Erfahrene Sternfreunde sehen in Teleskopen keine Sterne, sondern Optikfehler. Das klingt zynisch, ist aber so – ich habe es selbst schon einmal erlebt, dass bei einer Saturnbeobachtung alle vom Anblick begeistert waren, während ich als erstes den Muschelbruch vom Okular bemerkt hatte. Und dann kommt ein Laden Namens 3D Astronomy und klebt Glasplättchen ins Okular, um ein dreidimensionales Bild zu erzeugen. Dabei weiß doch jeder, dass sich so wenig wie möglich im Strahlengang befinden soll.
Kein Wunder also, dass ich auf dieses Lederman Optical Array neugierig geworden bin, das zuerst in den 21mm 3D-Okulare (Astroshop) und jetzt in einem 3D Astro 8×42 Fernglas verbaut wurde. Erfunden hat das ganze Russ Lederman von Denkmeier Optical (auf Astronomyconnect gibt es ein Interview mit ihm dazu). Der Trick ist, dass ein Okular im Prinzip ein kontrolliertes Doppelbild erzeugt, bzw. einen Teil des Bilds versetzt. Angeblich musste er dazu auf ein neues Okulardesign zurückgreifen, damit es funktioniert.
Neumodisches Teufelszeug… Kann das funktionieren? Zum Glück habe ich nicht nur zwei Bücher über Astronomie mit dem Fernglas geschrieben, sondern kenne auch die richtigen Leute – als mir Stefan, den ich noch aus Heidelberg kenne und jetzt beim Astroshop ist, daher das Fernglas zum Testen anbot, habe ich natürlich sofort zugegriffen. Leider kam es erst an, nachdem ich schon nach Mallorca gestartet war, aber zurück in Deutschland war das Wetter gnädig: Ein paar Tage klarer Himmel bei abnehmendem Mond waren ideal, um dem 3D-Versprechen nachzugehen. Dazu muss ich sagen, dass ich im Kino die klassischen 2D-Filme bevorzuge, da bringt mir der 3D-Hype nichts. Mal sehen, wie’s im Universum ausschaut – Avatar war ja auch einer der wenigen Filme, die von 3D profitiert haben.
Auf den ersten Blick ist das Space Walker Fernglas hochwertig, aber unauffällig: Ein ordentliches 8×42 Dachkantfernglas. Zum Lieferumfang gehören zwei geflügelte Augenmuscheln, der übliche Regenschutz für die Okulare (dieser Doppel-Deckel, den man Tragegurt befestigen kann), zwei Objektivdeckel, die am Tubus befestigt sind, und eine etwas hochwertigere Tasche. Dazu noch Tragegurt und das allgegenwärtige Putztuch, sowie zwei Bedienungsanleitungen (eine für ein normales Fernglas, und eine für die 3D-Besonderheiten).
Die technischen Daten sind nicht schlecht:
- 8×42 Dachkantfernglas
- Phasenkorrigiert FMC-Vergütung (Fully Multi Coated)
- Dielektrische Prismenvergütung
- BaK4-Prismen
- 60° Eigenbildfeld
- 188 Fuß auf 1000 Yards, also in ordentlichen Einheiten ein Bildfeld von etwa 172m auf 1000m oder etwa 9,8°, wenn ich mich nicht verrechnet habe
- Gummiarmiert
- Wasserdicht
- verstellbare Augenmuscheln (und somit Brillenträgertauglich)
- geflügelte Augenmuscheln als Streulichtschutz
- Dazu kommen Tragetasche und Trageriemen
Also ein gutes, handliches Dachkantfernglas. Nichts liegt näher, als das mit einem ähnlichen Glas zu vergleichen; das Celestron TrailSeeker 8×42 war da ganz gut geeignet. Mit knapp 300 Euro Listenpreis ist es ein gutes Stück günstiger als das Space Walker 3D Bino, aber natürlich auch ohne 3D; ohne 3D dürften beide in der selben Liga spielen.
Der erste Blick ist so ernüchternd wie erwartet: Bei Tag ist das Bild mäßig; die drei Glasplättchen sind deutlich zu sehen. Das Bild ist zwar deutlich plastischer, aber dafür erscheinen Bereiche gegeneinander verschoben zu sein. Es sieht nach Doppelbildern aus, auch wenn irgendwie doch kein Versatz zu erkennen ist und das Fernglas auch keine Kopfschmerzen verursacht. Ein ganz seltsamer Effekt, aber wie erwartet: Irgendwelche Sprünge im Lichtweg sind Blödsinn. Aber fairerweise: Das Fernglas ist ja als Nachtglas gedacht und nicht für den Einsatz am Tag. Mittlerweile weiß ich auch, an was mich das irgendwie erinnert: Ein Kaleidoskop:-)
Bis es dunkel wird, gibt es also noch genug Zeit, um einen Blick in die beiden Bedienungsanleitungen zu werfen. Die erste ist der typische mehrsprachige Waschzettel aus China, der die Handhabung von Ferngläsern ganz allgemein beschreibt. Der zweite beschreibt die Eigenheiten des LOA: Es macht am meisten Spaß bei dunklem Himmel, wenn die Glaskanten nicht mehr zu sehen sind. Okay, das ist bei Tag natürlich nicht gegeben.
Als es endlich dunkel geworden ist (immerhin haben wir noch August, aber im Gegensatz zum Norden Deutschlands gibt’s hier im Süden wenigstens noch etwas Nacht), gehe ich mit dem Fernglas für einen kurzen Test raus auf den Acker. Um mit den Nachteilen anzufangen: Der Tragegurt der Tasche langt nur, um sie mir um den Hals zu hängen, aber nicht als Schultergurt. Da es ein Leihgerät ist, will ich den Umhängegurt nicht am Fernglas befestigen. Zweiter Nachteil: Es hat (genau wie das TrailSeeker) eine geschlossene Brücke und ist daher nicht ganz so griffig wie ein Fernglas mit offener Brücke, bei dem man die einzelnen Tuben mit der Hand umfassen kann.
Aber genug gelästert, jetzt wird mal durchgeschaut. Zu den Bedingungen: Die Milchstraße ist im Zenit schwach, aber eindeutig zu erkennen, der Himmel ist also nicht ganz schlecht. Der erste Blick in den Himmel:
Wow.
Das funktioniert wirklich. Die Sterne scheinen tatsächlich unterschiedlich weit entfernt zu sein. Ein Schwenk durch die Milchstraße und Richtung Schütze: Hammer! Die offenen Sternhaufen treten deutlicher hervor, obwohl der 3D-Effekt natürlich willkürlich ist und nichts mit den realen Abständen zu tun hat. Reine Show, aber eine verdammt gute. Blick Richtung Osten, zur Andromeda: M31 hängt als deutlicher Nebelfleck zwischen den Sternen. Leider nicht dahinter, aber der Anblick ist trotzdem beeindruckend.
Viel mehr Zeit bleibt an diesem Abend nicht (morgen früh klingelt der Wecker), aber der erste Eindruck war Wahnsinn.
Die nächste Nacht: Jetzt geht’s mit Auto, Stativ und zusätzlich dem TrailSeeker raus auf den Acker. Die erste Erkenntnis: Verfluchte Dachkantferngläser. Ich habe zwar einen schön stabilen Stativadapter, aber der passt an keines der beiden Ferngläser, weil er zu breit ist. Also muss doch mein Auto als Stütze herhalten. Beide Ferngläser sind sehr klein und kompakt, daher ist es nicht so einfach, sie freihändig zu halten.
Mein erster Gedanke war eigentlich, dass ich mir das Fernglas als 7×50-Porro wünschen würde, aber die Wahl der Daten macht schon Sinn: Der 3D-Effekt wirkt bei dunklem Himmel und etwas Bewegung am besten, da wäre ein ruhig zu haltendes Fernglas wohl kontraproduktiv. Außerdem hat ein 8×42 nur eine Austrittspupille von etwa 5mm, also ein relativ dunkles Bild – was gleichzeitig bedeutet, dass der Himmelshintergrund dunkler wird, ohne dass man gleichzeitig weniger punktförmige Sterne sieht. Und als “Spaß-Glas” ist Transportabilität wichtiger – auch wenn ein Porro preiswerter wäre. Passt also letztlich schon.
Der Überraschungseffekt der ersten Nacht ist nun natürlich verflogen, aber es macht immer noch Spaß. Das TrailSeeker zeigt am Himmel nicht weniger, aber das Bild ist nun mal flach und im direkten Vergleich langweilig. Also mal die Milchstraße abklappern. Schütze: Viele kleine Sternhaufen, sehr nett. So auffällig sind sie im normalen Fernglas nicht. M31: Chic wie beim ersten Mal. Der Ringnebel: Vielleicht zu erahnen, es sind halt nur 42mm Öffnung. Der Kleiderbügel: Nice. h und Chi Persei: Zwei Sternklumpen vor der Milchstraße. Melotte 20 im Perseus: Umwerfend, der erschlägt einen beinahe. (Wer übrigens Beobachtungsziele fürs Fernglas sucht, wird hier fündig.)
Dann mal der direkte Vergleich mit dem TrailSeeker an Mizar und Alkor: Beide zeigen Mizar, Alkor und den 7,5m Feldstern problemlos, bei den Sternchen 9. Größe ein Stück weiter links zeigen sich langsam Unterschiede: Im TrailSeeker sind sie noch gut zu erkennen, im Space Walker sind sie noch gut zu erahnen. Das TrailSeeker hat also ein etwas helleres Bild.
Aber für echtes Arbeiten (Veränderliche Sterne schätzen oder so) würde ich ohnehin zu einem normalen Großfernglas greifen, bei dem es auch keinen leichten Versatz zwischen den Flächen gibt. Wenn man kritisch ist, lässt sich auch ein Helligkeitsabfall zu Rand erkennen. Aber man beobachtet ja doch in erster Linie in der Bildmitte.
Fazit der zweiten Nacht: Der 3D-Effekt begeistert mich immer noch; das Fernglas löst tatsächlich einen gewissen Haben-Will-Reflex aus. Hätte ich so nicht erwartet.
Und noch eine Nacht: Letztes Wochenende hatte ich es auf der Sternwarte Heilbronn dabei, man will ja interessantes Spielzeug auch mal zeigen. Dummerweise war es etwas diesig, und der gute Stadthimmel setzt den 42mm Öffnung natürlich Grenzen. Trotzdem hat es sich gegen ein zwanzig Jahre altes 7×50 Porro von Photo Porst ganz gut geschlagen und sogar ein paar Sterne mehr gezeigt. Aber es waren nur selten so viele Sterne im Bild, dass der 3D-Effekt zum tragen kam. An der beleuchteten Kilianskirche am Horizont nach Sonnenuntergang war der 3D-Effekt aber auch schon zu erkennen, und das LOA fiel nicht so sehr auf. Sehr interessant war, wie unterschiedlich verschiedene Beobachter darauf reagierten: Mal war es einfacher zu halten als das größere 7×50 Porro, ein einziger Beobachter sah verschiedene Schärfebereiche, andere konnten den 3D-Effekt bestätigen oder sahen ein besseres Bild als 7×50 Porro. Wieder ein anderer konnte den 3D-Effekt nicht nachvollziehen und hat die Bildfehler deutlich störender empfunden.
Fünf Leute, sechs Meinungen…
Es ist also gewiss kein Glas für alle, aber mir macht der Effekt einfach nur Spaß – aber es setzt definitiv einen guten, dunklen Himmel voraus, an dem auch ein normales 42mm-Fernglas Spaß macht.
Da denkt man, man hat alles schon mal gesehen, was mit 42mm Öffnung geht, und dann hat man auf einmal wieder Lust, auch in Deutschland raus auf den Acker zu gehen. Was jetzt noch fehlt ist ein Test am Nachthimmel mit Mond – aber da muss ich noch warten, bis er wieder am Abendhimmel zu sehen ist. Bis dahin ist meine Motivation eher gering, das Fernglas wieder herzugeben…