Die erste Nacht auf See, und das nur wenige Meter von meiner alten Kabine entfernt – und noch etwas ist gleich wie auf der letzten Fahrt: Das Westkap und die Stadhavet sind sehr ruhig, die erste Strecke über das offene Meer ist wieder mal ein Ententeich. Damit entfällt natürlich die morgendliche Unterhaltung, wenn alle rund um das Frühstücksbuffett schwanken:-) Stattdessen können es alle in Ruhe genießen und die erste Begegnung mit Brunøst machen, dem berühmten braunen Käse (den ich auf keinen Fall als Souvenir nach Hause bringen soll, wie mir eindrücklich klar gemacht wurde. Entweder man mag das Zeug, oder man will möglichst Einfuhr und Produktion verbieten).
Der erste richtige Reisetag ist immer erst einmal ein Information Overkill: Jeder wird mit allen wichtigen Informationen zugeschüttet in der Hoffnung, das etwas hängen bleibt. Da machen wir natürlich auch mit: Um 10:00 Uhr ist die Begrüßungsveranstaltung für unsere Gruppe. Diesmal gibt es einen kleinen Sektempfang, nachdem wir – die Reiseleiter Kari und Thomas sowie Hans und ich – uns im Amfi-Theater vorgestellt und die gestrigen Infos vom Schiffs-Tourguide ergänzt haben. Damit fällt der Hafen in Torvik zwar flach, aber das lässt sich kaum vermeiden. Generell versuchen wir, unsere Veranstaltungen so zu legen, dass man möglichst nichts wichtiges verpasst. Und wir haben ja noch rund 30 Häfen vor uns, da darf ein Gläschen Sekt schon sein.
Dann geht’s hurtig weiter mit dem Mittagessen, schließlich legen wir schon um 12:00 in Ålesund an. Das ist neu, das ist anders: Wir legen auf der anderen Seite der Stadt an, nicht mehr am Cruisekay. Hier hatten die Hurtigrutenschiffe vor einigen Jahren angelegt, bevor ein Prachtbau neu entstand. Im Augenblick ist die Anlegestelle provisorisch, weil über die Miete gestritten wird. Aber sie liegt nicht wesentlich ungünstiger als die Anlegestelle für die Kreuzfahrtschiffe; der Weg zum Aksla ist ähnlich lang.
So lerne ich auch einmal die andere Seite vom Hafenbecken kennen, aber der Fußweg bis zur alten Anlegestelle ist nicht weit. Dort zieht es mich hin; auf dem Hausberg Aksla war ich diesen Winter schon oft genug. Ich will lieber sehen, wie weit das Projekt Bankskøta 2015 ist, das an dem Kai eines der alten Fischerboote neu baut. Es macht Fortschritte: Der Rumpf wird gerade gestrichen.
Anschließend geht es auf neuen Pfaden weiter um das Hafenbecken, zu den alten Häusern unterhalb der schlossähnlichen Schule. Ein paar Häuser haben hier Stadtbrand und Wiederaufbau überlebt. Am Fischereimuseum vorbei bietet sich noch ein Abstecher zu dem kleinen Leuchtturm an, bevor es auch schon wieder langsam Zeit für den Rückweg ist.
Während wir dann nordwärts fahren, wird das Wetter zusehends besser: Klarer, blauer Himmel und zweistellige Temperaturen. Plus, versteht sich, nicht Minus. Am Bug bin ich alleine, aber das Sonnendeck wird gut genutzt. Recht so, schließlich stellt man sich so Norwegen vor: Einfach traumhaft. Die Präsentation der Ausflüge durch das Schiff schenke ich mir da natürlich.
Richtig ungewohnt ist es, bei deutlichen Plusgraden und Sonnenschein auf Molde zuzusteuern. Die Stadt kenne ich nur bei Dunkelheit; jetzt sticht das Scandic-Hotel richtig heraus. Das bedeutet natürlich auch, dass das Abendessen bei Tag stattfindet. Gar nicht so schlecht: So kann es schon einmal nicht wegen Polarlicht ausfallen. Trotzdem gibt es eine Nordlys-Durchsage: Wir begegnen der MS Nordlys. Verwirrung macht sich breit, da wir ihr eigentlich morgen Abend in Rørvik begegnen sollten, für heute stand die Gamle Dame MS Lofoten auf dem Programm. Letztes Mal hatte ich für die ja sogar die verhüllten Bauerntöchter stehen lassen, die wir zum Nachtisch vernaschen durften. (Wenn man die Speisekarte nicht kennt, klingt das vielleicht etwas seltsam…) Aber diesmal ist es eindeutig die Nordlys; sowohl Marinetraffic als auch der Blick aus dem Fenster sind sich einig. Die Lofoten liegt schon in Bergen…
Zum Sonnenuntergang findet dann der erste Vortrag statt: Hans und ich berichten von Atmosphärischen Phänomen und Polarlichtern, anschließend gebe ich Fototipps und empfehle die letzten Fotoläden auf der Route, morgen in Trondheim und später in Bodø. Wir überziehen etwas, aber die Fototipps sind Bonusprogramm, das nicht jeder mit anhören muss. Während des Vortrags überqueren wir die Hustadvika, aber das Wetter ist uns gnädig – es schaukelt kaum.
Der Abend sieht ruhig aus: Es ist zwar klar und windig, aber noch kein Polarlicht zu sehen. Gegen 23:00, nachdem wir Kristiansund hinter uns gelassen haben, ist da ein ominöser Grauschimmer am Himmel…
Die Kamera gibt mir grünes Licht, also ab zur Rezension und Alarm geben. Ein kurzes Telefonat von der Rezeption zur Brücke – der Kapitän meint, dass das Stadtlicht wäre. Ich deute auf meine Kamera, und als “Group Leader Astronomy Tour” kann ich doch zu einer Durchsage überreden. Vi har lite lys, wir haben immerhin etwas Licht: Gut eine Stunde lang beobachten wir den Schimmer am Horizont, nur die große Show gibt es noch nicht. Trotzdem schon mal schön. Um halb eins packen dann auch Hans und ich zusammen, die Bilder durchsehen und etwas Schlaf für morgen sammeln, wenn Trondheim auf dem Plan steht.
Das Polarlicht von gestern Abend. Mal sehen, ob das Wetter mitspielt und was noch kommt. pic.twitter.com/6WuahwcbWM
— Alexander Kerste (@AlexKerste) 5. April 2016