Von dem guten Wetter der letzten Tage ist nichts mehr zu sehen: Kirkenes als Endpunkt der Reise steht an, wir haben in der Nacht den östlichsten Punkt der Fahrt umrundet und fahren jetzt ein Stück nach Südosten, in das norwegisch-russische Grenzgebiet. In Kirkenes bieten sich einige Touren an; die Schlittenhunde samt Schneehotel kenne ich schon, und Volker und Sabine wollen Snowmobil fahren. Mein Plan sieht vor, auszuschlafen und mir einmal Kirkenes anzuschauen. Zumindest der erste Teil davon scheitert, da ich die Infotaste aktiv habe. Vom Polarlichtalarm gegen vier Uhr habe ich zwar nichts mitgekriegt, aber etwa ab kurz vor acht kommen immer wieder Infos für die Passagiere, die in Kirkenes von Bord gehen. Und Korrekturen für diese Infos. Und Ergänzungen. Und ein Ständchen von Johann: “Dies ist eine wichtige Mitteilung: This is the end. The end, my friend. You’re leaving us in Kirkenes, my friend. This is the end, my friend.” Mit Gitarrenbegleitung. Singen kann er, nur still sein kann er nicht – alle fünf Minuten kommt eine Durchsage… Also doch mal aufstehen, das Frühstück mitnehmen und dann mit Margit nach Kirkenes spazieren – Reiseleiter unter sich.
Der Weg in die Stadt ist nichgt weit, aber touristisch hat Kirkenes nicht so viel zu bieten: Viele kleine Häuser, jede Menge Schnee und Erinnerungen an den Krieg. Die Andersgrotta ist ein alter Bunker, vor dem noch aus deutscher Besatzungszeit ein Wegweiser steht; die Kirche ist recht hübsch und hat zwei Uhren, die wohl prinzipiell verschiedene Zeiten anzeigen, und einige Geschäfte zeigen, warum Kirkenes als Stadt gilt. Wohnen wollte ich hier nicht…
Dafür hat die Schneemobiltour Spaß gemacht, vielleicht verzichte ich nächstes Mal doch auf das Kulturprogramm. Aber der Rema war eine gute Gelegenheit, um die Vorräte aufzufüllen.
Von Kirkenes bis Vardø geht es dann an einem Stück durch, und die Fahrtzeit geht für Mittagessen und Vortragsvorbereitung drauf. An Bord wird – diesmal in der Bar – wieder der Film über Vardø und Pomoren-Handel gezeigt, zuerst auf Deutsch, dann auf Englisch. Blöd nur, dass während des englischen Films auch über die Bordsprechanlaga Infos über Vardø kommen und dem Film der Ton abgedreht wird, bis der Nachspann kommt. Anschließend erntet die Barkeeperin Applaus, als es ihr gelingt, die widerspenstige Leinwand wieder einzufahren…
Vardø selbst war einmal ein sehr umtriebiger Hafen und beherbergt noch immer die nördlichste Festung der Welt: Vardøhus. Da doch einiges an Schnee liegt und wir etwas verspätet anlegen, verzichtete ich auf den Marsch zum Hexendenkmal und besichtige mit den anderen die Festung – das Eisbaden scheint diesmal auch auszufallen. Erste Erkenntnis: Die alte Festung hat nichts mit den Radarkuppeln auf der anderen Hafenseite zu tun, sondern liegt einfach auf der anderen Straßenseite, keine fünf Minuten vom Schiff entfernt (und an einem angeblich sehr guten und günstigen Laden vorbei – nächstes Mal dann). Zweite Erkenntnis: Man kann sie in fünf Minuten komplett besichtigen, vor allem bei dem eisigen Wind, der gerade weht. Dafür ist es klar – wird das heute doch noch mal was mit Polarlichtern?
Wenn der Weißabgleich der Kamera von der gelblichen Beleuchtung verwirrt wird, könnte man fast meinen, wir wären in Marokko und nicht in Nordnorwegen, aber der Wind zerstört die Illusion. Bei 30 NOK oder 5 Euro Eintritt kann man nicht zu viel von der Festung erwarten, und in der Tat ist sie sehr übersichtlich. Kein Wunder, dass sie nie angegriffen wurde – wahrscheinlich hat sie jeder Angreifer übersehen oder wurde an ihr vorbeigeweht… Was ich ganz übersehen hab: 1769/70 gab es hier ein Observatorium, um den Venustransit zu beobachten. Davon ist aber nur noch eine Gedenktafel übrig.
Aber es heißt ohnehin, schnell wieder an Bord zu gehen, schließlich steht nun unser vierter Vortrag an: In 60 Minuten durch das Universum. Viel mehr Zeit ist, schließlich fängt das Abendessen pünktlich um 18:30 an. Es schwankt etwas, und am Abend wird es ungemütlicher: Das, was auf den ersten Blick über dem Schiff an Polarlicht erinnert, ist Schnee. Die Bar ist dementsprechend leer, einige bringen sich vor dem Geschaukel in Sicherheit oder nutzen die Zeit, um sich von der Frischluft bei Schneemobil oder Hundeschlitten zu erholen. Einmal bei Zeiten ins Bett ist auch eine nette Abwechslung zur letzten Tour – auch wenn gerade alle Polarlichtvorhersagen auf knallrot stehen und weltweit einiges gesichtet wird, hat die Aurora keine Chance gegen die Wolken über der Barentssee.
An den Venus-Transit in Vardø erinnern inzwischen drei Gedenktafeln – auf dem Borg-Würfel-ähnlichen roten Rathaus, das in der Nähe der Stelle steht, wo Hells temporäre Sternwarte war: Bilder von 2012 aus der Nähe und 2013 von Bord aus. Neben dem Planetarium im Tromsø und der Struve-Säule in Hammerfest m.W. die einzige astronomische/geophysikalische/geodätische Sehenswürdigkeit, die man im Rahmen einer Hurtigruten-Reise an Land “mitnehmen” kann. In Bergen gibt’s allerding s noch eine auffällige alte Sternwarte, die gar keine ist, zu sehen.