Heute ist wieder so ein Tag, an dem scheinbar nichts los ist. Bis man einen Blick ins Tagesprogramm wirft… Den Anfang macht die südgehende Polarkreisüberquerung gegen 8:40. Dabei ist nur unwesentlich mehr als auf der nordgehenden Route zu sehen, nicht zuletzt wegen der Wolkendecke. Aber der Captain trifft die Kugel wieder ziemlich gut mit seinem Scheinwerfer. Vorne am Bug bin ich fast alleine – auf Deck 7 arbeitet derweil schon unser Expedition Team. Direkt nach der Polarkreisüberquerung gibt es Lebertran für alle!
Das was da heutzutage serviert wird schmeckt eigentlich gar nicht schlecht, aber so manch Gast sieht das anders. Ich verzichte diesmal auch: Ich habe schon genug Löffel zuhause. Messer und Gabel wären mal eine Abwechslung…
Danach mache ich es mir wieder mit Kai in unserem Büro bequem, während der Postmann klingelt: Wer will, kann sich seine Postkarten oder anderes abstempeln lassen – Bücher sind auch sehr beliebt.
Derweil zieht die wolkenverhangene Landschaft an uns vorbei. So ein schöner Sonnenaufgang wie gestern ist uns heute nicht vergönnt, aber die Wolken sind weiter hoch genug, dass nur die Berggipfel in ihnen stecken und wir doch etwas von der Helgelandküste sehen können.
Nesna erreichen wir bei freundlichem Wetter planmäßig kurz vor halb elf, und um elf steht der nächste Programmpunkt an: Die Crew verabschiedet sich. Meistens wird diese kleine Abschiedsrede plus Sektempfang mit dem Captain’s Dinner am Abend verbunden, aber dann bekommen alle im hinteren Teil des Restaurants nur den Ton mit, während die Crew sich bei der Kochinsel verabschiedet. Vor allem im Sommer bietet es sich an, das an Deck zu machen, und die Nordkapp führt diese sommerliche Tradition auch jetzt weiter – kalt ist es ja nicht! Nur regnerisch… aber das tut der Stimmung keinen Abbruch, und unser Restaurantchef Michael hält eine kurze Rede. Es ist seine erste Reise, daher erhielt er bei der nordgehenden Polarkreistaufe auch den gesamten Eiseimer übergeschüttet.
Wer noch Kapazitäten frei hat, kann dann schnell Mittagessen gehen, bevor mit Sandnessjøen der nächste Hafen ansteht. Wir haben hier leider nur eine halbe Stunde Aufenthalt – als wir noch eine Dreiviertelstunde Zeit hatten, war genug Zeit für einen schnellen Gang durch die Fußgängerzone. So bleibt für die Heimat von Petter Dass (dem wir an der Domkirche von Bodø begegnet waren) keine Zeit. Der Priester war eine der schillerndsten Gestalten des 17. Jahrhunderts in Norwegen.
Sandnessjøen liegt unter tiefen Wolken, sodass die Hauptattraktion verborgen bleibt: Die Bergkette der sieben Schwestern, die hinter das Stadt liegt. Heute sind sie schüchtern, allenfalls die Beine dieser schönen Trollschwestern sind zu erahnen. Den Point of Interest gibt es trotzdem, und sogar ein paar helle Flecken zeigen sich Himmel, während Kristina die Sage erzählt, die die halbe Helgelandküste umfasst, vom Hestmannen am Polarkreis bis zum Torghatten in Brønnøysund.
Das Treffen mit dem Expeditionsteam lasse ich wieder ausfallen – ich brauche mal eine Pause und muss noch unsere Abschiedsveranstaltung vorbereiten, die ist ja schon morgen…
Brønnøysund erreichen wir etwa zu Sonnenuntergang. Die Wolkenlücke auf die zumindest ein Wettermodell Hoffnung gemacht hatte, hat sich leider in ein leichtes Schneegestöber verwandelt. Mist. Dafür ist der Torghatten am Horizont erkennbar, der Berg mit Loch. Nur von dem Loch ist nichts zu sehen: Bis wir auf der richtigen Seite vom Berg sein werden, wird es duster sein, und schwarzer Berg mit dunklem Loch vor schwarzen Wolken gibt nun einmal nichts her. Sobald es hell genug ist, wird das Schiff wieder einen Abstecher machen.
Immerhin ist es für Brønnøysund noch hell genug. Es ist das norwegische Flensburg, im Brønnøysund Registrene werden die Daten aller Norweger gesammelt. Das neue Glasgebäude hat auch den Spitznamen “Frauenknast” erhalten – es gibt wohl mehr Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter, die man durch die Fenster sieht.
Kai bietet eine gemütliche Wanderung an, die ich bis zur Mitte Norwegens begleite: Der Stein am Hafen ist vom Nordkap genauso weit entfernt wie von der Südspitze des Landes. Dann verlasse ich die Gruppe und biege ab ins Einkaufszentrum, meine Einkaufsliste abarbeiten. Milch, Butter, Kekse, Wurst… Und dann zurück aufs Schiff, zum Captain’s Dinner.
Die Abschiedsveranstaltung findet schon heute statt, da viele Gäste südgehend schon in Trondheim aussteigen. Das hat den Vorteil, dass man einen früheren Rückflug nehmen kann und nicht erst gegen Mitternacht in Deutschland landet. Aber wir bleiben bis Bergen an Bord. Der Sektempfang war ja schon am Mittag, und heute gibt es nur eine einzige Essenssitzung für alle verbliebenen Gäste. Hurtigruten ist zwar jetzt schon 131 Jahre alt, aber können noch einmal das 5-Gänge-Jubiläumsmenü genießen.
Vorher gab es aber doch noch einen Programmpunkt: Die Auktion zugunsten der Hurtigruten-Foundation. Versteigert werden diesmal eine altertümliche topografische Karte, eine moderne Seekarte, ein Besuch im Maschinenraum und die Postflagge des Schiffs. Die Postflagge geht zum Schnäppchenpreis von 1000 NOK an den ersten Bieter; bei der topografischen Karte steige ich bei 200 oder 300 NOK aus. Schade, die war eigentlich ganz hübsch.
Nach dem Essen folgte der nächste Programmpunkt: Es gab einen Fotowettbewerb. Das Expedition Team zeigte die 25 Einsendungen und den Gewinner: Eine unserer weiblichen Passagiere, kurzärmlig im Schnee. Mal was anderes als die üblichen Landschaftsfotos.
Vom Rest des Tages ist nicht mehr viel zu erzählen: Wir legen in Rørvik an, wo es tatsächlich ein paar Wolkenlücken gibt, nur an den falschen Stellen, und die Polarlichtaktivität ist auch eher mau. Der Blick in den Himmel verspricht nichts gutes, und die Bewölkung soll eher zunehmen. Wir machen uns an die Überquerung der Folda, und ich mache Feierabend: Wolken, Seegang, und morgen früh klingelt der Wecker.