Was soll ich dazu sagen… nach dem Fluttag in Tromsø gestern und den ergiebigen Niederschlägen mindestens bis Øksfjord heute Nacht werden wir heute von tiefblauem, klaren Himmel begrüßt, während wie Kurs auf Havøysund nehmen. Haben wir doch noch Chancen? Jedenfalls erleben Frühaufsteher nun die Polarnacht so, wie sie sein kann: Überraschend hell, gar nicht kalt und mit wenig Wind. Wer richtig früh unterwegs ist, sieht sogar noch das verschneite Deck – kurz darauf schiebt ein Matrose die weiße Pracht ins Meer, und übrig bleiben die glatten Kunststoffmatten. Tja.
Auf den Bildern wirkt das alles noch dunkler als in echt, aber ich bin ja froh, dass ich Bilder habe. Mein Bildstabilisator streikt immer noch – wenn ich Glück habe, geht es auf Garantie, falls nicht, wird der kostenpflichtige Kostenvoranschlag für die Katze sein, weil sich die Reparatur einer knapp zwei Jahre alten Kamera nicht mehr lohnt. Mal sehen. Aber mit ausreichend kurzer Belichtungszeit kommt etwas scharfes aus der Kamera, und auch ohne das perfekte Foto war es schön anzuschauen, wie die Lichter von Havøysund hinter der Landzunge auftauchen – die Lichterkette der Havila Pollux taucht zuerst auf, und dann verlässt sie den Hafen, um Platz für uns zu machen. Unsere Wihnachtsbeleuchtung wurde übrigens mittlerweile abgebaut; in Bergen hatten wir sie noch.
Havøysund ist nur ein kurzer Stop, und ich mache mich ans Frühstücksbuffet, bevor ich mit Kai wieder Flagge zeige. Aber viel zu tun gibt es bei der Reiseleitersprechstunde diesmal nicht, alle wollen ans Nordkap – nur ich werde mich Honningsvåg und meinen EMails widmen. Anders als vielleicht anzunehmen wäre zahlt Hurtigruten deutsche Heuer, sodass ich von zwei bis drei Touren im Jahr als Freiberufler nicht leben kann. Aber selbst mit norwegischem Gehalt wäre das nicht machbar. Außerdem war ich neulich erst am Nordkap, zumindest kommt es mir so vor – im März 2022 war das…
Aber jetzt steht erst einmal der Magerøya-Sund an – südlich von uns liegt das norwegische Festland, links von uns die “magere Insel” Magerøya, unter uns der Nordkap-Tunnel und vor uns bald Honningsvåg. Eike macht den Point of of Interest und erzählt von den Rentieren, die früher mit Militärbooten zum Weiden auf die Insel gebracht wurden und heute den Tunnel nehmen. Als Besonderheit hat der Tunnel Türen, damit es innen warm bleibt und das Wasser nicht friert, das die Autos (und Rentiere) unweigerlich mitbringen.
Der klare Himmel hat sich mittlerweile wieder zugezogen, und die Kamera ist mit dem ganz besonderen Licht hier überfordert – finster ist es dennoch nicht, und die Fahrt durch den Sund ist wie immer unglaublich ruhig. Verschneit wie er ist kommt man sich nun wirklich vor wie in der Arktis.
Dann kommt Honningsvåg in Sicht, wir legen im Hafen an und fast alle verlassen das Schiff, um das Nordkap zu besuchen. Ich bleibe mit einer Handvoll Passagiere zurück und mache einen kleinen Rundgang um den Hafen. Eine Reihe Kunstwerke säumen das Ufer, und von der anderen Seite hat man einen hübschen Blick auf das Schiff. Auf dem Rückweg gehe ich nur kurz bei der Kirche vorbei; bei dem Schnee spare ich mir den Weg zum Friedhof hoch über dem Ort mit dem Denkmal für den Regisseur des Films über den Männerchor von Berlevåg. Stattdessen schaue ich kurz in den Läden vorbei, unterstütze die nordnorwegische Wirtschaft ein wenig und begnüge mich zurück an Bord mit dem Nachtisch vom Mittagsbuffet. Das übrige Angebot macht mich nur mäßig an – aber schließlich konnten alle Nordkap-Besucher vor der Abfahrt und somit schon vor mir essen, und so lange ist das Frühstück noch nicht her. Ein paar Impressionen aus Honningsvåg für alle, die am Nordkap waren:
Mittlerweile wurde wohl noch mehr Plastikmüll in Honningsvåg angeschwemmt, ich habe noch ein weiteres Kunstwerk aus alten Gummistiefeln und anderem Strandgut entdeckt. Ansonsten ist in Honningsvåg nichts los, nur in den Cafes sind ein paar Menschen.
An Bord ist erst einmal alles ruhig, ich bin mir nicht sicher, ob einige der Gäste nicht doch nur Hafengäste sind, die die Nordkapp als schwimmendes Restaurant nutzen. Ich mache es mir im Multe auf Deck 7 bequem, räume meine Mailbox auf und bekomme außer dem Generalalarm wenig von der Sicherheitsübung mit, die das Schiff meistens hier im Hafen durchführt. Da wird ausgenutzt, dass fast keiner an Bord ist. Draußen wird es mittlerweile dunkel, und kurz vor Ablegen um 14:30 sind auch die Ausflugsbusse zurück – es wird voll im Cafe. Aber der Ausflug hat sich gelohnt: Trocken, schön und windstill war es. Kai überlässt mir ein paar Fotos vom Nordkap – ja, ich hätte auch noch einmal hingehen können.
Was für ein Kontrast zwischen dem eigentlich unwirtlichen Nordkap und dem eigentlich gemütlichen Städtchen Tromsø gestern. Irgendwas läuft hier doch falsch.
Nachdem wir ablegen, steht eine offenere Seestrecke an. Das Programm zwischendurch: Apfelkuchen und Getränke für die Ausflügler, die ja seit dem verfrühten Mittagessen hungern mussten, dann das Treffen mit dem Expeditionsteam und Ausschiffungsinfos für die Passagiere, die uns in Kirkenes verlassen. Die See ist angenehm ruhig, und die Überfahrt nach Kjøllefjord vergeht rasch. Von der Felsformation sehen wir um diese Jahreszeit ohne Beleuchtung nichts, dafür wirkt Kjøllefjord jetzt schön winterlich – ein schmuckes Dorf am Ende eines Fjords. Idyllisch, auch wenn ich hier nicht wohnen wollte.
Es schneit leicht, und ich richte mich schon einmal auf einen ruhigen Abend ein – der Schuss Polarlicht, der für heute angekündigt war, kam gestern schon, und Wolkenlücken soll es erst morgen geben. Also ab zum Abendessen.
Und nach dem Abendessen die Durchsage von der Brücke: Der Captain hat sehr schwaches Polarlicht erspäht, und Christina trommelt alle an Deck 7. Ich schnappe mir meine Polarlicht-Kamera (die gute Nikon), um sie wieder an den Bug zu schnallen. Tja… ein Hauch von Polarlicht ist da tatsächlich, die Kamera kann auch grün erkennen. Ich würde das das auf kp 1-2 schätzen. Wir sind noch weit weg vom Oval, und Aktivität gibt es auch kaum. Nach eineinhalb Stunden gebe ich endgültig auf – das gibt nichts her, und dafür hätte ich keine Durchsage gemacht. Nur ein grauer Dunstschleier ist mit dem Auge zu erahnen, mit vernünftigem Polarlicht hat das nichts zu tun.
Irgendwann dominieren die Wolken, und ich kapituliere. Im Konferenzraum läuft der Reiserückblick vom Schiff auf Dauerschleife mit grusliger Musik, und ich werfe immer wieder einen Blick raus. In Berlevåg begegnen wir noch der Nordlys, während der Himmel fast komplett zugezogen ist, und bis wir Båtsfjord kurz nach Mitternacht erreichen, tut sich auch nichts weiter.
Zeit für Feierabend – und dieses so genannte Sonnenmaximum geht mir langsam auf den Keks.
Zum Abschluss noch der Zeitraffer von gestern, tatsächlich bei einem K-Index von 1-2: