Die Nacht war kurz: Erst wurde bis zwei Uhr Polarlicht geguckt, dann trötet uns die Nordlys irgendwann gegen neun Uhr an, und schließlich klopft die Putzfrau zweimal an, bis ich endlich die Kabine räume. Mittlerweile ist der 29. Oktober und der sechste Reisetag – weiter in den Norden als heute kommen wir auf dieser Fahrt nicht.
Kurz nach halb zehn bin ich dann am Restaurant, genau rechtzeitig, um kein Frühstück mehr zu kriegen. Macht aber nichts, ab 10:15 gibt es ja schon Mittagessen. Schließlich wollen wir um 11:15 in Honningsvåg auf der Insel Magerøya sein, damit insgesamt sechs Busse die Passagiere zum Nordkapp starten können. Aber ehrlich gesagt: Wer braucht schon Frühstück. Stattdessen schaue ich mir lieber an, wie wir in Honningsvåg einlaufen – mit ein paar Minuten Verspätung erreichen wir den Ort, der noch nicht so trostlos wirkt wie im November, wenn das letzte Gelb und Grün verschwunden ist, jedoch noch kein Schnee liegt.
Wir schauen noch zu, wie alle Mann von Bord gehen, und kümmern uns dann in aller Ruhe um das Essen. Honningsvåg wird ja gerne auch für Sicherheitsübungen auf dem Schiff genutzt, aber diesmal wohl nicht: Ein Großteil der Crew ist ebenfalls ans Nordkap gefahren, mit einem weiteren Bus. Vielleicht wird ja auch “Abandon Ship!” geübt… Möglichkeiten zum Umgang mit unvorhergesehen Ereignissen gab es auf der Fahrt ja genug.
Volker und ich steuern dann erst einmal das Denkmal am Aussichtspunkt über dem Ort an, um es links liegen zu lassen und weiter den Berg hinauf zu gehen: Auf der anderen Seite soll es einen schönen Ausblick auf den Nachbarort geben. Der Aufstieg ist allerdings etwas weiter als geplant, aber letztlich schaffen wir es und haben einen hübschen Ausblick auf Nordvågen. Hübsch, und wir sind ganz schön hoch gekommen.
Auf dem Rückweg bleibt noch genug Zeit für einen Besuch bei der Büste für den Regisseur am Friedhof hoch über der Stadt, bevor es zurück in den Ort geht. Allmählich fängt es zu regnen an, und wir machen noch ein paar Fotos der Kirche, vom Schiff und dem Weg entlang des Hafens.
Dabei kommen wir auch wieder an Trash Art vorbei – dem Gebäude mit den Kunstwerken aus angeschwemmten Gummistiefeln –, ebenso wie an einigem Müll im Meer. Das landet wohl alles hier.
Das Schiff erreichen wir gleichzeitig mit dem Crew-Bus, vom Schiff aus erwarten wir dann die anderen Exkursionsteilnehmer. Ein schönes Schauspiel: Zehn Minuten vor der geplanten Abfahrt wird noch einmal die Gangway neu eingestellt, um den Gezeitenhub auszugleichen, und bis wer auch immer die Gangway einstellt endlich mit dem Ergebnis zufrieden ist, vergeht einige Zeit. Die ersten Gäste an Land hatten verständlicherweise schon die Panik gekriegt, als die Gangway zu früh hoch ging; als sie wieder unten ist, steht der Kai voll mit unseren Leuten. Zum Trost kann man dann an Bord Apfelkuchen mit heißer Schokolade kaufen.
Von Honningsvåg aus geht es über die Barentssee – etwas schaukelig, aber für diese Region harmlos. Eine gute Möglichkeit, ein paar Dinge aufzuarbeiten. Kurz nach halb sieben erreichen wir am Nachmittag die Finnkirche. Die alte samische Opferstätte ist wieder ein Programmpunkt. Alle werden zur Beobachtung auf Deck 8 gebeten, wo Anita etwas darüber erzählt und Musik abspielt, während die Finnmarken vor der unbeleuchteten Felsformation anhält. Ich bin gewohnheitsmäßig auf Deck 5, wo mehr Platz ist, und bekomme von der Geschichte daher nichts mit. Irgendwann geht dann das Licht an, und die Fotografen können sich an der Finnkirche die Zähne ausbeißen. Mit Blende 1,4 hat man Chancen…
Da der Himmel bedeckt ist, sehen wir diesmal kein Nordlicht, während wir langsam weiter nach Kjøllefjord fahren, und der Krabbenfischer kommt ebenfalls nicht an Bord. So setzen wir die Teilnehmer der Exkursion “Samischer Herbst” im Hafen ab, bevor wir nach Mehamn weiterfahren. Irgendwo auf dieser Strecke passieren wir auch Nordkyn, den nördlichsten Punkt des europäischen Festlands. Mangels Durchsage bekomme ich davon aber nichts mit.
Pünktlich zum Abendessen gibt es dann die Durchsage, dass Polarlicht zu sehen ist. Der Blick vom Bug aus ist aber enttäuschend: Es gibt zwar verschwommene Bänder aus Polarlicht, aber sie sind hinter Wolken verborgen. Kein einziger Stern ist zu sehen, und leicht regnen tut es auch noch. Da kann man guten Gewissens ins Restaurant gehen. Mehamn, den nördlichsten Hafen auf der Route, erreichen wir dann mit etwas Verspätung und leichtem Niederschlag.
Ein Programmpunkt fehlt noch: Das Treffen mit der Nordkapp. Ich will ja eh winken, da eine andere Nordlicht-und-Sterne-Tour auf dem Schiff ist und mit Holger einer von einer früheren Tour (Hurtigrute hat Suchtpotential), und da eine Winkekonkurranse organisiert wird, verspricht das trotz Nieselregen Spaß zu machen.
Kurz nach zehn bin ich dann draußen an Deck, wo die Crew Vorbereitungen trifft, und sehe die Nordkapp an uns vorbeirauschen. Was zum Geier…?
Wie sich herausstellt, haben wir Passagiere für die Nordkapp an Bord, die zuerst in Berlevåg aussteigen müssen. Obwohl wir Verspätung hatten, muss die Nordkapp also draußen warten. Wir machen nur mit einem Tau am Kai fest, lassen die beiden Mädels aussteigen und legen schon wieder ab. Und während der ganzen Zeit ist Stimmung an Bord: Ein paar von der Crew tanzen auf Deck 5, die Musik ist laut aufgedreht und Luftballons stehen bereit. Wahnsinn. Wir waren mit voller Partybeschallung in den Hafen gefahren und nehmen nun Kurs auf die Nordkapp.
Auch wenn sie sich Mühe gibt: Es passt schon, dass kurz nach der Passage ein We are the Champions erschallt. Und es ist kein Wunder, dass die Finnmarken bei MarineTraffic nicht als RoRo-Ferry, sondern als Pleasure Craft erscheint… Spaß hat’s gemacht, und morgen ist dann die Polarlys dran:-)