmal liegt kaum Schnee, also nichts mit Füße hochlegen.
Danach machen wir den Standard-Rundgang: Vorbei am Marktplatz mit den beiden Bären vor dem Rathaus und einem windgebeugten Weihnachtsbaum zu Zickzackweg, den wir bis zur zweiten Biegung in Angriff nehmen – höher muss nicht sein, es liegt doch schon einiges an Schnee. Dann weiter zu Grabkapelle und Kirche, am Wiederaufbaumuseum vorbei und zum Eisbärenclub. Die kleine Orientierungstour ist mit ausreichend Fotostopps problemlos während der Liegezeit im Winter zu machen; ich schaue dann noch in der Buchhandlung und bei der Gamle Mårøy vorbei, die nun einen neuen Liegeplatz hat.
Und dann verlassen wir Hammerfest auch schon wieder, zwei Stunden gehen furchtbar schnell vorüber. Langweilig wird es aber nicht, obwohl es schon recht früh dunkel wird. Um 14 Uhr hält Hans seinen zweiten Vortrag über das Planetensystem (ich will diesen Vortrag auch einmal in unter einer Stunde halten können, Respekt), um 15:15 Uhr kann man in der Bar Seemannsknoten lernen, und um 15:45 hält Magnus einen unterhaltsamen und informativen englischsprachigen Vortrag darüber, wie wenig wir über die Wikinger wissen. Das Expeditionsteam macht echt einen guten Job.
Für den hübschen Hafen Øksfjord bleibt da kaum Zeit. Nach Magnus’ Vortrag geht es auf die Loppa, aber heute ist diese offene Seestrecke lieb zu uns. Und der Himmel wird immer klarer…
Um 18 Uhr heißt es wieder “Gatherung with the Expedition Team”, mit dem Tagesrückblick auf Deutsch und Englisch. Polarlichter sind natürlich auch ein Thema. Gestern hieß es wegen der bescheidenen Aussichten (kp 3) noch “Don’t be so realistic, I’m trying to sell this”; heute klingt es schon optimistischer. Ich meine, wenn Tromsø nicht klappt, was dann? Und nachdem wir um 19:45 Skjervøy verlassen, wird auch das Licht auf dem Sonnendeck ausgemacht. Die Milchstraße ist zu sehen, aber noch kein Grün. Und das Polarlicht-Oval ist praktisch nicht-existent. Glaub ich’s denn?
Um die Zeit rumzukriegem höre ich dann Magnus beim Story-Telling zu, er erzählt sehr lebhaft die Geschichte, wie Askeladden einen Troll beim Wettessen besiegte. Dann nochmal nach draußen: Immer noch nichts. Nur die nordgehende Polarlys zieht an uns vorbei. MS Polarlys, MS Nordlys – das kann doch nicht alles an “Nordlicht” sein für heute? Frustiert hole ich mir ein Nordlys-Bier an der Bar. Vielleicht klappt es ja, dass wir jetzt Nordlicht kriegen. Dafür bin ich gerne bereit, ein kaltes Bier zu opfern, trotz der Preise.
Aber es hilft nichts – perfekter Himmel, klare See, kein Nordlicht.
Um 21:30 ist dann die Modenschau, bei der die Sachen aus dem Shop vorgestellt werden. Helly Hansen wurde durch Bergans of Norway ersetzt, und die Crew führt die Sachen vor – da Heidi Klum, Naomi Campbell und Claudia Schiffer nicht per Hubschrauber eingeflogen werden konnten, muss die Mannschaft einspringen. War trotzdem ein Spaß, und Norwegen hat bekanntlich die hübschesten Mädchen. Wer braucht da schon Top-Models?
Und draußen? Klarer Himmel… Hans und ich erklären ein paar Sternbilder, bis wir schließlich Tromsø erreichen. Der kp-Index ist mittlerweile bei 0. Ich glaube langsam, Tromsø ist kaputt.
Als wir Tromsø erreichen, bleibt nur eins zu tun: Eine Kneipentour. Wir kommen gerade einmal bis zum Rørbua direkt am Kai, der nur Mack-Bier hat. Ich komme wieder nicht zu meinem Guinness, nicht einmal das klappt. Als wir um halb zwei Tromsø verlassen, meint der ACE-Satellit, das langsam etwas kommen könnte – zumindest ist die Polung vom Erdmagnetfeld besser, dafür kommt noch weniger Materie als vorher.
Noch bis kurz nach zwei Uhr bleibe ich wach und gehe immer wieder an Deck, dann kapituliere ich – die Bewölkung nimmt wie vorhergesagt zu, und wenn es Polarlicht gibt, dann mittlerweile westlich von Grönland. Hier ist die Lage besäufniserregend, aber das kann sich in Norwegen ja keiner leisten. Also Feierabend und ab ins Bett.