Es gibt Tage, an denen man das Telefon, über das Schiffsdurchsagen übertragen werden, am besten abschaltet. Tag 4 mit der Polarkreisüberquerung ist so einer – in der Polarnacht ist halt nicht viel von der Kugel auf der Insel Vikingen zu sehen, die den Polarkreis markiert, aber sie wird angeleuchtet, dazu gibt es meist Sekt an Deck, und es ist ein nettes Ereignis, wenn man zum ersten Mal die 66°33′ überquert und somit je nach Definition die Arktis erreicht – auf jeden Fall sind wir nun in dem Bereich, in dem es je nach Jahreszeit Mitternachtssonne bzw. Polarnacht gibt.
Aber wie dem auch sei: Der Schiffs-Typhon weckt einen so oder so, selbst wenn das Telefon aus ist. Als wir den Polarkreis um 7:40 überqueren, bin ich trotzdem nicht an Deck. Ich werde das Polarkreismonument wohl erst südgehend fotografieren. Stattdessen bin ich zur Schiffsbegegnung mit der Richard With an Deck und erwische sie gerade noch. Die Dämmerung ist nicht gerade fotografenfreundlich.
In Ørnes ist es dann schon heller, auch wenn dunkle Wolken einen dramatischen Himmel erzeugen. Mit seinen roten Häuschen kann es eine echte Postkartenidylle sein, heute begrüßt es uns mit einem kleinen Schneeschauer und einem Hauch von Arktis.
Wir verlassen Ørnes wenig später mit etwas Verspätung kurz nach zehn Uhr und fangen gleich mit der Polarkreiszeremonie an. Vorher gibt es noch ein paar Infos zum Sturm der letzten Nacht: Offiziell war es jetzt nur noch Windstärke 9 bis knapp 10 statt der gefüglten 11. Dann werden alle Passagiere werden an Deck versammelt und rufen nach Njørd. Nett – auf den anderen Schiffen wird nach Neptun gerufen; der nordische Njørd unterschreibt dann nur die Urkunden. Daher kommt Neptun Njørd diesmal auch nicht die Treppe hoch und versteckt sich unter einer Gummi-Maske, sondern erscheint auf dem Arbeitsdeck oberhalb des Sonnendecks. Und sprechen kann er auch!
Diesmal begrüßt uns Njørd also ohne Dolmetscher (und somit nur auf Englisch), etwas affektiert und mit seiner Tröte (und kräftiger Unterstützung durch das Schiffshorn). Anschließen kommt er auf unser Deck, und der Gewinner des Polarkreisüberquerungsschätzwettbewerbs wird verkündet. Zur Belohnung gibt es die signierte Hurtigrutenflagge und den ersten Platz bei der Polarkreistaufe.
Bis zum Ende der Zeremonie bleibe ich nicht (ich weiß ja, wie es ausgeht), sondern geselle mich zu Angelika und Sabine, die ihre Reiseleiter-Sprechstunde anbieten. Danach bleibt nicht viel Zeit, schließlich ist für 12:30 die Ankunft in Bodø geplant, und Mittagessen steht auch noch an.
Bodø erreichen wir zwar erst etwas später, aber es bleibt ausreichend Zeit für einen kleinen Rundgang. Da die Stadt im Krieg zerstört wurde, bietet sie wenige typische Sehenswürdigkeiten, aber mittlerweile weiß ich sie zu schätzen. Mein typischer Rundgang führt zum Lachsmuseum (diesmal ist das nette Mädchen nicht da, das sonst so schöne Führungen macht, aber immerhin ist Sonntag), dann am Denkmal für die Erling Jarl vorbei (die im Hafen von Bodø ausbrannte) zum Scandic und der Gamle Salten, bevor es nach einem Schlenker am Yachthafen vorbei zurück geht.
Bodø zeigt sich erst einmal nicht von seiner schönsten Seite: Es zwar ausnahmsweise nicht sehr windig, aber auf den Straßen liegt allenfalls etwas Eis, und alles ist recht schmuddelig. Zeit für einen Blick von oben: Wir steuern die Bar Top 13 auf dem Radisson Blu Hotel an, aber sie hat geschlossen (wie der Blick auf die Webseite auch so verraten hätte). Als wir aus dem Hotel wieder auf die Straße kommen, hat es begonnen zu schneien, und Bodø wirkt gleich ganz anders.
Chic! Jetzt macht der Weihnachtsbaum aus Leuchtkugeln gleich viel mehr her. Dahinter parkt die Pepperkakebyen von Bodø, die in einem alten Bus untergebracht ist. Mit Sabine und Hans mache ich noch einen Abstecher zur Kirche, hinter das sehenswerte Museum von Bodø ist. Ein paar Meter weiter entdecken wir ein hübsches Wandgemälde zum Polarlicht, und dann geht es auch schon wieder zurück zum Schiff – schließlich legen wir um 15:15 ab, und um 15:30 ist mein nächster Vortrag (Sternenhimmel und griechische Sagen).
Mein Vortrag muss pünktlich beginnen, da der Raum bereits um 16:30 wieder für einen Vortrag über die Bedeutung von Essen und Trinken auf Expeditionsreisen gebraucht wird. Ich war nicht drin, aber er soll gut gewesen sein – Ralf vom Expeditionsteam hat ihn gehalten.
Stattdessen gönne ich mir eine Pause für Gespräche, während das Wetter draußen wieder nordlichtfeindlich wird. Um 18 Uhr steht dann ein Treffen mit dem Expeditionsteam im Panoramasalon an. Sie geben einen launischen und unterhaltsamen Tagesrückblick, stellen die nächsten Ausflüge vor und geben ein paar Einblicke in Norwegen. Schön gemacht, wenn auch fast etwas lang mit einer halben Stunde. Danach muss man aufpassen, dass man sich nicht festschwätzt und das Abendessen verpasst (oder die Abfahrt zum Wikingerfest). Wer das Schiff nicht in Stamsund um 19 Uhr zum Wikingerfest verlässt, kann in Ruhe nach Svolvær schippern.
Die “Haupstadt des Lichts” liegt unter Wolken begraben. Wir haben eine Stunde Aufenthalt, was für einen kurzen Rundgang durch den frischen Schnee langt. Schön. Wir sind die ersten, die hier ihre Spuren hinterlassen.
Es bleibt noch etwas Zeit, um vor der Webcam des Hafens zu posieren, dann legen wir um 22 Uhr auch schon wieder ab. Mittlerweile schneit es schon wieder – keine Chance für Nordlicht im Raftsund.
Aufbleiben lohnt sich trotzdem: Magnus vom Expeditionsteam gibt in der Bar auf Deck 7 auf Englisch ein Schauspiel und verkörpert Fridtjof Nansen, den norwegischen Entdecker, Abenteurer und Polarforscher. Sein größter Feind war wohl sein Schnurrbart… Ich weiß nicht, ob Nansen im echten Leben auch so großspurig war, aber es ist eine unterhaltsame Darbietung, die auch einiges an Wissen vermittelt. Hurtigruten entfernt sich langsam von dem Konzept, dass nur die Landschaft die Unterhaltung ist, aber davon ist gerade eh nichts zu sehen. Die kleine Show kommt gut an und tröstet darüber hinweg, dass wir mangels Sicht nicht am Trollfjord anhalten.
An Deck gibt es trotzdem die berühmten Fiskekake (umsonst) und den magischen Trolltrunk (zum Kaufen, aber man kann die Tasse behalten). Serviert wird er von zwei bezaubernden Mädels aus der Crew, die sich in Trolle verwandelt haben.
Mit Schnee und etwas Wind verschwindet leider die Chance auf Polarlicht, und vom Raftsund ist nicht allzuviel zu sehen. Die beleuchteten Häuser und Straßen geben immerhin einen Eindruck davon, wie eng er ist. Dafür kommen wir leider früh ins Bett.