Nachdem wir gestern mit der kleinen MS Lofoten das schönste Schiff der Flotte gesehen hatte, hieß es heute (am 9.2.2016) wieder früh aufstehen, um das schönste Schiff der Flotte zu begrüßen: Die MS Nordkapp. Ja, jeder hat so seine eigenen Favoriten… Und da die Schiffsbegegnung für kurz nach acht angekündigt war, konnte ich auch gleich noch ein Stunde früher aufstehen, um zur Polarkreisüberquerung kurz nach sieben mitzumachen. Schließlich wird beides mit Gehupe untermalt, da kann man ohnehin nicht durchschlafen.
Das Deck ist überraschend voll, bei über 300 Passagieren gibt es doch einige Frühaufsteher. Die Crew bietet Champagner an, und im Nieselregen halten wir Ausschau nach der Wiking-Insel mit dem Monument. Etwa um 7:20 passieren wir den Polarkreis, für vernünftige Bilder ist es aber noch zu dunkel. Wenig später ist Deck 9 auch schon wieder leer, und ich gehe unter die Dusche – mich frisch machen für das Treffen mit meinem Lieblingsschiffchen.
Dank der Marinetraffic-App ist klar, dass sie die Zeiten gut einhält, und am Bug stehen kurz nach acht schon die üblichen Verdächtigen in einer leichten Mischung aus Schnee und Gischt. Kurz nach acht ist es bereits hell genug, dass man etwas sieht, sodass ich nicht nur fotografiere, sondern auch die Filmoption der kleinen Panasonic mal wieder ausprobiere. Leider halten die beiden Schiffe recht viel Abstand, sodass die Nordkapp klein bleibt – aber egal, das Pflichtprogramm der Reise ist erledigt: Polarlicht gucken und Nordkapp grüßen:-)
Apropos Pflichtprogramm: Durch das frühe Aufstehen ist auch genug Zeit, um zu frühstücken, bevor wir mit Ørnes einen der idyllischeren Häfen anlaufen. Berühmt ist das Örtchen für seine Postkartenidylle und den nahe gelegenen Svartisen-Gletscher. Wohl wegen Problemen mit der Ladeklappe verzögert sich die abfahrt um ein paar Minuten.
Wenig später darf Mette, unser Tour Guide, auf dem Sonnendeck mit dem Mikrofon kämpfen: Neptun soll für die Polarkreistaufe an Bord kommen, aber bevor die Gäste angespornt werden können, um den Herrn des Meeres an Bord zu rufen, muss Mette sich erst einmal selbst Gehör verschaffen. Irgendwann funktioniert die Technik, und während eine atemberaubende Landschaft am Schiff vorbei zieht, verteilt Neptun Eis – wobei er mir recht freundlich gestimmt erscheint.
Im Stundentakt geht es dann weiter: Mittagessen ist heute schon etwas früher, damit alle genug Zeit haben, um vor Bodø noch etwas zu essen. In Bodø gehen Marcus und ich mit Margit auf Tour zum Salmon Center, das direkt am Scandic Hotel liegt. Auf wenigen Metern gibt es viel zu sehen: Das Salmon Center ist immer wieder ein gelungener Infopunkt rund um die Lachszucht, und ein paar Meter weiter Richtung Scandic ist das Denkmal für das Unglück auf der Erling Jarl, die hier im Januar 1958 Feuer fing. Das Restaurant auf dem Scandic bietet einen schönen Blick auf die Stadt und leckere heiße Schokolade – die sollte man ruhig genießen; wenn alle nur zum Schauen hochkommen, ist es vielleicht irgendwann für Besucher gesperrt. Wieder auf Meereshöhe gibt es dann eine Überraschung: Margit kennt dank ihres Engagements für die alte Nordstjernen auch den Kapitän der Gamle Salten, die vor dem Scandic am Kai liegt. Das Schiff sucht gerade einen neuen Einsatzzweck, und als Margit den Käpitän sieht, erkennen die beiden sich gleich wieder und kommen ins Gespräch. Und uns bietet sich die Möglichkeit, einmal an Bord des Oldtimers zu gehen.
Das kleine, aber gut erhaltene Schiff gibt einen Eindruck davon, wie es früher in Norwegen zuging. Mit Baujahr 1953 hat sie den selben Aufbau wie die typischen Hurtigrutenschiffe. Die Salten war aber nie fest im auf der Hurtigrute, sondern immer nur als Ersatzschiff, wenn die regulären Schiffe ausfielen. Dann wurde sie immer wieder an die Hurtigrutenreedereien vermietet. Das sehr, sehr schicke Schiffchen war in letzter Zeit als Restaurantschiff und für Chartertouren im Einsatz, was sich leider nicht gerechnet hat – anscheinend gibt es aber bereits einen neuen Betreiber, sodass seine Zukunft vorerst gesichert sein dürfte.
Im Inneren geht es recht beengt zu, vor allem in der ersten Klasse und der Hochzeitssuite aber durchaus mit einem gewissen Luxus und vor allem einem Stil, den es heute kaum noch gibt. Die früher typische Kombination aus Waschbecken und herunterklappbarem Tisch ist in vielen Kabinen, die Dusche ist aber auch in der ersten Klasse auf dem Gang – mitsamt einer Liste, um sich eine Termin zu reservieren. Dazu gibt es die alten Lichtschalter zum Drehen (warum baut die eigentlich keiner mehr?) und teilweise überraschend enge Türen – die Toiletten waren noch für schlankere Passagiere gedacht… Aber auch der Kapitän hat nicht zu viel Luxus, nur eine schmale, steile Treppe führt durch eine sehr niedrige Türe auf die Brücke. Damals mussten die Schiffe noch selbst gesteuert werden und fuhren nicht GPS-gesteuert ihre Route entlang.
Da wir auf der Hurtigrute sind, bleibt nicht viel Zeit, um das Schiff zu genießen – und wegen der hohen Auslastung der Trollfjord sollen wir ja auch noch zehn Minuten vor Abfahrt an Bord sein. Immerhin habe ich diesmal von Amts wegen keinen Zeitdruck: Unser nächster Vortrag steht erst um 17:30 an, da das Schiff sowohl um 15:30 als auch um 16:30 eine DVD mit Nordlicht-Fotos auf deutsch, englisch und norwegisch zeigt. Damit habe ich aber auch ein festes Zeitlimit für meinen Vortrag, aber soll’s: Die Sonne und das Leben der Sterne lassen sich in 45 Minuten abhandeln, wenn man nicht zu sehr in’s Detail geht – und wer mehr Details wissen will, kann uns ja jederzeit ausquetschen. Im Anschluss gibt Kai noch eine Vorschau auf die nächsten Angebote für die Gruppe, und dann steht auch schon das Abendessen an.
Die tägliche Zusammenfassung des Tages durch Mette kurz vor 20 Uhr schenke ich mir wieder, gemütliche Gespräche in der Bar auf Deck 8 sind reizvoller. Nordlicht gibt’s auch keins, daher müssen wir uns mit Mack Nordlys behelfen. Nicht ganz so gut, aber besser als nichts… Nur für die Schiffsbegegnung mit der Finnmarken unterbreche ich das alternative Abendprogramm dann doch, aber sie ist bei weitem nicht so eindrucksvoll wie das Treffen der beiden Schiffe im Januar, als sie nur wenige Meter aneinander vorbei fuhren, und Fotos gelingen kaum in dieser finsteren Nacht.
Wenig später erreichen wir Svolvær und nutzen die Zeit für einen kurzen Spaziergang. Hübsches Städtchen, zweifellos – kein Wunder, dass sich hier einige Künstler niedergelassen haben. Von den eindrucksvollen Bergen im Hintergrund sehen wir allerdings nicht viel; dichte, schneeschwere Woken hängen tief am Himmel. Auf den Stockfisch-Gestellen hängt die erste Ware; wie schon letzten Monat wird gegen die Umweltschäden durch die Ölindustrie protestiert.
Aus irgendwelchen Gründen verlassen wir Svolvær mit etwas Verspätung, mittlerweile wird das Wetter auch wieder schlechter: Es nieselt etwas – die Chancen auf ein schönes Polarlicht im Raftsund sind gleich null. Es dauert auch nicht lange, bis die Durchsage kommt, dass wir wegen Schnee und Wind auch den Trollfjord links liegen lassen werden. Daher gibt es magischen Trolltrunk (zum kaufen) und frischen Fiskekake (gratis) auch schon gegen halb elf, kurz nach der Abfahrt aus Svolvær. Da der Blick in den Himmel auch nur Schnee verheißt, können wir den Tag gemütlich in der Bar auf Deck 8 ausklingen lassen. Schade eigentlich – ein tolles Polarlicht wäre jetzt ganz nett gewesen, und die Wettervorhersage für Tromsø morgen hat sich auch verschlechtert.