Und wieder einmal heißt es früh aufstehen: Um 9:45 sollen wir Trondheim erreichen, und davor gibt es viel zu tun. Schließlich bieten Margit und Andreas ab 8:30 wieder ihre Sprechstunde an, um Tips für den Besuch der alten Königsstadt zu geben, und davor will noch gefrühstückt werden. Da der Termin auch gerne genutzt wird, um die Kameras für das Polarlicht einstellen zu lassen, sind Thomas und ich natürlich auch da.
Immerhin verpasst man draußen nicht viel: Der Trondheimfjord is zwar lang, aber mit seinen sanften Ufern eher unspektakulär. Dass Norwegens drittlängster Fjord stellenweise über 600 Meter tief ist, sieht man ihm nicht an. Aber dafür gab es schöne Lichtspiele – noch sehen wir die Sonne. Weiter im Norden hat die Polarnacht bereits begonnen. Je weiter nach Süden man kommt, desto länger sieht man die Sonne noch, aber wir nähern uns. Hier ist die Dauer der Polarnacht für einige Orte auf der Route:
Nordkap: 20. November – 22. Januar
Berlevåg: 21. November – 21. Januar
Hammerfest: 22. November – 20. Januar
Vardø: 23. November – 19. Januar
Tromsø: 27. November – 15. Januar
Svolvær: 7. Dezember – 5. Januar
Harstad: 2. Dezember – 10. Januar
Polarkreis: 21. Dezember (ein Tag)
Unsere Fahrt hat am 22. November begonnen, der Trondheimtag heute ist am 24. November. Wir sind also noch nicht ganz in der finsteren Jahreszeit, nehmen die Polarnacht aber bereits mit. Dagegen hilft nur Polarlys – und die treffen wir vor Trondheim: Auf der südgehenden Hurtigrute MS Polarlys ist eine andere Nordlicht-und-Sterne-Gruppe, und wir haben eine Vinkekonkurranse ausgemacht. Also heißt es, pünktlich zum Treffen kurz nach der Insel Munkholmen an Deck zu sein und Lärm zu machen.
Unsere Truppe ist motiviert, und wir füllen das Deck – aber die anderen spielen unfair, haben noch Flaggen organisiert und über ihr Expedition-Team wohl auch andere Gäste an Bord geholt. Wir einigen uns auf ein Unentschieden. Spaß macht es allemal!
Nach dem Treffen mit der Polarlys hieß es auch schon rückwärts einparken im Hafen, und ab nach Trondheim. Bei drei Stunden Liegezeit bleiben etwa zweieinhalb Stunden für den Besuch in der Stadt, schließlich dauert es immer, bis die Gangway unten ist und man von Bord kann, und zehn Minuten vor Abfahrt muss man wieder zurück sein. Zu Fuß braucht man gut 20 Minuten, bis man in die interessanten Bereiche kommt. Irgendwann muss ich mich doch einmal mit dem Elektroroller-Verleih beschäftigen – aktuell liegt noch kein Schnee, da wäre es trotz Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt kein Problem.
Also mache ich mich wieder auf meine übliche Runde über das alte Industriegebiet Nedre Elvehavn, wo ein altes Dock gerade wieder zur Eisbahn umgerüstet wird, dann Bakklandet mit seinen hübschen Holzhäuschen, und über den Nidarosdom weiter zum Marktplatz. Habe ich heute mein fünfhundertstes Bild von der alten Stadtbrücke geschossen, oder das tausendste? Ich weiß es nicht…
Vom Dom geht es weiter zum Marktplatz, wo gerade der Weihnachtsmarkt vorbereitet wird: Der mächtige Weihnachtsbaum wird mit einem Kran aufgerichtet, und ein Gabelstapler platziert den Christbaumständer darunter. Ich werfe noch einen schnellen Blick in einige Geschäfte, und dann geht es auch schon zurück zum Schiff. Eine halbe Stunde mehr Zeit hätte ich noch zum Shoppen gehabt…
Zurück auf dem Schiff lasse ich das Mittagessen ausfallen und widme mich kurz meinem Blog und meinem ersten Vortrag, den ich nachher mit Thomas zusammen halten werde.
Viel Zeit bleibt ohnehin nicht: Um 12:45 legen wir ab, und gegen 14 Uhr passieren wir die Fosen-Werft. Dort liegt gerade die Vesterålen und wird umgebaut oder aufgefrischt – für zwei Touren fällt sie aus.
Um 14:30 ist der nächste Interessenspunkt auf dem Programm: Der Agdenes-Leuchtturm am Ende des Trondheimfjords. Das ist neu – normalerweise steht Norwegens meist-fotografierter Leuchtturm auf dem Programm, der rote, achteckige Kjeungskjærfyr mit dem unaussprechlichen Namen. Aber der wird wohl zur Zeit saniert und ist in ein Baugerüst eingehüllt, und es ist ohnehin schon dunkel, wenn wir ihn passieren.
Also Agdenes Fyr: Ein eher unscheinbarer weißer Leuchtturm, der mittlerweise außer Betrieb ist – das eigentliche Leuchtfeuer steht ein paar Meter weiter, und es gibt auch noch eine nicht allzu alte Festung, die bis vor wenigen Jahrzehnten noch vom Militär genutzt wurde. Irgendwo im Fjord liegt seit gut 500 Jahren auch Norwegens Staatsschatz mit der Glocke des Nidaros-Doms, der unter schwedischer Herrschaft abtransportiert werden sollte. Oder gingen die Schiffe gar nicht unter, und er befindet sich woanders? Man weiß es nicht, die Strömung ist stark, der Fjord mehrere hundert Meter tief, und das Meer schweigt. Wer will, kann auch Norwegen schmecken: Der Küchenchef verteilt Muscheln zum probieren.
Für mich steht die nächste Reiseleitersprechstunde an, noch ein paar Kameras einstellen – es ist wieder alles vertreten von recht modernen Spiegelreflexkameras bis zur kleinen Kompaktknipse. Derweil hält das Expeditionsteam vom Schiff einen Vortrag über die Wikinger, den ich verpasse, direkt im Anschluss sind dann Thomas und ich dran – ab 16:30 erzählen wir etwas über das Polarlicht, und wie zickig es teilweise ist, bis es sich endlich zeigt.
Nach dem Abendessen noch etwas Verwaltung: Vortrags- und Veranstaltungstermine abklären und ändern, ein bisschen Fachsimpeln mit dem Expeditionsteam, und abwarten, bis wir Rørvik erreichen.
Über Rørvik ist der Himmel klar und frei von Grün, auch die Polarlichtprognose ist eher mau – wir entschließen uns, Feierabend zu machen und die Polarlichtwache dem Kapitän zu überlassen.
Und kurz nach 22 Uhr kommt die ersehnte Polarlichtdurchsage – aber nicht vom Kapitän, sondern von einer aus unserer Gruppe. Gratuliere und Danke!
Wir sind noch recht weit im Süden, daher hält sich das Licht noch nah am Horizont auf, aber aus einem schönen blassen Bogen formen sich immer wieder Strukturen, die Helligkeit nimmt zu und ab, und es gibt tatsächlich eine nette kleine Show. Problematisch sind mal wieder die Leute: Ich gehe zum Bug, wo am windigsten Eck eine halbes Dutzend Menschen den Weg blockiert. Nachdem ich durch bin, ist am Bug mehr als genug Platz – man müsste nur ein wenig weiter gehen statt mitten im Weg stehen zu bleiben, dann hätten mehr Leute eine Chance…
Im Lauf einer Stunde ist das Polarlicht schön zu sehen, die See ist angenehm ruhig, nur der Wind wird immer lausiger – ich kann mich am Bug schön schräg in den Wind lehnen. Nach einer Stunde und 1600 Fotos breche ich – die Aktivität lässt nach, das Polarlicht ist zwar nicht weg, aber immer strukturloser.
Damit ist die Pflicht erledigt, jetzt kann die Kür kommen! Und morgen früh droht schon die Polarkreistaufe… über Nacht ist mein Rechner beschäftigt, und es gibt wieder einen hübschen kleinen Zeitraffer: