Ein ruhiger Tag, zumindest für mich: Um Viertel nach neun werfe ich erstmals einen Blick aus dem Fenster und sehe einen trüben Himmel. Eigentlich war unser erster Vortrag für 9:00 geplant, aber wegen einer Terminkollision mussten wir ihn auf den Mittag verschieben. Nach der letzten Nacht ist das aber gar nicht schlecht, schließlich muss man auch mal schlafen. Daher lasse ich das Frühstück ausfallen, mache meinen Nordlicht-Zeitrafferfilm fertig, twittere ihn und gehe in Finnsnes kurz von Bord. Das Wetter ist wieder trübe – ob wir für diese Tour den Rhythmus beibehalten, dass auf einen schönen Tag ein bedeckter folgt? Von schlechtem Wetter will ich bei milden Temperaturen und ruhiger See ja gar nicht sprechen.
Finnsnes und die benachbarte Insel Senja gehören zu den Fleckchen, von denen man auf der Tour eigentlich viel zu wenig mitkriegt. Senja ist die zweitgrößte Insel Norwegens und auch ein beliebter Ort für Polarlichttouren. Mir langt die Zeit nur, um ein paar Meter vom Schiff wegzugehen, die Schoko-Reklame einmal nicht von hoch oben zu knipsen und ein paar Schritte die Straße entlangzugehen.
Nach der Bewegung in Finnsnes kann ich mich dann guten Gewissens am Mittagsbuffet dem Frühstück widmen, nachdem ich mein Blog noch aktualisiert hatte. Kurz nach 13:00 dann der Blick auf die Uhr: Schon so spät? Und das jetzt, wo es extrem leckere Mousse au Chocolat gibt, bei der in 100 Gramm wohl 200 Gramm Schokolade enthalten sind? Aber gut, um 13:15 ist Hans mit seinem Vortrag dran, und ich will schließlich auch hören, was er über die Sonne zu erzählen hat. Außerdem zeigen wir ja die Polarlichtbilder der letzten Nacht:-)
Nach dem Vortrag bleibt noch eine Dreiviertelstunde, bis wir in Tromsø anlegen. Es ist draußen schon wieder sehr winterlich geworden: Schnee dominiert, auch wenn die Temperaturen mit rund +5° immer noch angenehm sind. Aber die Anfahrt auf die Stadt lasse ich mir nicht entgehen.
Das Wetter ist immer noch trüb, aber schon etwas besser; im Lauf des Nachmittags gibt es sogar ein paar blaue Flecken am Himmel. Eigentlich ideal, um mal wieder die Stadt zu erkunden. Tromsø ist ja als Paris des Nordens bekannt, also steht Einkaufen an – die Buchbestellungen abholen, nach gescheiten Schuhen schauen, nochmal in die Buchhandlung, dann in den Coop zum Auffüllen der Vorräte, zwischendrin hoch auf den Aussichtspunkt bei der Fischereischule – der Nachmittag geht schnell rum. Irgendwie erledige ich in Norwegen immer die ganzen Einkäufe, für die ich in Deutschland keine Zeit habe… Die typischen Touri-Highlights werden natürlich ebenfalls abgeklappert, und Tromsøs Greatest Souvenir Shop hat auch einige neue Sachen im Angebot. Hier lasse ich diesmal aber kein Geld. Trotzdem: Ein Besuch ist immer wieder ein Erlebnis. So viel Kitsch, und sogar ein paar reizvolle Sächelchen.
Die Tour zur Fischereischule ist neu, bislang war mir dieser Aussichtspunkt entgangen. Den Tipp verdanke ich Marcus, der ihn auf der letzten Tour von einem Wiederholungstäter erhalten hatte. Von da oben hat man wirklich einen hübschen Ausblick. Wenn ich schon nicht auf den Hausberg Storsteinen hoch komme, weil die Fjellheisen-Seilbahn noch getestet wird, bevor Touristen reingesetzt werden, gibt es immerhin von dort einen Blick auf die Stadt. Die Gondeln der Bahn sind noch im Probebetrieb. Während der Anfahrt hing eine Gondel ziemlich lange vor der Bergstation in der Luft – ist vielleicht ganz gut, dass erst mal getestet wird.
Da der Schnee in der Stadt weitestgehend verschwunden ist, zeigen sich auch die Spuren des Winters: Zahlreiche Bürgersteige und Straßen sind zerbröselt, und etwas abseits der Innenstadt ist auch manches Haus renovierungsbedürftig. Zuerst ist aber die Straßenreinigung schwer am Schaffen: Der Bagger mit der großen Bürstenwalze, der den ganzen Rollsplit zur Seite schiebt, ist schon beeindruckend. Und der Schneehaufen neben der Fischereischule deutet darauf hin, das mit dem Schnee auch gerne mal Asphalt weggeräumt wird. Ich bin gespannt, wie es hier im Oktober aussieht, nach dem Sommer. Da es noch hell ist und die Wolkendecke weitestgehend geschlossen, brauche ich heute Abend während des Abendessens keine Polarlichtwache zu machen. Damit fällt das Essengehen in Tromsø auch aus, ich kann ausnahmsweise in Tromsø auf dem Schiff essen.
Der Rest des Tages ist entspannt: Während des Abendessens legen wir noch einmal im Norden von Tromsø an, um zusätzliche Fracht aufzunehmen, die wegen eines Streiks nicht am normalen Kai eingeladen werden konnte. Im Anschluss hält der Kapitän einen interessanten Vortrag über Leuchttürme und Navigation im Lauf der Zeit – war schön, einmal einen Einblick in seine Arbeit zu erhalten. In Tromsø hat der Kapitän übrigens gewechselt. Jeder arbeitet ja 22 Tage am Stück, und er Wachwechsel kann so einigermaßen nahe an den Wohnorten erfolgen. Nur die Crewmitglieder, die Ansprechpartner für die Passagiere sind, machen normalerweise die Rundreise von Bergen aus.
Ein letzter Programmpunkt bleibt noch, nachdem der Himmel bedeckt ist: Der Nordnorge winken. Da sind gerade einige Reiseleiter an Bord, die wir auch kennen, also muss das sein. Da beide Schiffe Verspätung haben, begegnen wir ihr erst kurz vor 22 Uhr. Mittlerweile ist es dunkel und windig genug, dass wir nur erahnen können, wer gerade an Bord ist. Immerhin weht der Wind mir das Handtuch nicht aus der Hand. Anschließend bleibt nur noch, den Abend zu genießen und in Ruhe ausklingen zu lassen, während die Trollfjord versucht, die Zeit wieder aufzuholen. Skjervøy erreichen wir um 23:45 mit 75 Minuten Verspätung, und damit habe ich auch wieder genug Internet, um diesen Blogbeitrag abzuschicken. Da der Himmel weiterhin bedeckt ist, ist es Zeit für Feierabend. Aber erst nach einem Gang um das Schiff, schließlich hat Skjervøy eine hübsche kleine Kirche. Wenn dieses Mal schon kein Nordlicht über der Stadt schimmert, wird wenigstens die fotografiert.