Die Fahrt von Ørnes über den Polarkreis nach Brønnøysund entlang der Helgelandküste ist eine der schönsten Teilstrecken der Hurtigrute. Es gibt zwar keine nennenswerten Hafenaufenthalte (und Brønnøysund am Sonntag ist auch eher ausgestorben), aber es gibt viel zu sehen. Also prinzipiell, wenn das Wetter mitspielt.
Ich bin morgens um halb neun an Deck, um mir die Polarkreisüberquerung anzuschauen. Es ist trüb, aber immerhin halbwegs trocken – ich hatte auch schon exakt bei der Überquerung des Polarkreises eine zweite, unfreiwillige Polarkreistaufe mit Eisregen. Diesmal ist es angenehmer, wenn auch nicht viel fotogener. Dafür ist es heller, und wer will, kann an Deck 7 noch etwas Lebertran abholen, um seinen Vitamin-D-Spiegel anzuheben.
Anschließend sortiere ich noch ein paar Bilder und lege mich wieder hin – irgendwie ist so eine Tour doch anstrengend… Aber: Anders als üblich hustet noch niemand an Bord, die Corona-Maßnahmen wirken auch gegen andere Viren und Bakterien, die einen ansonsten auf diesen Touren begleiten.
Zu Sandnessjøen muss ich natürlich wieder raus (auf das Mittagessen habe ich wieder verzichtet): Hier warten theoretisch die Sieben Schwestern auf uns. Diesmal sind sie aber vollverschleiert, und das Expeditionsteam verschiebt den Point of Interest auf das nachmittägliche Gathering – es gibt einfach nichts zu sehen. Die halbe Stunde aufenthalt lohnt auch kaum, um von Bord zu gehen.
Immerhin kann man erahnen, dass hinter dem Ort Berge sind… Um 14 Uhr schaffe ich es dann zum ersten Mal zum Treffen mit dem Expeditionsteam. Kari stellt Land, Leute und Reiseroute vor. Das übliche – interessant für alle Erstfahrer, aber nichts neues für mich. Anschließend geht es auf Deck 7, aus dem Multe-Salon (der “Puppenstube”) die Landschaft genießen.
Für Brønnøysund ist ab 16 Uhr Regen angesagt, also steige ich auch gleich um 15 Uhr aus, als wir den Hafen erreichen. Viel ist nicht auf meinem Plan, da das Einkaufszentrum geschlossen hat. Ein kleiner Spaziergang rüber zu dem Stein, der die Mitte Norwegens markiert, dann zurück zum Anleger, um mir ein Eis zu holen. Die Eisdiele am Kai ist gut, und nein, ich kriege keine Provision dafür. Am Anleger höre ich eine Durchsage vom Schiff, ohne sie zu verstehen – aber dann sehe ich, worum es geht: Die Maud (Ex-Midnatsol), das in etwa einzige Schiff, auf dem ich noch nicht gefahren bin, fährt an uns vorbei. Sie ist nun nicht mehr im Liniendienst, sondern auf Expeditionstour. So fährt sie aktuell zwar die norwegische Küste entlang, lässt aber kleine Häfen aus und verbringt mehr Zeit in anderen, sodass dort mehr Zeit für Ausflüge bleibt.
Nach dieser überraschenden Schiffsbegegnung samt Hupkonzert genieße ich mein Eis, dann geht es auf’s Schiff – heute ist kein Ausflugswetter. Denke ich.
Und gerade als wir ablegen, gibt es in kurzer Folge eine wunderschöne Lichtstimmung und einen riesigen Regenbogen. Jetzt gibt sich Norwegen nochmal richtig Mühe. Der Regenbogen scheint genau vom Liegeplatz der Midnatsol auszugehen.
Anschließend geht die Fahrt zum Torghatten, dem Berg mit Loch. Die Lichtstimmung: Grandios. Ich fotografiere über die Köpfe der anderen Reisenden hinweg und höre Beschwerden: Hinter mir wurde ein kleines Amphitheater eröffnet, einige stehen auf Stühlen. Da stört meine hochgehaltene Kamera… also schnappe ich mir auch einen Stuhl, man will ja nicht stören.
Verglichen mit dem Sonnenuntergang ist der Torghatten selbst eigentlich schon wieder langweilig, auch wenn unsere Nordkapp in das Loch passen würde. Der Busausflug zum Loch wurde diesmal übrigens auch nicht angeboten. Bei Regenwetter ist das aber auch nichts.
Anschließend komme ich zu spät zum Essen – bzw. es fängt zum Glück erst um 18:30 an. Heute ist eigentlich Captain’s Dinner, die Offiziere machen aber Social Distancing (was ja durchaus sinnvoll ist), sodass wir nur mit einem Glas Sekt empfangen werden – einige Gäste verlassen das Schiff immer in Trondheim, daher findet die Abschlussveranstaltung schon hier statt. Und mir gelingt es endlich, mein Essen zu fotografieren, bevor ich es esse. Die Frage nach dem Essen kommt zuhause ja immer. Wir können wieder zwischen drei Menüs auswählen – feine Sache. Früher gab es eines, und auf gut Glück ein Alternativessen.
Anschließend: Ein ruhiger Abend. Wir fahren nach Rørvik, wo uns nach dem Ablegen die nordgehende Hurtigrute begegnet, und das war es dann auch fast schon.
Wobei: Es ist noch einmal relativ klar. Aber viel Polarlicht ist nicht: Ein leichter Schimmer, der die Wolkenkonturen hervorhebt. Noch etwa eine Stunde beobachte ich das, aber es bleibt bei einem Schimmer für die Kamera. Also ab in die Kabine, noch ein wenig arbeiten – morgen ist unsere Abschiedsveranstaltung mit den Infos zur Heimreise.