Zugegeben: Ich bin eigentlich kein Freund von 3D. (Auch wenn man mir das vielleicht nicht glaubt, nachdem ich das Spacewalker 3D-Fernglas mittlerweile gekauft habe, das mir Astroshop zum Testen gegeben hatte.) Im Kino lohnt sich der Aufschlag für die 3D-Brille nicht, nur um ein paar Effekte zu sehen, die einfach nur 3D! brüllen. Und Virtual Reality? Wir haben einen wunderbaren Planeten, der so viel in Echt zu bieten hat. Und dann kommt Astroshop mit dem Universe2go, bei dem ich mich nie überwinden konnte, mich mit dem Plastikkästchen näher zu beschäftigen. Auf der Heilbronner Sternwarte hatten wir auch schon Anfragen, ob wir das Gerät nicht vertreiben wollten, aber da fehlt uns die Fläche für. Es wird ja kräftig beworben, aber was steckt eigentlich dahinter? Naja, ich habe genug offene Baustellen.
Und dann kam die Anfrage, ob ich nicht was bloggen wollte – also mein Gegenangebot: Ich schreibe eine Rezension für unsere Vereinszeitung, mache noch einen Blogpost für mehr Reichweite daraus, und das Gerät geht dann an die Sternwarte. Deal. Dann habe ich doch mal einen Grund, mir das Teil näher anzuschauen:-)
Das Päckchen kam dann kurz vor dem Mallorca-Urlaub, inmitten des Chaos, wenn man sich mal für ein, zwei Wochen abseilen will und nebenher noch an einem Buch arbeitet. Aber trotz allem Alltagsstress: Etwas Neugierde war doch da, als mich das Päckchen erreichte.
Es enthält einen weißen Pappkarton, der ein wenig an die Apple-Verpackungen erinnert: Man hat das Gefühl, etwas edles in der Hand zu halten, auch wenn der Karton dünner ist. Aber es geht ja nicht um die Verpackung, sondern um den Inhalt. In dem Karton steckt: Ein Plastik-Kästchen im Stoffbeutel, Gurt und einer ausführlichen Anleitung – auch auf Deutsch. Die VR-Brille wird als Sternenbrille bezeichnet – klingt schon mal schön.
Vor dem Einsatz steht erst einmal ein Besuch im App-Store an: Man benötigt die über 300 MB große, gleichnamige App, die in in mehreren Sprachen zur Verfügung steht. Sie lässt sich eingeschränkt auch alleine nutzen, damit sie ihr Potential entfaltet, braucht es aber die Sternenbrille und den Code, der in den Karton geklebt ist. Mittlerweile gab es ein paar Updates (ich habe das Gerät ja schon seit August bei mir), die Software wird also weiterhin gepflegt – fein! Es ist nur schade, dass der Code nicht in das Gerät geklebt werden kann.
Die App lässt sich kostenlos herunterladen und als normale Sternkarten-App wie viele andere auch benutzen. So weit, so unspektakulär; in Kombination mit dem Code im Karton und der Sternenbrille wird das ganze interessanter, um nicht zu sagen: Einzigartig.
Wenn der Download abgeschlossen ist, muss das Handy (maximal 147x74x11mm) in das Passepartout eingepasst werden: Wenn man den Deckel aufklappt, kann es mit Schaumgummi positioniert werden; das Schaumgummi-Passepartout ist vorgestanzt und kann auch nachgekauft werden, wenn ein anderes Smartphone kommt. Wenn alles passt, heißt es, die Lautstärke hochzudrehen (oder Bluetooth-Kopfhörer benutzen), das Smartphone mit dem Display nach unten einlegen und den Deckel zu schließen.
Vor dem ersten Einsatz muss die Software kalibriert werden – also Kompass und Bilddarstellung justieren, was mit Neigen und Drehen des Geräts erreicht wird. Nach kurzer Zeit ist die Software einsatzbereit, und man kann den Himmel erkunden.
Den ersten Test habe ich in Mallorca gemacht, im Urlaub mit einigen RMSlern. Der erste Eindruck: Chic! Man sieht den Sternenhimmel in echt (der über dem Inland von Mallorca schon mal deutlich besser ist als über der Heilbronner Innenstadt), und überlagert sind die Sternbildlinien und Objekte, die die Software kennt. Ein Objekt angepeilt, und Infos dazu erscheinen. Cool. Die Sternenbrille macht die Runde, M 31 wird angepeilt, dann der Kleiderbügel: Das Gerät erkennt alles. Und dann legt es von selber los: „Nun, da Sie die ersten Schritte mit dem Universe2go gemacht haben, wird es Zeit…“
Eigentlich ist es ja nett: Die Software stellt die Funktionen des Geräts vor und macht eine Tour durch die Optionen, nur sind wir mehr daran interessiert, die Grenzen der Leistungsfähigkeit auszuloten. Der Blick ins Handbuch einige Zeit später zeigt dann, was uns der geflissentlich ignorierte Sprecher erzählt hat: Es gibt verschiedene Modi, die aufgerufen werden, indem man nach unten (unter den Horizont) blickt und das Gerät dann nach rechts oder links neigt. Die Steuerung ist gewöhnungsbedürftig, aber man hat den dreh rasch raus.
Zu den Modi gehören der Anfänger-Modus, der nur Sterne und Sternbilder einblendet sowie Infos zu den Sternbildern gibt. Im Entdecker-Modus gibt es zusätzlich Infos zu den Sternen, wenn man sie etwas länger anpeilt. Der Mythologie-Modus gibt einen kurzen, gesprochenen Überblick zu den griechischen Sternsagen. Der Deep-Sky-Modus ergänzt die für das bloße Auge unsichtbaren Deep-Sky-Objekte, und im 3D-Modus wird versucht, dem ganzen einen Eindruck räumlicher Tiefe zu geben. Ein Quiz und eine Suchfunktion runden das Ganze ab.
Für einen langjährigen Beobachter verfliegt der Reiz des Neuen natürlich recht bald, aber die sind ja auch nicht die Zielgruppe. Trotzdem es ist eine coole Sache, die Infos als „Head-Up-Display“ über den realen Himmel eingeblendet zu bekommen – deutlich anschaulicher als mit den „einfachen“ Planetariumsprogrammen für das Smartphone, die „nur“ den aktuellen Himmelsanblick auf dem Display anzeigen. Ich muss mal sehen, ob sich auch Ekliptik & Co einblenden lassen…
Für Einsteiger dagegen ist es eine wirklich nette Sache: Die normalen Planetariumsprogramme auf dem Handy, die den jeweils aktuellen Himmelsausschnitt zeigen, sind ja schon cool, aber mit diesem Gerät taucht man nochmal mehr in den Himmel ein. Die Brille ist natürlich sperriger als einfach nur das Handy vor sich zu halten, aber in Kombination mit der Software macht sie Spaß. Und wer über den hohen Preis für die Brille jammern will, wo er sowas auch selbst drucken könnte: Da steckt natürlich auch die Software drin, und allein die Texte zusammenzustellen und sprechen zu lassen frisst einiges an Zeit.
Ein bisschen skeptisch bin ich bei dem Gerät natürlich schon – schließlich macht es genau das, was ich bei Führungen auf der Sternwarte mache: Bei klarem Himmel die Sterne erklären. Aber immerhin sind unsere Führungen noch billiger als die digitale Konkurrenz. Für Einsteiger ist es jedenfalls eine faszinierende Art, um den Himmel zu erkunden – und um die Sterne näher zu sehen, macht es hoffentlich Lust für den Besuch auf einer Sternwarte.
Cooles Teil.