Hurtigrute Tag 1: Gestrandet in Amsterdam

Nach einem Jahr Home-Office kommt es mir richtig surreal vor, dass ich heute Abend schon in Bergen auf der Nordkapp sein soll, um wieder zu einer Hurtigrute in See zu stechen. Geändert hat sich in der Zeit einiges: Ich habe keine Ahnung, welche Kabine ich habe (das erfahre ich erst auf dem Schiff). Der Checkin bei KLM endete gestern damit, dass ich eingecheckt bin, aber die Bordkarte erst kriege, wenn ich vor Ort mein Covid-Zertifikat zeige. Ich habe also praktisch nichts als einen gepackten Koffer. Sehr surreal das ganze.

Parken direkt am Terminal

Aber der 1. Oktober ist ein wunderbarer Tag im Ländle, und die Autobahn von Karlsruhe nach Stuttgart ist fast frei. Nur 15 Minuten Stau, und der Flieger geht erst um 11 Uhr – sehr entspannt. So mag ich das. Und weil ich von meinem dank Corona gestrichenen Irlandurlaub letztes Jahr noch einen Parkgutschein hatte, kann ich es mir leisten, direkt am Terminal zu parken. Auf Shuttle-Dienste habe ich aktuell keine große Lust.

So bin ich um kurz vor 9 am Terminal – man soll ja auch zwei Stunden vorher da sein. Bringt nur nichts, wenn der Schalter noch zu hat. Irgendwann macht KLM sogar auf und fertigt gemächlich ab, und nach einer Stunde in der Schlange (Abstand halten. Ja… auch ohne Abstand reicht sie bald bis raus an die frische Luft) habe ich meine Bordkarte und meinen Koffer aufgegeben. Good Bye. Das Covid-Zertifikat wollte keiner sehen, aber immerhin wurde danach gefragt.

Die Schlange am Schalter wächst…

Die Security ging angenehm schnell, wie gewohnt unfreundlich und mit Bombentest (diesmal an der Jacke statt den Kameras), und nach 10 Minuten war ich durch. Noch eine gute halbe Stunde warten, dann eine Viertelstunde Verspätung vom Flieger, und dann sitze ich tatsächlich im Flieger nach Amsterdam.

Kaum zu glauben! Es geht wirklich los.

Eigentlich gehört zu Norwegen ja ein Flug mit SAS, aber seit einiger Zeit nutzt Hurtigruten vor allem KLM. Da geht mein SAS-Vielfliegerstatus dahin… Immerhin gibt es bei KLM kostenloses Essen und Getränke, während bei SAS nur Coffee and Tee are always free. Aber Hauptsache, wir kommen an.

Während des Flugs wird das Wetter im schlechter, vom klaren süddeutschen Himmel wechseln zu immer dichteren Wolken bis hin zu Regen in Amsterdam. Davon abgesehen ist der Flug ruhig. Was neu ist: es gibt Kokos-Bollen zum Essen, und bei der Sicherheitseinweisung wird darauf hingewiesen, dass man die Maske abnehmen muss, bevor man die Sauerstoffmaske aufzieht, die im Notfall von der Decke fällt. Sonst gilt Maskenpflicht.

Das Flugzeug wird nach Sitzreihen verlassen, und ich habe zwei Stunden Zeit, bis mein Anschlussflieger geht. Normalerweise würde man die Zeit nutzen, um was zu essen oder shoppen zu gehen. Aber mit Maske macht das weniger Spaß, und die Außenbereiche sind auch gesperrt. Also irgendwo ein ruhiges Plätzchen suchen und warten.

Unser Flieger ist da.

Das Boarding ist pünktlich und geht nach Zonen. Erst die Fensterplätze, dann der Gang, möglichst wenig Stau.

Das Ganze geht schön diszipliniert ab, es folgt die Sicherheitsbelehrung samt Datenschutzhinweis (keine Bilder von Passagieren oder Crew, ohne vorher eine Genehmigung einzuholen), und ab geht’s auf Rollfeld.

Ich fliege echt nach Norwegen, und Jackpot: Der Platz zwischen mir und meinem Banknachbar ist frei!

Die Motoren laufen warm, drehen hoch, wir fahren an, es rumst, und Startabbruch.

Okay, das ist neu. Aber besser jetzt als in der Luft… Der Captain hat sich zum Abbruch entschieden, weil es Probleme mit dem linken Triebwerk gab. War es ein Vogel oder ein technisches Problem? Egal, wir müssen zurück zum Gate, das einmal anschauen.

Start ins Ungewisse…

Ein letzter Blick auf unseren alten Flieger

Nach ein paar Minuten ist klar: Wir brauchen ein neues Flugzeug, das wir an Gate D49 finden.

Also ab zu Gate 49. Das im Internationalen Bereich ist. Wohl dem, der einen Reisepass dabei hat. Wobei: Kurz vorher schickt jemand, der kompetent auftritt, alle zurück nach B49. Mitten im Flughafen dann noch mehr Verwirrung: Der Zugang zu Gate D49 ist jetzt frei. Auf der Tafel steht Gate 79. Und wo kommt die Info mit B49 überhaupt her?

Die Flughafenmitarbeiter wissen auch nichts, also auf gut Glück zurück zu D49, mit Reisepass-Kontrolle – wir verlassen die EU. An Gate D49 treffen wir auf die Crew, und folgen ihr zurück in den Schengenraum zu Gate D79.

An Gate D79 warten wir dann auf das Boarding, bis die Durchsage kommt: Flight cancelled. Die Crew ist selbst von der Durchsage überrascht, dass sie ihre Arbeitszeit überschritten hat. Jetzt alle zu Transit T-2, um Alternativen zu finden. Gar nicht so leicht, die Mitarbeiter sind es nicht (mehr) gewohnt, dass die Passagiere ein Schiff in Bergen erreichen muss. Noch am selben Tag. Das um 20:30 abfährt. Hilfreicher Kommentar: “Das ist aber knapp”.

Einige Telefonate mit Hurtigruten und unserer Reiseleiterin Eva, die in Bergen wartet, ist klar: Das wird heute nichts mehr, und morgen auch nicht gleich. Ich soll versuchen, am Sonntag in Trondheim dazuzustoßen, vorher fliegt nichts. Oder heute Abend nach Bergen fliegen. Oder morgen früh. Frustrierendes Chaos, und man kann noch nicht einmal jemandem böse sein (außer vielleicht den beiden Damen, die Feierabend machen, als ich zu ihnen wollte): Der Captain hat alles richtig gemacht, als er abgebrochen hat. Die Crew hat uns ans richtige Gate geschickt (soweit sie wusste), und dann zum richtigen Gate gebracht. Die Flugsicherheit eigentlich auch, damit niemand übermüdet am Steuer eines Flugzeugs sitzt. Nur die Kommunikation auf dem Flughafen ist suboptimal gewesen – wo kriegt man Infos her?

Langer Rede kurzer Sinn: Ich kriege am Transit einen Essensgutschein, eine Übernachtung im Steigenberger Airporthotel samt Transferbus, und mein Gepäck kriege ich nicht. Also kurz das nötigste kaufen und ab ins Hotel. Außerdem nochmal Eva in Bergen kontaktieren: Es war wohl unsere ganze Gruppe in dem Flieger, wobei ich nur Individualreisende getroffen hatte. Bei denen machen Gerüchte über eine 9-10-stündige Busfahrt morgen die Runde.

Steigenberger statt Bergenbuffett

Beim Abendessen (Mildes Curryhühnchen auf Reis, Kroketten mit Brötchen oder Nudeln – das Steigenberger Buffett kann mit dem Bergenbuffett der Hurtigrute nicht mithalten) nochmal ein paar Telefonate: Keine Ahnung, wo unsere Gruppe ist, aber letztlich fliegen wir doch nicht morgen früh nach Bergen, sondern morgen Mittag nach Ålesund.

Mal sehen, was morgen früh gilt, und wo mein Koffer derweil landet…

Nur eins ist klar: Das wird die ruhigste Westkapp-Überquerung meiner Karriere!

Und ich glaube immer noch nicht so recht, dass ich auf Hurtigrute gehe.

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