Norwegen wirkt. Zumindest verdränge ich langsam das heimatliche Chaos und ein halbes Jahr Homeoffice. Das ist kein Urlaubsmodus (ich bin ja nicht zum Vergnügen hier), aber es lädt die Batterien trotzdem auf.
Die Nacht war angenehm ruhig (dafür, dass 3-4 Meter hohe Wellen rund ums Westkap angekündigt waren), das große Schiff schluckt die Bewegung wohl ganz gut – mittschiffs auf jeden Fall, aber wenn man am Schiff entlang schaut, sieht man doch einen ordentlichen Hub. Das meiste haben wir aber in der Nacht bzw. am frühen Morgen gehabt, mit etwas Glück konnte man es also verschlafen. Mit dem alten Fahrplan waren wir im Winter zwei Stunden später in Bergen abgefahren, was den Bergentag deutlich entspannter machte, dafür fiel das erste Frühstück immer mit dem Geschaukel am Westkap zusammen. Die Gegend – die Stad – ist nicht ohne, hier gehen immer wieder Schiffe verloren – deshalb wurde auch der Bau eines Schiffstunnels beschlossen, der die Halbinsel Stad durchqueren soll und den Schiffen bei Sturm eine sichere Passage ermöglichen wird.
Ganz so ruhig wie üblich wird unser Frühstück aber doch nicht: Wir haben eine Stunde Verspätung eingefahren, möglicherweise wegen dem Gegenwind. Also legen wir erst um Viertel nach neun kurz an, während der Reiseleitersprechstunde: Günter gibt Tipps zu Ålesund und dem Leben auf dem Schiff, ich geselle mich wie meistens dazu – was zur Folge hat, dass ich die ersten irritierten Blicke abkriege, weil ich zwischendrin rausstürme, um ohne Jacke und kurzärmlig meine Fotos vom Hafen zu machen. Aber es wird ja langsam Frühling in Norwegen:-)
Nach der Reiseleitersprechstunde besuchen wir den Vortragsraum: Hier stellt das Expeditionsteam grade die Ausflüge auf der nordgehenden Route vor. Das Tagesprogramm gibt es auf dieser Reise nur digital auf den Bildschirmen des Schiffs und nicht ausgedruckt. Gut für die Umwelt, allerdings wird so auch sicher gestellt, dass ich die meisten Veranstaltungen des Schiffs nicht mitbekomme… Anschließend schnappen wir uns Niri und klären unsere Vortragstermine ab, die ja nicht mit den Veranstaltungen des Schiffs kollidieren sollen. Eigentlich ist gerade der Supergau eingetreten: Wir haben noch eine 50-köpfige französische Reisegruppe an Bord, die Walhalla belegt – also das Amphitheater, den großen Vortragsraum des Schiffs. Aber wir sind eine kleine Gruppe und können ausweichen, in einen kleinen Seminarraum, der für 21 Leute groß genug ist. Fast perfekt, und die Zeiten passen auch.
Die vier Gäste, die noch fehlen, sehen wir nicht mehr: Sie haben umgebucht, auf dem Schiff hinter uns fährt ebenfalls eine Nordlicht-und-Sterne-Gruppe mit Mathias, der seine Reise hier verbloggt. Und die Polarlys mit Margit (von meiner letzten Tour und von Nostalgische Postschiffreisen – erste Ansprechpartnerin für alle, die auf den alten Postschiffen unterwegs sein wollen, aber sie vermittelt auch Reisen auf den moderneren Hurtigrutenschiffen) und Tim ist auch wieder unterwegs. Jetzt brauchen wir nur noch klaren Himmel!
Ålesund erreichen wir schließlich mit einer Stunde Verspätung. Und um 16 Uhr ist unser Welcome-Drink, es bleiben also nur fünf von eigentlich zehn Stunden Aufenthalt, um die Stadt zu erkunden. Heute ist für mich Wandertag angesagt: Erst einmal geht es auf den Storhaugen hinter der großen gelben Schule.
Der Weg führt dann wieder durch das Jugendstilzentrum und auf den Aksla – und dann immer weiter bis zu einem runden Aussichtsturm (dem Rundskue) bei den großen Sendemasten hinter dem Aksla. Dann noch kurz Einkaufen und zurück aufs Schiff, nach rund 12 km. Daher habe ich diesmal auch kaum Bilder der Stadt, es ging in die Natur. Friluftsliv nennt der Norweger das.
Das Wetter wirkt bedrohlich, aber es hält, und die Mühe wird mit einem ungewohnten Rundblick auf Ålesund und seine Umgebung belohnt. Ohne Spikes wäre das aber nicht machbar gewesen: Die Treppen hoch auf den Hausberg sind teils vereist, und der Schnee auf seinem Gipfelzug bis zum Aussichtsturm Rundskue wäre sonst ebenso unmöglich.
Anschließend geht es zurück, noch einen Blick in die Läden im Stadtzentrum werfen, bevor ich zur Welcom-Drink muss. Was für ein Stress.
Auf dem Rückweg gibt es noch etwas Kunst, das Holzhaus, bis zu dem das Feuer kam, das vor über hundert Jahren das historische Ålesund vernichtete und dem wir das Jugendstilzentrum verdanken, und dann war es das auch schon mit Ålesund: Es geht zurück zum Schiff. Sowohl Hurtigruten als auch Kystruten sind ausgeschildert: Beide Reedereien befahren mittlerweile die historische Postschifflinie, aber Hurtigruten AS hat die Namensrechte, sodass die zweite Reederei (Havila Kystruten) einen neuen Namen gebraucht hat. Der englische Text auf dem Schild am Hafen ist pragmatischer: Zum Schiff. Es kann nur eines geben.
Der Welcome-Drink um 16 Uhr zieht sich dann doch fast bis zum Abendessen: Ich darf die ersten Kameras einstellen, und man kommt ins Gespräch. Schön. Die Tour wird nicht langweilig werden:-)
Beim Abendessen wurde die Neuerung beibehalten, dass man das Drei-Gänge-Menü aus drei Varianten zusammenstellen kann. Eine gute Sache, und pünktlich zum Ablegen sind wir mit dem Abendessen fertig.
Um 21 Uhr gibt es noch etwas zu erleben: Der Schiffskoch präsentiert mit getrocknetem Lamm auf Deck 8 eine Kostprobe von Norwegen und vertreibt so die Zeit, bis wir schließlich Molde erreichen. Mit einer halben Stunde Verspätung legen wir dort an – und rein zufällig erhasche ich einen Blick auf die südgehende Havila Capella, die uns kurz vor Molde entgegen kommt. Durchgesagt wurde die Schiffsbegegnung nicht, schade eigentlich. Liegt aber wohl an der Uhrzeit.
Das markante Scandic-Hotel kündigt Molde an, und das Anlegen dauert wieder einige Zeit. Damit ist der letzte Tagespunkt erledigt, heute tut sich nichts mehr. In diesem Sinne: Gute Nacht!
Hallo Alex! Viele Grüße von der Polarlys! Kannst Du nicht mal die Wolken wegschieben? Wir wollen Nordlicht sehen!!
God tur og hilsen fra Margit og Tim