Ich war mal wieder wach, bevor mein Wecker klingelte, aber das passte heute ganz gut: Schließlich stand heute irgendwann zwischen sieben und acht die Polarkreisüberquerung an. Mittlerweile ist es um diese Zeit schon ziemlich hell, sodass die Kugel auf der Insel Vikingen gut zu sehen ist – einen Monat vorher ist hier noch alles im Dunkel, aber so sind gute Fotos möglich. Auf Deck tummeln sich auch ziemlich viele Schaulustige, die dem kühlen Wind trotzen. Die Crew bietet Sekt zum Anstoßen an, was aber nur wenige nutzen. Ziemlich genau um 7:18 überqueren wir dann den Polarkreis und erreichen die arktischen Breitengrade.
Danach bleibt mir knapp eine Stunde, bis wir der Nordnorge begegnen. Die Begegnung wird sogar über die Schiffslautsprecher angekündigt, jedoch nur mit einer Vorwarnzeit von knapp einer Minute – da bleibt nicht viel Zeit für eine ordentliche Vinkekonkuranse. Aber auf der Nordnorge ist auch nicht viel mehr los.
Also ab zum Frühstück, und dann ein bisschen bei der Reiseleitersprechstunde Flagge zeigen, während das Wetter draußen wieder schlechter wird. Ørnes ist ja eigentlich einer der hübscheren Häfen und einige Fotos wert, aber da mir der Schnee auf dem Weg zum Bug waagrecht entgegen weht, wird das nicht viel mit Fotos.
In Ørnes bleiben wir etwas länger als geplant, da es viel Fracht gibt. Währenddessen wird erst Kai zur Rezeption gerufen, was ich mitkriege; kurz darauf auch Hans und ich, was erst einmal keiner von uns mitkriegt. Irgendwann treffe ich auf Kai, und wir disponieren um: Das Schiff braucht den Vortragsraum, und wir weichen mit unserem für den Nachmittag geplanten Vortrag auf 10:30 aus. Der Grund: Wir sind auf einer Fähre, es sind Ferien und Freitag, und rund 150 Gäste haben die Passage von Bodø nach Stamsund gebucht. Da wird der Vortragsraum als Gepäckablage gebraucht, Stauraum ist auf den umgebauten Schiffen knapp.
Aber bevor es soweit ist, steht noch die Verkündigung des Gewinners der Polarkreiswettbewerbs an. Einer aus unserer Gruppe hat die Zeit der Polarkreisüberquerung am besten geschätzt und erhält von Johan eine Hurtigrutenflagge – aber nur kurz, dann muss er sie vorerst abgeben, um seinen zweiten Preis in Empfang zu nehmen: Er hat den Vortritt bei der Polarkreistaufe.
Also rufen wir alle nach Njord (früher wurde ja nach Neptun gerufen, obwohl Njord auf den Polarkreiszertifikaten unterschrieben hat), und schon bald taucht er auf dem Oberdeck auf, bläst kräftig in sein Horn und führt die Taufe mit Snice durch – Snow & Ice. Vom anschließenden Fotoshooting und der Taufe der neuen Crewmitglieder bekomme ich nicht viel mit, da ich auch noch versuche, möglichst vielen aus unserer Gruppe noch den neuen Vortragstermin mitzuteilen.
Diesmal ist Hans dran und gibt einen Überblick über das Sonnensystem, bevor auch schon das Mittagessen drängt. Schließlich erreichen wir Bodø schon um 12:30…
Bodø gehört zu den Städten, an die man sich erst gewöhnen muss. Wie hieß es doch in der Ausflugsvorschau: “Der Bus macht auch eine Tour zu den schönsten Ecken in Bodø. Das dauert zwei Minuten.” Mittlerweile hat die Stadt für mich an Reiz gewonnen, aber Sehenswürdigkeiten sind trotzdem rar. Dafür sind wir jetzt schneller in der Stadt: Es gibt einen neuen Anleger näher am Zentrum direkt am Kreisverkehr am Bahnhof, und der windige Weg dahin bleibt uns erspart.
Bei schönstem Wetter schlendere ich durch Bodø und fotografiere alte Bekannte; den Blick ins Lachsmuseum und den Gang auf das Scandic-Hotel schenke ich mir diesmal. Dann ziehen dunkle Wolken auf, und nach einer Stunde tobt ein Schneesturm, der einen auf dem Rückweg zum Schiff beinahe sandstrahlt. Ekelhaft.
Da tröstet es kaum, dass in meiner Mailbox jetzt die Geburtstagskarte der Nordstjernen gelandet ist, die heute 61 wird. An Bord ist es mittlerweile auch voll, 150 Tagesgäste sind kaum zu übersehen. Da hilft es auch nicht, dass es im Panoramasalon jetzt ein künstliches Kaminfeuer statt weiterer Sitzplätze gibt. Wir sind halt eine Fähre, das macht ja gerade den Reiz der Hurtigrute aus.
Nachdem wir Bodø verlassen, ziehe ich mich auf meine Kabine zurück, um in Ruhe noch ein paar Sachen aufzuarbeiten. Für den Westfjord hatten wir eigentlich gut Wellengang erwartet, aber die See ist trotz des starken Winds ruhiger als erwartet – heute früh während des Vortrags hatte es stärker gewackelt. Der Wind kommt von den Lofoten, sodass sich keine starken Wellen aufbauen können. Auch recht.
Um 17 Uhr gibt Johan noch einen Tagesrückblick und kündigt zugleich an, dass er demnächst auf die Richard With wechseln wird. Und er ist optimistisch, was das Wetter heute Abend für Raftsund und Trollfjord angeht, es könnte klar werden. Wir werden sehen… Aber erst steht das Abendessen auf dem Programm, es gibt Lammkeule. Nur die Teilnehmer des Wikingerfests erhalten nichts, die essen in dem rekonstruierten Langhaus. In Stamsund um 19 Uhr geht der Bus für diesen Ausflug ab, um 22 Uhr sollen sie in Svolvær wieder zusteigen. Irgendwann muss ich den Ausflug auch mal wiederholen…
So geht es für mich mit dem Schiff nach Svolvær. Die “Hauptstadt des Lichts” in den Lofoten versteckt sich im Schnee; da bleibe ich lieber an Bord und nutze die Zeit für Gespräche. Das ist das Schöne an den kleineren Schiffen: Man kommt leichter ins Gespräch.
Der Schnee hält auch unsere Wikinger auf, sodass wir mit einer Viertelstunde Verspätung abfahren. Wirklich toll wird das Wetter aber nicht; Johann macht Lesestunde und liest aus einem Buch über die Schlacht am Trollfjord vor. Hier kam es Ende des 19. Jahrhunderts zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den klassischen, armen Fischern mit Holzbooten und den modernen, reichen Fischern mit Dampfbooten und Schleppnetzen.
Anschließend gibt es wieder Fiskekake draußen auf Deck 7, und wer will kann den Trolltrunk samt Tasse kaufen – für einen Halt am den Trollfjord ist die Sicht aber zu schlecht. Erst nach Mitternacht gibt es die ersten Wolkenlücken, und in Stokmarknes um ein Uhr sogar Wolkenlücken – aber kein Polarlicht, das mit bloßem Auge zu sehen wäre.
So langsam werde ich ungeduldig, für morgen in Tromsø ist auch bestenfalls eine vage Chance für brauchbaren Himmel vorhergesagt, und für Skjervøy sogar noch weniger. Grmpf.