Das Wetter hat sich über Nacht nicht wesentlich gebessert, sondern war weiterhin nass und windig. Trondheim haben wir trotzdem pünktlich erreicht. Nach dem Zwangsaufenthalt mit der Finnmarken kenne ich den Ort ja schon einigermaßen – aber der Blick aus dem Fenster ist trotzdem ungewohnt. Wegen schlechtem Wetter haben wir am Ila-Kai angelegt (ILA, nicht 2A), westlich vom Stadtzentrum. So viel zum morgendlichen Besuch auf der Polarlys… Ein wenig mache ich mir nun doch Sorgen um unser Schiffchen. Gibt das hier Finnmarken reloaded?
Auf alle Fälle ist das Wetter schlechter als bei der letzten Fahrt, es gießt immer noch wie aus Kübeln. Vor dem Frühstück bin ich immer noch unentschlossen, ob ich in die Stadt gehen soll. Aber die Entscheidung wird mir abgenommen: Frühstück gibt es nur bis 8:30. In Trondheim? Was zum Geier… manchmal sollte man doch in das Tagesprogramm schauen.
Der Grund: Es wird Weihnachten, und für die Einheimischen wird Frühstück auf der Hurtigrute angeboten. Da müssen die Passagiere weichen. Das hatte ich jetzt auch noch nicht, und es hätte ruhig etwas deutlicher bekannt gemacht werden können. Damit bleiben mir zehn Minuten, um ein Speed-Frühstück zu machen. In Trondheim im Starbucks zu frühstücken ist gar keine so dumme Idee…
Kein Grund zu bleiben ist ein Grund zu gehen, also mache ich mich kurz nach halb acht auf den Weg in die Stadt, diesmal mit der Island-Hose statt der normalen Jeans – schließlich ist das Wetter keinen Deut besser geworden. Der Weg ins Stadtzentrum ist ähnlich weit wie vom normalen Anleger aus (knapp eine halbe Stunde), aber hübscher: Jede Menge kleiner Holzhäuser säumen den Weg, ebenso eine nette Kirche. Über die Kongensgate komme ich schließlich beim Torg-Einkaufszentrum heraus.
Besonders beeindruckend finde ich ja die Verwaltung vom Krankenhaus, die eher als Kirche durch geht. Leider kann sich Trondheim bei diesem Wetter nicht von seiner besten Seite zeigen. Sogar meine Schuhe, mit denen ich in Island schon in Wasserfällen stand, geben langsam nach… Auch wenn Trondheim meiner Meinung nach nicht mit dem (winterlichen) Tromsø mithalten kann, lohnt sich der Besuch normalerweise. Viele kleine Holzhäuser und unzählige Elektroautos (die mit dem EL auf dem Kennzeichen) bieten ein hübsches Stadtbild – aber natürlich nur, wenn man sich die Kapuze nicht bis ins Gesicht ziehen muss.
Bei dem ungemütlichen Wetter beschränke ich mich darauf, die üblichen Sehenswürdigkeiten abzuklappern – ich habe weder auf ein zweites Frühstück Lust noch auf Shopping. Am Marktplatz liegt Stiftsgården, der königliche Wohnsitz in Trondheim, direkt gegenüber vom Burger King. Von hinten ist er mit seinem kleinen, tagsüber frei zugänglichen Park hübscher als von vorne. Die Tauben im Park scheinen aber schon lange nichts mehr zu futtern erhalten zu haben: Eine kleine Armada erwartet mich am Eingang zum Park. Also nichts wie weg und den Rundgang zum Fluss, kurz rüber nach Bakklandet (das Hafenviertel Nedre Elvehavn schenke ich mir) und dann zum Dom. An der Gamle Bru gibt es eine kurze Schrecksekunde: Das vertraute Hupen der Hurtigrute kurz vor der Abfahrt. Zum Glück gehört es zur südgehenden Polarlys und nicht zur Nordlys. Also bleibt genug Zeit, um zum Dom und anschließend durch das Einkaufszentrum zu gehen. Das überdachte Gebäude bietet eine willkommene Pause, und über die Dächer der eingebauten Häuschen blubbert der Regen munter in das Trondheim Torg hinein.
Allmählich habe ich dann die Schnauze voll von Trondheim bei Starkregen und mache mich gegen halb elf auf den Rückweg. Wenn ich eine Stunde früher auf dem Schiff bin, ist das auch okay.
Ein Fotostopp in der Nähe der Ila-Kirke muss aber noch sein: Dort zieht eine interessante Klappbrücken-Konstruktion die Blicke auf sich, und die Nordlys ist von der Umgebung ebenfalls zu sehen (verborgen hinter unzähligen Yachten).
Zurück auf dem Schiff steht dann erst einmal abtrocknen an; die Jacke ist zwar wasserdicht, aber die Taschen sind vollgelaufen.
Pünktlich um 12 legen wir von Trondheim ab, und ich habe Zeit, um einen Point of Interest mitzuerleben. Das Expeditionsteam gibt hier etwas ausführlichere Erklärungen zu sehenswerten Punkten auf der Route. Das Ganze dauert etwa zehn bis fünfzehn Minuten und ist leider nur auf Englisch. Diesmal erklärt Magnus mit theatralischer Stimmer einiges zur Insel Munkholmen, den Wikingern, die die Gegend vor Trondheims Stadtgründer Olav Trygvasson beherrschten, und den Mönchen, die einst auf der Insel lebten und dem selbstgebrauten Bier wohl so stark zusprachen, dass sich die Einwohner Trondheims über den Lärm beschwerten.
Währenddessen legt sich die Nordlys kräftig in die Kurve, um Wind und Wetter zu trotzen. Kräftiger Wind und Regen vertreiben mich vom Deck; als Ausgleich für das magere Frühstück steht erst einmal ein Restaurant-Besuch an – Mittagessen. Gegen 14:20 gibt es den nächsten Point of Interest: Miesmuschel-Verköstigung an Deck, und Infos zu Kjeungskjær fyr, dem berühmten achteckigen, roten Leuchtturm. Zum Fotografieren gehe ich an den windigen Bug, als wir ihn etwa um 14:50 passieren. Schließlich ist für 15:00 mein erster Vortrag angesetzt.
Ich gebe im Konferenzraum einen Überblick über Himmelsphänomene, natürlich mit Schwerpunkt Polarlicht und ergänzt durch Fototipps. Dabei kann ich mal wieder zeigen, wie viel mehr die Kamera im Vergleich zum Auge sieht, und was das Auge manchmal mehr sieht.
Da das Wetter unschön bleibt, fahren wir heute nicht durch den Stokksund, sondern außen vorbei. Die englische Präsentation “Who were the Vikings” wird wegen Wellengang gestrichen, und wir stürzen uns in die Folda. Wer nicht seefest ist, hat schlechte Karten: Wir werden ganz schön durchgerüttelt. Das Essen wurde vorsorglich auf 21 Uhr verlegt, nach der Folde. Die Wetterprognose murmelt was von Windstärke 7 und 4 Meter hohen Wellen, wir schätzen eher Windstärke 11 und 7 Meter Wellengang. Es ist schon eindrucksvoll, wenn die Gischt bis in den 7. Stock reicht, die Scheiben immer wieder mit Salzwasser gespült werden und die Stühle durch den Raum rutschen – gerne auch mit jemandem auf dem Stuhl. In der Bar geht einiges an Glas kaputt – wie es in der Küche aussieht, will ich gar nicht wissen. Eigentlich bin ich bei Sturm ja gerne draußen, aber das ist etwas zu heftig (auch wenn keine Durchsage kam, dass man nicht raus soll – die Norweger vertrauen doch gerne auf den gesunden Menschenverstand). Zum Glück habe ich mit Seegang bislang keine Probleme und genieße das sogar – und zum Glück können die Schiffe einiges ab.
Nach 22 Uhr, als wir langsam in ruhigeres Gewässer kommen, habe ich den Eindruck, der “Last Man Standing” zu sein – im Panoramasalon hat kaum jemand ausgehalten, und in der Bar laufen die Aufräumarbeiten. (In meiner Kabine hat sich das meiste gut gehalten – ich weiß, warum ich aus meiner Reisetasche lebe und die Regale kaum nutze.
Höchsten Respekt verdient die Küche: Die schaffen es tatsächlich, gegen halb zehn – noch auf offener, aber ruhigerer See – das Abendessen zuzubereiten und zu servieren. Ebenso überraschend ist, wie viele Passagiere es doch noch in das Restaurant geschafft haben.
Die Schiffsbegegnung mit der Vesterålen wird auch zur Überraschung – wir begegnen ihr wie geplant in Rørvik, sie hat vergeblich versucht, in Brønnøysund anzulegen, sodass wir ihr um 22:20 in Rørvik begegnen – statt wie geplant um 20:45.
In Rørvik gehe ich nach dem Essen kurz an Deck: Windstärke 7, und das im geschützten Hafen. Danach wird es wieder ungemütlich. Und doch: Es gibt ein paar kleine klare Flecken am Himmel. Gegen 23 Uhr schauen Hans und ich mal raus und trauen uns an den Bug: Da ist tatsächlich ein schwaches Polarlicht zwischen den Wolken. Allerdings trauen wir uns nicht, eine Durchsage zu machen – einerseits es schwach (für das bloße Auge nur eine hellere graue Wolke), und andererseits ist der Wind heftig. Am Bug ist es kaum auszuhalten, an fotografieren ist kaum zu denken, nicht einmal mit an die Reling geschraubter Kamera.
Der Kp-Index dümpelt zwischen 3 und 4, während der Wind die Beaufort-Skala ausreizt – es wäre Wahnsinn, jetzt andere Leute auf Deck zu locken, und auf dem Achterdeck ist es zu hell, um das schwache Licht zu sehen. Die seitliche Reling wird oft genug von Gischt überspült, da will ich nicht mal meine Kamera alleine lassen.
Die Vernunft siegt: Nach ein paar Beweisfotos machen wir Feierabend und gehen ins Bett.