Ich werde den Verdacht nicht los, dass ich aktuell mehr Zeit damit verbringe, Teleskope zu verpacken, als durchzuschauen. Ein Projekt für den letzten Sommer war es, die AVX-Montierung der Heilbronner Sternwarte transportfähig zu machen. Das Ziel dabei war vor allem, alles notwendige in einem Koffer zu haben. Mit meinen eigenen Koffern hatte ich das ja schon ein paar mal geübt, und die vorhandenen Lösungen, bei denen einfach der Versand-Schaumstoff in eine Tasche gepackt werden, sind wenig elegant.
Wer sie nicht kennt: Die Celestron Advanced VX (kurz: AVX) ist eine moderne GoTo-Montierung, die mit knapp 14 kg Traglast bei knapp 8 kg Eigengewicht (zuzüglich Stativ und Gegengewichte) noch gut transportabel ist. Sie ersetzt unsere alten Vixen Superpolaris-Montierungen. Die größten Vorteile sind:
- Endlich Goto – Unsere alten Superpolaris sind erstklassige Montierungen, können aber nur nachführen. Mit der AVX ist endlich auch automatische Objektpositionierung möglich.
- AllStar Polar Align – Die Montierung braucht keinen Polsucher (den gibt es optional), stattdessen wird sie grob eingenordet, und nach dem Alignment an zwei Redferenzsternen für das Goto wird ein Stern angefahren – bzw. die Position, an der er bei perfekter Einnordung stehen sollte. Dann wird die Montierung über den Polblock auf den Stern ausgerichtet und ist eingenordet. Das ist deutlich komfortabler als mit einem Polsucher, und mit einem Fadenkreuzokular auch sehr genau.
- Ein Autoguider-Anschluss! Als die Superpolaris-Montierungen noch vor Vereinsgründung angeschafft wurden, war ein Autoguider noch Science Fiction. So sind Langzeit-Aufnahmen für die Astrofotografie möglich.
Die Montierung haben wir für den mobilen Einsatz angeschafft, vor allem mit einem orangenen 80er Jahre C8 oder einem alten Vixen 90/1000-Refraktor, sowie für die Fotografie mit dem RASA 8. Damit das klappt, muss man natürlich alles dabei haben. Gerade in einem Verein neigen Einzelteile dazu, zu verschwinden, wenn sie keinen festen Platz haben.
In den Montierungskoffer sollten also:
- Montierung mit allen nötigen Anbauteilen (Stellschrauben für Azimut, Handcontroller, Deklinations-Kabel, Gegengewichtsstange)
- Stromversorgung
- Netzteil (12V/3A: Baader OTP 60W)
- Akkupack (Celestron PowerTank LiFePO4 12V) samt Ladegerät und Verbindungskabel zur Montierung
- Rotlicht-Taschenlampe und Kartenlampe
Und das ganze möglichst kompakt. Wie das bei Maßanfertigungen so ist: Billig wird das nicht, vor allem wenn man keine Werkstatt hat. Zum Glück muss man heute nicht alles selber machen.
Die Schaumstoffeinlage stammt von Koffermarkt.com. Wer will, kann sie nachbestellen, die “Schnittvorlage” gebe ich hiermit frei: https://www.koffermarkt.com/koffer-schaumstoff-konfigurator/#/layout/xxkhce. Der Entwurf ist versiegelt; wer ihn bearbeitet, erhält ein eigenes Projekt. Ihr müsst euch also keine Hoffnung machen, dass die Rechnung bei mir landet:-) Vorsicht: Die Polhöhe der Montierung ist für Heilbronn mit 49°N eingestellt. Ggf. müsst ihr den Winkel in der Einlage etwas anpassen. Auch Platz für ein Fadenkreuzokular ist noch nicht eingeplant (siehe unten).
Als Koffer kam wie so oft ein Thon Custom Economy Flightcase von Thomann zum Einsatz, mit den Maßen 59x18x40cm und dem breiten Ledergriff sowie Butterfly-Verschlüssen.
Dann war etwas Bastelarbeit angesagt: Um die Kofferhöhe niedrig zu halten, hatte ich die Unterseite des Koffers zuerst mit Moosgummi ausgekleidet und dann die unteren 2 cm der Schaumstoff-Einlage von Koffermarkt entfernt – so ist die Einlage bündig mit der unteren Kofferhälfte, aber auch unten offen. Die frei gewordene, 2 cm dicke Schaumstoff-Bodenplatte habe ich dann mit Heißkleber in den Deckel geklebt. Vorher hatte ich noch die Ablageplatte des Celestron-Stativs auf den Schaumstoff gelegt und mit einem Messer eng ausgeschnitten. So hält sie im Deckel und ist immer dabei.
Die Kabel liegen unter dem PowerTank, auch das separate Netzkabel des Netzteils. Das Dec-Kabel der Montierung ist in einem der schmalen, tiefen Fächer links von der Montierung.
Und so sieht das ganze fertig aus:
Rechts ist noch eine Gegengewichtstasche zu sehen; für das Stativ ist eine Tasche bestellt (ich hoffe, die passt dann auch).
Zwei nachträgliche Änderungen gab es dann doch noch: Ich habe in den Deckel noch eine Aussparung für den Handcontroller-Halter des Stativs geschnitten, damit das Stativ in die Tasche passt. Und ein Fadenkreuzokular zum exakteren Einnorden kam dazu. Damit war noch etwas Nacharbeit nötig.
Den Handcontroller-Halter hatte ich einfach auf die Schaumstoffplatte gelegt und mit einem Messer ausgeschnitten, das war kein Problem. Das Fadenkreuzokular war etwas aufwändiger, weil es nicht ganz einfach war, mit einem Messer das Fach zu “schnitzen”. Wer die Vorlage von oben verwendet, sollte am besten gleich sein Fadenkreuzokular ausmessen und einplanen. Alternativ passt es auch unter den PowerTank. Der Inbusschlüssel für die Blindschrauben, wenn man die AVX von den schmalen Vixen- auf die breiten 3″-CGE-Schienen umrüstet, wurde übrigens einfach in den Schaumstoff gedrückt – Werkzeug sollte man immer dabei haben…
Das Ergebnis kann sich sehen lassen, aber billig war es nicht. Stand Sommer 2020 hat der Spaß gekostet:
- Flightcase: 199,–€
- Schaumstoff: Rund 160,-€ (Einlage plus Moosgummi)
- Arbeitszeit: Unbezahlbar:-)
Wie bei jeder Maßanfertigung gingen einige Stunden dafür drauf, alles auszumessen und möglichst kompakt zu verstauen. Da erscheinen die stolzen Preise für Teleskopkoffer auf einmal in einem anderen Licht… Der einzige Nachteil dieser Lösung ist, dass keine weiteren Teile dazu kommen dürfen. Das Fadenkreuzokular passt zum Glück unter den Powertank, vielleicht stanze ich noch eine Aufnahme dazu heraus. Wer das Nachbauen will und den Plan für meine Einlage übernehmen will: Die Aussparungen für die Netzteil sind für die Modelle von 2020 ausgelegt. Das Baader-Netzteil hatte früher eine andere Form, messt also bei eurem eigenen Equipment lieber noch einmal nach – Modellwechsel nicht ausgeschlossen.
Und nein, ich kriege weder von Thomann noch von Koffermarkt Geld dafür:-)