Der Tag beginnt erfrischend. Die Kong Harald ist ja mittlerweile auf Hybrid-Antrieb umgerüstet, um Treibstoff zu sparen und in den Häfen mit Landstrom versorgt zu werden. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Temperatur in meiner Kabine recht frisch ist und beim Duschen Island-Feeling aufkommt. Wer schon mal in Island war: Das heiße Wasser kommt von der nächsten heißen Quelle, die schon mal ein paar Kilometer entfernt sein kann. Vielleicht fehlt mit dem Hybridantrieb Abwärme vom Motor für die Heizung?
Aber ich will nicht jammern. Wenn jemand Mitleid verdient hat, dann der Schiffshund, dem seit Jahren ein Auge fehlt und den niemand verarztet.
Früher hatten die Schiffe eine dedizierte Spielecke, aber die wurde im Lauf der Jahre wegrenoviert. Auf der Kong Harald gibt es im Multe immerhin noch eine Spielzeugkiste und -ecke. Nur um den armen halbblinden Schiffshund kümmert sich keiner und spendiert ihm mal eine Augen-OP.
Dafür zeigt sich das norwegische Wetter heute früh erst einmal halbwegs freundlich, aber wir fahren in die Regenfront hinein, die den Vormittag über über Trondheim hängt. Bei leichtem Regen begrüßt uns eine kontrastarme Insel Munkholmen, dann begegnen wir der Nordlys, die den Platz am Kai für uns frei macht. Das macht nur wenig Lust auf den Gang durch Trondheim, aber wenn man schon einmal hier ist…
Die drei Stunden Liegezeit von 9:45 bis 12:45 reichen wie immer nur für einen kurzen Gang durch die Stadt. 20-30 Minuten benötigt man durch das Industriegebiet bis zum Stadtzentrum. Ich nehme meine übliche Route durch das renovierte Werftviertel Nedre Elvehavn und Bakklandet zum Dom.
Die Backsteinhäuser des Werfviertels bieten einen hübschen Kontrast zu den Holzhäusern von Bakklandet und den hölzernen Lagerhäusern am Fluss. Der Fahrradlift wird gerade saniert, und ich gehe noch ein paar Meter weiter zu dem Aussichtspunkt am Fluss, von dem aus man normalerweise Dom und alte Stadtbrücke sieht. Aber ich bin zu früh: Es gibt zu viel Grün, das den Blick versperrt.
Nur die Spitze vom Dom ragt über die Bäume heraus. Also weiter über die Gamle Bybro, das übliche Foto, und ab zum Dom, wo ich Peter und einige aus unserer Gruppe treffe. Auf dem Domplatz ist gut was los, und um elf Uhr höre ich das Glockenspiel des Doms: Hübsch, melodisch und nicht zu laut. Wenn ich das mit mancher Dorfkirche bei uns vergleiche, die einfach nur penetrant laut ist – das hat der Nidaros-Dom nicht nötig…
Der Dom selbst ist nicht einfach zu fotografieren, seine Rückseite steckt hinter Bäumen, und für die Vorderseite braucht man ein Weitwinkel – außer für die Details der Fassade. Irgendwann muss ich mal ein Fernglas mitnehmen und schauen, wo Bob Dylan hier von den Steinmetzen verewigt wurde (kein Witz).
Ein Blick auf die Uhr: Noch etwa eine halbe Stunde für Sightseeing, Shopping (wobei mich die Buchhandlungen enttäuschen), bevor der Rückweg ansteht. Der Aufenthalt in Trondheim ist wirlkich zu kurz. Also ein Blick zur Vare Fru Kirke (die wieder offen hätte) und in das Shopping-Center mit den in das Gebäude integrierten alten Häuschen, zum Bummeln bleibt keine Zeit. Interessant ist das rote Lasten-Fahrrad der Post, das vor dem Torg steht.
Auf dem Rückweg noch eine Stipvisite am Stiftsgården, Norwegens größtem Holzhaus, dessen schöne Rückseite durch den blühenden Park auch nur schwer zu sehen ist. Ist so aber auch hübsch.
Und dann zurück zum Schiff. Eine knappe halbe Stunde hätte ich noch gehabt, aber auf den letzten Drücker muss man auch nicht zurückkommen. Derweil klingelt mein Handy: Margit von der Nordstjernen ist dran, wir würden ihr um 17:45 begegnen. Mist – da läuft mein Vortrag noch, aber ich gebe schon einmal dem Schiff bescheid, dass sie eine Durchsage machen. Wann sieht man heute noch eines der Schiffe, die jahrzehntelang das Bild der Postschiffroute prägten – kleine Schiffe mit schwarzem Rumpf und weißen Aufbauten?
Gesagt getan, und dann ab auf Deck 7, Flagge zeigen, Vortrag vorbereiten, Kameras für Polarlicht einstellen und auf die Abfahrt aus Trondheim warten.
Und warten.
Und warten.
Mit fast einer Stunde Verspätung legen wir dann ab, es gab wohl ein technisches Problem samt kurzem Stromausfall. Aber seitdem funktioniert meine Heizung wieder…
Durch die späte Abfahrt verschiebt sich auch das Tagesprogramm: Das tägliche Treffen mit dem Expeditionsteam (auf Deutsch) samt Kurzvortrag über die Wikinger wird vorverlegt, das Treffen englische leicht verschoben, und den Kjeungskjærfyr erreichen wir erst gehen 16 Uhr. Damit kann ich meinen Vortrag eine halbe Stunde früher beginnen, die Nordstjernen treffen wir später – ist ja geradezu ideal.
Die Fahrt durch den Trondheimfjord zurück machen wir bei schönstem Wetter, und auch beim berühmten roten Leuchtturm könnte die See kaum ruhiger sein. Kurz vor 16 Uhr macht das Expeditionsteam auf Deck 7 den Interessepunkt zum Kjeungskjærfyr, während ich mit der Kamera auf Deck 5 stehe. Chic.
Danach rede ich noch einmal mit Johan wegen der Nordstjernen und mache meinen Vortrag über das Polarlicht (samt der nicht so tollen Wolkenprognose), und kurz vor 18 Uhr begegnen wir der alten Dame dann auch schon. Sehr chic.
Das Schiff hat nicht nur die längste Zeit auf der Hurtigrute gehabt, sondern wurde auch so oft außer Dienst gestellt wie kein anderes. Mehr zum Schiff gibt’s auf Nostalgische-Postschiffreisen.de. Sie fährt und fährt und fährt. (Kurzer Werbeblock: Wer mal richtige Seefahrt erleben will, kann auch da Reisen buchen).
Für uns stand dann Abendessen auf dem Programm und noch etwas Zeit, bis Giske vom Expeditionsteam einen Gesangsabend im Panoramasalon gibt. Bis dahin begegnen wir noch der Otto Sverdrup (Ex MS Finnmarken, die jetzt für Hurtigruten Expeditions unterwegs ist) und der Nordkapp, die kurz vor unserer Ankunft in Rørvik den Hafen verlässt. Die Sverdrup wird per Durchsage angekündigt; die Nordkapp ist ein stummes Treffen – es ist schon spät, als wir ihr um 21:35 begegnen, daher gibt es weder eine Durchsage noch ein Hupkonzert, die beiden Schiffen grüßen einander nur mit den Scheinwerfern.
Rørvik erreichen wir fast pünktlich, der Kapitän hat einiges an Verspätung wieder reingefahren. Über uns: Überraschend viele Sterne dafür, dass wir in eine dunkle Wolkenfront gefahren waren und 85% Bewölkung vorhergesagt waren. Allerdings keine Spur von Polarlicht. Und gestern war sogar in Deutschland noch Polarlicht zu sehen, aber wir hatten Wolken… Heute klappt es jedenfalls nicht.
In Rørvik werfe ich noch einen Blick auf den Hafen (das Gebäude ist neu, wenn ich mich richtig erinnere) und verbringe den Rest des Abends im Panoramasalon, wo Giske singt, und warte auf die Abfahrt.
Und warte.
Und warte.
Erst um 22:44 legen wir ab, mit einer Dreiviertelstunde Verspätung. Seltsam, aber gut für alle, die schätzen, dass wir den Polarkreis eher später als früher überqueren, irgendwann zwischen 7 und 9 Uhr. In diesem Sinne: Gute Nacht, morgen früh klingelt der Wecker.